Bundesrat Stenographisches Protokoll 723. Sitzung / Seite 44

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Wir lehnen diese Bundesregierung ab, wir lehnen zentrale Elemente ihrer Politik ab. Aber das macht uns nicht blind dafür, dass diese Gegnerschaft keine Partnerschaft mit politischen Meinungen mit einschließen kann, die wir zutiefst verurteilen. Das ist unsere Seite.

Ich wende mich aber auch an die Seite der Regierung, vor allem an die ÖVP. Und ich frage: Wie wollen Sie das denn halten? Wollen Sie wirklich die Vorschläge Ihrer Regie­rung mit den Stimmen solcher Verbündeter hier im Bundesrat durchdrücken?

Unser Land hat es wahrlich nicht verdient, dass die letzte Entscheidung darüber, wie der Bundesrat abstimmt, bei zwei Personen liegt, deren politische Ansichten wir alle – das haben wir zumindest bekundet – in gleicher Weise verabscheuen. Wer diese Stim­men für sein politisches Projekt benützt, wer sich zur Mehrheitsbildung von ihnen ab­hängig macht, der wird sich auch sagen lassen müssen, dass seine Verurteilung und Ablehnung solcher Meinungen wohl nicht sehr tief verankert sein kann.

Wir Sozialdemokraten haben uns für eine Haltung entschieden, mit der wir bewusst in Kauf nehmen, dass einige Maßnahmen der Regierung, die wir zumindest hätten ver­zögern können, von einer durch unsere Mitwirkung zustande gekommenen Mehrheit hier beschlossen werden.

Politik, das weiß jeder, erfordert manchmal taktische Maßnahmen, sie verlangt auch nach Kompromissen, bei denen einem selbst nicht immer wohl ist. Aber es gibt eine Grenze: Und die Grenze liegt dort, wo man seine eigenen demokratischen Grundsätze preisgeben müsste, dort, wo der Ekel vor einem selbst beginnen würde. Zu solch einer Selbstverleugnung und Selbstbeschädigung sind wir Sozialdemokraten jedenfalls nicht bereit. Für uns ist die Ablehnung solcher Auffassungen keine Frage der Taktik, son­dern eine unumstößliche Überzeugung. Das sind wir jenen schuldig, die damals ihr Leben für die Freiheit Österreichs einsetzten, und das sind wir auch jener jungen Generation schuldig, der wir eine Republik übergeben wollen, die nicht mehr von brau­nen Flecken verunstaltet wird.

Die Generation der Nachgeborenen hat ihre Eltern oft genug gefragt: Was habt denn ihr in der Nazi-Zeit gemacht? – Bundesrat Kampl war nicht der Einzige, der keine oder keine ehrliche Antwort auf eine solche Frage bekommen hat. Ich sage ganz persönlich: Wenn mich meine Enkel einmal fragen, was ich getan habe, als sich die Rechtfertiger des Nationalsozialismus wieder zu Wort meldeten, dann möchte ich ihnen eine ehrliche Antwort geben können – eine Antwort, die beginnt mit den Protesten gegen die Kriegs­verbrecherfreisprüche zu Beginn der sechziger Jahre, mit Borodajkewicz, und die hof­fentlich zu Ende ist mit den Fällen Gudenus und Kampl. Ich möchte ihnen eine Antwort geben können, die ehrlich ist und auf die meine Kinder und ich stolz sein können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.54


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich er­teile ihm das Wort.

 


10.54.39

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich werde bemüht sein, von der parteipolitischen Polemik meines Vorredners wieder wegzukommen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Bundesrat Konecny: Das verstehe ich!) und auch von seiner inhumanen Diktion von „Menschen unter Quarantäne stel­len“. Auf dieses Niveau werde ich mich nicht begeben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie können gerne eine inhumane Diktion wählen. Ich überlasse das Ihnen, es richtet sich ja von selbst. (Bun-


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite