Bundesrat Stenographisches Protokoll 720. Sitzung / Seite 119

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von Bischof Scharf und von Bundestagspräsident Gerstenmaier wurde besonders Dr. Sack, den ich eben erwähnte, in einer Gedenkschrift als Anwalt der Gerechtigkeit und Manneswürde hervorgehoben und gewürdigt.

Nun möchte ich noch ein paar Wehrmachts- und Marinerichter nennen, die eine bedeutende Stellung in Deutschland, aber auch in Österreich innehatten. Ich weise hin auf den Länderministerpräsidenten Filbinger, ich weise hin auf Ministerpräsident Kiesinger, ich weise auf den österreichischen Justizminister Tschadek hin, der Marine­richter war und ein Freund von Ministerpräsident Filbinger. Sie haben – soweit ich mich richtig erinnere – in Kiel oben gewirkt.

Es gab noch viele mehr, aber ich kann hier nicht eine ganze Namensliste vortragen. Es ist ja hier auch nicht der Ort, wissenschaftliche Studien vorzulegen. Es gab dann noch Universitätsprofessor Schmiede, der im Bereich der jetzigen Republik Österreich Wehrmachtsrichter war und dann in Deutschland Universitätsprofessor wurde.

Ich weise auch auf die Justizminister hin, die doch bis vor zehn Jahren, nein, vor ungefähr sechs Jahren alle aus der sozialdemokratischen Reichshälfte stammten oder von der als unparteiische Personen als Justizminister nominiert wurden. Das waren doch alle keine Unwissenden, die haben sich doch auch mit dem Thema beschäftigt, und das noch zu einer Zeit, als viel mehr von denen, um die es heute geht, gelebt haben und andere auch noch gelebt haben, in der also das Wissen um diese Situation viel mehr gegeben war.

Betont werden muss, dass die Wehrmachtsrichter unabhängig waren, und dies entge­gen der Meinung jener, die die von aufdringlichen und von sicherlich unbedarften Me­dien unterstützten Personen vertretenen Forderungen unterstützen. Jene, welche das Gegenteil behaupten, offenbaren eine bemerkenswerte Unkenntnis oder verfolgen eine zeitgeistig-politische Strömung.

Ich gehe davon aus, dass jene, die hier dieses Verlangen haben, damit sicherlich nicht eine zeitgeistig-politische Strömung nachvollziehen wollen – das liegt uns ja hier im Haus nicht –, aber den kleinen Vorwurf müssen wir uns doch gefallen lassen, dass nämlich vielfach eine bemerkenswerte Unkenntnis des Themas gegeben ist. Adolf Hitler misstraute den Wehrmachtsrichtern so sehr, dass er ihnen immer mehr und mehr Kompetenzen entzog. Die Verschwörer des 20. Juli 1944 wurden daher auch nicht vor Kriegsgerichten, sondern vor dem Volksgerichtshof abgeurteilt. Und da, liebe Kollegen, treffen die Vorurteile, die in diesem Fall eigentlich berechtigte Urteile sind, die Sie hier geäußert haben, vollkommen zu.

Noch im Januar 1945 vertraute Goebbels seinem Tagebuch an – ich zitiere –: Die Militärgerichte, die eigentlich gegründet wurden, um innerhalb der Wehrmacht eine scharfe Gerichtsbarkeit vor allem für den Krieg zu garantieren, haben sich für diese Aufgabe als völlig unzulänglich erwiesen. – Zitatende.

Von den zeitgeistig-politischen Strömungen wird suggeriert, Deserteure seien gleich­sam Widerstandskämpfer gewesen – sehr blauäugig, Kollegen, aber manchmal sicher­lich der Fall. Die einschlägigen Akte im Reichsarchiv in Stockholm belegen, dass nicht einmal ein Zehntel der Deserteure, denen die Flucht nach Schweden gelang, politische Motive in den Vordergrund ihres Handelns stellten. Auch die Schweizer Behörden stellten fest, dass es sich bei den Deserteuren um Menschen handelte, bei denen – jetzt Zitat –: die anständigen Gesinnungsflüchtlinge leider in der Minderzahl waren. – Zitatende.

Die häufigsten Gründe für Desertion waren bevorstehende Kriegsgerichtsverhand­lun­gen wegen Unterschlagung, Raub, Schwarzhandel. Beziehungen zu Frauen spielten ebenso eine Rolle wie auch die Angst – das wurde hier erwähnt –, an die Front verlegt


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