Bundesrat Stenographisches Protokoll 678. Sitzung / Seite 39

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Es ist bis 1999 tatsächlich ein ganz geringer Rückgang im Bereich der Gewalt gegen Frauen und Kinder zu verzeichnen. Das hat aber etwas zu tun mit Maßnahmen, die von der damaligen Regierung ganz bewusst gesetzt wurden (Bundesrat Ing. Gruber: Oho!), Maßnahmen, die mir damals zu wenig waren und auch heute noch zu wenig sind. (Bundesrat Ing. Gruber: Oho!) Aber, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es muss uns nachdenklich stimmen – wenn Herr Bundesrat Gruber aus meinem Bundesland Kärnten permanent "Oho!" dazwischenruft (Bundesrat Ing. Gruber: Oho!), dann muss ich hier feststellen, es muss auch Bundesrat Gruber nachdenklich stimmen –, dass zwischen 73 Prozent und 98 Prozent der Betroffenen von Gewaltdelikten und Gewalttaten Frauen und Mädchen sind.

Herr Kollege Gruber! Das ist nicht lächerlich, das ist ein Faktum, das auch für diese Regierung ein politischer Auftrag sein muss, ein politischer Auftrag, auf Bewusstseinsebene, auf gesetzlicher Ebene und auch in der sprachlichen Unkultur der Politik Maßnahmen zu ergreifen. Heute wird schon wieder davon gesprochen, dass es – ich zitiere jetzt – "eh nicht so schlecht ist, dem Kind ein bissel eine Watschn zu geben" – Zitatende –, und ein Politiker, der dieser Haltung das Wort redet, trägt zur Gewalt in der Gesellschaft massiv bei und legalisiert damit auch Gewaltangriffe und Übergriffe.

Herr Kollege Gruber! Es ist überhaupt nicht lächerlich (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Gruber )  – ich mache Sie einmal betroffen, denken Sie, dass, wenn ich von Frauen und Mädchen spreche, Ihre Tochter gemeint ist (Bundesrat Ing. Gruber: Ich habe nur Söhne!) auch Ihr Sohn könnte gemeint sein, auch bei sexuellen Misshandlungen, auch bei Gewalttaten könnte Ihr Sohn Betroffener sein –, dass von 690 erwiesenen Fällen von sexuellem Missbrauch, bei denen es auch zu einer Verurteilung kam, 535 Fälle Frauen und Mädchen betreffen, die vergewaltigt wurden, die Opfer wurden. Diese Zahl widerspiegelt aber bei weitem nicht das, was in der Vergangenheit und heute zunehmend tabuisiert und verharmlost wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Sicherheitsbericht muss Anlass sein, positive Tendenzen und Ansätze, die in der Vergangenheit für eine gewaltfreiere Gesellschaft in jeder Hinsicht gesetzt wurden, fortzusetzen und auszubauen. Mit solch genannten Sparmaßnahmen darf nicht dort begonnen werden, wo es diese positiven Ansätze gibt, weil das im Verhältnis zu dem, was Gewalt kostet, was auch männliche Gewalt kostet, ohnehin nur minimale Budgetbeträge sind. Das Wichtigste der Sicherheitspolitik und der Politik insgesamt – da sind nicht nur der Innenminister und der Justizminister gefordert, sondern auch alle anderen – muss die Frage der Prävention, der Prävention vor Gewalt sein.

Politik kann nicht erst dort einsetzen, wo wir bereits die Täter und die Opfer haben. Daher fordere ich diese Bundesregierung auf, ihrer Verpflichtung nachzukommen und bei ihrem so genannten Sparkurs nicht dort einzusparen, wo wir uns Gewalt und Gewalttaten ersparen könnten. Dieses Konzept wäre auch das volkswirtschaftlich teurere Konzept als das umgekehrte.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, jetzt auch bei Kollegen Gruber aus Kärnten vielleicht ein bisschen Verständnis geweckt zu haben für die betroffene Sprachlosigkeit, die in Wirklichkeit unter vielen Menschen, auch unter Männern, angesichts dieser Daten, dass Frauen und Mädchen zu 90 Prozent die Opfer sind, entstanden ist. Wenn Sie mir dann entgegnen, dass Frauen auch Täterinnen sind, dann sage ich Ihnen: Ja, aber schauen Sie sich die Prozentzahlen an! All das hat etwas mit ökonomischer Ungleichheit zu tun, es hat etwas mit Machtungleichheit und mit dem gesellschaftlichen Klima zu tun.

Sie werden jetzt verstehen, warum Frauen und auch partnerschaftlich denkende Männer damals mehr als betroffen und auch entsetzt waren, als Frauenminister Herbert Haupt es sich zur ersten Angelegenheit gemacht hat, ein Männerministerium ohne Inhalt einzurichten. Das war blanker Zynismus, wobei ich sage, dass Männerberatungsstellen, partnerschaftliche Arbeit, Mediation, Männerberatung sehr dringend notwendig sind, aber nicht im zynischen Sinn, wie diese Männerabteilung politisch eingesetzt wurde, sondern im ernsthaftesten Sinn.


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