Bundesrat Stenographisches Protokoll 720. Sitzung / Seite 111

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Auf Basis der geltenden Rechtslage sollte nach meiner Ansicht eine verantwor­tungs­volle Diskussion über dieses sensible Thema, für die sich das Gedenkjahr 2005 mit Sicherheit besonders anbietet, möglich sein. Eine permanente und über juristische Tat­sachen hinweggehende Infragestellung der geltenden Rechtslage erscheint mir jedoch in diesem Zusammenhang dafür wenig hilfreich. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.51


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, in der die Redezeit eines jeden Bundesrates bekanntlich mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als Erstem erteile ich Herrn Bundesrat Konecny das Wort.

 


16.51.45

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Es ist nicht so sehr die Tatsache, dass Sie aus guten Gründen auf einzelne der gestellten Fragen nicht geantwortet haben, es ist nicht so sehr die Tatsache, dass Sie nach vielminütigen juridischen Ausführungen zu der Erkenntnis kommen, dass eine klare Regelung offenbar nicht erforderlich ist, die mich wirklich tief erschüttert, sondern es ist die völlig fehlende Empathie in Ihrer Stellungnahme.

Frau Bundesminister! Ich bin um eine Generation älter als Sie. – Es war mein Vater, der in der Uniform der Deutschen Wehrmacht gefallen ist. Er hatte zum letzten Mal zu Weihnachten 1944 Fronturlaub. Er hat viele Stunden mit meiner Mutter darüber diskutiert, was das größere Risiko beinhaltet: zu desertieren und sich im Lainzer Tiergarten zu verstecken oder sich so zu verstecken, dass er damit niemanden in Gefahr bringt oder an die ostpreußische Front zurückzugehen. Nach seiner Beurteilung war das Risiko des Deserteurs das größere. Er hat sich in seinem konkreten Fall geirrt. Meine Mutter, die sozusagen die andere Hälfte dieses Gesprächs war, hat sich in den Jahren danach schwerste Vorwürfe gemacht.

Er war, wenn Sie so wollen, nicht mutig genug, um zu desertieren. Er war feig genug, um an die Front zurückzugehen. Das ist keine Sprache, die man anwenden sollte, nicht einmal als Lapsus Linguae.

Ich sage Ihnen sehr ehrlich: Wir alle, die wir um eine Generation älter sind als Sie, und jene, die die tragenden Säulen der Nachkriegspolitik waren – zu denen ich nicht gehört habe –, haben sich tatsächlich sagen zu lassen, dass in vielen Fragen oberflächliche, zu einfache oder im Schutz der österreichischen Opferhaltung gar keine Lösungen getroffen wurden. Das ist richtig!

Warum Sie dem Kollegen Schennach ein von Ihnen behauptetes Versäumnis der SPÖ vorwerfen ist mir schleierhaft. Er ist, soweit mir bis vor Beginn dieser Sitzung bekannt war, immer noch Funktionär der Grünen – und das dürfte er auch im Gegensatz zu anderen geblieben sein, also nicht ... (Heiterkeit des Redners selbst und bei den Grünen.)

Es ist vieles spät in Angriff genommen worden, das ist richtig, aber ich erinnere Sie daran, dass es eine andere Mehrheit war, die am 14. Juli 1999 im Nationalrat ein um­fassendes, vereinfachendes, neues Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern der NS-Strafjustiz gefordert hat. Diese Bundesregierung – die vorhergehende konnte nicht mehr rechtzeitig dazukommen – hat aber diese Entschließung bislang ignoriert.

Wenn mit Recht in der Dringlichen Anfrage auch die Meinung des Herrn Bundes­präsidenten zitiert wird, dass in dieser Sache eine klare Stellungnahme erforderlich ist, dann meine ich nicht, dass man dem mit dem Hinweis auf die Vielfältigkeit bisher getroffener Regelungen begegnen kann. Nein, der Nationalrat hat in dieser Ent­schließung Recht gehabt: In dieser Sache ist eine neue, umfassende Regelung


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