Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 58

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Zuletzt hat auch ein junger Autor in einem hier im Hohen Hause präsentierten Buch die Weitergeltung des Artikels 19 Staatsgrundgesetz überzeugend begründet. Beim Verfasser, burgenländisch-kroatischer Herkunft, handelt es sich um den letzten Habilitanten des inzwischen emeritierten bekannten Staatsrechtlers Professor Robert Walter, nämlich um Dieter Kolonovits, dessen Werk "Sprachenrecht in Österreich", erschienen 1999, ich allen an Fragen des Volksgruppen- und Minderheitenschutzrechtes Interessierten nur empfehlen kann.

Der aus der alten Österreich-ungarischen Monarchie überkommene Verfassungsauftrag des Artikels 19 lautet so: "Alle Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache.

Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt."

Daran knüpft sich noch das Recht, Schulunterricht in der angestammten Muttersprache zu erhalten.

All das verträgt sich doch recht gut mit der verfassungs-, gesellschafts- und kulturpolitischen Intention der neuen Staatszielbestimmung, mag sie jetzt auch in zeitnäherer Sprache formuliert worden sein!

Zusammenfassend halte ich daher fest, dass wir mit dieser Proklamation durchaus kein Bekenntnis zum zeitgeistigen "Multikulturalismus", vielmehr eine Verpflichtung auf die zeitlose Aufgabe verbinden, die Identität der autochthonen Volksgruppen in Österreich, das heißt, ihren Bestand und ihre Erhaltung zu wahren und ihre sprachliche und kulturelle Entwicklung zu sichern und zu fördern.

Zugleich erhoffen wir uns davon, indirekt damit auch einen beispielgebenden Impuls für ein europaweites Volksgruppenrecht zu setzen.

All das motiviert meine Fraktion ganz besonders, dieser so grundlegenden, weil die Staatsziele betreffenden Ergänzung unserer Bundesverfassung zuzustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

12.18

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn Sie heute, wie ich zur Freude höre, mit den Stimmen aller Fraktionen eine Staatszielbestimmung beschließen, der zufolge sich die Republik Österreich zu ihrer sprachlichen und kulturellen Vielfalt und zum Schutz und zur Förderung der autochthonen Volksgruppen bekennt, so ist dies zunächst einmal ein Anlass zur Freude darüber, dass es möglich war, diesen wichtigen Schritt bei der Umsetzung der Anliegen des Memorandums der österreichischen Volksgruppen im Konsens aller im Nationalrat vertretenen politischen Parteien zu setzen.

Die gewählte Form einer Staatszielbestimmung ist aber auch Anlass, kurz in der Geschichte unserer Republik zurückzublicken.

Die österreichische Bundesverfassung, die am 10. November 1920, also vor nunmehr bald 80 Jahren, in Kraft getreten ist, enthielt nur wenige Bestimmungen mit programmatischem Inhalt, und zwar das Bekenntnis zur demokratischen Republik Österreich im Artikel 1 einerseits und zur Bundesstaatlichkeit Österreichs im Artikel 2 andererseits. Dies ist sicherlich auch auf die weltanschaulichen Gegensätze der an der Entstehung der Bundesverfassung beteiligten politischen Parteien zurückzuführen, die gerade in programmatischen Fragen nur einen politischen Minimalkonsens zuließen.


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