Bundesrat Stenographisches Protokoll 718. Sitzung / Seite 89

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das „Niessl-Papier“ und den „Fiedler-Entwurf“. – Na super! Alles verspätet, meine Damen und Herren!

Sehr geehrte Landeshauptleute! Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Konvents! Wer sich verspätet, den bestraft die Geschichte! Ihre Dokumente können Sie schubladisie­ren, denn sie sind in der Form, wie sie vorgelegt wurden, nicht eingeflossen, denn diese Post ist zu spät angekommen! Da kann dann, so wie es derzeit aussieht, auch in der Form nichts herauskommen.

Noch etwas: Das Papier der Landeshauptleute ist ein glattes Misstrauen der Landes­hauptleute gegenüber dem Bundesrat. Wenn man nämlich jetzt eine Zustimmung des Bundesrates mit einer weiteren Zustimmung von mindestens sechs Ländern verknüpft, dann heißt das, dass die Länder beziehungsweise die Landesfürsten dem Bundesrat misstrauen und sich noch eine eigene Zustimmungssicherung da einbauen. Ich ver­mute, Herr Kollege Konecny, da es gerade sechs Bundesländer sind, dass sich da die SPÖ-Landeshauptleute nicht gerade in vornehmer Zurückhaltung geübt haben werden.

Die Vorgangsweise ist: Die Rettungsleine behalten wir, wir wissen nicht, ob wir den Bundesrat unter der Kandare haben! – Aber das, wo die SPÖ gemeinsam mit den Grünen dagegengestimmt hat, scheint jetzt im „Niessl-Papier“ wieder auf, nämlich ein gebundenes Mandat.

Meine Damen und Herren! Ich habe es hier offen vorgeführt – der „arme“ Kollege Him­mer ist da mein geliebtes Opfer gewesen –, als mein Landeshauptmann Häupl eine Meinung an den Bundesrat abgegeben hat und ÖVP und FPÖ große Sehnsucht nach einem gebundenen Mandat hier zum Ausdruck gebracht haben. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!)

Große Sehnsucht, Herr Kollege Böhm! Sie haben es abgestimmt, mehrheitlich wollten Sie gegen die Minderheit von SPÖ und Grüne ein gebundenes Mandat und haben das auch dem Konvent empfohlen. Das wäre wahrscheinlich eine Frage der Beschickung im Deutschen Bundesrat, aber lassen wir das jetzt weg. Wäre aber die Beschickung gleich geblieben, dann wäre sozusagen Ihr neuer Kapo Herr Häupl und nicht Frau Haubner oder Herr Haider gewesen.

Zu meiner großen Verwunderung steht das gebundene Mandat jetzt im „Niessl-Pa­pier“ – auch wenn hier steht: „in wichtigen Bereichen“. – Na, wer entscheidet, was wichtig und was nicht wichtig ist!

Auf die Verweigerung der Länder hat Herr Kollege Gudenus neben seinen Sicherheits- und militärischen Ausführungen hingewiesen, und zwar auf diese Sache mit dem ein­nahmenzentrierten Bundesstaat und dem ausgabenzentrierten Föderalismus, wo sich eine Schere auftut.

Aber genau diesen Vorschlag, nämlich ein eigenes Steuerfindungsrecht für die Länder in der Verfassung zu verankern, lehnen die Länder wie der Teufel das Weihwasser ab – das sagen wir, die wir ehemals Ministranten waren –, und diese Verweigerung der Zustimmung zu etwas, wofür man Geld ausgibt, um eigene Einnahmen zu lukrieren, ist mir bis heute unverständlich.

Nun haben wir die Situation, dass wir diesen Stillstand von eineinhalb Jahren bei eini­gen Reformen sozusagen aufholen müssen, nämlich die Zeit des Stillstand des Kon­vents. Wir müssen nun verfassungsmäßig mit diesem Fleckerlteppich weiterleben. Wir müssen jetzt in den Beratungen im Bundesrat und in den Beratungen im Nationalrat schauen: Was können wir noch machen – aber ein großer Entwurf wird da nicht mehr möglich sein –, damit sich da endlich einmal etwas ändert. Ich erinnere nur: Wirt­schaftskammerwahlen stehen bevor. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach der Versteinerungstheorie. Das heißt, in vielen Fällen geht man auf das zurück, was 1920,


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