Bundesrat Stenographisches Protokoll 719. Sitzung / Seite 141

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Grundlage, sonst befinden wir uns in einer Post-Demokratie – und die Europäische Union wird dann eine post-demokratische Institution!

Zur Demokratie und zum Parlamentarismus braucht man den „demos“, also ein Volk. Doch das haben wir in Europa nicht: Es gibt kein europäisches Staatsvolk, Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Schennach: Dahin entwickeln wir uns!) Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir so bald ein europäisches Staatsvolk haben werden. Der Vergleich mit den Vereinigten Staaten, wenn Ähnlichkeiten zwischen Massachusetts und Texas hergestellt werden, sieht doch so aus, dass diese Unterschiede bedeutend geringer sind als beispielsweise die zwischen Finnland und Griechenland. Das muss man doch zur Kenntnis nehmen!

Man sieht ja auch, wie das Europäische Parlament funktioniert, welches im Grunde genommen das Wort „Parlament“ eher als Absichtserklärung denn als inhaltliche Dar­stellung verdient. (Ruf bei der ÖVP: Wieso?)

Die Ausweitung der Kompetenzen dieses Parlaments kann nicht die Abwesenheit des „demos“ kompensieren! Die Demokratiedefizite der Europäischen Union sind irrepara­bel, Herr Staatssekretär Morak, und sie sind nicht mit der Änderung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments verbunden! Die europäische Verfassung und ihre Instrumente sind die falsche Lösung der mit der Erweiterung verbundenen Probleme. 448 Verfassungsartikel auf rund 850 Seiten lösen Probleme nicht, sondern schaffen sie!

Montesquieu (Bundesrat Gruber: Der auch?) hat vor rund 300 Jahren gesagt: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen! – Das wäre doch bedeutend besser als diese Verfassung, Herr Staatssek­retär!

Ich habe Angst um Europa. Ja, ich habe Angst – und deshalb bin ich gegen die Ratifi­zierung der europäischen Verfassung! Leider Gottes habe ich jedoch den Auftrag, da mitzustimmen. Das tut mir jetzt aber immer mehr Leid, je mehr ich diese Verfassung betrachte und darüber hier vortrage. (Bundesrat Todt: Stimmen Sie doch dagegen! – Bundesrat Schennach: Sie haben ein freies Mandat! – Ruf bei der SPÖ: Die nächste Ausschlussmöglichkeit für euch!)

Leider ist die Europäische Union und die Debatte über die Verfassung in den Händen von Leuten, in den Händen von „Europäisten“, die ihre Zukunft an die Europäische Union gebunden haben. Diese Leute brauchen internationale Organisationen wie die Europäische Union. Das ist ein ideales Forum für sie, Arbeit, Gehalt, Beruf und Repu­tation zu bekommen; sonst wäre nämlich ein Großteil der dort Beschäftigten überhaupt arbeitslos.

Ich habe zwei Gründe, gegen diese Verfassung zu sein. Erstens: Es ist das so eine dramatische Veränderung der österreichischen Verfassung, das kann man nicht einfach im Parlament ratifizieren, Herr Staatssekretär Morak! (Bundesrat Schennach: Aber Sie beschließen es!) Zweitens – und das kommt dazu – gibt es eine Kluft zwi­schen den Auffassungen der politischen Klasse und des Volkes. – Ich versuche da, die Ansicht des Volkes zu vertreten.

Verfassungsmäßig hätten wir hier eine Möglichkeit, genügen doch 20 Bundesräte, um die Abhaltung einer Volksabstimmung zu beschließen. Ich fordere Sie dazu auf, denn wir haben bis zur nächsten Abstimmung über dieses wirklich leidige, über dieses staatsvernichtende Thema (Bundesrat Schennach: Ich bitte, „staatsvernichtend“?) die Möglichkeit, gemeinsam 20 Bundesräte dafür zu gewinnen. (Bundesrätin Konrad: Wie können Sie es verantworten, dass Sie für dieses Gesetz stimmen?)

 


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