Bundesrat Stenographisches Protokoll 675. Sitzung / Seite 36

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Die Maßnahme, die wir heute diskutieren, dient also nur dem Zweck, einen Zustand herzustellen, der dieser ursprünglich sozialdemokratischen Konzeption entspricht. Denn: Das Bundeskrankenanstaltengesetz ist das Werk sozialdemokratischer Gesundheitspolitik und keine freiheitliche Erfindung.

Ebensowenig ist die Ambulanzgebühr als solche eine Erfindung der Freiheitlichen. Es waren vielmehr die Sozialdemokraten, die als Erste Selbstbehalte eingeführt haben. So haben die so genannten kleinen Versicherungen schon 1976 – vor einem Vierteljahrhundert also schon! – bei Eisenbahnern, Bauern, Gewerbetreibenden und Beamten – insgesamt 2 Millionen Österreichern – Behandlungsbeiträge eingehoben.

Der Wiener SPÖ-Stadtrat Rieder, von dem hier heute schon die Rede war, hat sogar eine Gebühr von bis zu 300 S gefordert. Ich zitiere:

"Jene, die aus Bequemlichkeit ohne Überweisung durch einen Arzt oder ohne akute medizinische Indikation die Spitalsambulanzen in Anspruch nehmen, sollten pro Besuch" – man höre! – "200 bis 300 S zahlen, für höhere medizinische Leistungen wäre der Selbstbehalt größer." – Zitatende. Das war 1995.

Im selben Jahr hat auch Rudolf Edlinger vorgeschlagen, in den Ambulanzen Selbstbehalte einzuführen, um die Leistungen zu verlagern. Ich frage Sie: Sind Rieder und Edlinger deshalb herzlose Abkassierer?

Ein viel größerer Abcasher scheint mir da der Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger zu sein, dem zur gesamten Problematik im Gesundheitsbereich nichts anderes einfällt, als die Krankenversicherungsgebühr zu erhöhen (Bundesrätin Kainz: Das ist gerechter!)  – und das ganz unabhängig davon, wie oft jemand ein Krankenhaus oder ein Ambulatorium aufsucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Betrachtet man die zahlreichen Ausnahmen von der Ambulanzgebühr, so kann von Herzlosigkeit ohnehin keine Rede sein. Das ist die Tatsache! Gegenüber der derzeit geltenden Regelung wurde der Katalog der Befreiungen um die mitversicherten Kinder erweitert.

Bezieher einer Waisenpension sind ebenfalls ausgenommen, wenn sie über kein anderes Einkommen verfügen.

Ausgenommen ist jeder, der in weiterer Behandlungsfolge stationär aufgenommen wird.

Ausgenommen sind sämtliche Personen, die von der Rezeptgebühr befreit sind.

Ausgenommen sind Frauen, die Leistungen infolge einer Schwangerschaft in Anspruch nehmen.

Ausgenommen sind Personen, die Organe, Blut und Blutplasma spenden.

Ausgenommen sind Dialyse- und Krebspatienten.

Unter diesem Aspekt verunsichert nicht die Ambulanzgebühr, sondern das Verhalten der SPÖ in dieser Frage.

Erstens ist Ihre Polemik substanzlos, weil sie keine einzige Alternative aufzeigt.

Zweitens ist Ihre Polemik verlogen, weil es die SPÖ war, die den Selbstbehalt in Österreich erfunden hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Es ist das Wort "verlogen" gefallen!) Ja, aber es betrifft niemanden persönlich, sondern das war ganz allgemein gemeint. (Bundesrat Konecny: Wenn Sie es bei einer Selbstdarstellung betrachten!) Da sind Sie aber der große Meister, Herr Professor, denn außer selbstdarstellerischer Rhetorik hört man von Ihnen ohnehin nicht viel. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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