Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 175

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betroffenen Universitäten die Verwaltung des von ihnen mitverschuldeten Chaos zu überlassen.

Falls es Ihr Ziel gewesen sein sollte, mit der vorliegenden Regelung zu verhindern, dass mehr Deutsche als Österreicherinnen und Österreicher an österreichischen Uni­versitäten studieren, muss ich sagen, auch das hat nicht funktioniert. An der Medizin-Universität Innsbruck zum Beispiel kommen 60 Prozent der zugelassenen Studieren­den aus Deutschland.

Das Problem ist komplex, das gebe ich zu, aber es kam nicht überraschend, wie uns zum Beispiel von den Beamten im Ausschuss erzählt werden sollte. Da habe ich auch – sagen wir: von unverdächtiger Seite – Schützenhilfe bekommen, denn Herr Professor Böhm hat, genau wie ich, argumentiert, dass dieses Urteil keinesfalls eine Überraschung war, für niemanden eine Überraschung sein konnte. Und es wäre genug Zeit gewesen, sich eine Regelung zu überlegen. Diese Zeit wurde nicht genutzt. Ich frage mich: Warum? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.17


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Schennach: Der Angesprochene selbst!)

 


19.18.00

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes der Europäischen Gemein­schaften vom 7. Juli 2005 hat die österreichischen Universitäten in eine äußerst schwierige Sachlage versetzt. In diesem Richterspruch wird nämlich – wie schon erwähnt – festgestellt, dass die im § 65 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 als Voraus­setzung für den Hochschulzugang statuierte besondere Universitätsreife dem Gemein­schaftsrecht widerspricht. Diese Anforderung laufe nämlich, wiewohl sie nicht auf die Staatsbürgerschaft des Studienwerbers abstellt, auf eine verdeckte Diskriminierung von EU-Ausländern hinaus.

In Österreich wird heute beklagt, dass dieses Erkenntnis nicht vorhersehbar war. Da muss ich meiner Vorrednerin zustimmen, dass ich dem nicht uneingeschränkt folgen kann. Alle mit dem Europarecht befassten Fachvertreter meiner Fakultät hatten genau diesen Verfahrensausgang prognostiziert. Da mir die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten vertraut ist, hatte auch ich dieses Ergebnis erwartet. Das umso mehr, als der Generalanwalt in seinem Schlussantrag eine EU-rechtswidrige Diskrimi­nierung ausländischer EU-Bürger durch die österreichische Regelung ihrer Zulassung zum Hochschulstudium konstatiert hatte. In neun von zehn Fällen pflegt indes der EuGH der Rechtsauffassung des Generalanwalts zu folgen.

Dabei verkenne ich durchaus nicht, dass die österreichische Bundesregierung sachlich fundierte Gründe für die österreichische Regelung ins Treffen geführt hat. Ich räume ferner ein, dass sie nicht alle möglichen, vielleicht noch überzeugenderen Gründe ausgeführt hat. Insbesondere hat die Bundesregierung auch mit statistischen Daten im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich argumentiert. Zunehmend war aber leider absehbar, dass diese gewiss realitätsnahen empirischen Hinweise für die normative Bewertung des EuGH unmaßgeblich blieben.

Freilich kann man auch die rechtliche Begründung dieses Erkenntnisses mit guten Gründen problematisieren. Das kann man vor allem unter dem Aspekt tun, dass sich eine verdeckte Diskriminierung nicht-österreichischer EU-Bürger ja allein dann ergibt, wenn man vom Zielland- und nicht vom Herkunftslandprinzip ausgeht. Denn nach


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