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733. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Freitag, 21. April 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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733. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 21. April 2006

Dauer der Sitzung

Freitag, 21. April 2006: 9.04 – 19.47 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2004 der Bundesregierung

2. Punkt: Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2006

3. Punkt: Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxem­burg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Ter­rorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration samt Er­klärungen der Republik Österreich und Gemeinsamer Erklärung

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, die Exekutionsordnung und das Sicherheitspolizeigesetz zur Verbesserung des straf­rechtlichen Schutzes der Umwelt sowie gegen beharrliche Verfolgung und des zivil­rechtlichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre geändert werden (Strafrechts­änderungsgesetz 2006)

5. Punkt: Zweites Protokoll aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäi­schen Gemeinschaften samt Erklärungen

6. Punkt: Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemein­schaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossen­schaft andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Hand­lungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen samt Schlussakte und Verein­barter Niederschrift

7. Punkt: Protokoll zu dem am 23. Februar 1995 unterzeichneten Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 des am 25. Juni 2003 unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Rechtshilfe

8. Punkt: Protokoll zu dem am 8. Jänner 1998 unterzeichneten Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten


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Staaten von Amerika im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 des am 25. Juni 2003 unterzeich­neten Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung

9. Punkt: Bundesgesetz über Patientenverfügungen (Patientenverfügungs-Gesetz – PatVG)

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Übernahmegesetz, das Handelsgesetzbuch, das Börsegesetz, das Umwandlungsgesetz und das Spaltungsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erlassen wird (Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006 – ÜbRÄG 2006)

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (27. KFG-Novelle)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Straßentunnel-Sicherheitsgesetz erlassen und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsin­spektion (Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetz) und das Bundesgesetz über Seilbahnen (Seilbahngesetz) geändert werden

15. Punkt: Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen) vom 5. Oktober 1973, zuletzt revidiert am 17. Dezember 1991, samt den beiden Beschlüssen des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird

19. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Wählen ab 16“ auf Bundesebene

20. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wirtschaftsstandort Österreich, Stärkung der Klein- und Mittel­betriebe (KMU) in den Regionen

21. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Karl Boden, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche Sicherstellung der Gentechnikfreiheit österreichischer Nationalparks

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Inhalt

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Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Nominierung des derzeitigen österreichischen Richters am Gerichtshof der Europäischen Ge-


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733. Sitzung / Seite 3

meinschaften für eine weitere Funktionsperiode von sechs Jahren gemäß Arti­kel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz                       30

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zur Berichterstat­tung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria (798/A und 1358 d.B.) gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 10. Mai 2006 zu setzen – Annahme ...  32, 172

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zur Berichterstat­tung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Nieder­österreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Tech­nology – Austria samt Anhang (1344 d.B. und 1359 d.B.) gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 10. Mai 2006 zu setzen – Annahme              32, 172

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 90

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Fragestunde (119.)

Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ..................................... 12

Helmut Wiesenegg (1496/M-BR/06); Stefan Schennach, Harald Vilimsky

Ing. Hermann Haller (1491/M-BR/06); Reinhard Todt, Dr. Ruperta Lichtenecker

Elisabeth Kerschbaum (1495/M-BR/06); Karl Boden

Maria Mosbacher (1497/M-BR/06); Günther Köberl, Eva Konrad, Peter Mitterer

Martina Diesner-Wais (1492/M-BR/06); Karl Boden, Stefan Schennach

Ing. Siegfried Kampl (1494/M-BR/06); Eva Konrad, Reinhard Todt, Johann Höfin­ger

Johann Kraml (1498/M-BR/06); Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg, Elisabeth Kerschbaum

Ferdinand Tiefnig (1493/M-BR/06); Roswitha Bachner, Dr. Ruperta Lichtenecker

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 12

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 31

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 30


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733. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2004 der Bundesregierung (III-289-BR/2005 d.B. sowie 7509/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 32

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ......................................................................... 32

2. Punkt: Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2006 (III-299-BR/2006 d.B. sowie 7502/BR d.B.) .................................................................... 32

Berichterstatter: Mag. Bernhard Baier ......................................................................... 32

Redner/Rednerinnen:

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik ...............................................................  33, 51

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 38

Hans Ager ..................................................................................................................... 40

Stefan Schennach ........................................................................................................ 41

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 45

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 46

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 49

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, den Bericht III-289-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 54

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, den Bericht III-299-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 54

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend einen Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxem­burg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Ver­tiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämp­fung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration samt Erklärungen der Republik Österreich und Gemeinsamer Erklärung (1155 d.B. und 1362 d.B. sowie 7500/BR d.B.) .................... 54

Berichterstatter: Edgar Mayer ....................................................................................... 55

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ......................................... 55

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, die Exekutionsordnung und das Sicherheitspolizeigesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt sowie gegen beharrliche Verfolgung
und des zivilrechtlichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2006) (1316 d.B., 1326 d.B., 1325 d.B. und 1383 d.B. sowie 7513/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 56

Berichterstatterin: Mag. Susanne Neuwirth ................................................................ 56

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ........................................................................................................ 56

Gabriele Mörk ............................................................................................................... 57

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 59


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733. Sitzung / Seite 5

Bundesministerin Mag. Karin Gastinger .................................................................. 60

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ............................................................................ 62

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 63

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend Zweites Protokoll aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäi-
schen Gemeinschaften samt Erklärungen (1301 d.B. und 1384 d.B. sowie 7514/BR d.B.)                         63

Berichterstatter: Mag. Gerald Klug .............................................................................. 64

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Abkom­men über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft an­dererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlun­gen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen samt Schlussakte und Ver­einbarter Niederschrift (1064 d.B. und 1385 d.B. sowie 7515/BR d.B.) ............................................................. 63

Berichterstatter: Mag. Gerald Klug .............................................................................. 64

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend das Proto­koll zu dem am 23. Februar 1995 unterzeichneten Vertrag zwischen der Re­gierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 des am 25. Juni 2003 unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Uni­on und den Vereinigten Staaten von Amerika über Rechtshilfe (1348 d.B. und 1386 d.B. sowie 7516/BR d.B.) ............. 64

Berichterstatter: Mag. Gerald Klug .............................................................................. 64

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend das Proto­koll zu dem am 8. Jänner 1998 unterzeichneten Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staa­ten von Amerika im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 des am 25. Juni 2003 un­terzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinig­ten Staaten von Amerika über Auslieferung (1347 d.B. und 1387 d.B. sowie 7517/BR d.B.) ........................................ 64

Berichterstatter: Mag. Gerald Klug .............................................................................. 64

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Ein­spruch zu erheben ......................................................................................................... 65

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Ein­spruch zu erheben ......................................................................................................... 65


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Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 66

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 66

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz über Patientenverfügungen (Patientenverfügungs-Gesetz – PatVG) (1299 d.B. und 1381 d.B. sowie 7518/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 66

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 66

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug ......................................................................................................... 66

Helmut Kritzinger ......................................................................................................... 69

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 70

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 72

Bundesministerin Mag. Karin Gastinger .................................................................. 72

Josef Saller ................................................................................................................... 74

Edgar Mayer .................................................................................................................. 75

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................................... 77

Entschließungsantrag der Bundesräte Edgar Mayer, Albrecht Konecny, Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Regelungen des Patientenverfügungs-Gesetzes – Annahme (E 209-BR/06) .........................................................................................  77, 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 79

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Übernahmegesetz, das Handelsgesetzbuch, das Börse­gesetz, das Umwandlungsgesetz und das Spaltungsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erlassen wird (Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006 – ÜbRÄG 2006) (1334 d.B. und 1382 d.B. sowie 7519/BR d.B.) ............................................................. 80

Berichterstatterin: Gabriele Mörk ................................................................................. 80

Redner/Rednerinnen:

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 80

Mag. Gerald Klug ......................................................................................................... 82

Peter Mitterer ................................................................................................................ 85

Bundesministerin Mag. Karin Gastinger .................................................................. 86

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 88

Antrag der Bundesräte Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Übernahmegesetz, das Handelsgesetzbuch, das Börse­gesetz, das Umwandlungsgesetz und das Spaltungsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erlassen wird (Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006 – ÜbRÄG 2006), (1334 d.B. und 1382 d.B. sowie 7519/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich  82, 90

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................................................... 89


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733. Sitzung / Seite 7

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (27. KFG-Novelle) (1327 d.B. und 1368 d.B. sowie 7498/BR d.B. und 7504/BR d.B.) ................................................................................................................. 90

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 90

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Straßentunnel-Sicherheitsgesetz erlassen und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (1328 d.B. und 1378 d.B. sowie 7505/BR d.B.) ............................................................................... 90

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 90

Redner/Rednerinnen:

Helmut Wiesenegg ....................................................................................................... 91

Edgar Mayer .................................................................................................................. 92

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 94

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (1333 d.B., 342/A und 1369 d.B. sowie 7499/BR d.B. und 7506/BR d.B.) ................................................................................................................. 94

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 94

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum .......................................................................................  94, 111

Günther Kaltenbacher ......................................................................................  100, 109

Karl Bader ................................................................................................................... 102

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 104

Peter Mitterer .............................................................................................................. 105

Edgar Mayer ................................................................................................................ 106

Thomas Einwallner .................................................................................................... 108

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ............................................................  109, 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 114

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion (Ver­kehrs-Arbeitsinspektionsgesetz) und das Bundesgesetz über Seilbahnen (Seil­bahngesetz) geändert werden (1270 d.B. und 1379 d.B. sowie 7507/BR d.B.) ............................................................................................................... 114

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................. 114

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 115

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend Akte zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europä­isches Patentübereinkommen) vom 5. Oktober 1973, zuletzt revidiert am 17. De-


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733. Sitzung / Seite 8

zember 1991, samt den beiden Beschlüssen des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 (1281 d.B. und 1380 d.B. sowie 7508/BR d.B.) ............................. 115

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................. 115

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 116

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (752/A und 1308 d.B. sowie 7475/BR d.B. und 7501/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 116

Berichterstatterin: Mag. Gertraud Knoll ..................................................................... 116

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................. 116

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 119

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 122

Eva Konrad ................................................................................................................. 124

Antrag der Bundesräte Mag. Bernhard Baier, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (752/A und 1308 d.B. sowie 7475/BR d.B. und 7501/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Ein­spruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich .................................................  119, 128

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................................................. 128

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhält­nisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird (754/A und 1320 d.B. sowie 7510/BR d.B.) .......................................... 128

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 128

Redner/Rednerinnen:

Gottfried Kneifel ................................................................................................  129, 138

Wolfgang Sodl ............................................................................................................ 130

Franz Perhab ............................................................................................................... 132

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 133

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 134

Manfred Gruber .......................................................................................................... 136

Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Öster­reichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteili­gungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird (754/A und 1320 d.B. sowie 7510/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich  129, 139

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................................................. 139

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1280 d.B. und 1310 d.B.) ........... 139


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733. Sitzung / Seite 9

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug ....................................................................................................... 140

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 142

Eva Konrad ................................................................................................................. 144

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 144

Antrag der Bundesräte Mag. Gerald Klug, Eva Konrad, Kolleginnen und Kolle­gen, hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1280 d.B. und 1310 d.B.), gemäß § 51 Abs. 1 GO-BR zur Tagesordnung überzu­gehen – Annahme ............................................................  142, 145

Antrag der Bundesräte Günther Köberl, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1280 d.B. und 1310 d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstim­mung erübrigt sich .........................................................................................................  143, 145

19. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wählen ab 16“ auf Bundesebene (150/A(E)-BR/2006 sowie 7503/BR d.B.) ............................ 145

Berichterstatter: Ing. Reinhold Einwallner ................................................................ 146

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 146

Erwin Preiner .....................................................................................................  147, 155

Peter Mitterer .............................................................................................................. 149

Eva Konrad ................................................................................................................. 151

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 153

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 7503/BR d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Wählen ab 16“ auf Bundesebene (E 206-BR/06) ....................................................... 155

20. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Wirtschaftsstandort Österreich, Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) in den Regionen (152/A(E)-BR/2006 sowie 7511/BR d.B.) ..................................................................................... 155

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 156

Redner/Rednerinnen:

Franz Perhab ............................................................................................................... 156

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 157

Peter Mitterer .............................................................................................................. 159

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 161

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 161

Entschließungsantrag der Bundesräte Sonja Zwazl, Peter Mitterer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Wirtschaftsstandort Österreich, Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) in den Regionen – Annahme (E 210-BR/06) .....................................................................................................  163, 165

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 7511 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Auftragsvergaben durch die Bundesbeschaffung GmbH (E 207-BR/06) .................... 165

21. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Karl Boden, Elisabeth Kersch­baum, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche Sicherstellung der


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733. Sitzung / Seite 10

Gentechnikfreiheit österreichischer Nationalparks (151/A(E)-BR/2006 sowie 7512/BR d.B.) ..................................................................................... 165

Berichterstatterin: Maria Mosbacher .......................................................................... 165

Redner/Rednerinnen:

Johann Höfinger ................................................................................................  165, 171

Karl Boden .................................................................................................................. 166

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 167

Elisabeth Kerschbaum .....................................................................................  168, 171

Entschließungsantrag der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Karl Boden, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verzicht auf Gentechnik-Saatgut beim öster­reichischen Agrar-Umweltprogramm (ÖPUL) und Unterstützung des Selbstbe­stimmungsrechts der gentechnikfreien Regionen – Annahme (E 211-BR/06)           170, 172

