Bundesrat Stenographisches Protokoll 685. Sitzung / Seite 102

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um 40 bis 60 Milliarden Dollar jährlich, und der amerikanische Finanzminister weist diese Forderung zurück, indem er die Ergebnisse der Entwicklungshilfe in den letzten 50 Jahren stärkstens in Zweifel zieht. Wenn ich die Einleitung zu unserem Gesetzestext, den ich eben verlesen habe, hier vor Augen habe, dann muss ich sagen, ich hege einige Sympathien für die Aussagen des amerikanischen Finanzministers, dass die Entwicklungshilfe im Großen und Ganzen nicht – harmlos ausgedrückt – das bringt und brachte, was man hier und in anderen Parlamenten und bei schönen Reden immer von sich gegeben hat. In unserem Text wird 25 Jahre Entwicklungshilfe erwähnt, und es steht, die Armut sei angestiegen. Da muss ich sagen, es ist irgendetwas falsch gelaufen, meine Damen und Herren!

Es wird aber vom Weltbank-Präsidenten auf die guten Erfolge in China hingewiesen, wo die Zahl der Armen in der Landbevölkerung in den vergangenen 20 Jahren von 250 Millionen auf 34 Millionen verringert worden sei. In Vietnam habe sich die Zahl der Armen halbiert, und in Indien sei der Anteil der Frauen, die lesen und schreiben können, in den vergangenen zehn Jahren von 39 Prozent auf 54 Prozent angestiegen.

Weiters meint er: Im Jahr 1990 reichte 1 Milliarde Dollar Finanzhilfe nur dafür aus, rund 100 000 Menschen dauerhaft aus der Armut zu befreien. 1998 konnte mit demselben Betrag schon 284 000 Menschen geholfen werden. Die Produktivität der Entwicklungshilfe, so meint er, hat sich also nahezu verdreifacht. Auch besonders erfolgversprechend hätten sich die zinsenlosen Langfristkredite erwiesen, die die International Development Association, die IDA, der Weltbank an die ärmsten Entwicklungsländer vergeben.

Die erheblichen Meinungsunterschiede über den Kurs der Entwicklungshilfe werden vermutlich die Konferenz der Vereinten Nationen zur Entwicklungshilfe prägen, die Anfang kommender Woche im mexikanischen Monterrey stattfinden wird. Der amerikanische Präsident Bush wird nach Monterrey reisen, um die Haltung seiner Regierung zu bekräftigen. Ich bin überzeugt, dass auch Österreich bei dieser Konferenz vertreten sein wird.

Jetzt kann man natürlich zur Entwicklungszusammenarbeit durchaus mit dem Wort Solidarität, internationale Solidarität argumentieren – ein Punkt, der das christliche Gebot der Nächstenliebe beinhaltet und wo auch davon die Rede ist, dass die Hingabe des Zehenten an die Armen als christlich zu bezeichnen ist.

Gegenwärtig geben aber die Vereinigten Staaten nicht ein Zehntel, sondern immerhin ein Tausendstel ihres Sozialproduktes für staatliche Auslandshilfe aus, und Ähnliches steht auch in anderen Demokratien zu erwarten und wird durchgeführt. Aber die Demokratien haben den Interessen ihrer eigenen Bürger zu dienen.

Globalisierung der Wirtschaft hingegen hängt auch mit Entwicklungszusammenarbeit zusammen, weil behauptet wird, die Globalisierung hilft den Armen, den Ärmsten dieser Länder. Die Globalisierung der Wirtschaft ist etwas ganz Anderes als Solidarität, das meinte schon der erste Globalisierungsexperte, der schottische Professor der Moralphilosophie Adam Smith. Er unterschied genau: In der menschlichen Kleingruppe, in welcher jeder jeden kennt, muss das leitende Prinzip Sympathie sein, die freundschaftliche, menschliche Zuwendung, oder anders ausgedrückt mit heutigen Worten: Solidarität. Dieses gesellschaftliche Koordinierungsprinzip empfahl und schrieb er in seinem berühmten Buch "The Theory of Moral Sentiments".

Ganz anders hingegen ist es im Fall eines komplexen großgesellschaftlichen Systems der Weltwirtschaft. Dieses ist für den einzelnen Entscheidungsträger wegen seiner unendlich komplexen Verflechtung grundsätzlich undurchschaubar. Jetzt zitiere ich Professor Erich Streissler, den zumindest jene kennen, die auf der Wiener Universität Jura und Volkswirtschaft studiert haben und ihn zum Teil auch prüfungsmäßig nicht immer angenehm in Erinnerung haben – so auch ich –, aber trotzdem bin ich ihm jetzt, nachdem alles durchstanden ist, sehr freundschaftlich verbunden, und daher zitiere ich ihn auch gerne.

Wie weiß ich, so schreibt Streissler, wenn ich Biobananen zu einem überdurchschnittlichen Preis kaufe, ob der Preisvorteil wirklich wie vorgeschützt den kleinen Bananenbauern zukommt


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