Bundesrat Stenographisches Protokoll 685. Sitzung / Seite 17

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Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichsten Fortschritte im Vereinswesen durch die Schaffung eines Zivilverfahrensrechts?

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die wesentlichsten Fortschritte im Vereinsrecht bestehen darin, dass auf Grund der großen Bandbreite der Tätigkeiten der Vereine – nämlich vom kleinen Verein, der unbedeutende wirtschaftliche Tätigkeiten entwickelt bis hin zum Großverein, der wie eine Aktiengesellschaft geführt und kontrolliert werden muss und soll – das Gesetz nunmehr die Handhabe dafür gibt, auf all diese Verschiedenheiten und Ausprägungen einzugehen. Das ist vor allem im Bereich der Rechnungslegung der Fall, das ist im Bereich der Kontrolle der Fall, und das ist auch in den Haftungsfragen der Fall.

Der Herr Innenminister hat gestern selbst berichtet, dass er Präsident eines Vereines wurde, der 800 Millionen Schilling – das waren seine Worte – umgesetzt hat, und er nach ausführlichem Studium der Rechtslage eigentlich doch gewisse Sorge hatte, dass er ungewollt in eine Haftungssituation kommen könnte. Das ist ein typisches Denken und eine typische Befürchtung unserer auch ehrenamtlichen Vereinsfunktionäre, und diese Gefahr wollten wir im Sinne einer wirtschaftlich sauberen Lösung bereinigen.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Was ist eigentlich die Motivation – abgesehen davon, dass dieses Gesetz schon ein altes beziehungsweise sehr früh beschlossenes Gesetz ist –, auf das Jahr der Freiwilligen nun mit diesem Gesetz zu antworten? Dieses Gesetz greift rechtlich in eine Vereinslandschaft ein, die doch eigentlich in der Praxis gut funktioniert. Es kommt eine ganze Reihe von strengen Haftungsregelungen und aufwendigen Gebarungsvorschriften. Das, was eigentlich interessant gewesen wäre, nämlich eine stärkere Trennung von Vereinstätigkeit und Unternehmenstätigkeit vorzusehen, schafft dieses Gesetz allerdings nicht.

Präsidentin Uta Barbara Pühringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich glaube, dass wir dasselbe Ziel verfolgen, Herr Bundesrat, allerdings eben ich aus der Sicht des Justizministers, der auch dort klare Regelungen schaffen will, wo die Unklarheiten noch nicht an den Tag getreten sind. Es ist richtig, dass das Gesetz im Prinzip funktioniert hat. Es ist auch richtig, wie Sie gesagt haben, dass es ein sehr altes Gesetz ist; es stammt aus dem Jahr 1867 und wurde im Jahr 1951 novelliert. Aber ebenfalls richtig ist, dass dieses Funktionieren von einer nicht unkomplizierten Judikatur getragen war, die dem Laien nicht zugängig war.

Es hat sich zum Beispiel an der Debatte um die Strafprozessordnungs-Novelle betreffend Vorverfahren gezeigt, dass man nicht zu lange damit warten soll, Gesetze auf Modernität und Novellierungsnotwendigkeit hin zu überprüfen, denn bei zu langem Warten wird der Regelungs- und Novellierungsbedarf so groß, dass eine Riesendebatte entsteht, die wiederum sehr schwierig zu bewältigen ist. Ich gehe deshalb so ausführlich auf Ihre Frage ein, Herr Bundesrat, weil sie wirklich den Kernpunkt trifft: Hätten wir bei der StPO schon früher Reformschritte gesetzt, hätten wir heute nicht die Notwendigkeit, ein gigantisches Reformwerk auf den Tisch zu legen, bei dem nicht nur sachlich, sondern auch politisch motiviert argumentiert wird.

Beim Vereinsgesetz haben Sie völlig Recht. Es hat – gerade noch – funktioniert, es war aber absehbar, dass es für das 21. Jahrhundert nicht mehr ganz fit ist. Man hat die Judikatur angesehen und durchdacht und diese Strukturen neu geschaffen. Ich selbst lese natürlich viele Gesetze, und ich habe es heute schon erwähnt: Sehen Sie sich einmal das Inhaltsverzeichnis an, also die Paragraphenstrukturierung, dann erkennen Sie das wirkliche Bemühen des Gesetzgebers, für jedermann, der das liest, Klarheit zu schaffen, und das vor allem auch in der


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