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 7512 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend rechtliche Sicherstellung der Gentechnikfreiheit österreichi­scher Nationalparks (E 208-BR/06)                172

Eingebracht wurden

Anfrage der Bundesräte

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend „Umorganisationen im Gesundheitswesen“ (2399/J-BR/06)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Visapolitik (2184/AB-BR/06 zu 2385/J-BR/06)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Ing. Reinhold Einwall­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Parteipolitik auf dem Rücken von Hochwas­seropfern?“ (2185/AB-BR/06 zu 2378/J-BR/06)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ed­gar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zahl der Lehrerdienstposten (2186/AB-BR/06 zu 2377/J-BR/06)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Mittel für den Schutzwasserbau (2187/AB-BR/06 zu 2383/J-BR/06)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Su­sanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rainerkaserne in Salz­burg/Glasenbach – Nutzung als Ausweichquartier für die HTL Hallein (2188/AB-BR/06 zu 2386/J-BR/06)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Interventionen des Pressesprechers des Finanz­ministers zu einer Aussendung von „ProSieben Austria“ zum Thema Fiona Swarovski (2189/AB-BR/06 zu 2380/J-BR/06)


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733. Sitzung / Seite 11

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Edgar Mayer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Hochwasserschäden 2005 in Vorarlberg: Eintra­gungsgebühr für Ersatzobjekte und Grunderwerbsteuer für den Mehrwert – bei Absied­lungen aus der Parzelle Schildried – in Göfis (2190/AB-BR/06 zu 2381/J-BR/06)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bildungssparen“ (2191/AB-BR/06 zu 2387/J-BR/06)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine öffentliche AHS-Langform in Innsbruck (2192/AB-BR/06 zu 2384/J-BR/06)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zulassungsschein – Ausstellung im Scheckkartenformat (2193/AB-BR/06 zu 2388/J-BR/06)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausreichende Dotierung der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie (2194/AB-BR/06 zu 2389/J-BR/06)

 


09.04.56


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733. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 733. Sitzung des Bun­desrates.

Das Amtliche Protokoll der 732. Sitzung des Bundesrates vom 16. März 2006 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Sissy Roth-Halvax, Anna Blatnik und Reinhard Jany.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Bundeskanzler hat über Entschlie­ßung des Bundespräsidenten die Mitteilung gemacht, dass innerhalb des Zeitraumes vom 18. bis 23. April 2006 der Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser durch den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz vertreten wird.

09.06.16Fragestunde

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor ich jetzt – um 9.06 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einver­nehmen mit Herrn Vizepräsidenten Weiss, um die Behandlung aller mündlichen Anfra­gen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1496/M-BR/2006, an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wiesenegg, um die Verlesung seiner An­frage.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Freun­de! Als selbst Betroffener weiß ich ganz genau, wie wichtig diese Anfrage ist. Sie ist eine positive Anfrage, da ich auch weiß, dass du, lieber Minister, zum Schutz vor Na­turgefahren 37 Millionen € bis zum Jahr 2016 zur Verfügung stellst.

Meine Frage lautet daher:

1496/M-BR/2006

„In welcher Weise werden Sie zu einer Sicherung der Maßnahmen im Bereich des Überschwemmungsschutzes beitragen?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Zur Frage, in welcher Weise wir die Maßnahmen zum Hoch­wasserschutz in Österreich, gerade auch angesichts der Ereignisse der letzten Wo­chen, sichern, ist Folgendes zu sagen:


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733. Sitzung / Seite 13

Es ist so, dass wir in Österreich bereits jetzt, was die letzten zehn Jahre betrifft, ein sehr ambitioniertes Ausbauprogramm haben und über 2 000 Projekte gefördert haben. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit setzen wir einen klaren Akzent und werden mit Beginn des Jahres 2007 die Mittel für den vorbeugenden Hochwasserschutz in Ös­terreich entsprechend aufstocken und ausbauen. Wir hatten für den vorbeugenden Hochwasserschutz jährlich etwa 93 Millionen € zur Verfügung, die Mittel dafür werden wir nun um 37 Millionen € aufstocken. Das ist eine Summe, die sich sehen lassen kann. Also es wird der Betrag mit den Interessenten und Ländern gemeinsam um fast zwei Drittel aufgestockt.

Wir werden damit in den nächsten zehn Jahren zu den schon geplanten 2 000 Projek­ten noch über 600 Projekte neu österreichweit in den Ausbau mit einbeziehen können. Wir gehen damit, so glaube ich, in eine sehr gute Richtung. Wir bauen im Wesentlichen auf Standard HQ 100 aus.

Klar ist aber auch – das haben die Erfahrungen der letzten Wochen gezeigt, auch die Erfahrungen aus Tirol im Vorjahr –, dass immer ein Restrisiko vorhanden ist, vor allem dann, wenn enorme Schneemengen oder enorme Regenmengen in kurzer Zeit herun­terkommen und die Hochwasserwahrscheinlichkeit von HQ 100 deutlich überschritten wird. Aber wir legen, wie gesagt, massiv Geld dazu: plus 37 Millionen € seitens des Bundes pro Jahr. Das ist eine Aufstockung, die 600 zusätzliche Projekte in Österreich ermöglichen wird.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Herr Minister! Wie sind diese Mittel für diese Zeit dann abgesichert?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist so, dass es eine Vereinbarung zwischen Bund und Län­dern gibt. Diese 37 Millionen € pro Jahr gehen zurück auf eine Bund-Ländereinigung, die in den letzten Monaten getroffen wurde. Wir haben sie gemeinsam auf den Weg gebracht. Wir werden im Bundesbudget dafür Vorsorge treffen – das tun wir gemein­sam, das BMF und auch mein Ressort –, und die Kofinanzierung der Länder, der Inter­essenten, der Gemeinden und anderer ist damit auch gegeben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Bundesminister! A sagen heißt, auch B sagen zu müssen. B sagen heißt, den Flüssen mehr Platz zu geben. Das ist zwar eine wichtige Maßnahme, aber noch immer werden Bäche und Flüsse betoniert oder eingeengt. Da fehlt irgendwie das B zum A.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Kein anderes Land der Europäischen Union gibt so viel für LIFE-Projekte aus, gerade auch im Bereich des vorsorgenden Hochwasserschutzes, wie Österreich, um die Renaturierung und die natürliche Ausweitung der Flüsse zu er­möglichen.

Wir bekennen uns dazu. Ich habe auch bei der Präsentation der zusätzlichen Geldmit­tel für den vorbeugenden Hochwasserschutz klar gemacht, dass wir nach folgendem Prinzip vorgehen werden: umwelt- und naturschonend dort, wo möglich, technisch dort,


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wo notwendig. Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass wir in einem so dicht besiedelten Land wie Österreich, mit seiner Topographie – mit engen Gebirgstälern – so viel unbegrenzten Raum zur Verfügung hätten, um alles mit ökologischem Hoch­wasserschutz in der Ausuferung der Bäche zu ermöglichen. Das bedeutet, mehr als in der Vergangenheit in den ökologisierten Hochwasserschutz zu geben. Keine Frage! Wir werden das auch mit konkreten Projekten im Einzelfall prüfen. Wir tun das bereits seit der Hochwasserkatastrophe des Jahres 2002 an einzelnen Flüssen. Dort, wo es nicht anders möglich ist, versuchen wir, wieder die technischen Verbauungen zu ma­chen, aber eine stärkere Ökologisierung wird unser Ziel sein.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Vilimsky. – Bitte.

 


Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Stichwort „Hochwasserkatastrophe Dürnkrut“: Seit 1997 soll bekannt gewesen sein, dass der Damm dort schadhaft beziehungsweise sanierungsbedürftig ist.

Können Sie ausschließen, dass andere Dämme in Österreich vergleichbar sanierungs­bedürftig sind und damit eine Hochwasserkatastrophe wie in Dürnkrut ebenfalls Platz greifen könnte?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich habe schon offen, auch in der vorhergehenden Beantwor­tung, gesagt, es wäre vermessen, dass jemand ausschließen kann, dass auch entlang verbauter Strecken ein Hochwasser kommen kann. Ich werde das hier auch dezidiert nicht sagen, sondern ich sage, dass wir alles tun, um bei bestehenden Dämmen die Kontrolle, die Überprüfung vorzunehmen. Wir haben das getan und tun das auch; es passiert ja auch im vorbeugenden Hochwasserschutz, dass bereits lange zurücklie­gende Projekte evaluiert und erneuert werden. Auch entlang der March gab es bereits entsprechende Projektierungen. Das heißt, wir sind gut unterwegs, um alles, was an Hochwasserschutz besteht, zu prüfen, um alles möglichst hochwassersicher zu ma­chen. Ein Restrisiko wird immer bleiben. Es wäre vermessen, zu sagen, dass das ir­gendjemand ausschließen könnte.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zur 2. Anfrage, die stellt Herr Bundesrat Haller. Ich bitte ihn um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Meine Frage lautet:

1491/M-BR/2006

„Welche Schwerpunkte setzt der ‚Grüne Pakt für Österreichs Landwirtschaft‘ – der Pro­grammentwurf Ländliche Entwicklung 07–13 – zur Erhaltung unserer flächendecken­den bäuerlichen und naturnahen Landwirtschaft?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben nach der Einigung um die finanzielle Vorausschau in Brüssel im Dezember des Vorjahres auf Ebene der Regierungschefs und jetzt nach der Einigung während unserer Präsidentschaft mit dem Europäischen Parlament und damit mit der klaren Ausrichtung der Summe, die wir für die ländliche Entwicklung haben,


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einen neuen Vertrag mit dem ländlichen Raum in Österreich und mit den Bäuerinnen und Bauern geschlossen. Der Grüne Pakt besteht im Wesentlichen aus drei Säulen.

Da ist zum Ersten das klare Bekenntnis zu einem Bergbauernausgleichszahlungspro­gramm.

Da ist zum Zweiten ein Umweltprogramm, das wir auch in der Vergangenheit hatten, das wir redimensioniert in Zukunft anbieten werden, aber als klarer Schwerpunkt mit der höchsten Geldsumme innerhalb des Paktes ist das Umweltprogramm dotiert.

Da ist zum Dritten eine Investitionsoffensive zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Bäuerinnen und Bauern und der Wettbewerbsfähigkeit des ländlichen Raumes insgesamt.

Wir setzen damit neue Akzente. Wir werden insgesamt in der Periode zwischen 2007 und 2013 Mittel in der Höhe von 3,1 bis 3,2 Milliarden € dafür verausgaben. Wir sind damit in Europa einsamer Spitzenreiter. Kein anderes Land kann flächendeckend für die Bäuerinnen und Bauern und den ländlichen Raum ein derartig dimensioniertes Um­weltprogramm anbieten.

Wir legen jetzt in den entscheidenden Gesprächen mit Brüssel auch diesen Grünen Pakt zur Notifizierung vor, sind jetzt in Diskussionen und werden hoffentlich mit 1. Jän­ner 2007 – es liegt nicht mehr an uns, sondern an der technischen Umsetzung in Brüs­sel – mit diesem Programm beginnen können.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Die Summen haben wir ge­hört. Mich würde noch interessieren, welche Maßnahmen konkret für die wirtschaftliche Stärkung der bäuerlichen Betriebe und des ländlichen Raumes vorgesehen sind.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir geben – das ist eine kurze Übersicht – 1 Milliarde € pro Jahr für diese Programmatik aus. Wir werden für das Bergbauernprogramm 276 Millio­nen € pro Jahr bereitstellen. Wir werden 524 Millionen € pro Jahr für das Umweltpro­gramm bereitstellen und 130 Millionen € pro Jahr für die Investitionsförderung. Das heißt, dass wir die Mittel für die Investitionsförderung im Verhältnis zur Vergangenheit um mehr als 30 Prozent aufstocken, hier eine Förderungsrichtlinie mit auf den Weg geben. Darauf bezieht sich auch die Fragestellung, sofern ich Sie richtig verstanden habe, dass wir vor allem bei Junglandwirten, bei Jungunternehmern im ländlichen Raum einen absoluten Akzent setzen wollen von Richtlinien, aber auch von Geldmit­teln, und dazu dient diese Aufstockung der Investitionsförderungsmittel um 30 Prozent auf 130 Millionen € pro Jahr.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Wie reagieren Sie auf die massiven Einwände und Kritiken sowohl der österreichischen Biobauernorganisa­tion als auch der Interessengemeinschaft Milch betreffend starke Kürzungen, die durch die Umsetzung des Grünen Paktes für diese bäuerlichen Gruppen entstehen?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich muss einmal diese Legendenbildung, dass im Grünen Pakt


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weniger Geld für die Bäuerinnen und Bauern im ländlichen Raum zur Verfügung ste­hen würde, zurückweisen. Wir sind das einzige Land Europas, das nach der finanziel­len Einigung im Dezember 2005 in der ländlichen Entwicklung exakt gleich viel Geld wie in der Vergangenheit zur Verfügung hat, nämlich 3,1 bis 3,2 Milliarden €. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Wir sind durch die neuen Richtlinien in der Europäischen Union gede­ckelt. 80 Prozent der Summe dürfen künftig nur mehr für Umweltprogramme in der Landwirtschaft, für Ausgleichszulagen und Ausgleichszahlungen für Bergbauern aus­gegeben werden. Das ist europaweit gleich: 80 Prozent der bereitgestellten Gesamt­summe. 80 Prozent ist der Deckel.

