Bundesrat Stenographisches Protokoll 722. Sitzung / Seite 121

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20.27.15

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär, Sie haben schon Recht: Es ist höchst an der Zeit, und es ist auch notwendig, eine Gentech-Richtlinie umzusetzen. Es gab ja sehr viele Diskussionen, und Sie wussten ja, welche Punkte die Opposition anders sieht und welche Punkte sie gerne anders ausgelegt hätte. Wenn Sie jetzt eine Vorlage erstellt hätten, die diesen Punkten entsprochen hätte, dann wäre vielleicht auch diese Richtlinien-Umsetzung durchgegangen – im Sinne von „bei der Opposition durchgegangen“, denn durchgehen wird sie ja voraus­sichtlich trotzdem.

Dieser Rückverweisungsantrag im Nationalrat hatte schon auch damit zu tun, dass die Vorlage einfach inhaltlich nicht das war, was wir uns vorgestellt haben. Ob es jetzt höchst an der Zeit ist oder nicht: Ich denke, ein bisschen nachdiskutieren hätte man schon noch können. Manche Dinge, die eben unserer Meinung nach ein Fehler in dieser Vorlage sind, hätten noch geändert werden können.

Natürlich ist es wichtig, dass wir europaweit eine kompatible Lösung in diesem Bereich finden. Aber gerade bei dem heiß diskutierten Thema „Patent auf Leben“ sind wir eben nicht der Meinung, dass durch diese Richtlinie dieses Patent auf Leben ausgeschlos­sen ist. Sie haben nicht alle Spielräume genutzt, die möglich gewesen wären, um das Gesetz im Sinne der 1,2 Millionen ÖsterreicherInnen, die das Gentechnik-Volksbegeh­ren unterschrieben haben, umzusetzen. Ganz im Gegenteil: Auch wenn die Richtlinie sagt, dass der menschliche Körper an sich nicht patentierbar ist, ist es so, dass der menschliche Körper aus Genen und Gensequenzen besteht; und wenn jetzt diese Gensequenzen und Gene uneingeschränkt patentierbar sind, so ist das meiner Über­zeugung nach indirekt ein Patent auf Leben.

Im Patentgesetz gilt im Allgemeinen die Devise: Entdeckungen sind keine Erfindungen. Wenn es sich nun um ein Gen oder um eine Gensequenz handelt, so kann man ein Gen oder eine Gensequenz ja nicht erfinden, denn diese ist schon im Körper oder in der Pflanze drinnen; man kann sie nur „herausnehmen“. Das ist aber keine Erfindung, sondern eben eine Entdeckung. – Damit gibt es für die Gentechnologie eine Ausnahme aus dem Patentgesetz, nämlich dass ich etwas entdecken und mir das patentieren lassen kann. Wenn dann jemand auf Grund dieser Entdeckung etwas erfinden will, dann muss er mir Patentgebühren dafür bezahlen.

Das sehe ich nicht ein. Es stimmt schon, dass Forschung Patente braucht – dieser Meinung sind wir auch –, aber es braucht Patente auf die Ergebnisse einer Forschung und nicht auf ihre Grundlagen.

Wenn wir nun erlauben, dass Gene und Gensequenzen uneingeschränkt patentiert werden können, nämlich inklusive aller noch nicht einmal im entferntesten bekannter Anwendungsformen, dann ist die Gefahr doch sehr groß, dass strategische Patente angemeldet werden. Das wird langfristig gesehen die Forschung eher einschränken – und sicher nicht fördern. (Präsident Mag. Pehm übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es gibt auch eine Reihe von Studien, die darauf hinweisen, dass diese strategischen Patente Forschungsblockaden hervorrufen können. Das reicht von Publikations­verzögerung über Geheimhaltungspolitik bis hin zur potentiellen Verzerrung von For­schungsergebnissen. Das heißt letztendlich, diese „Abhängigkeitspyramide“, nämlich: der Erste, der das Gen einmal isoliert, und der Zweite, der dann mit diesem Gen Proben durchführt und eine Anwendungsmöglichkeit erfindet, und der Dritte, der dann auf Grund dieser Erfindung wieder etwas erfindet – und alle müssen Patentgebühren bezahlen! Diese „Abhängigkeitspyramide“ wird sicherlich die Produktentwicklung viel


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