Bundesrat Stenographisches Protokoll 685. Sitzung / Seite 103

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oder nicht eher dem österreichischen Vertriebsnetz, amerikanischen Großgrundbesitzern oder ausländischen Politikern? – Mangels Vorstellbarkeit der viel zu komplexen Wirtschaftszusammenhänge ist also jegliche Art von Solidarität unmöglich, so meint Streissler. Er kann sich mit den undurchschaubaren Zusammenhängen von wirtschaftlichen Großgesellschaften nur auf eines verlassen, nämlich – wie Adam Smith – auf self interest.

In Verfolgung dieses Eigeninteresses werden das Recht und die Gesetzgebung in Schranken gewiesen, und wir versuchen, unseren Vertragsverpflichtungen voll nachzukommen. Mehr zu verlangen, ist niemandem von uns möglich. So lange der freie Wirtschaftsverkehr weder durch physischen Zwang noch gar durch Krieg verzerrt ist – als Pazifist ging Smith von solcher Verzerrungslosigkeit aus –, so lange kein Protektionismus vorherrscht, solange führt internationale Arbeitsteilung zur Maximierung der Konsummöglichkeiten aller Beteiligten. Wenn Entwicklungsländer erstens rational und zweitens freiwillig exportieren, so erhalten sie im Freihandel vielleicht keinen ihnen fair erscheinenden Preis, das heißt nicht einen solchen, den sie in der schönsten aller Welten erhalten möchten, wohl aber, rein logisch zwingend, notwendigerweise einen höheren Preis, als wenn sie diese Güter behalten würden. Das wäre Globalisierung. Das wäre vorteilhaft, wenngleich, wie so vieles im Leben, durchaus nicht allen Hoffnungen entsprechend.

Streissler meint weiter: Überhaupt war das 20. Jahrhundert eher ein Jahrhundert der Entflechtung als ein Jahrhundert der Verflechtung. Eine Verflechtung der entwickelten und weniger entwickelten Länder war am Anfang des 20. Jahrhunderts vielleicht noch erkennbar. Derzeit treiben die Triade Europa-USA-Japan eigentlich hauptsächlich miteinander Handel. Bis auf Erdöl macht der westliche Handel kaum mehr – Sie werden es nicht glauben – als 1 Prozent aus.

Die entwickelte Welt wurde, als Ganzes genommen, fast autark infolge substituiver technischer Neuerungen. Auch Tee, Kaffee, Kakao, die auch von immer mehr Ländern erzeugt werden, und teilweise Bananen bleiben neben Tourismus-Attraktionen fast allein noch übrig. Daher wird wohl auch die europäische Osterweiterung keineswegs mittelfristig die Erfolgsstory werden, so meint Streissler, die wirtschaftsunkundige, meist in Brüssel beheimatete Europapolitiker erwarten. Das wirtschaftliche Schicksal der vormaligen DDR soll uns eine Lehre sein. Zehn Jahre intensivster Entwicklungshilfe hat noch zu wenig im Aufholprozess dieses Teiles Mitteleuropas geführt. Wir sollten uns daher bei der Einsetzung und Verwendung unserer Steuermittel sehr bemühen, zu sehen, wie diese Mittel eingesetzt werden, nicht nur das Herz sprechen lassen – das ist wichtig –, auch die Vernunft verwenden und schauen, dass das, was als Globalisierung bezeichnet wird, nicht zu einer gekonnten Triade der Vermögenden gegenüber den Unvermögenden verkommt und verbleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

15.25

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Außenministerin! Lieber Herr Kollege Gudenus! Ich weiß nicht, ob es an der Uhrzeit liegt, aber mir sind Ihre Ausführungen jetzt vorgekommen wie eine Tour der Qual. Ich habe irgendwie das Gefühl gehabt, das ist ein Dossier eines neuen Beitrags, den Sie für Ihre Postille "Zur Zeit" schreiben, oder vielleicht eine Rechtfertigung dafür, dass Sie dem zustimmen, das unglaublich aus sich herauspressen müssen und dann doch noch versuchen, das Ganze mit Triaden, und was weiß ich, zu versehen. (Bundesrätin Haunschmid: Das kommt auf das Niveau an!) Aber dass Sie dann neoliberale Wirtschaftswissenschaftler und vor allem den republikanischen Finanzminister der USA so quasi als Schiedsrichter über gelungene oder nicht gelungene Entwicklungszusammenarbeit zitieren, ist schon ein bisschen ein weiter Weg. Sie werden verstehen, dass das nicht meiner ist. Vielleicht hätten Sie andere Maßnahmen für Ihre Bewertung heranziehen sollen, zum Beispiel die WTO, die Weltbank, den International Monetary Fund oder was auch immer. (Bundesrat Mag. Gudenus: Schennach vielleicht!)


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