Ich möchte aber ausdrücklich betonen: Polemik hat bei dieser Problematik sicher keinen Platz! Lassen Sie mich, lassen Sie uns versuchen, einen sachlich fundierten Zugang zu finden! Ich werde auch nicht Gebrauch machen von oder nicht diskutieren über die Wörter „feig“ oder „Gegner des Nazi-Regimes“. Ich denke, unsere Frau Bundesministerin hat Größe bewiesen, sie hat sich wirklich in aller Form bei uns allen hier entschuldigt, und das in einer besonderen Art und Weise. Dafür danke ich Ihnen, Frau Bundesministerin! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Die Aussagen, lieber Herr Kollege Schennach, machen auch heute noch betroffen, das gebe ich sicher zu. Wir alle sind davon in irgendeiner Form betroffen, auch viele unserer Familien waren mit diesen schrecklichen Ereignissen unglücklich und in einem sehr großen Ausmaß involviert. Wir können Ihren Zugang durchaus verstehen. Sie haben immer wieder die Familie Holzer zitiert; ich denke, das ist auch ein typisches österreichisches Kriegsschicksal, von denen es noch sehr, sehr viele in diesem Umfang gibt und von denen man sehr viele hier anführen könnte.
„Rehabilitierung“ war einer der Hauptbegriffe, das war eines Ihrer Hauptargumente; diese möchten wir jetzt natürlich auch entsprechend beleuchten. Dennoch ist das Thema, das wir heute debattieren, kein ganz neues, es wurde bereits viele Jahre und Jahrzehnte lang diskutiert. Der Nationalrat hat sich bereits 1999 mit dieser Thematik befasst, in einer Anfrage der Grünen, in der es um die NS-Militärjustiz und Wehrmachtsdeserteure ging. Diese Anfrage ging an den Bundesminister für Justiz. Es gab dann einen entsprechenden Entschließungsantrag betreffend Rehabilitation der Deserteure aus der Wehrmacht.
Zum damaligen Zeitpunkt sah man jedoch im
Justizministerium deshalb keinen
legistischen Handlungsbedarf – und ich komme darauf noch zu
sprechen –, weil nach den bislang gemachten Erfahrungen die Bestimmungen
des Aufhebungs- und Einstellungsgesetzes und deren pragmatische Auslegung
durch die Gerichte für ausreichend erachtet wurden, um alle Fälle abzudecken.
Auch die in weiteren Einzelfällen mit Aufhebungsanträgen befassten Gerichte
verzichteten, soweit überblickbar, auf eine Einzelfallprüfung und folgten
damit der vom Bundesministerium für Justiz vertretenen Rechtsauffassung, dass
sowohl Kriegsdienstverweigerung als auch Fahnenflucht angesichts des
verbrecherischen Charakters des Krieges und des totalitären Anspruches des Dritten
Reiches gegen die nationalsozialistische Herrschaft gerichtete
Handlungen waren, auch wenn ihnen im Einzelnen unterschiedliche Motive zugrunde
lagen.
Der nächste
Schritt in der Befassung mit dieser Problematik war die bereits erwähnte
Entschließung des Nationalrates vom 14. Juli 1999, mit der – aus
heutiger Sicht von einer unvollständigen Rechtslage ausgehend – die
Bundesregierung ersucht wurde, ehemöglichst die historische Aufarbeitung der
Verurteilung von Österreichern durch die NS-Militärgerichtsbarkeit zu
veranlassen und nach Vorliegen der Forschungsergebnisse Gerichtsbeschlüsse im
Sinne des Aufhebungs- und Einstellungsgesetzes herbeizuführen.
Das Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien wurde daraufhin mit der Erstellung einer Datenbank beauftragt, betreffend die Daten von 1 618 Österreichern, die wegen eines Desertionsdeliktes nach dem MStGB oder wegen eines „Zersetzungsverrats“ oder eines „Widersetzlichkeitsdeliktes“ – allein schon diese Worte rufen ein gewisses Schaudern hervor – verurteilt wurden und daher von den aktuellen Rehabilitierungsbestrebungen erfasst wurden. Das wurde auch von der Frau Minister bereits eindeutig ausgeführt.
Bei der Suche nach den Materialien zum Aufhebungs- und Einstellungsgesetz zeigte sich nicht nur die eigentliche Reichweite dieses Gesetzes, sondern auch, dass mit der in der bisherigen Fachdiskussion unbeachtet gebliebenen Befreiungsamnestie eine
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