Bundesrat Stenographisches Protokoll 719. Sitzung / Seite 130

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Weshalb fordern wir aber überhaupt ein Volksreferendum ein? – Weil wir daran glau­ben, dass ein Projekt von dieser supranationalen Tragweite in allen Mitgliedstaaten der nationalen demokratischen Legitimierung bedarf.

Was diese europaweite politische Rechtfertigung anlangt, haben sich unser Herr Bun­deskanzler und auch die Frau Außenministerin durchaus für eine gesamteuropäische Volksabstimmung eingesetzt und stark gemacht, und das nicht zuletzt auch auf Wunsch des Koalitionspartners, also von uns Freiheitlichen, in der Bundesregierung und im Parlamentsklub. Wir anerkennen daher seine beziehungsweise ihre Bemühun­gen darum durchaus, auch wenn sie am Widerstand fast aller anderen EU-Mitglieder gescheitert sind.

Was aber ist der Grund für dieses Scheitern? – Zum einen wollten einzelne Mitglied­staaten ein solche Abstimmung überhaupt nicht, zum anderen haben viele Mitglied­staaten entweder nach ihrer eigenen Verfassung ohnehin eine nationale Volksabstim­mung obligatorisch abzuhalten oder wollen aus innenpolitischen Gründen freiwillig die eigenen Stimmbürger befragen.

All das kommt aber gewiss nicht von ungefähr: Eine europaweite Volksabstimmung würde zwar ein einheitliches Ergebnis gewährleisten. Diesen Vorteil eines solchen Vor­gehens sehe und anerkenne ich voll. Eine europäische Abstimmung würde aber nach meiner Überzeug allgemein verfassungstheoretisch voraussetzen, dass ein europäi­sches Gesamtvolk oder ein dieses repräsentierendes Parlament eine Art von verfas­sungsgebender Versammlung legitimiert hätte.

Der EU-Verfassungskonvent kann indes nach meiner persönlichen Einschätzung nicht als eine derartige unmittelbar demokratisch-legitimierte europäische verfassungsge­bende Versammlung bewertet werden. Insofern kann die Berechtigung eines solchen Verfassungsprojektes nur von den Mitgliedstaaten, deren verfassungsmäßiger Ord­nung und deren demokratischer Legitimation ausgehen. Dieser weitere Souveränitäts­verzicht muss daher auch von innen gewollt sein.

Damit bin ich bei einem höchst neuralgischen Punkt angelangt: Sofern das Projekt einer EU-Verfassung einen solchen innereuropäischen Entwicklungsschritt im Sinne einer Vertiefung der politischen Union in Richtung Bundesstaat hin darstellt, also eine solche Dimension und einen solchen Qualitätswandel erreicht, dass von einer Gesamt­änderung der österreichischen Bundesverfassung zu sprechen wäre, dann wäre die von uns geforderte Volksabstimmung ohnehin sogar obligatorisch.

Meines Erachtens würden nämlich durch den Verfassungsvertrag so wesentliche Veränderungen EU-interner Verfassungsprinzipien vorgenommen werden, dass das aus meiner Sicht auf eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung gegenüber ihrem Stand von 1995 hinausliefe. Das ist freilich auch unter den österrei­chischen Verfassungstheoretikern äußerst umstritten und derzeit vermutlich eine Min­derheitsmeinung, mag sie auch so prominent wie vom anerkannten Staats- und Euro­parechtler Professor Theo Öhlinger vertreten werden. – Andere EU-Mitgliedstaaten sehen das aber in der Sache offenbar genauso.

Freilich wird der Abhaltung des Plebiszits vielfach entgegengesetzt, dass die Abstim­mung aus ganz sachfremden Gründen zur Ablehnung führen könnte, etwa deshalb, wie es in Frankreich insbesondere von Staatspräsidenten Chirac befürchtet wird, um einer Regierung für deren Innenpolitik einen Denkzettel zu verpassen. – Ich halte es jedoch für allzu paternalistisch bevormundend, das Volk erst gar nicht mit der Proble­matik zu befassen, und damit für demokratiepolitisch verfehlt. Unserem Demokratie­verständnis entspricht das nicht!

 


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