Wenn wir die Bergbauernausgleichszahlung mit 276 Millionen € wie in der Vergangen­heit konstant lassen, um ein klares Zeichen für die kleinen bergbäuerlichen Betriebe zu setzen, dann ist bei einer Milliarde, die wir pro Jahr zur Verfügung haben, denklogisch: 800 Millionen minus 276 Millionen ergibt die Restsumme von 524 Millionen. Und wir werden jeden Euro dieser Restsumme für das Umweltprogramm verausgaben.

Ich kann diese Vorwürfe nicht nachvollziehen. Sie sind im Übrigen uralt, weil die Bio­verbände mit BIO AUSTRIA als dem großen Verband der Biobauern nach einer aber­maligen Diskussion mit mir den Grünen Pakt unterschrieben haben. Mehr kann man wohl nicht tun, um mit legitimierten Interessenvertretungen in der Landwirtschaftskam­mer, mit den Landwirtschaftskammern, mit den Bundesländern, die die Kofinanzierung bereitstellen müssen, und mit den Biobauern auch eine Unterschrift unter diesen Grü­nen Pakt zu bekommen. Ich sehe keine offenen Fragen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Frau Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Bekanntermaßen gibt es keine Studien in Bezug auf die Langzeitfolgen von Gentechnikpflanzungen betreffend Biodiversität.

Meine Frage lautet: Warum wird nicht im Programm das Verbot von Gentechniksaatgut verankert, um eben unsere Biodiversität zu schützen?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Klare Antwort dazu: Wir hatten diese Debatte bei der Evaluie­rung des Umweltprogramms durchaus mit im Portfolio. Es hat dann von einer NGO einen Brief nach Brüssel gegeben mit einer Frage, die da geheißen hat: Liebe Kommis­sion! Beurteile mir, ob Gentechnikfreiheit im Saatgut als Voraussetzung und als Ele­ment in einem Umweltprogramm, das von der Europäischen Union abzuzeichnen ist, möglich ist!

Darauf kam ein zweiseitiges Schreiben an diese NGO – mir leider nicht vorgelegt, aber dann ein paar Monate später kommuniziert – mit der eindeutigen Antwort: Gentechnik­freies Saatgut ist weder als Voraussetzung noch als Bestandteil in einem Umweltpro­gramm zulässig.

Wissen Sie, wozu dieser Brief noch geführt hat? – Dass man jetzt bei Slowenien, wo man ursprünglich gesagt hat, ja, weil es durchgerutscht ist, draufgekommen ist – denn die NGO hatte auch einen Verweis darauf, dass das in Slowenien möglich war –, dass dieses Land die Gentechnikfreiheit aus dem Umweltprogramm herausnehmen muss.

So wird vorgegangen – während ich unterwegs war, um sehr intelligent und auf Ver­handlungsebene zu versuchen, da doch einen Weg zu öffnen. That’s it! Es gibt die


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klare Rechtsmeinung: Gentechnikfreiheit im Umweltprogramm wird die Europäische Union, wird die Kommission nicht tragen. Diesen Brief gibt es. Er liegt vor. Die Rechts­meinung ist klar geäußert, die da lautet: Das ist nicht möglich!

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 3. Anfrage, die Frau Bundesrätin Kerschbaum stellt. Ich bitte sie um die Verlesung ihrer Frage.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister!

1495/M-BR/2006

„Warum wurde das ‚Flussbauliche-Gewässerökologische Gesamtkonzept für March und Thaya‘ (‚MARTHA 95‘) fallengelassen und durch das derzeit zur UVP-Begutach­tung aufliegende Hochwasserschutzprojekt ersetzt?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Frau Bundesrätin Kerschbaum, ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten. Wenn Sie sich auseinander gesetzt haben, was ich annehme, mit der Kompetenzverteilung in diesem Land, dann müssen Sie wissen, dass für die Frage der March und für die Frage der Donau die via donau und damit das Bundesministe­rium für Verkehr für den Hochwasserschutz zuständig ist. Auch die Donau ist nicht erfasst von meinen ersten Auskünften. Der Hochwasserschutz für die Donau liegt nicht in meinem Kompetenzbereich. Die zusätzlichen Mittel, die ich in der Beantwortung der ersten Frage genannt habe, beziehen sich nicht auf die Donau und die March, auf die Flüsse, für die ich nicht zuständig bin. Ich weiß deswegen nicht, was seitens der via donau in Bezug auf die Gestaltung des Projekts gemacht, zurückgelegt und neu entwickelt wurde. Ich bin dafür nicht zuständig!

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Sie haben vorhin gesagt, Sie unterstützen den ökologischen Hochwasserschutz dort, wo er möglich ist. Sind Sie der Meinung, dass er in diesem Bereich, wo dieses „MARTHA-Projekt“ geplant war, möglich wäre?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Ich kenne dort die Projektierung nicht. Ich bin für die March nicht zuständig, weder im Behördenverfahren noch im Hochwasserschutz. Ich kenne also die Gegebenheiten vor Ort nicht. Diese Frage müssen Sie meinem Kollegen Gorbach stellen, der sie vielleicht auch beantwor­ten kann, weil er weiß, was mit der via donau dort projektiert, geplant und möglich ist.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Eine Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Boden gewünscht. – Bitte.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Da Sie zustän­dig sind für die Umweltverträglichkeitsprüfung, ist meine Frage ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll schüttelt den Kopf.) – Auch nicht? Ich hätte nämlich gerne gewusst, ab wann die Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig gewesen ist.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 



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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist bei der Umweltverträglichkeitsprüfung grundsätzlich so: Wenn Sie jetzt die zweite Ebene ansprechen, die Umweltsenatsüberprüfung, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist ein unabhängiger Senat, der mir gegenüber nicht wei­sungsgebunden ist. Das UVP-Gesetz gibt klar vor, in welchen Fällen für welche Pro­jekte, auch was den Hochwasserschutz betrifft, auch abgeleitet von der Europäischen Union, bei Einzelprojekten UVP-Verfahren notwendig sind. Ich kenne das Projekt der Entwicklung nicht. Ich bin dafür nicht zuständig, und ich bin auch nicht für die UVP zuständig, zwar in der Gesetzwerdung, in der gesetzlichen Kompetenz, aber in der Projektierung läuft die UVP laut gesetzlichen Vorgaben dann, wenn Projektträger, egal, um welche Bauvorhaben es sich handelt, Straßen, Hochwasserschutz, was auch im­mer, davon erfasst sind. Also ich kenne das Projekt nicht, ich bin dafür nicht zuständig und kann Ihnen deswegen auch keine Auskunft geben hinsichtlich der Notwendigkeit eines UVP-Verfahrens im konkreten Fall.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 4. Anfrage, die von Frau Bundesrätin Maria Mosbacher gestellt wird. Ich bitte um die Verlesung.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Minister!

1497/M-BR/2006

„In welcher Höhe drohen Österreich Strafzahlungen auf Grund der Nichteinhaltung des Kyoto-Zieles?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich nehme einmal an, dass überhaupt keine Strafzahlungen drohen, weil wir das Kyoto-Ziel erreichen werden. Dafür arbeite ich, dafür arbeiten wir mit allen unseren Maßnahmen sehr engagiert und sehr detailliert.

Ich muss auch aufräumen mit dem Irrglauben, dass in den Verträgen von Kyoto und in den nachfolgenden Abkommen Strafzahlungen im eigentlichen Sinn erwähnt werden. Sie sind in keinem Beschluss vorgesehen!

Die Frage der Strafzahlungen, die im Raum stehen, stellt sich aus anderer Sicht, näm­lich auf Grund dessen, dass sich die Europäische Union insgesamt – die EU-15, vor der Erweiterung – ein Ziel gesteckt hat und die Länder untereinander im Rahmen der Lastenverteilung – Österreich minus 13 Prozent – sich dazu bekannt haben, das Ziel zu erreichen.

Ob innerhalb der Europäischen Union Strafzahlungen einmal notwendig werden für einzelne Mitgliedsstaaten, die ihre Ziele nicht erreichen, ist eine europäische Angele­genheit. Eine Ableitung aus den Verträgen von Kyoto und den nachfolgenden Vertrags­parteienverhandlungen ist nicht möglich. Strafzahlungen sind dezidiert nicht verankert und festgeschrieben, sondern es ist eine Reihe von anderen Maßnahmen ins Auge ge­fasst. Um diese Sanktionen dann weltweit einführen zu können, gibt es ein eigenes Einhaltungskomitee, das dann evaluieren wird, welche Maßnahmen zu setzen sind, falls Länder massiv gegen diese Zielerreichung verstoßen.

 


Innerhalb der Europäischen Union werden wir das gemeinsam zu diskutieren haben, aber ich gehe davon aus, dass die Europäische Union ihr gestecktes Ziel erreichen wird.


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733. Sitzung / Seite 19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): In welcher Höhe ist eine Aufsto­ckung der Mittel für den Klimaschutz geplant?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben in der Legislaturperiode seit 2003 um 30, 60 und am Schluss jetzt 90 Millionen € aufgestockt. Das ist ein Zuwachs im Umweltbudget, wie ihn wenige andere Budgetansätze in der Republik verzeichnen konnten. Wir haben also das Budget massiv ausgeweitet, um in Klimaschutz zu investieren. Wir tun das vor allem im Rahmen klimarelevanter Umweltförderung, im Rahmen der Unterstützung der Biomasse, im Rahmen von klima:aktiv, wo wir in Kampagnen ganz massiv versuchen, mit Professionisten, mit Architekten und anderen, im Bereich der Raumwärme die Fra­ge der Energieeffizienz in den Vordergrund zu stellen. Das heißt, wir haben hier die ganze Breite im Auge. Wir haben aufgestockt: 30, 60, 90 Millionen €, und das ist sonst bei keinem anderen Budgetansatz in dieser Dynamik geschehen.

Wir werden nach der Evaluierung 2005 – Stichwort „Emissionshandel“ –, nach den Er­fahrungen mit der Industrie schauen, wo wir stehen. Sie wissen ja, dass wir erstmals den Trend brechen konnten. Bei der Zunahme von CO2 geht es nach unten – noch nicht genug, ich sage das auch ganz offen. Wir müssen den Weg konsequent weiter fortsetzen. Wir werden uns überlegen, was wir in den folgenden Jahren an Budgets be­nötigen. Aber die Zeichen sind ermutigend: 30, 60, 90.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zu einer weiteren Zusatzfrage von Herrn Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Welche konkre­ten Klimaschutzmaßnahmen setzt Österreich, um das Kyoto-Ziel von minus 13 Prozent CO2-Ausstoß bis 2012 zu erreichen?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist klar, dass es um einen Mix geht, und dieser Mix besteht einerseits aus JI/CDM-Programmen, das heißt, auf internationaler Ebene Klimaschutz­projekte zu unterstützen und dafür Zertifikate zu kaufen, die unserem Klimaschutzziel anzurechnen sind, und andererseits daraus, den Emissionshandel der Industrie weiter fortzuführen. Wir haben Anlagen mit CO2-Zertifikaten gedeckelt. Im Jahr 2005 haben wir erstmals den Zertifikathandel in Österreich und in der Europäischen Union gehabt. Es steht jetzt die Frage der Evaluierung an: Wie erfolgreich war das?

Ein weiterer und wohl entscheidender Punkt in der Klimaschutzstrategie für Österreich, aber auch für Europa insgesamt, ist die Frage der Energieeffizienz und ist die Frage des Ersatzes der fossilen Energieträger. Da kommt uns auf der einen Seite die Preis­entwicklung entgegen, und auf der anderen Seite ist natürlich die Forcierung der alter­nativen Energieträger, wie etwa Biogas, Biomasse, neue Energieträger bei den Treib­stoffen, der Schlüssel für den Erfolg. Ich sage nur: Wir liegen jetzt schon bei 3 Prozent Beimischung beim Diesel. Wir werden 2008 einen Wert von 5,75 Prozent Gesamtbei­mischung erreichen und 1 Million Tonnen CO2 damit reduzieren. Diesen Weg werden wir konsequent weiter fortsetzen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

 


Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Konrad gestellt. – Bitte.


Bundesrat
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733. Sitzung / Seite 20

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie sind so zuversichtlich, dass wir die Kyoto-Ziele doch noch erreichen. Hoffnung ist etwas Schönes, momentan sind wir aber vielleicht noch ein bisschen davon entfernt. Worauf konkret begründen Sie denn Ihre Hoffnung? (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Mittlerweile hat sich die Hoffnung auch in handfesten Daten ausgedrückt, Frau Bundesrätin. Wir konnten im Jahr 2004 erstmals im Anstieg der CO2-Kurve eine Reduktion erreichen. Wir sind auch optimistisch für das Jahr 2005. Wir haben die endgültigen Daten noch nicht, es wird noch ein wenig dauern. Wir haben eine Zunahme im Bereich der erneuerbaren Energie, und zwar durch das Ökostromge­setz, durch die Diesel-Beimischung, durch den Ersatz von fossilen Energieträgern und durch eine Preisentwicklung, die uns massiv entgegenkommt.

