Bundesrat Stenographisches Protokoll 718. Sitzung / Seite 88

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

kleines Beispiel dafür bringen; man muss schon Wissenschafter sein, um das zu durchschauen.

Beispiel: Der Bund ist zuständig für das „Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und des Ret­tungswesens, hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten, des Kurortewesens und der natürlichen Heilverkommen jedoch nur die sanitäre Aufsicht“.

Oder, ein anderes Beispiel: Bundessache ist die Gesetzgebung, Landessache die Voll­ziehung in Angelegenheiten betreffend „berufliche Vertretungen, soweit sie nicht unter Artikel 10 fallen, jedoch mit Ausnahme jener auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet sowie auf dem Gebiet des Berg- und Schiführerwesens und des in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallenden Sportunterrichtswesens“.

Viel Spaß, liebe Leute! Da soll sich jemand auskennen! – Erzählen Sie das einmal Schülern, erzählen Sie das einmal Menschen, die sich in der Verfassung auskennen wollen.

In diesen Konvent wurden, Herr Kollege Hösele, sehr viele Hoffnungen gesetzt, aber es wurde auch sehr viel dorthin geschoben, einfach abgeschoben. Wir hatten auch hier Debatten, wo man, wenn ich etwas gefordert habe, gesagt hat: Wir warten auf den Konvent! Aber letztlich haben wir eineinhalb Jahre Stillstand gehabt! Immer wieder hat es gelautet: Wir warten auf das Ergebnis des Konvents!

Insbesondere bitter, meine Damen und Herren, war das bei jenen Anregungen, die die Volksanwaltschaft mehrmals bezüglich Missstände gemacht hat. Diese Anregungen der Volksanwaltschaft wurden auf den Konvent verschoben. Das hieß es wieder ein­mal: Warten wir auf den Konvent!

Unser lieber Präsident hat gesagt: Der Konvent ist tot! – Es lebe der Konvent!, hat er zwar gemeint, aber der Konvent ist tot. Insofern bedauere ich diesen Stillstand. Aber warum ist er denn tot, und was waren eigentlich die Kriterien?

Da muss ich, sehr geehrter Herr Landeshauptmann Niessl, leider auch eine Kritik an den Landeshauptleuten üben. Sie haben sich nahezu vollständig in den Konvent hin­einreklamiert, und letztlich sind die Landeshauptleute – mit wenigen Ausnahmen – dort nur durch politische Beamte vertreten worden.

Meine Damen und Herren! Wenn man eine Verfassungsreform will, dann kann man sich nicht von weisungsgebundenen Beamten vertreten lassen, sondern dann muss man den Horuck selbst schaffen – oder man soll aus dem Gremium gehen und das politisch handelnden Personen überlassen.

Einer der besonders heuchelnden Landeshauptleute – vielleicht bekomme ich jetzt einen Ordnungsruf; ich weiß es nicht – ist der Herr Landeshauptmann von Niederöster­reich Dr. Pröll. Dieser wetterte unlängst bei einem öffentlichen Auftritt in Niederöster­reich gegen Konvent. Er behauptete, dass dort der Versuch unternommen worden sei, durch den Zentralismus den Föderalismus und die Länder zu schwächen. – Der gleiche Landeshauptmann Pröll ist keine einzige Minute im Konvent gewesen, obwohl er für sich einen Sitz reklamiert hat. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren!

Nachher sich aufzuregen, sich zu großen Sagern gegen den Zentralismus aufzu­schwingen, aber in Wirklichkeit kein einziges Mal den Konvent besucht und seine Posi­tion abgegeben zu haben, das ist, meine Damen und Herren, ein doppeltes Spiel – das da leider Gottes von vielen Landeshauptleuten gespielt wurde.

Zu kritisieren ist auch, dass das Papier der Landeshauptleute – Kollege Pehm hat es als „Niessl-Papier“ bezeichnet – erst im Nachhinein gekommen ist. Jetzt haben wir


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite