Bundesrat Stenographisches Protokoll 677. Sitzung / Seite 13

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Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Soweit ich es weiß, hat man unter Minister Michalek (Bundesrat Konecny: Das war aber nicht Ihr Vorgänger! Da hat es noch jemand gegeben!)  – ich komme schon drauf, Herr Bundesrat – das Konzept entwickelt, dass aus der Sicht der Justiz, nämlich aus der Sicht der effizienten Betrachtung, Gerichte, die weniger als einen Richter auslasten, auf gar keinen Fall tolerabel sind. Das sind 29.

Mein Vorgänger Michael Krüger hat eher den Standpunkt eingenommen, dass man in diese Struktur nicht eingreifen sollte.

Ich habe den Standpunkt eingenommen und nehme ihn nach wie vor ein, dass wir die Gerichte effizienter gestalten müssen. Es geht mir dabei weniger um Effizienz im Sinne des monetären Bereiches, also des betriebswirtschaftlichen Bereiches, sondern vor allem um Effizienz im Sinne einer Spezialisierung.

Es sind Rechtsanwendung, Rechtsberatung und Rechtsauskunft und auch Urteilsschöpfung bei Gericht ohne Spezialisierung einfach nicht mehr möglich. Wir haben 40 Branchen zu betreuen. Bezirksrichter, die nur ein Gericht betreuen, das ohnedies nur zur Hälfte ausgelastet ist, die also auch zwischen Gerichten pendeln, können meines Erachtens auf Dauer diese optimale Rechtsbetreuung nicht mehr gewährleisten.

Aus unserer Sicht bedeutet eine optimale Rechtsbetreuung, dass wirklich alle Branchen von Spezialisten oder zumindest ansatzweise von Spezialisten betreut werden können. Unsere Vorstellung wäre, dass ein Bezirksgericht zumindest zehn Richter aufweisen sollte. Wir sind aber über jeden Schritt dankbar, der sich in diese Richtung bewegt.

Unsere Antwort und unser Problembewusstsein lautet also: Effizienzsteigerung durch Spezialisierung. Spezialisieren kann man aber nur dort, wo ausreichend viele Richter zur Verfügung stehen. Wenn ich auf einem Gericht einen "halben" Richter – unter Anführungszeichen – habe, kann ich den nicht spezialisieren. Das ist ein Rückschritt in der Rechtsbetreuung, den ich nicht verantworten möchte, den ich aber den Ländern in die Verantwortung gebe, denn diese haben das Recht, dazu ja oder nein zu sagen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 1163/M-BR/01.

Ich ersuche Herrn Bundesrat Georg Keuschnigg um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Meine Hauptfrage wurde im Zuge der vorhergegangenen Anfragebeantwortung zur Gänze erledigt. Ich darf daher mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, gleich zu einer Zusatzfrage kommen.

Herr Bundesminister! In welchem zeitlichen Rahmen wollen Sie die Reform der Gerichtsorganisation bewältigen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Der zeitliche Rahmen ist aus meiner Sicht nicht erstrangig zu betrachten. Wir sind mit einer Gerichtsorganisation konfrontiert, die im Prinzip 153 Jahre alt ist, die sich geographisch so aufgegliedert hat, dass man eine Verhandlung mit Ochsengespann oder Pferdegespann erreichen konnte.

Wir sind auch damit zufrieden, wenn wir zum Beispiel – völlig unverbindlich gesagt – im nächsten Jahrzehnt, aber mit möglichst baldiger legistischer Regelung zu einer moderneren Struktur kommen. Es kommt uns nicht auf den Zeitpunkt an, es kommt uns vor allem darauf an, dass man die Bevölkerung mit einer solchen Regelung nicht überfährt. Aber das Überfahren ist ohnedies sehr schwer möglich, weil, statistisch nachgewiesen, jeder Österreicher nur einmal in seinem Leben zu Gericht geht. Also der Schock könnte auch bei kürzeren Umsetzungsfristen nicht allzu groß sein.


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