Wir sind auch sehr erfolgreich bei JI/CDM-Programmen im Ausland. Der Emissions­handel bei der Industrie wirkt. Wir haben laut Bewertung den zweitambitioniertesten Emissionshandelsplan der Europäischen Union vorgelegt. Deswegen sind wir auf der richtigen Schiene, und ich denke, dass wir 2012 die minus 13 Prozent erreichen kön­nen. Energieeffizienz ist das Thema, das darüber letztendlich entscheiden wird. Wir ha­ben Contracting-Modelle. Wir haben bei der Wohnbauförderung eine Artikel-15a-Ver­einbarung mit den Bundesländern auf den Weg gebracht; das ist gerade für den Bun­desrat wichtig.

Wir haben erstmals Mindeststandards in der Wohnbauförderung eingeführt: ökologi­sche Mindeststandards. Manche Bundesländer sind ambitionierter und schon darüber hinausgegangen. Aber jedenfalls werden uns diese Mindeststandards massiv helfen, was die Frage Energieeffizienz und Betonung alternativer Energien betrifft. Den Weg gehen wir weiter, und ich bin nicht nur zuversichtlich, sondern ich bin mir sehr, sehr sicher, dass wir das Kyoto-Ziel erreichen können. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Nächste Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Auf Grund seiner Verpflichtungen im Kyoto-Protokoll kauft das österreichische JI/CDM-Programm Emissionsreduktionseinheiten aus pro­jektbezogenen flexiblen Mechanismen. Welche Projekte in welchen Ländern werden derzeit im Rahmen des JI/CDM-Programms durchgeführt, und in welcher Höhe konn­ten bislang mittels JI/CDM-Programms Emissionsreduktionseinheiten angekauft wer­den?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist so, dass wir JI/CDM-Projekte insofern gedeckelt haben, als wir nur maximal 40 Prozent der Geldmittel für den Ankauf von solchen Zertifikaten aus dem Budgettopf zur Verfügung stellen. Wir haben mehrere Projekte in der Pipeline. Es sind nicht Projekte des Ministeriums, sondern es sind Projekte, die eine eigene JI/CDM-Kommission, beschickt auch mit Vertretern der Interessenvertretungen und der parlamentarischen Parteien, im Einzelfall prüft, darüber entscheidet und mir dann vor­legt.

Das sind Projekte, wo es um Wasserkraftwerke geht, um das Zusperren von Kohle­kraftwerken, um die Forcierung erneuerbarer Energien, um die Reduktion des Methan­ausstoßes bei Kohlegruben, um die Verwertung des Methans zur Energiegewinnung,


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um das Ersetzen von fossiler Energie et cetera. Diese Projekte umfassen die gesamte Bandbreite. Es sind mehrere Länder betroffen, wo wir einkaufen. Mit diesen Ländern machen wir auch bilaterale Rahmenverträge, um uns in diesen Bereichen bewegen zu können.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 5. Anfrage, die Frau Bundesrätin Martina Diesner-Wais stellt. Ich bitte sie um die Verlesung ihrer Anfrage.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bun­desminister!

1492/M-BR/2006

„In welcher Höhe stellt der Bund zusätzliche Budgetmittel zur Sicherung eines moder­nen Hochwasserschutzes zur Verfügung?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Da schließt sich der Bogen zum ersten Fragesteller. Ich habe angeführt, dass wir zu den Mitteln, die bis jetzt schon bereitgestellt sind, pro Jahr noch 37 Millionen € in den nächsten 10 Jahren aus den öffentlichen Budgets drauflegen wer­den und damit natürlich wesentlich mehr Projekte in die Pipeline bekommen. Und wir werden für das Jahr 2006 – auch das haben wir bereits beschlossen – noch 15 Millio­nen € flüssig machen und ab dem nächsten Jahr zusätzlich 37 Millionen €.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Wie viele zusätzliche Projekte können damit zum Schutz der Menschen vor Naturkatastrophen verwirklicht werden?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Mit dem Sockel, den wir in der Vergangenheit hatten und auch in Zukunft haben werden, haben wir in zehn Jahren zirka 2 000 Projekte realisieren können. Wir werden in den nächsten Jahren diese 2 000 auch bedienen und mit dem zusätzlichen Geld in zehn Jahren rund – da kommt es natürlich auf die Größe der Ein­zelprojekte an – 600 Projekte bedienen können. Das hat einen Arbeitsplatzeffekt, was man auch nicht vergessen darf, im Hochwasserschutz von zirka 1 500 Arbeitsplätzen in diesen zehn Jahren.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Aus welchem Grund wurden die für die March-Sicherung budgetierten Mittel nicht für die Herstellung eines modernen Hochwasserschutzes verwendet?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die Frage, die ich heute bereits mehrmals beantwortet habe, nämlich die Frage der zusätzlichen Geldmittel zu dem Sockel von zirka 90 Millionen,


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diese Aufstockung um 37 Millionen €, betrifft alle Flüsse in meinem Zuständigkeits­bereich. Das sind alle Flüsse außer Donau, March, Teilen der Enns, die bei der via donau und dem BMVIT budgetiert sind. Für diese Bereiche gibt es eigene Hoch­wasserausbauten, eigene Zuständigkeiten.

Die Unterscheidung ist im Bundesministeriengesetz festgelegt: Es geht um die schiff­baren Flüsse, die als Verkehrswege genützt werden. Diese sind in der Zuständigkeit des Verkehrsministers, und diese Trennung gibt es schon seit langer Zeit. Ich kann Ihnen deswegen diese Frage nicht beantworten. Ich stocke um 37 Millionen € für alle Flüsse auf, die in meinem Zuständigkeitsbereich sind.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich persönlich wäre als Umweltminister nervös, wenn der Verkehrsminister mit seinen 180-km/h-Ambitionen für ein gewässerökologisches Gesamtkonzept zuständig wäre. (Rufe bei der ÖVP: 160 km/h!) – Oder 160 km/h, aber mit der Toleranzgrenze geht es auch ein bisschen schneller. – Aber Sie müssen ja damit schlafen können.

Können Sie garantieren, dass der wichtigste mäandrierende Fluss Mitteleuropas, der Lech, in seinem Bett, das er dafür braucht, in der Form erhalten bleibt?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Bundesrat, ich bin überhaupt nicht nervös, sondern ich halte mich an die Kompetenzverteilung, wie sie ist, und diese ist nicht von mir ge­schaffen worden. Und jeder hat in seinem Kompetenzbereich das wahrzunehmen, was wahrzunehmen ist, und ich versuche das Beste zu machen, gemeinsam mit den Bun­desländern. (Bundesrat Konecny: Und der Verkehrsminister nicht?) Natürlich! Lassen Sie mich das weiter ausführen, wenn es gestattet ist, Herr Bundesrat!

Ich gehe davon aus, dass der Herr Verkehrsminister dasselbe tut. Auch für ihn gelten so wie für mich bei der Projektierung von Hochwasserprojekten natürlich die gesetz­lichen Rahmenbedingungen, die festlegen, wann und ob eine UVP zu machen ist, wie auf Naturschutz-, auf Anrainer- und Anliegerinteressen Rücksicht zu nehmen ist, und so weiter und so fort. Da bewegen wir uns im selben Rahmen, und deswegen brauche ich nicht nervös zu sein. Das Regelwerk steht. Die Zuständigkeiten in der Projektie­rung, Einreichung und Durchführung sind andere, aber der gesetzliche Rahmen, auch aus ökologischer Sicht, gilt für mich wie ihn in gleicher Art und Weise.

Was Ihre Frage betrifft: Wenn Anlieger, Gewerbebetriebe, Gemeinden kommen und sagen, dass sie ein Problem mit dem Hochwasserschutz haben, dann wird projektiert – und ein naturbelassener Fluss wie der Lech soll das aus meiner Sicht auch bleiben. Ich weiß von der Hochwasserkrise des letzten Jahres, dass dort in der Region die Emotio­nen hochgingen. Das Spannungsfeld „Ökologie und Schutz der Menschen vor dem Hochwasser“ mit ökologischer Zielsetzung aufzulösen ist mein Ziel.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 6. Anfrage, die Herr Bundesrat Kampl stellt. Ich bitte ihn um die Ver­lesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Geschätzte Frau Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister!


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1494/M-BR/2006

„Wie soll die Zukunft der heimischen Bauern angesichts der Streichung von 15 bis 20 Prozent der Förderungen durch das neue Programm „Ländliche Entwicklung“ gesi­chert werden?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Bundesrat Kampl, wir streichen im Bereich der ländlichen Entwicklung nichts. Wir haben gleich viel Geld in der Periode 2007 bis 2013 für den ländlichen Raum und für die Bäuerinnen und Bauern zur Verfügung: 3,1 bis 3,2 Mil­liarden €. Also es kann keine Rede von einer Streichung der finanziellen Mittel sein!

Die Frage, die sich releviert, ist, dass wir durch den Deckel, den wir haben, im Umwelt­programm gegenüber der Vergangenheit zurückgehen müssen und das Geld stärker in die Investitionsförderung geben. Das heißt, Bauern, die investieren, werden in Zukunft wesentlich mehr und schneller lukrieren können als in der Vergangenheit. Die Höhe der finanziellen Mittel ist insgesamt gleich, es kommt nur zu einer Verschiebung aus dem Umweltprogramm zur Investitionsförderung, wo wir im Übrigen besonderen Hand­lungsbedarf haben, weil aufgrund des neuen Tierschutzgesetzes in Österreich sehr viele bäuerliche Betriebe jetzt neu investieren müssen, um die entsprechenden Anfor­derungen zu erfüllen. Ich denke, dass das im Sinne des Tierschutzes und damit auch des Umweltschutzes eine wichtige Investition ist.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Die Versor­gung mit Breitbandtechnologie ist eine große Chance für den ländlichen Raum. Welche Möglichkeiten werden Sie nützen, damit in den nächsten Jahren die Breitbandtechno­logie auch in entlegenen bewohnten Gebieten Einzug halten kann?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich habe mit den Gemeinden Österreichs einen sehr intensiven Kontakt über ein eigenes Programm, wo wir mit Gemeinden abtesten, wie diese Frage mit den Versorgern der Telekommunikation gemeinsam zu entwickeln ist. Es gibt im BMVIT auch Geldmittel dafür, um Breitbandanschlüsse im ländlichen Raum zu forcie­ren. Mittlerweile gibt es auch immer mehr Leute, die angesichts anderer Technologien, die bereits vor der Tür stehen, einmahnen, man sollte nicht bis in den letzten Winkel Breitband verwirklichen, weil möglicherweise neue Technologien effizienter in der Ver­sorgung des ländlichen Raumes sein könnten. Es gibt aber ein eigenes Programm im BMVIT, und wir werden das konsequent umsetzen, weil Informationstechnologie ge­rade im ländlichen Raum, auch im Zusammenhang mit der Frage Mobilität und Arbeits­platz, ein ganz entscheidender Faktor ist. (Bundesrat Ing. Kampl: Gibt es da einen Zeitplan?) – Wir sind natürlich dafür offen in der Frage der ländlichen Entwicklung, in der Periode 2007 bis 2013 dieses Programm fortzusetzen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zu einer weiteren Zusatzfrage, die Frau Bundesrätin Konrad stellt.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Minister! Wir wissen, dass gerade extensive Grünlandbetriebe besonders ökologisch wirtschaften und für den Erhalt der Kulturlandschaft, vor allem in Tourismusgebieten, sehr wichtig sind. Warum


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wird genau bei diesen Betrieben trotz aller Detailnachbesserungen überproportional, und zwar bis zu 30 Prozent, gekürzt?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich habe heute schon einmal mit einer Darstellung zu verhin­dern versucht, dass es zu einer Schieflage innerhalb der Landwirtschaft kommt. Ich habe bei der Projektierung des Umweltprogramms mit den 524 Millionen €, die wir um keinen Cent und Euro überschreiten dürfen – und die Reduktion von 610 Millionen € pro Jahr auf 524 Millionen € pro Jahr bedeutet einen Rückgang im Umweltprogramm für alle Bäuerinnen und Bauern –, peinlich genau darauf geachtet, bei der Verteilungs­wirkung Acker- und Grünland im Verhältnis zur Vergangenheit aliquot, gleichmäßig zu­rückzuführen. Es geht aber auch darum, im Grünland-Bereich darauf zu achten, dass wir nicht das machen, was da und dort Tendenz war, nämlich Geld zu geben für Be­triebe, die überhaupt keine Tiere mehr halten, die nicht extensivieren und eigentlich von der Tierhaltung schon ganz weggegangen sind, sondern dass wir das Geld wieder stärker an die Tierhaltung binden.

