Bundesrat Stenographisches Protokoll 720. Sitzung / Seite 115

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weitere einschlägige Rechtsvorschrift zu berücksichtigen ist. Dieses Gesetz aus dem Jahre 1946 steht noch immer in Geltung. Da muss ich Sie berichtigen, Herr Professor Konecny – ich mache das nicht gerne, Sie wissen das –: Wir haben also ein gültiges Gesetz. (Bundesrat Konecny: Wir haben es!) Wir haben ein gültiges Gesetz! (Bun­desrat Konecny: Ja!)

Nach unserer Ansicht – und da sind wir nicht Ihrer Auffassung – erfüllen die wieder neu ins Bewusstsein gerückten Spezialbestimmungen der Befreiungsamnestie von 1946 über die Militärdelikte den verständlichen Wunsch der Betroffenen beziehungsweise von deren Hinterbliebenen nach juristischer Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure und gehen inhaltlich sogar um einiges weiter als die vergleichbaren deutschen Bestim­mungen aus den Jahren 1998 und 2002. Die Bundesrepublik Deutschland hat immer­hin mehr als 50 Jahre für eine derartige gesetzliche Regelung gebraucht; wir haben eine seit 1946!

Da der österreichische Gesetzgeber die Frage der Beseitigung von Urteilen der NS-Militärjustiz bereits einer umfassenden Regelung zugeführt hat, scheinen also neue gesetzliche Maßnahmen nicht mehr erforderlich zu sein. Davon unberührt bleiben freilich allfällige politische, moralische Akte. Da gebe ich Ihnen Recht, Herr Professor Konecny: Das Gedenkjahr eignet sich sicher in besonderer Art und Weise, in beson­derem Maße zur weiteren Aufarbeitung dieser Problematik und der vollen Rehabilitie­rung.

Wir werden auf Grund der bereits vorhandenen gesetzlichen Regelung, zumindest was unsere Fraktion betrifft, diesem Entschließungsantrag nicht die Zustimmung geben können. – Ich danke Ihnen trotzdem. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.12


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile ihr das Wort.

 


17.12.36

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschichte kann gar nie vorbei sein, weil Geschichte die Grundlage für das bildet, was jetzt unsere Gegenwart ist.

Ich bin 1979 geboren, und man könnte meinen, ich habe doch mit dem Krieg, ich habe doch mit dem Dritten Reich nichts zu tun. Wenn ich an meine Kindheit denke, dann gibt es viele Erinnerungen, die sehr wohl direkt damit im Zusammenhang stehen. Es sind etwa Erinnerungen an meine Schulzeit, ich erinnere mich genau: in der Volksschule, Schwarzweißaufnahmen von KZs, Massen von hingerichteten jüdischen Menschen. Diese Erinnerung hat sich mir tief eingeprägt. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.)

Erinnerungen – wir sprechen über diese Zeit, Erinnerungen an meinen Großvater, an seine Erzählungen vom Krieg. Obwohl ich mit dem Krieg nichts zu tun habe, ist auch das ein Teil meiner Geschichte. Mir fehlt in dieser Geschichte aber ein ganz großer Teil, um zu verstehen, was damals passierte. Dass Österreich Probleme hat, seine Vergangenheit aufzuarbeiten, ist bekannt, das wissen wir seit langer Zeit. Dieser Mythos vom ersten Opfer war dabei sehr hilfreich, denn er ermöglichte über lange Zeit ein Leugnen der Rolle, die Österreich in der Zeit des Dritten Reichs gespielt hat.

Langsam, jedoch zu langsam, beginnt sich das zu ändern. Aber das Bewusstsein für die Rolle der Österreicher oder Österreichs ist gering. (Bundesrat Dr. Böhm: Der Österreicher! Österreich nicht!) Vielen Menschen wäre es heute noch lieber, wenn eine Aufarbeitung der Geschichte gar nicht passieren würde, denn Aufarbeitung bedeutet


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