Bundesrat Stenographisches Protokoll 719. Sitzung / Seite 74

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Nun zur Materie, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungsparteien be­absichtigen heute, eine Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes durch­zupeitschen, die, kurz gesagt, eine Demontage der Umweltverträglichkeitsprüfung darstellt. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!) Bei dieser von der Regierung geplanten Novelle handelt es sich ganz eindeutig um Anlassgesetzgebung – eine Anlassgesetzgebung im Nachhall des politischen Spielfeld-Debakels, der drohenden EM-Stadion-Klagenfurt-Blamage und mit dem Blick auf kommende Großprojekte wie Flughafen Zeltweg und Teststrecke bei Voitsberg.

Da das Projekt Spielberg/Red Bull formal an der UVP-Genehmigung gescheitert ist und beim Klagenfurter EM-Stadion die Zeit davonläuft, soll anhand dieser beiden Aufhän­ger die UVP-Pflicht gleich für alle derartigen Projekte beseitigt werden. Künftig sollen bestimmte Großprojekte ohne Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt werden kön­nen. Sportstadien, Golfplätze oder Freizeit- und Vergnügungsparks werden nur mehr dann einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen werden, wenn sie dauerhaft errichtet werden.

Ebenfalls nicht UVP-pflichtig werden Sportstadien und Schipisten sein, die auf Grund internationaler Vereinbarungen für Großveranstaltungen errichtet werden. Derartige Anlagen sollen sogar in besonders schutzwürdigen Gebieten realisiert werden können. Die Folge: Künftig könnten Golfen im Vogelschutzgebiet oder auch die Erschließung riesiger Gletschergebiete zum Beispiel für FIS-Rennen ermöglicht werden – und das alles ohne Umweltverträglichkeitsprüfung!

Mit dem Aufweichen dieser Umweltverträglichkeitsprüfung demaskiert sich die ÖVP ganz eindeutig. Ökonomische Interessen sind offensichtlich doch wichtiger als ökolo­gische Erfordernisse oder die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger. Außerdem wird sehenden Auges EU-Recht verletzt. In den EU-Richtlinien gibt es keinerlei Ausnah­men, um zum Beispiel Olympiastadien ohne Prüfung auf ihre Umweltverträglichkeit zu bauen.

Damit in der Zukunft eine zivile Öffnung des Militärflughafens Zeltweg für Charterflüge und vielleicht sogar für Linienflüge möglich werden kann, sollen in der vorliegenden UVP-Novelle in einem Aufwaschen auch noch die UVP-Regelungen für Flugplätze neu geregelt werden. Durch veränderte Größenordnungen sollen die Errichtung und Verle­gung von Pisten dann nicht UVP-pflichtig sein, wenn sie in überwiegendem Ausmaß für Zwecke der Militärluftfahrt genutzt werden – bisher gilt dies ausschließlich für Militär­flugplätze.

Auch diese Änderung verstößt gegen EU-Gemeinschaftsrecht. Internationale Flughä­fen der Zivilluftfahrt sind in jedem Fall einem UVP-Verfahren zu unterziehen, alle übri­gen Zivillufthäfen einem UVP-vereinfachten Verfahren.

Die brennende Frage, die sich allen interessierten Beobachtern nun stellt, ist daher: Wird die EU-Widrigkeit der geplanten Neuregelung bei der UVP ganz bewusst in Kauf genommen? Eine Prüfung der beabsichtigten Änderungen im UVP-Gesetz durch den Europäischen Gerichtshof bedarf einiger Zeit, und währenddessen könnten gewisse Projekte ohne weiteres schnell durchgezogen werden.

Die von der Regierung geplanten Änderungen des bewährten Instrumentes Umweltver­träglichkeitsprüfung haben bei Expertinnen und Experten Fassungslosigkeit ausgelöst. Anlassgesetzgebung, einseitige Klientel-Politik, skandalöse Verwässerung von Um­weltstandards – das sind nur einige dieser Kriterien.

Aus dem Umweltministerium war zur geplanten UVP-Novelle zu vernehmen, dass streng definierte Ausnahmen im Umweltverträglichkeitsgesetz einen gangbaren Weg darstellen, weil internationale Großprojekte wünschenswert sind, weil sie eine regio-


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