Warum? – Weil die Tierhaltung der Schlüssel für die Aufrechterhaltung der ländlichen Räume ist – und nicht nur das einmalige Mähen einer Wiese. Das kann vielleicht ein paar Jahre gut gehen. Wenn die Produktion aufgegeben ist, ist es vorbei! Und des­wegen binden wir erstmals im Umweltprogramm die Tierhaltung – von Raufutter ver­zehrenden Tieren – auch an Grünland-Prämien. Es kann aber keine Rede von Begüns­tigung oder von einer Benachteilung der Extensiven sein. Im Gegenteil: Mit der Her­einnahme der intensiveren Betriebe in das ÖPUL und mit dessen Öffnung zwingen wir gerade intensivere Betriebe, wenn sie am Umweltprogramm teilnehmen wollen, in Richtung Extensivierung zu gehen. Ich sehe hier also überhaupt keine Schräglage. Wir haben peinlich genau darauf geachtet, hier aliquot vorzugehen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Nächste Zusatzfrage kommt von Herrn Bundesrat Todt. – Bitte.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Wie hoch wird der Pro­zentanteil der Gelder aus dem Programm „ländliche Entwicklung“, die an die nichtbäu­erlichen Betriebe gehen, sein?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Warum nicht? – Ich möchte das natürlich schon erläutern. – Weil das Programm „ländliche Entwicklung“ wie folgt konzipiert ist: In der Säule, die Sie ansprechen, nämlich Öffnung für den außeragrarischen Bereich, gibt es Geldmittel bei LEADER. Wir stocken bei LEADER massiv auf: Wir werden statt 25 Millionen € 50 Millionen € zur Verfügung haben – das ist eine Verdoppelung der Geldmittel außerhalb des agrarischen Bereichs gegenüber der Vergangenheit, also wesentlich mehr Geld!

Die Frage allerdings, welche Betriebe mit welchen Projekten das Geld abholen, kann ich jetzt nicht beantworten. Das wissen wir im Jahr 2013. Das heißt, jeder im ländlichen Raum, der engagiert ist, der Projekte hat, der Projekte auf den Weg bringt, kann an der Förderung teilnehmen und löst damit die Verfügbarkeit des Geldes aus – und die, die das nicht tun, verzichten auf diese Möglichkeit. Deswegen kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, wie viel Geld bei dem stehenden Budget in Projekte im KMU-Bereich, in andere Bereiche, in Sozialprojekte, in Touristikprojekte gehen wird – I don’t know! Die Projekte werden kommen, und diejenigen, die die Schnellsten sind, werden davon profitieren.


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2013 werden alle daran zu messen sein, wer der Schnellere mit den klügeren Projek­ten war. 50 Millionen € stehen zur Verfügung.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage kommt von Herrn Bundesrat Höfinger. – Bitte.

 


Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Wie wirkt sich die neue EU-Vorgabe, klare Obergrenzen der jeweiligen Achsen­dotierung vorzusehen, auf das österreichische Umweltprogramm aus?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die Einführung der Obergrenzen bei der Achsendotierung mit 80 Prozent für die Achse Bergbauern-Ausgleichszahlungen und Umweltprogramm heißt für uns im Konkreten, dass maximal 524 Millionen € für das Umweltprogramm zur Verfügung stehen. Wenn jetzt mehr Bauern einsteigen und die Grenze gesprengt wird, dann führt das im Folgejahr sozusagen zu einer Verdünnung beziehungsweise zu einem Rückgang bei den Ausgleichszahlungen für alle Bäuerinnen und Bauern. Das heißt, die 524er-Grenze ist nicht mehr zu durchstoßen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. – Wir kommen zur 7. Anfrage, die Herr Bundesrat Kraml stellt. Ich bitte ihn um die Verlesung seiner Anfrage.

 



Bundesrat
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Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1498/M-BR/2006

„Wie viel Prozent der Umweltschutzförderungsmittel werden für den Bereich des Agrar­sektors vergeben?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Da muss man jetzt aufpassen: Reden wir jetzt über die länd­liche Entwicklung zwischen 2007 und 2013? Dann kann ich Ihnen das klar sagen: Da werden von 1 Milliarde € Mittel in der Höhe von 524 Millionen € für das agrarische Um­weltprogramm dotiert.

Wir haben aber natürlich auch in der Umweltförderung im Umweltressort, die ja allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes offen steht, die Situation, dass zum Beispiel auch bäuerliche Genossenschaften, die Biomasse-Heizwerke in Ortschaften errichten, eine Förderung bekommen können wie alle anderen Investoren auch. Die Zahl, die diese Aufwendungen beziffert, habe ich jetzt nicht präsent. Wie gesagt, die Umweltför­derung betrieblicher Art steht allen Bürgerinnen und Bürgern Österreichs offen. Auch da kenne ich die Prozente der Verteilung nicht. Jedenfalls ist es so, dass jeder, der in­vestiert, kommen und eine Umweltförderung beanspruchen kann.

Betreffend das Programm „ländliche Entwicklung“ weiß ich die Zahl exakt, und zwar: Es sind von 1 Milliarde € pro Jahr 524 Millionen € für ein agrarisches Umweltpro­gramm.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Ist es auch geplant, Gewerbe und Industrie verstärkt in diese Umweltschutzförderungsmaßnah­men einzubeziehen?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: In der Frage der Umweltförderung liegt der Fokus, um es klipp und klar zu sagen, was das Ressort und die betriebliche Umweltförderung betrifft, ein­deutig im Bereich der Wirtschaft und der Industrie. Da gibt es nur ganz wenige, die im bäuerlichen Bereich zu Geld kommen, auch was die Klimaschutzmaßnahmen insge­samt betrifft. Der Fokus liegt eindeutig bei Industrie und Gewerbe.

Im Rahmen des Programms „ländliche Entwicklung“ können Industrie und gewerbliche Betriebe am Umweltprogramm nicht teilnehmen; sie können aber mit eigenen Projek­ten in den von mir angesprochenen und mit 50 Millionen € gedeckelten LEADER-Pro­grammen und Regionalprogrammen natürlich auch Geld aus dem Programm „ländliche Entwicklung“ lukrieren.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. – Eine weitere Zusatzfrage kommt von Herrn Bundesrat Spiegelfeld-Schneeburg. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welchen Stellenwert hat die biologische Landwirtschaft im Rah­men des neuen Umweltprogrammes?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist so – dies sei auch gesagt, um auch die Bedeutung des Biosektors in Österreich zu relevieren und darzustellen –, dass wir in diesem Bereich in den letzten Jahren, seit 1995, eine positive Entwicklung hatten. Der Anteil der Bauern, die Biobauern sind, liegt derzeit bei zirka 12 Prozent, und diese Biobauern – das unter­streicht auch meine Argumentation beim Grünen Pakt – haben in der Vergangenheit zirka 25 Prozent der Mittel aus dem Umweltprogramm abgeholt. Und diese 12 Prozent der Biobauern werden auch in Zukunft, im Umweltprogramm-neu, im Grünen Pakt, wie­der ein Viertel, also 25 Prozent, dieser Mittel abholen. Das heißt, wir haben genau dar­auf geachtet, dass da keine Schräglage entsteht.

Was „Bio“ insgesamt betrifft, werde ich im Mai auch mit Bio-Aktionswochen in Brüssel dafür sorgen, dass wir Biolandbau zum Exportschlager machen. Ich denke, dass „Bio“ auf einem guten Weg ist, und „Bio“ ist, was die Frage des Grünen Paktes und des Um­weltprogrammes betrifft, das Kernelement beziehungsweise das Kernstück des Um­weltprogrammes.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Kerschbaum gewünscht. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Ich finde es sehr schade, dass Sie die „MARTHA 95“ nicht kennen, aber das hat nichts mit der Frage, um die es jetzt geht, zu tun.

Meine Zusatzfrage zur anstehenden Frage: Welche Projekte zur Reduktion gefähr­licher Pestizide im Grundwasser werden finanziert?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Die 524 Millionen € für das Umweltprogramm sind ein wesent-


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licher Input, wenn es um die Frage der Reduktion der Pestizide und von deren Eintrag ins Grundwasser geht. Wir können seit 1995 nachweisen, dass das Umweltprogramm wirkt: in der Reduktion der Pestizidanwendung in Österreich, auch in der Frage der Ausbringung von Kunstdünger – und wir setzen das mit dem Umweltprogramm ganz konsequent weiter fort.

Das Umweltprogramm, dieses 524-Millionen-€-Programm, an dem die Bauern flächen­deckend in Österreich teilnehmen, ist ja nichts anderes als ein Extensivierungspro­gramm, was die Frage der Anwendung von Pestiziden und von Kunstdünger betrifft, und deswegen soll es dieses Umweltprogramm auch weiterhin geben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 8. Anfrage, die Herr Bundesrat Tiefnig stellt. Ich bitte ihn um die Verle­sung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Minister! Meine Frage lautet:

1493/M-BR/2006

„Welche Initiativen haben Sie zur Stärkung einer GVO-freien österreichischen Land­wirtschaft ergriffen?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es ist die Fragestunde wahrscheinlich zu kurz, um alles, was wir gegen die Gentechnik tun, ausgiebig zu behandeln, aber ich möchte zumindest auf ein paar Eckpunkte eingehen:

Wir haben jetzt vor allem auf europäischer Ebene mit der Gentechnik-Konferenz, die in diesen drei Tagen in Wien stattfindet, einen ganz klaren Akzent gesetzt. Mein Ziel ist es, dass wir nicht die grundsätzliche Frage diskutieren: ja oder nein? – aus religiös-fun­damentalistischen Gründen nein und aus technologiefreundlichen, prinzipiellen Grün­den ein absolutes Ja –, sondern das, was wir im bäuerlichen Bereich und für den Um­gang mit der Gentechnik in der Zukunft in Europa brauchen, und das sind, so denke ich, klare Rahmenbedingungen und klare Vorgaben betreffend die Fragen: Geht die Koexistenz, geht das Nebeneinander überhaupt, oder geht es nicht? In welchen Struk­turen und in welchen Fällen geht es und in welchen nicht? Und wie schützen wir die Biobauern, und wie schützen wir jene, die die Gentechnik nicht wollen, vor Kontamina­tion?

Bevor diese Fragen nicht beantwortet sind – das ist mit dieser Konferenz sozusagen angestoßen worden –, werde ich alles tun, um die Gentechnik aus Österreich fern zu halten. Das ist eine zentrale Aufgabe, die wir zu managen haben: Bevor die Rahmen­bedingungen nicht klar auf dem Tisch liegen, kann es da – jedenfalls aus meiner Sicht – kein Management mit der Gentechnik geben.

Wir haben auch, was Initiativen betrifft, zum Beispiel in der Frage der technischen Ver­unreinigung im Saatgut mit 0,1 Prozent Nachweisgrenze, federführend in Europa diese Grenzwerte beim Saatgut eingeführt. Wir sind damit ein Musterbeispiel, müssen aber sehen, dass man in Europa in der Frage der Gentechnik den Druck immer mehr er­höht, um die Märkte zu öffnen. Es läuft eine WTO-Entscheidung, die wir im Juni erwar­ten und die sehr schwierig werden wird, nämlich betreffend die Frage der Erzwingung der Öffnung der Märkte, und wir werden dann unsere entsprechenden Antworten zu geben haben.


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Ich sehe auch keinen Anlass, dass wir von den Verbotsverordnungen, nationalen Ver­botsverordnungen, die in der Europäischen Union aufrecht sind, abgehen. Sie wissen, dass da Maria Rauch-Kallat zuständig ist, aber wir kooperieren hier ganz klar und sehr eng, auch was die Frage der Vorgangsweise betrifft.

Ich sehe keinen Vorteil der Gentechnik, weder monetär noch in der Frage der Auswir­kung auf die Umwelt oder auf die Natur. Jetzt müssen wir gemeinsame Regeln erarbei­ten, was die Koexistenz in Europa betrifft. Ohne diese Regeln werden wir nicht weiter­kommen.

 



Bundesrat
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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Viele beziehungsweise alle Um­weltorganisationen haben ja gefordert, dass die Gentechnikfreiheit auch im ÖPUL ver­ankert wird. Dies ist nicht zustande gekommen. Können Sie das vielleicht noch erklä­ren?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Dieses Thema wurde heute schon einmal angesprochen. Man muss wissen, dass wir mit dem Umweltprogramm, das wir in Österreich kreiert haben, nicht alleine auf der Welt sind, sondern ich muss das Umweltprogramm und den Grü­nen Pakt insgesamt in Brüssel zur Notifizierung vorlegen. Es wird geprüft auf Recht­mäßigkeit, auf die Vorgaben Internationaler Abkommen, die die Europäische Union zu erfüllen hat, was Marktverzerrung und Auswirkungen auf den Markt betrifft. Das heißt, ich muss mit dem Grünen Pakt nach Brüssel und muss mir dort die Notifizierung holen.

Die Frage der Gentechnikfreiheit als Grundlage im Umweltprogramm, die bei uns dis­kutiert wurde, war eine von einer NGO gestellte Frage an die Kommission, und die Ant­wort war klipp und klar: Es geht rechtlich nicht, ansonsten gibt es kein Umweltpro­gramm! – Das ist die Aussage, und nach dieser habe ich mich zu richten, und das tue ich auch.

Träumen kann man, aber man muss auch die Realitäten erkennen, und da ist es mir lieber, ich habe für die Bauern ab 1. Jänner 2007 ein Umweltprogramm, als mich auf einen Rechtsstreit einzulassen, der uns 524 Millionen € pro Jahr bis ins Jahr 2013 kos­tet. Ich glaube, die Österreicherinnen und Österreicher – nämlich auch im Zusammen­hang mit der Frage der Nettozahlerposition und des Rückflusses – würden sich bedan­ken, wenn wir auf das Geld wegen der Gentechnikfreiheit verzichten würden.

