Bundesrat Stenographisches Protokoll 719. Sitzung / Seite 143

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ausgekoppelt, sodass es möglich sein wird, aus EURATOM auszutreten, ohne aus der EU auszutreten.

Auch das Recht der Freiheit und Pluralität der Medien ist verankert.

Das sind positive Aspekte, die die neue Verfassung bieten wird. Gegenüber dem Konventsentwurf ist allerdings in der Regierungskonferenz sehr vieles verschlechtert worden und sehr vieles wieder herausgefallen, was an und für sich positiv war.

Der Entwurf, der jetzt vorliegt, ist jedenfalls aufgeweicht gegenüber dem, was der Kon­vent erarbeitet hatte.

Es gibt auch – und das möchte ich hier explizit sagen! – sehr viele Punkte, die eigent­lich keine Zustimmung verdienen würden – zum Beispiel die Verankerung vieler neo­liberaler Bestimmungen. So wird zum Beispiel das Ziel soziale Marktwirtschaft zur offe­nen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb. Auch eine zukünftige gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird weitgehend am Parlament vorbeilaufen. Das Parlament hat da nur Anhörungsrechte.

Es gibt vieles, was meiner Meinung nach nicht in die richtige Richtung geht, aber es wird keine Entscheidung zwischen dieser oder einer besseren Verfassung, sondern zwischen dieser Verfassung und den Verträgen von Nizza getroffen, und gegenüber den Verträgen von Nizza gibt es eindeutig in vielen wichtigen Bereichen große Fort­schritte. Es ist ein erster Schritt in vielen Bereichen, in anderen Bereichen noch nicht, aber es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative dazu.

Für mich persönlich steht der Verfassungsprozess erst am Anfang. – Es ist ein erster Schritt. Viele weitere werden folgen müssen, damit man mit diesem Papier wirklich voll­ständig einverstanden sein kann. Ich bin also keineswegs begeistert von dieser Ver­fassung, aber sie hat positive Aspekte. Die Alternative, nämlich die Beibehaltung der Verträge von Nizza, ist in Wirklichkeit keine Alternative.

Ein großes Problem ist meiner Meinung nach, dass in Österreich viel zu wenig Informa­tion über die EU vorhanden ist. Die Regierung scheint ja in diesem Jahr lieber eigene Jubiläen zu feiern, als Informationskampagnen zu machen.

Gerade dieses Jahr, wo so viel gefeiert wird, wäre eine gute Gelegenheit gewesen, aktive Informationspolitik zu betreiben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Je weniger die Be­völkerung über die EU weiß, umso leichter ist es für Regierungen, die EU dann zum Sündenbock zu erklären, wie es zum Beispiel beim Transitdilemma passiert ist.

Mit fortschreitender Integration wird es immer wichtiger, dass die EU nicht – wie sie es jetzt ist – ein Elitenprojekt bleibt. Die Politik muss dazu beitragen, dass Menschen die Chancen kennen und nützen, die die EU ihnen bietet, und sich kritisch mit der EU auseinander setzen. Es gibt durchaus vieles, was einer kritischen Auseinandersetzung würdig wäre, zum Beispiel die Gefahren, wie sie in der Bolkestein-Richtlinie angespro­chen werden.

Die Menschen müssen sich selbst eine Meinung bilden können, die nicht auf Populis­mus und nicht auf „Kronen Zeitung“-Artikeln beruht, sondern auf seriösen Informatio­nen. Diese Informationspflicht ist leider bisher vernachlässigt worden. Es ist schwer nö­tig, sie aufzuholen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das noch bis zur Beschlussfassung über die Verfassung geschehen kann. Auf jeden Fall ist da noch viel zu tun. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.44

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.

 


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