Bundesrat Stenographisches Protokoll 722. Sitzung / Seite 57

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Im Bericht wird erwähnt, dass die österreichische Wirtschaft einer der größten Ge­winner dieser Erweiterung ist. Frau Bundesminister! Aus heutiger Sicht haben wir die höchsten Arbeitslosenzahlen seit Jahren. Wir sind damit nicht alleine: Auch Deutsch­land ist davon betroffen, und andere auch. Aber ich stehe hier als österreichischer Patriot und österreichischer Parlamentarier, und daher stören mich natürlich solche Bemerkungen, dass die EU eine reine Erfolgsstory sei.

Auch die Bauern werden in den nächsten Jahren große Einkommenseinbußen über sich ergehen lassen müssen, weil sich die Subventionszuteilung total ändern wird – wahrscheinlich ändern wird müssen!

Auch bei den Klein- und Mittelbetriebe ist die Situation ähnlich: Es sind die großen Betriebe, die es sich richten können, indem sie Arbeitsplätze verlagern. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass Österreicher den Arbeitsplätzen ins Ausland nachlaufen. – Das ist ja nicht möglich. Wir müssen doch schauen, dass die Arbeitsplätze in Öster­reich vorhanden sind. Es genügt nicht, wenn es sie in der EU gibt!

Das sind nur drei Punkte, die mich an der Erfolgsmeldung, österreichische Betriebe seien die größten Gewinner der EU-Erweiterung, besonders irritieren. Das kann nicht wahr sein, Frau Bundesminister! Da stimmt etwas nicht in der Berichterstattung.

Es wird auch die Wichtigkeit des Beitritts Kroatiens erwähnt. Das nehme ich Ihnen ab, Frau Bundesminister – auch wenn es ein Bericht Ihrer Vorgängerin ist –: Jawohl, das ist wichtig. Ich verstehe aber noch immer nicht, wie man dieses Land Kroatien in Gei­selhaft eines – wie man international sagt – Kriegsverbrechers stellen kann, den man nicht findet. Er ist nicht einmal abgeurteilt, aber allgemein gilt er als Kriegsverbrecher.

Andererseits haben wir einen Staat mit in die EU aufgenommen, nämlich Tschechien, in dem die Vertreibung der Deutschen mit etwa 250 000 Toten stattgefunden hat. Da­gegen haben wir wenig unternommen und nichts gesagt, und wir wehren uns auch nicht dagegen, dass jetzt in Prag ein Beneš-Denkmal aufgestellt wird.

Frau Bundesminister! Das sind Punkte, die mich an der Außenpolitik zweifeln lassen. Da müsste man doch irgendwo bemerkbar machen können: Dieses Österreich hat auch seinen Stolz, es weiß, wo seine Alliierten sind, es weiß, wo seine Mitstreiter sind, und es weiß, wo die Schwachpunkte seiner Nachbarn liegen, auch wenn diese Schwachpunkte – diese fast verbrecherischen Schwachpunkte – schon historisch sind und sechzig Jahre zurückliegen!

Ich kann daher diesem Bericht meine Zustimmung nicht geben und werde daher mit „Nein“ stimmen.

15.45


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.

 


15.45.30

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Außenministerin! Es ist ein bisschen eine schwierige Situation: Ich habe an­gesichts des Beschlusses und des Ersuchens des Wiener Landtages nicht die Absicht, den Redebeitrag meines Vorredners zu kommentieren, nehme aber an, dass die For­derung der Frau Außenministerin nach Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit von der Erkenntnis getragen ist, dass sich die eine Hälfte der Welt ohne die andere Hälfte weder weiterentwickeln noch überleben kann und dass die eine Hälfte der Welt in historischer Hinsicht eine Verantwortung gegenüber der anderen Hälfte der Welt hat. – Davon ist Österreich nur ein Teil.

 


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