Im Übrigen sage ich noch Folgendes dazu: Diese Mär, die Gentechnikfreiheit im Um­weltprogramm würde uns Gentechnikfreiheit in Österreich sichern, ist grundsätzlich falsch. Denn: Was ist mit jenen Betrieben, die nicht am Umweltprogramm teilnehmen? Davon gibt es genug! Dürfen die dann Gentechnik anwenden? Sagen wir dann: Juhu, du nimmst nicht am Umweltprogramm teil; dann kannst du machen, was du willst!? – Falsch!

Deswegen ist es, glaube ich, richtig, das Umweltprogramm jetzt einzureichen. Die Kommission hat klar geurteilt, und wir halten uns an diese rechtliche Vorgaben, an­sonsten verzichten wir mit Start 1. Jänner 2007 auf viele Millionen.

 


Im Übrigen sind die Vorgaben legistischer Natur, die wir in Österreich machen, was die Gentechnik betrifft, viel effizienter, um die Gentechnik draußen zu halten, als ein frei­williges Programm, bei dem manche nicht mittun und dann trotzdem die Gentechnik anwenden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Frau Bundesrätin Bachner. – Bitte.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Wie lauten Ihre Gründe dafür, dass die parlamentarische Initiative zur rechtlichen Sicherstellung der Gentechnikfreiheit für Österreichs Nationalparks nicht Ihre Unterstützung findet?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich kenne die Initiative, was die Frage der Gentechnikfreiheit der Nationalparks betrifft, natürlich. Auch dort unterliegen wir internationalen Regimen und den Regimen der Europäischen Union. Man muss sich anschauen, ob das Sinn macht, auch was die Umsetzung betrifft.

Sie müssen nur wissen, dass zum Beispiel im Nationalpark Hohe Tauern die Frage der Gentechnikfreiheit: ja oder nein? überhaupt keine Auswirkung hat, weil dort praktisch keine landwirtschaftliche Kultur betrieben wird. Das heißt also, man muss auch immer wissen: Welche Themen diskutieren wir miteinander, wenn wir über Nationalparks und Gentechnikfreiheit diskutieren? – Detto im Gesäuse, das extrem forstdominiert ist und wo Gentechnik auch dann, wenn Sie das wollten, gar nicht angewendet werden kann.

Das heißt, es ist nicht so, dass ich es grundsätzlich ablehne, dass wir das durchaus diskutieren sollten, aber man muss auch sehen, dass all diese Fragen nicht grund­sätzlich die Antwort auf die zentrale Herausforderung geben können, nämlich auf die Frage: Wie schaffen wir ein legistisch vertretbares, klar kommunizierbares Regelwerk, um die Gentechnik draußen zu halten und klare Rahmenbedingungen zu geben, die in Europa halten? – Das ist eine nette Initiative, und ich halte es durchaus auch, sage ich jetzt, für interessant, das prüfen zu lassen, aber sie hilft uns nicht in der entscheiden­den Frage, die Gentechnik flächendeckend draußen zu halten.

Das Problem ist: Wenn sie punktuell kommt, dann haben wir die Verunreinigungspro­blematik in Österreich, und das ist das Hauptthema! Und deswegen müssen wir da viel schärfer argumentieren!

Die Vorsorgegesetze der Länder sind gut, sie entwickeln sich. Wir haben ja die Ver­botsverordnungen auf nationaler Ebene, die immer mehr im Blickpunkt der Angriffe ste­hen – wir haben im Umweltministerrat einmal noch ganz kurz eine Mehrheit organisie­ren können. – Das muss man sich vorstellen: Im Umweltministerrat nur ganz knapp eine Mehrheit, dass wir die Verbotsverordnungen aufrechterhalten dürfen!

Also das sind die wirklichen Kampflinien. Und ich habe diese Initiative, was die Natio­nalparks betrifft, durchaus auch nicht so abschlägig beurteilt, wie Sie das jetzt ange­führt haben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Minister! Sie haben vorhin das ÖPUL und mögliche Auswirkungen auf die GVO-Geschichte ange­sprochen.

Meine Frage: Wie wirken sich die Zahlungen, die im Rahmen des ÖPUL laufen, tat­sächlich auf die kleinstrukturierte Landwirtschaft aus?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir hatten eine Evaluierung des ÖPUL-alt zwischen 1995 und 2005 – wobei der Evaluierungsbeirat sehr breit, auch mit Experten besetzt war –, um


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zu evaluieren: Was hat das Umweltprogramm gebracht? Wo sind Maßnahmen weiter­zuführen und wo nicht? Und auf Grund dieser Evaluierungsbasis habe ich ja auch das neue Umweltprogramm entwickelt. Wir haben von über 80 Maßnahmen, die wir in der Vergangenheit hatten, auf 30 Maßnahmen in der Zukunft reduziert, weil wir gesehen haben, dass einzelne Themen sehr aufwendig sind, aber keine Umweltauswirkung ha­ben.

Wenn Sie mich fragen – und das ist eine ganz gefährliche Frage –: Welche Auswir­kungen hat das Umweltprogramm auf die kleinstrukturierte Landwirtschaft?, so ist die Frage ja per se schon, sage ich, unmöglich – und zwar deswegen, weil per se die De­finition von Umweltprogramm lautet: Umweltnutzen und -wirken in der Landwirtschaft – egal, ob im großstrukturierten oder im kleinstrukturierten Betrieb.

Für die Frage, ob wir einem kleinen oder großen Betrieb helfen, ist die Frage der GAP-Reform der ersten Säule, die Frage der Investitionsförderung, der Grenzen – bis wie weit gibt man eine Förderung?, moduliert man bei Großbetrieben: ja oder nein? – von Bedeutung. Das sind die Parameter, die betriebswirtschaftlich wirken! – Das Umwelt­programm hingegen gibt Euros für Umweltleistung, egal, ob klein oder groß, und hat deswegen auch per se – und so steht es auch in den Definitionen – nicht Rücksicht darauf zu nehmen, ob die Landwirtschaft kleinstrukturiert oder großstrukturiert ist.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Damit ist die Fragestunde beendet.

09.56.14Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfäl­tigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2184/AB-BR/2006 bis 2194/AB-BR/2006 und des Nominierungsschreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilun­gen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler

Frau

Präsidentin

des Bundesrates

Sissy Roth-Halvax

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien

Wien, am 21. März 2006

GZ 405.828/0008-IV/5/2006

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG kann ich Ihnen mitteilen, dass der Ministerrat anlässlich seiner 126. Sitzung am 16. März 2006 unter Punkt 30, entsprechend diesbezüglich


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stattgefundener Konsultationen mit den im Hauptausschuss des Nationalrates vertrete­nen Parteien, beschlossen hat, die Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptaus­schuss des Nationalrates vorausgesetzt, den derzeitigen österreichischen Richter am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Kammerpräsident Dr. Peter JANN, dessen Mandat am 6. Oktober 2006 endet, für eine weitere Funktionsperiode von sechs Jahren wieder zu nominieren.

Mit freundlichen Grüßen

*****

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 10)

*****

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die eingelangte Jahresvorschau des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen 2006 auf der Grundlage des Legisla­tiv- und Arbeitsprogramms der Kommission für 2006 sowie des operativen Jahrespro­gramms des Rates wurde dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus, und der ebenfalls eingelangte 19. Sportbericht 2003 – 2004 wurde dem Ausschuss für Sport­angelegenheiten zugewiesen.

Der eingelangte Entschließungsantrag 152/A(E)-BR/2006 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen wurde dem Finanzausschuss zugewiesen.

Ebenso eingelangt ist der Entschließungsantrag 153/A(E)-BR/2006 der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, der dem Landesver­teidigungsausschuss zugewiesen wurde.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates sowie der Außenpolitische Bericht 2004 der Bundesregierung und der Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über das EU-Arbeits­programm 2006, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über die Entschließungs­anträge 150/A(E)-BR/2006 der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen, 152/A(E)-BR/2006 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen und 151/A(E)-BR/2006 der Bundesräte Karl Boden, Elisabeth Kerschbaum, Kollegin­nen und Kollegen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Diese Verhandlungsgegenstände wurden auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Darüber hinaus wurden der Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird, der Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert wird, und der Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird, hinsichtlich derer dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft, dem Finanz­ausschuss beziehungsweise dem Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz zur Berichterstattung jeweils eine Frist bis zum 20. April 2006 ge­setzt wurde und über die von den betreffenden Ausschüssen – bis auf den Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz – schriftliche Ausschuss­berichte erstattet wurden, auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.


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Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Auf Grund eines uns zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 5 bis 8 sowie 11 und 12 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in die­sem Sinne vorgehen.

Fristsetzungsanträge

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich noch bekannt, dass die Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Stefan Schennach zwei Fristsetzungsanträge gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates eingebracht haben, wonach dem Ausschuss für Bildung und Wissen­schaft zur Berichterstattung über die Beschlüsse des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria sowie eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Technology – Austria samt Anhang jeweils eine Frist bis 10. Mai 2006 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich diese Fristset­zungsanträge nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

10.01.201. Punkt

Außenpolitischer Bericht 2004 der Bundesregierung (III-289-BR/2005 d.B. sowie 7509/BR d.B.)

2. Punkt

Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über das EU-Ar­beitsprogramm 2006 (III-299-BR/2006 d.B. sowie 7502/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Tagesord­nung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Berichterstattung zu den Punkten 1 und 2 wird von Herrn Bundesrat Baier über­nommen. Ich ersuche um die Berichte.

 


10.01.46

Berichterstatter Mag. Bernhard Baier: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Außenpolitischen Bericht 2004 der Bundesregie­rung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich darf daher zum Antrag kommen:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 19. April 2006 den Antrag, den Außenpolitischen Bericht 2004 der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.

Weiters erstatte ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2006.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Antrag kommen:


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Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 19. April 2006 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angele­genheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2006 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


10.03.09

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Frau Prä­sidentin! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, mit Ihnen den Außenpolitischen Bericht 2004 diskutieren zu können.

An den Beginn möchte ich den Dank an die Mitarbeiter meines Hauses stellen, nicht nur für die Verfassung dieses Berichtes, der hoffentlich auch für Sie zu einer Art klei­nem Nachschlagewerk für diesen Zeitraum und über die österreichischen europapoliti­schen und außenpolitischen Aktivitäten dieses Zeitraumes werden wird, in bewährter Weise, sondern auch für die Arbeit unter mitunter schwierigen Bedingungen an den vielen Dienstorten in der Welt, aber auch hier in der Zentrale. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und den Grünen.)

Ich danke auch für die Möglichkeit, die beiden Tagesordnungspunkte gemeinsam zu diskutieren, denn wenn Sie den Außenpolitischen Bericht 2004 zur Hand nehmen, wer­den Sie sehen, dass eine direkte Linie in das Jahr 2006 führt, in den österreichischen EU-Vorsitz.

Lassen Sie mich daher ein paar Punkte herausgreifen, an denen die große Linie der österreichischen Politik nachvollziehbar, sichtbar wird, denn es ist mir ein Anliegen, Außenpolitik nicht als etwas Abgehobenes, Fernes, was Diplomaten auf eine unver­ständliche und quasi entrückte Art und Weise tun, zu sehen, sondern als etwas ganz Konkretes, Handfestes, was auch für die Bürger und Bürgerinnen in Österreich und in Europa nachvollziehbar und verstehbar ist.

Das große Ereignis des Jahres 2004 aus europapolitischer Sicht war zweifellos die Er­weiterung, die damals noch „Ost-Erweiterung“ genannt wurde – die zehn neuen Mit­gliedstaaten, vier Nachbarländer Österreichs.

Es hat in diesen Ländern außerordentlichen Aufholbedarf gegeben, auch einen außer­ordentlichen Aufholprozess. Ich glaube, wird sind auch heute noch beeindruckt und bleiben beeindruckt von der Energie und der Hartnäckigkeit, mit der dieser Prozess in diesen Staaten aufgenommen wurde.

Wir haben uns mittlerweile abgewöhnt, von den „neuen Mitgliedstaaten“ zu sprechen. Wir sind eine Union der 25, bald 27, enger miteinander verbunden als je zuvor in der Geschichte dieses Kontinents.

Österreich, lassen Sie mich das auch kurz sagen, hat vom Beitritt profitiert, wir wissen das. Es ist das eine Erfolgsgeschichte nicht nur für die Mitgliedstaaten, die dazuge­kommen sind, sondern auch für die so genannten alten Mitgliedstaaten, auch für Öster­reich.

Zu den Wirtschaftszahlen nur ein Hinweis: Die österreichischen Exporte in die mittel- und osteuropäischen Staaten sind von 1,3 Milliarden im Jahre 1990 auf 11,7 Milliarden im Jahre 2005 gestiegen. Das ist, meine Damen und Herren, eine Verneunfachung. 12,5 Prozent unserer Exporte gehen heute in die so genannten neuen EU-Mitgliedstaa­ten, und auch dadurch haben wir erstmals eine ausgeglichene Gesamthandelsbilanz.


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Dass Österreich in diesen Ländern einer der führenden Investoren ist, muss ich vor Ihnen nicht extra betonen, und dass der wirtschaftliche Erfolg unserer Unternehmen im Ausland auch in Österreich Arbeitsplätze sichert und schafft, bedarf auch keiner beson­deren Erwähnung mehr.

