Bundesrat Stenographisches Protokoll 719. Sitzung / Seite 140

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wird Rechtsprobleme sonder Zahl in die EU bringen. (Bundesrat Schennach: Das sind die Herausforderungen für Europa, Herr Gudenus! – Bundesrat Todt: Das ist keine Verfassungsfrage!)

Das Nächste: Es wurde schon von einem meiner Vorredner auf die unglückliche Situa­tion in Kroatien hingewiesen. Da wird ein Staat in Geiselhaft genommen, weil sich ein noch nicht Verurteilter keiner Gerichtsverhandlung stellt – ein nicht Verurteilter, der sowohl die kroatische als auch die französische Staatsbürgerschaft hat.

Man tut so, als hätte es Kroatien allein in der Hand, diesen Mann, nämlich General Gotovina, auszuliefern. Wer sagt, dass sich General Gotovina – mit seinem französi­schen Pass – nicht in einer der ehemaligen französischen Kolonien aufhält?! (Vize­präsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Das ist also eine unsittliche Forderung an Kroatien – und der müsste man viel stärker entgegentreten. Gerade Kroatien war immer ein besonderer Freund Österreichs, und zwar sowohl in der Monarchie als auch im deutschen Reich früher ... (Bundesrat Todt: Auch im „Dritten Reich“! Auch im „Dritten Reich“!) Als einziger Staat hat Kroatien Eigentum, das während des Tito-Regimes verstaatlicht wurde, seinen ehemaligen Besitzern zurückgegeben. (Bundesrat Todt: Dieser Mann ist ein Kriegsverbrecher, den Sie hier nennen! Dieser Mann ist ein Kriegsverbrecher!)

Darum geht es nicht! General Gotovina ist noch nicht verurteilt! (Bundesrat Todt: Aber er ist ein Kriegsverbrecher!) Wer hat ihn verurteilt? (Bundesrat Todt: Er ist ein Kriegs­verbrecher! Dann soll er sich stellen?! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mein Gott! – Lieber Kollege, es gibt Gerichtsverhandlungen! Wenn man weiß, dass er ein Verbrecher ist, dann könnte man ihn ja gleich einsperren! Diese Verhandlung gab es nicht! Also: Er wird vorverurteilt! Ein solches Vorgehen lehnen wir doch auch inner­österreichisch ab! (Bundesrat Todt: Trotzdem ein Kriegsverbrecher, den Sie hier schützen, Herr Gudenus!)

Lieber Kollege, da werden wir nicht auf gleichen Fuß kommen. (Bundesrat Todt: Das brauchen wir auch nicht!) General Gotovina hatte noch keine Gerichtsverhandlung! (Bundesrat Todt: Auf Ihren gleichen Fuß brauche ich nicht zu kommen!) – Dann führen Sie halt einen Volksgerichtshof-Prozess ein! Das haben wir ja schon gehabt; das ist doch nicht ernst zu nehmen. (Bundesrat Todt: Schade, dass wir nicht mehr erwischt haben damals!)

Vor wenigen Tagen hatte ich die Möglichkeit, mit dem tschechischen Staatspräsiden­ten Klaus zu sprechen. Interessanterweise hat sich mit Präsident Klaus eine sehr gute Übereinstimmung ergeben, denn dieser erachtet – so wie ich – die europäische Verfassung als Gefahr für Demokratie und Freiheit in Europa.

Wer waren eigentlich die letzten echten Europäer? – Das wurde hier ja schon ange­sprochen, Herr Staatssekretär Morak. – Echte Europäer waren de Gaulle und vielleicht auch noch der deutsche Kanzler Helmut Schmidt. Das waren aber keine Europäer im Sinne der EU-Verfassung, sondern Europäer für ein Europa der Vaterländer, etwas, was es durch die EU-Verfassung nicht mehr geben wird! Man möge diese großen Europäer doch nicht als Vorbild für die europäische Verfassung nennen, Herr Staats­sekretär Morak!

Meine Damen und Herren! Ich beobachte den Übergang von der Integration zur Ver­einheitlichung Europas schon seit längerem, und zwar mit großem Verdruss und Ärger. Die Gefahr besteht darin, dass sich Europa von Demokratie und Freiheit löst. Ich kann mir eine demokratische Gesellschaft nicht ohne einen Staat vorstellen, der an eine oder mehrere Nationen gebunden ist. Die Demokratie braucht eine solche staatliche


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