Bundesrat Stenographisches Protokoll 678. Sitzung / Seite 122

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Es gibt viele Betriebe, vor allem Kleinbetriebe, die, obwohl sie unter der 25-Bediensteten-Grenze liegen, bereit sind, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Ich denke, das sollte man fördern, anerkennen, weil das auch ein konkreter Beitrag zur Lösung dieses wichtigen Problems ist.

Ich glaube, dass wir auch an der Reform des Behinderten-Begriffes und an der Feststellung der Behinderten-Eigenschaft arbeiten sollten. Die Feststellung der Behinderten-Eigenschaft erfolgt derzeit nach einer schon mehr als 30 Jahre alten Richtsatzverordnung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz. Gott sei Dank gibt es immer weniger Kriegsopfer, die Zeit der Nachkriegsära ist vorbei. Damals war der klassische Behinderte derjenige, der im Krieg verwundet wurde, eine Verletzung erlitten hat. Jetzt gibt es vorwiegend zivile Invalide, und man sollte das System diesen neuen Anforderungen der Gesellschaft anpassen, so wie das auch in der Unfallversicherung gemacht wird. Heute gibt es auch völlig andere Methoden.

Das ist reformbedürftig, denn die Einschätzungskriterien sind andere als in der Nachkriegszeit, und die Medizin hat in der Zwischenzeit große Fortschritte gemacht.

Vor 30, 40 Jahren war mit einem Hüftleiden noch eine dauernde Behinderung verbunden – heute werden Gelenke ausgewechselt. Die Medizin hat eben Fortschritte gemacht. Das sollte man auch in diesem Bereich zur Kenntnis nehmen und neue Maßstäbe anlegen, um eben den Behinderten-Begriff neu zu formulieren.

Es ist also auch die dazu erforderliche Verordnung noch immer ausständig. Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, in dieser Richtung tätig zu werden, um zu einer Besserstellung der Behinderten und zu einer Aktualisierung des Behinderten-Begriffes zu kommen.

Ich habe schon das Problem von Betrieben, die unter der 25-Mitarbeiter-Grenze liegen, die also nicht ausgleichspflichtig sind, angesprochen. Aber auch diese Betriebe haben diesen Kündigungsschutz zu tragen, obwohl sie eigentlich unter dieser Grenze liegen; ich habe das Beispiel schon genannt.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit dem Behinderten-Einstellungsgesetz ist die Wirtschaftsförderung von Behinderten-Werkstätten. Ich bin dafür, dass man, wenn sozusagen alle Stricke am normalen Arbeitsmarkt reißen, auch Behinderten-Werkstätten fördert. Das sollte aber die letzte Maßnahme sein. Ich bin aber dagegen, dass Behinderten-Werkstätten reine Handelsbetriebe sind und dass dort keine Wertschöpfung erfolgt. Das führt dann nämlich zu einer Wettbewerbsverzerrung der Betriebe, die anders kalkulieren können, und ich glaube, wir erweisen damit auch den Menschen mit Behinderungen keinen guten Dienst, weil sie eigentlich um ihre Arbeit betrogen werden, wenn in diesen Betrieben keine Wertschöpfung erfolgt. Das, so glaube ich, sollte man auch beachten.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, dieses Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es gibt noch vieles zu verändern und zu verbessern. Ich glaube, man sollte einmal eine Umfrage unter den Betrieben starten und fragen, wie viele Unternehmen Menschen mit Behinderungen aufnehmen würden und warum sie es bisher nicht getan haben, um einmal einen Befund, eine Analyse als Basis, auf der man aufbauen kann, zu haben.

Ich glaube, dass man auch eine Job-Börse für Menschen mit Behinderungen einrichten könnte. Vorrangiges Ziel ist die Vermittlung von Beschäftigung im primären Arbeitsmarkt und nicht die Unterbringung im sekundären Arbeitsmarkt. Es geht um Dauer-Arbeitsplätze für Behinderte, aber um auch zeitlich befristete. – Warum nicht, wenn solche Plätze zur Verfügung stehen?

Ich sehe eine große Möglichkeit auch im Bereich der Informationstechnologie: Die neue Infor-mationstechnologie bietet auch Menschen mit Behinderungen Chancen der Beschäftigung und der Arbeit. Ich sehe ein großes Betätigungsfeld auch noch in der Beratung, im Erfahrungsaustausch, in der Information. Ich merke auch immer wieder, dass Klein- und Mittelbetriebe gerne bereit wären, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, wenn sie mehr Informationen über diesen Bereich hätten.


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