Lassen Sie mich hier anfügen, dass wir gestern im Ministerrat zum Schutz des öster­reichischen Arbeitsmarktes unter den derzeitigen Bedingungen die Verlängerung der Übergangsfristen, die Weiteranwendung dieser Übergangsfristen – genau genom­men – beschlossen haben. Die Notifikation wird demnächst an die Europäische Kom­mission erfolgen.

Zweiter Punkt: In diesem Jahr wichtig und in der Präsidentschaft seine Fortsetzung fin­dend: die Entwicklung auf dem Balkan. 2004 brachte die Übernahme von SFOR in Bosnien und Herzegowina durch die Europäische Union. Österreich ist da beteiligt, das ist Teil unseres gesamthaften Engagements für den Westbalkan.

Diese Region, meine Damen und Herren, ist und bleibt für uns von größter Bedeutung, nicht nur für Österreich, sondern auch für die Europäische Union. Sie ist Teil der euro­päischen Geschichte, Teil der europäischen Arbeit, im Augenblick aber auch Teil der gemeinsamen europäischen Zukunft. Daher war es mir besonders wichtig, während unseres Vorsitzes die europäische Perspektive aller Staaten des Westbalkans zu be­kräftigen – unter nicht einfacher gewordenen Bedingungen und durchaus im Bewusst­sein einer weitgehenden öffentlichen Skepsis in Richtung Erweiterung. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass es auch in unserem Interesse ist und bleibt, wenn wir diese Staaten Schritt für Schritt mit Augenmaß, mit Hausverstand an die europäischen Stan­dards heranführen, wenn wir auftretende, vorhandene Probleme gemeinsam bekämp­fen, etwa im Bereich der organisierten Kriminalität, des Menschenhandels, des Dro­genhandels. Das sind Bereiche, die wir nur gemeinsam bewältigen können und in denen unsere Zusammenarbeit gefordert ist.

Kurz möchte ich auch auf die Dienstleistungen des Außenministeriums im Dienste der Bürger hinweisen. Wir haben hier eine wichtige Dienstleistungsfunktion, die Gott sei Dank entsprechend öffentlich wahrgenommen und in Anspruch genommen wird. Wir haben etwa im Augenblick bis zu 1 000 Anrufer und Anruferinnen pro Tag, die sich in den Bereichen Reiseinformationen, konsularische Auskünfte, Staatsbürgerschaftsfra­gen, Beglaubigungen an unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wenden, bei Notfällen im Ausland, Rückholung von Verunglückten, Hilfestellung bei Todesfällen oder schwe­rer Erkrankung. Im Jahre 2004 haben wir in insgesamt 2 113 Fällen Hilfe geleistet – nicht berücksichtigt in dieser Zahl ist das Tsunami-Ereignis.

Wir haben in mehr als 1 900 Fällen Hilfeleistung in Zivil- und Strafsachen gegeben und in 920 Fällen verarmten Auslandsösterreichern in 61 Ländern über den Auslandsöster­reicher-Fonds Hilfe zukommen lassen.

Ein letztes Wort zur EZA, zur Entwicklungszusammenarbeit. Es hat eine substantielle Erhöhung der bilateralen EZA-Mittel des Außenministeriums gegeben, nämlich von ins­gesamt 67,12 Millionen auf 92,54 Millionen. Und die Österreichische Entwicklungs­agentur, Austria Development Agency, hat am 1. Jänner ihre Tätigkeit aufgenommen.

Kurz zum Ratsvorsitz, wenn Sie mir dazu einige Bemerkungen erlauben. Wir haben uns für diesen Ratsvorsitz in einer schwierigen Phase der Europäischen Integration, gekennzeichnet von zunehmender Skepsis, vorgenommen, mehr Vertrauen, mehr Klarheit, mehr Schwung in das europäische Projekt zu bringen, indem wir hartnäckig, unaufgeregt, umsichtig an den Projekten arbeiten, die vor uns liegen, wenn wir uns so­zusagen eine Großbaustelle nach der anderen vorknüpfen.


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Im Bereich der Finanzvorschau – das ist ja eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Arbeit nicht nur in Brüssel, sondern auch in den jeweiligen Mitgliedstaaten; beson­ders wichtig auch für die neuen Mitglieder – ist es uns gelungen, nach der Finanzeini­gung auf Ratsebene im Dezember jetzt auch die Einigung mit dem Europäischen Par­lament zu erzielen. Damit können die Planungsarbeiten, die Durchführungsarbeiten zum Budget in guter Zeit vorgenommen werden. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger und sehr spürbarer Erfolg.

Der Frühjahrsgipfel hat sich mit einer Reihe von Themen beschäftigt, die auch im Zent­rum der Sorgen, der Ängste der europäischen Bürgerinnen und Bürger stehen – es geht um Arbeitsplätze und um Wachstum. Wir haben hier Schwerpunkte gesetzt, die großen Anklang und auch die Unterstützung unserer Partner gefunden haben.

Der Mittelstand ist nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa der Job-Motor, der Träger der Entwicklung. Es gilt, für ihn Vereinfachungen und Beschleunigungen herbei­zuführen, Beschleunigungen etwa in den Verfahren, Vereinfachungen, indem Formu­larunwesen und statistisches Unwesen reduziert werden im Ausmaß des Möglichen.

Der zweite Schwerpunkt: Forschung und Entwicklung. Europa wird sich im globalen Wettbewerb nur bewähren können, wenn wir in die Zukunft, in die Ausbildung, in die Forschung und Entwicklung investieren und wenn wir hier unsere Anstrengungen auf nationaler Ebene auch wirklich ernst nehmen und entlang erkennbarer Schwerpunkt­setzungen kombinieren.

Das dritte Thema: Jugendarbeitslosigkeit – wir alle wissen, dass es dabei um mehr geht als um ein einfaches Arbeitsmarktproblem, es geht um den Zugang junger Men­schen zum Gefühl des Gebrauchtwerdens, des Nützlichseins in einer Gesellschaft, die möchte, dass sie ihren Platz finden. Daher ist das einer der drei Schwerpunkte, die wir uns da gesetzt haben.

Beim Frühjahrsgipfel ist es auch gelungen, zur Energiepolitik für Europa, die bisher eigentlich nur ein embryonales Stadium erreicht hat, maßgebliche Zielsetzungen zu de­finieren – ein nicht unumstrittenes, aber, wie ich glaube, ein notwendiges Unterfangen, das in den kommenden Monaten und wohl auch Jahren weiter bearbeitet werden soll und muss.

Zum Thema Erweiterung – eine weitere „Großbaustelle“, unter Anführungszeichen, der Europäischen Union –: Die maßgeblichen strategischen Entscheidungen der letzten Zeit sind am 3. Oktober in Luxemburg gefallen. Sie kennen meine Haltung, die österrei­chische Position, die wir dort eingebracht haben, sie war damals noch eine heiß um­strittene, sie ist mittlerweile, was das Thema der Aufnahmefähigkeit betrifft, eine abso­lute „mainstream position“, wie die kürzliche Diskussion im Europäischen Parlament gezeigt hat.

Ich glaube, wir befinden uns jetzt, während der österreichischen Präsidentschaft in einer Phase der ruhigen Sacharbeit, die Screening-Arbeit, die Prüfung des Rechtsbe­standes mit der Türkei und Kroatien wird von der Kommission entsprechend vorge­nommen; hier ist eine gewissenhafte Vorbereitung auf die eigentlichen Verhandlungen im Gange.

Rumänien und Bulgarien: Die Berichte der Kommission werden für 17. Mai erwartet, und dann werden wir auch sehen, wie diesbezüglich die weitere Vorgangsweise sein kann. Die letzten Äußerungen der Kommission gehen in eine positive Richtung.

Wir haben es uns allerdings auch zum Anliegen gemacht, während dieses Vorsitzes eine Reihe von Anstößen zu geben zur größeren Debatte für die Zukunft Europas; eine Debatte, die ich mit meinen Außenministerkollegen Ende Mai führen möchte und zu der wir nicht nur mit der Veranstaltung „Sound of Europe“ in Salzburg einen Impuls ge-


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geben haben, sondern auch kürzlich mit der in St. Pölten veranstalteten Subsidiaritäts­konferenz.

Diese Konferenz war deswegen bemerkenswert, weil sie auf der einen Seite wesent­liche Akteure der Europäischen Union zusammengeführt hat, etwa den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofes, den Präsidenten des Ausschusses der Regionen, die diversen nationalen Parlamente, das Europäische Parlament, die Kommission, den Rat, und weil sie auf der anderen Seite auch eine neue Art von Stimmung und Ent­schlossenheit gezeigt hat, nicht länger zuzuwarten, sondern ernst zu machen mit dem Rechtsprinzip Subsidiarität in Europa.

Ich glaube, dass das eine vielleicht im Augenblick noch unterschwellig spürbare Verän­derung ist, aber eine, die in den Auswirkungen sehr bedeutsam sein wird. Denn es ist nicht mehr länger so, dass diejenigen, die eine entsprechende Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips in der Praxis einfordern, als die „schlechteren“ – zwischen Anfüh­rungszeichen – Europäer betrachtet werden, sondern es geht im derzeitigen Entwick­lungsstadium der Europäischen Integration sehr wohl darum, sich den eigenen Nor­menbestand auch wieder kritisch vorzunehmen und hier Klarheiten zu schaffen, not­falls auch den einen oder anderen Ballast abzuwerfen, ohne Verlust der qualitativen Normsituation.

Die Diskussion des europäischen Lebensmodells, das ja im Vorspann, in den ersten Artikeln des Verfassungsvertrages so spannend umschrieben ist, hat sich in den letz­ten Wochen und Monaten entsprechend konkretisiert. Ich glaube, dass es uns gelun­gen ist, einen Begriff zu formulieren, der eine positive Vorstellung oder Beschreibung dessen gibt, was wir uns eigentlich vornehmen, nämlich wie wir in diesem Europa leben wollen, und dass dieser Begriff ein Transportmittel für eine positive Vision von Europa ist.

Im außenpolitischen Bereich – Sie kennen die großen Themen, um die es in erster Linie geht, und das ist sehr viel Arbeit, die hinter den Kulissen stattfindet, größtenteils: eine gemeinsame Position. Die Bürgerinnen und Bürger verlangen von Europa, Europa möge mit einer Stimme sprechen. Diesem Auftrag versuchen wir soweit wie möglich und in so vielen Bereichen wie möglich nachzukommen. Das ist ein Thema, das wir sehr ernst nehmen. Wenn Sie die Entwicklungslinien der europäischen Haltung etwa in den Fragen Iran, Irak, Naher Osten, aber auch Belarus oder Balkan während des ös­terreichischen Vorsitzes verfolgen, dann, so meine ich, werden Sie sehen, dass es uns gelungen ist, umsichtig mit unseren Partnern eine gemeinsame Haltung zu entwickeln beziehungsweise weiterzutragen.

Es hat auch – das möchte ich schon erwähnen – einige vielleicht in der österreichi­schen Öffentlichkeit nicht so sehr beachtete Fortschritte gegeben, die aber für andere Länder – und es geht ja auch um das Management der Beziehungen mit unseren Part­nern – doch von großer Wichtigkeit sind. Ich erwähne etwa die Einigung über die Auf­teilung des Schweizer Kohäsionsbeitrages, die die Deblockierung der Bilateralen mit der Schweiz ermöglicht hat und damit einen wichtigen Meilenstein in der europäischen Politik unseres Nachbarlandes gelegt hat.

Wir haben uns auch engagiert und, wie wir glauben, zu Recht und erfolgreich engagiert bei der Deblockierung der Finanzhilfen zugunsten der Nordzyprioten. Wir hoffen, dass jetzt im Rahmen der Vereinten Nationen auch entsprechende Fortschritte in den Grundfragen erzielt werden können.

Krisenmanagement gehört zu jeder Präsidentschaft. Das Wesentliche dabei ist, gut vorbereitet zu sein und nicht über‑ oder unterzureagieren. Das kann jeweils nur im Ein­klang mit den Partnern erfolgen.


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In diesem Sinn war ich auch sehr bemüht, insbesondere mit unseren dänischen Kolle­gen, aber natürlich auch mit den anderen Kollegen während der so genannten Karika­turenkrise engsten Kontakt zu halten und in maßvoller Weise dazu beizutragen, dass Elemente der Entkrampfung und der Entspannung eingebracht wurden, dass aber auch eines klargestellt wurde: Die Grundhaltung, unsere prinzipielle Einstellung in Fra­gen der Menschenrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit, darf nicht in Frage gestellt werden, bei allem Respekt, den wir anderen Religionen entgegenbringen, auch bei allen Bemühungen um den Dialog der Religionen und Kulturen. Dass dabei Österreich viel in die innereuropäische Diskussion einbringen kann, ist uns allen klar.

Zum Europarat, zum Abschluss meiner Einführung: Das europäische Engagement Ös­terreichs ist natürlich nicht auf die Europäische Union beschränkt. Es ist viel älter als diese unsere Mitgliedschaft. Österreich ist dem Europarat am 16. April 1956 beigetre­ten, das war einige Monate nach dem Beitritt zu den Vereinten Nationen. Es war auch damals ein klares Bekenntnis, ein bewusstes Bekenntnis zur europäischen Wertege­meinschaft.

