Bundesrat Stenographisches Protokoll 668. Sitzung / Seite 25

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Zudem haben wir abgesprochen, dass natürlich auch die österreichische Rechtsprechung im Vergleich zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Strassburg gesetzt wird.

Wir beobachten diese Situation in rechtlicher Hinsicht. Für eine Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Österreich ist also gesorgt.

Präsident Johann Payer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Wie beurteilen Sie die etwa von Foregger im Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch problematisierte Frage der Zitierung beleidigender Äußerungen im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verfolgbarkeit von beleidigenden Äußerungen in Medien?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Das ist eine Frage der Judikatur, die ich mit einem Beispiel beantworten möchte.

Wenn ein Medium A über Sie eine Beleidigung schreibt, die strafbar ist, dann können Sie dieses Medium natürlich klagen. Wenn ein anderes Medium dieses Erstmedium zitiert, besteht kein Grund, nicht klagen zu können, weil die Beleidigung dieselbe ist.

Es gibt allerdings eine so genannte Zitaten-Judikatur: Wenn das mit entsprechender Distanz er-folgt und auch noch andere Kriterien erfüllt sind, ist dieses Zitat nicht strafbar.

Es handelt sich um eine nicht unschwierige Frage in der Judikatur, und ich kann Ihnen nur sagen, die österreichischen Medienrichter gehören meines Erachtens zu den besten und anerkanntesten in Europa. Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine krasse Fehlentscheidung gefällt wurde, und auch kein Fall, in dem wissenschaftlich begründet erklärt wurde, es läge eine Fehlentscheidung vor. Läge eine solche tatsächlich vor, könnte die Generalprokuratur den Obersten Gerichtshof, wie zuvor beschrieben, anrufen.

Präsident Johann Payer: Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm um seine Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Hinblick auf eine gewisse Medienkampagne erlaube ich mir, eine vielleicht auch ein bisschen persönliche Frage, die auch mit Ihrer Funktion zusammenhängt, zu stellen:

Sind gegenwärtig noch Strafverfahren anhängig, die Sie selbst mittels Privatanklage wegen Ehrenbeleidigung oder übler Nachrede seit Ihrem Amtsantritt gegen Politiker der Oppositionsparteien eingeleitet haben?

Präsident Johann Payer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Gegen Politiker können keine Strafverfahren anhängig sein, weil ich nie eine solche Klage eingebracht habe. Ich habe allerdings, was bekannt sein dürfte, gemeinsam mit anderen eine Klage gegen Herrn André Heller eingebracht. Noch bevor der Expertenbericht erschienen ist, habe ich, weil es meiner Überzeugung und meinem Naturell entspricht, ein Vergleichsangebot gemacht. Bevor der Expertenbericht nach Österreich gelangt ist, hat Herr Heller dieses Angebot abgelehnt.

Mittlerweile habe ich diese Klage zurückgezogen, weil in den Zeitungen Berichte zu lesen waren, dass man den Gerichtssaal als Bühne für eine eher politisch-polemische Darstellung missbrauchen möchte, und ich wollte uns allen das ersparen. (Bundesrat Konecny: Ist das eine üble Nachrede jetzt?)  – Nein, das ist kein üble Nachrede. (Bundesrat Konecny: ... ist eine politische Nachrede, Herr Minister! – Rufe bei den Freiheitlichen: Hallo! Hallo!)


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