Leopold Figl hat anlässlich der Unterzeichnung der Beitrittsurkunde gesagt – ich zi­tiere –: Österreich demonstriert durch den Beitritt zum Europarat seine Zugehörigkeit zur demokratischen Staatengemeinschaft.

Die Mitgliedschaft beim Europarat beurteilen wir außerordentlich positiv. Und es hat der Europarat eine beispiellose und Beispiel gebende Kompetenz, insbesondere im Bereich des Schutzes des Menschenrechte, aber auch im Bereich des europäischen Parlamentarismus erreicht. Das sind für mich die beiden wirklich herausragenden Säulen der Tätigkeit des Europarates. Dazu kommt die Komponente Gemeinden und Regionen. Auch hier Europa als Management of Diversity, als Aufgabe, die sich die Buntheit, die Koordinierung, die Zusammenarbeit trotz aller Buntheit und Vielfalt unter Bewahrung eben dieser zum Ziel setzt.

Wir haben mit Lujo Toncić-Sorinj, Franz Karasek und Walter Schwimmer insgesamt drei Generalsekretäre für den Europarat gestellt und mit Karl Czernetz und Peter Schieder zwei Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung, ebenso einen Präsi­denten des Kongresses der Gemeinden und Regionen, nämlich Herwig van Staa.

Insgesamt 200 europäische Übereinkommen und Abkommen hat der Europarat in der Zwischenzeit entwickelt, oft mühselige, detaillierte juristische, unspektakuläre Arbeit an diesen so wichtigen Abkommen. Sie waren oft Anlass auch für Änderung und Harmo­nisierung unserer Gesetze, ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung des österreichi­schen Rechtssystems und des Grundrechtsschutzes.

Ich möchte an dieser Stelle all jenen, die sich oft auch hinter den Kulissen eingebracht und an der Entwicklung dieser Rechtsinstrumente mitgearbeitet haben, ausdrücklich Dank sagen.

Die Europäische Menschenrechtskonvention wurde in Österreich in den Verfassungs­rang erhoben. Sie ist und bleibt einer der Grundpfeiler unseres eigenen Rechtssys­tems. Jeder Bürger hat die Gelegenheit, sich bei Menschenrechtsverletzungen mit einer Individualbeschwerde an den Gerichtshof direkt zu wenden. Das sind Ecksteine, Meilensteine in unserer Entwicklung.

Derzeit läuft eine wichtige Diskussion über die Arbeitsaufteilung zwischen der Europäi­schen Union und dem Europarat. Ich selbst habe in Straßburg im Europarat gearbeitet und kenne daher ein bisschen die Verschränkungen, auch gelegentlich die institutionel­len Zweifel, die es in dem einen oder anderen Punkt gibt, wo man sich die Frage stellt, ob eine optimale Aufgabenverteilung in der Praxis auch wirklich durchgeführt wird.


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Wir sind daher dankbar für die Arbeit von Jean-Claude Juncker, der vor wenigen Ta­gen einen Bericht über die Beziehungen dieser beiden so wichtigen europäischen Insti­tutionen präsentiert hat. Er wird mit Sicherheit wichtige Impulse für unsere Zukunfts­arbeit liefern. Er empfiehlt, dass die Europäische Union den Europarat als europaweite Referenz für Menschenrechte anerkennt und ehestmöglich der Europäischen Men­schenrechtskonvention beitritt, ein langjähriges Anliegen, und bringt weitere wichtige Fragen, etwa die Zusammenarbeit des Menschenrechtskommissars des Europarates mit den zuständigen menschenrechtlichen Einrichtungen der Europäischen Union und die Einrichtung einer gemeinsamen Plattform zur Bewertung der rechtlichen und juris­tischen Normen und gegebenenfalls die gegenseitige Anerkennung von Normen.

Der Juncker-Bericht, meine Damen und Herren, weist in die richtige Richtung, dass der Europarat seine Kernaufgaben und wichtigsten Stärken auch konzentriert wahrnimmt, Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen hat sich bewährt, und wir haben als Österreicher alles Interesse daran, auf dieser Linie auch weiter zu arbeiten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Konecny, Schennach, Mitterer und Ing. Kampl.)

10.27


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin. – Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


10.27.27

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! 50 Jahre Mitgliedschaft Ös­terreichs im Europarat, 50 Jahre eingebettet im Hause Europa. Aber wer in der Ge­schichte des Europarates blättert, kommt an Österreichern, die schon beim Vorläufer des Europarates als Gründer aufscheinen, nicht vorbei.

Der Gründer der Paneuropa-Bewegung, Richard Coudenhove-Kalergi, war lebenslang für eine europäische Einheit eingetreten und unermüdlich in seinem Einsatz dafür. Er hat die Paneuropa-Bewegung in den Jahren 1922/23 in Wien begründet. Zum ersten Präsidenten wurde der damalige Bundeskanzler Dr. Ignaz Seipel und zum ersten Vize­präsidenten Dr. Karl Renner gewählt. Das erste Büro wurde in der Hofburg eingerichtet und nahm dort seine internationale Arbeit auf. Es wurden auch in Frankreich und in anderen Ländern Europas Paneuropa-Bewegungen gegründet. Der erste Europakon­gress wurde 1926 in Wien mit über 2 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern abgehal­ten.

Der Nationalsozialismus vertrieb Coudenhove-Kalergi mit seinem internationalen Büro aus Wien und zwang ihn zur Emigration in die Vereinigten Staaten. Auch in den Ver­einigten Staaten warb er für die Paneuropa-Idee weiter und gewann führende Politiker für seine Idee und für sein Lebenswerk. Nach der Zerschlagung des Naziregimes in Europa kehrte Coudenhove-Kalergi sofort wieder zurück und nahm die Überzeugungs­arbeit für ein vereintes Europa wieder auf.

Er konnte auch Winston Churchill als Unterstützer gewinnen. Dieser forderte in seiner historischen Züricher Rede die Schaffung eines Europarates. In der Folge wurden 1947 in Gstaad und 1948 in Den Haag Kongresse zur Schaffung einer europäischen Versammlung abgehalten. Am Haager Kongress nahm damals schon François Mitter­rand teil. Nach vielen politischen und diplomatischen Gesprächen wurden am 5. Mai 1949 bei der Regierungskonferenz in London die Satzungen des Europarates be­schlossen und somit der heutige Europarat begründet.


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Meine Damen und Herren! Sie sehen, ein langer Weg bis zur Gründung einer Organi­sation, die völkerrechtlich verbindliche Bekenntnisse zu Demokratie, Rechtsstaatlich­keit und den Schutz der Menschenrechte in den Statuten festgeschrieben hat.

Obwohl Österreich nicht bei der Gründung Mitglied werden konnte, nahmen österrei­chische Abgeordnete an den parlamentarischen Versammlungen teil und durften dort auch das Wort ergreifen.

In Österreich liefen die parlamentarischen Vorbereitungen zum Beitritt Österreichs zum Europarat. Am 16. Dezember 1953 haben die Abgeordneten Dr. Pittermann, Stürgkh und Genossen – hieß es damals noch in dem Antrag, auch wenn Nicht-Genossen die­sen Antrag unterstützt haben – einen Antrag im Nationalrat eingebracht, wonach die Bundesregierung ersucht werden sollte, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Beitritt der Republik Österreich als ordentliches Mitglied zum Europarat vorliegen. Erst nach dem Abschluss des Staatsvertrages am 15. Mai 1955 konnte die Frage des Beitritts Österreichs zum Europarat endgültig entschieden werden. Auf dem Original der Beilage 770 befinden sich auch handschriftliche Notizen wie: Staatssekretär Bruno Kreisky hat das Wort ergriffen und die Unterschrift des damaligen Ausschussvorsitzen­den Karl Czernetz – 20 Jahre bevor er als erster Österreicher Präsident der Parlamen­tarischen Versammlung wurde. Er war von 1975 bis 1978 Präsident der Parlamenta­rischen Versammlung.

Einen weiteren Präsidenten durfte ich schon als Ersatzmitglied der österreichischen Delegation in Straßburg erleben. Präsident Dr. Peter Schieder prägte als Präsident mit vielen Initiativen den Europarat und die Parlamentarische Versammlung. Seine Funkti­onsperiode dauerte von Jänner 2002 bis 2004. Während seiner Präsidentschaft wurde unter anderem der Dialog mit den afrikanischen Staaten intensiviert. Ich schätzte es, unter seiner Präsidentschaft vom Bundesrat in die Parlamentarische Versammlung ent­sandt zu werden.

Wie kein anderes Mitgliedsland konnte Österreich schon dreimal den Generalsekretär stellen. Lujo Toncić-Sorinj, Franz Karasek und Walter Schwimmer waren erfahrene Politiker und als Generalsekretäre tätig. Österreich stellte auch mit Herwig van Staa den Präsidenten des Kongresses der Gemeinden und Regionen.

Meine Damen und Herren! Österreicher prägten den Europarat. Der Europarat hat aber auch Österreich geprägt. Zum einen: Die vom Europarat verabschiedete Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten ist in Österreich in Verfassungsrang und da­mit Bestandteil unseres Rechtssystems. Der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte als Institution des Europarates garantiert allen Menschen in den Mitgliedstaaten die Rechte und Freiheiten. Der Europarat mit seinen weiteren Institutionen wie Minis­terkomitee, Parlamentarischer Versammlung, Kongress der Gemeinden und Regionen, Kommissar für Menschenrechte ist Garant dafür, dass die Menschenrechte, die parla­mentarische Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten sicherge­stellt sind. Weiters ist der Europarat bestrebt, europaweit Abkommen zur Harmonisie­rung der sozialen und rechtlichen Praktiken in den Mitgliedstaaten zu schließen und das Bewusstsein für die europäische Identität zu wecken. (Vizepräsident Weiss über­nimmt den Vorsitz.)

Die österreichische Delegation wirkt in allen Ausschüssen, das sind zehn Kommissio­nen und 15 Unterkommissionen, aktiv mit und betätigt sich auch als Wahlbeobachter in Staaten, wo demokratische Wahlen noch zur jüngeren Geschichte zählen. Österreich leistet hiemit einen wesentlichen Beitrag zur Arbeit des Europarates und sichert damit den Frieden in Europa.

Einen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle noch unserem derzeitigen Bot­schafter in Straßburg und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die gute Zusam-


Bundesrat
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menarbeit ausdrücken sowie unseren Mitarbeitern vom Internationalen Dienst hier im Parlament. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

10.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ager.

 


10.35.36

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Liebe Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2004 war von vielen Highlights für Österreich und die EU geprägt. Wie Sie alle wissen, traten am 1. Mai zehn neue Mitgliedstaaten der Union bei, und aus alten Nachbarn sind neue Partner geworden, mit denen wir das Friedensprojekt Europa weiterentwickeln. Mit der regionalen Partnerschaft Tschechiens, der Slowakei, Ungarns, Sloweniens und Polens werden nicht nur gemeinsame Anliegen der EU wie Bewältigung von Krisenfällen, Be­kämpfung der organisierten Kriminalität und eine bessere Koordination von vielen na­tionalen und europäischen Anstrengungen besser umgesetzt.

Österreich ist mit dieser jüngsten Erweiterung, wie wir auch alle wissen, vom Rand der EU ins geographische Zentrum gerückt.

Liebe Frau Außenministerin! Ich kann mich noch sehr gut erinnern, gleich nach Ihrem Amtsantritt haben Sie uns hier im Plenum des Bundesrates die Schwerpunkte Ihrer künftigen Außenpolitik kundgetan. Und wie richtig Sie mit Ihren Schwerpunkten Süd­osteuropa und besonders dem Westbalkan gelegen sind und noch liegen, hat die Ent­wicklung in Europa gezeigt. Der Beitritt Bulgariens und Rumäniens steht bevor. Die Verhandlungen mit Kroatien sind schon sehr weit gediehen, und zum europäischen Weg von Serbien, Montenegro, des Kosovos, Bosniens und Herzegowinas, Mazedo­niens und Albaniens gibt es keine Alternative.

Apropos Mazedonien. Ich war Anfang April mit einer Delegation auf Einladung der par­lamentarischen Freundschaftsgruppen in Skopje und Ohrid. Ich muss sagen, ich war beeindruckt, welche Fortschritte es dort gibt und welche Bedeutung Österreich als Partner dort hat. Und wenn man oft mit Leuten auch in unserem Land spricht, bekommt man schon das Gefühl, dass manche Leute einfach von etwas reden, was sie nicht kennen. Wir müssen uns, wie ich meine, schon mit diesen Ländern und diesen Part­nern auseinander setzen. Ich bin der festen Überzeugung, wir sollten diesen Ländern auf dem Westbalkan – und das haben Sie auch gerade vorher gesagt – unsere unein­geschränkte Hilfe zukommen lassen, und zwar nicht mit dem erhobenen Zeigefinger des Oberlehrers, sondern wir sollten mit Respekt und auf gleicher Augenhöhe diesen jungen Demokratien begegnen.

Etwas schwieriger gestaltet sich das Kapitel Türkei, wiewohl politisch, wirtschaftlich und strategisch wichtig für Europa. Da sollte es meiner Meinung nach – und ich denke, schön langsam kommen wir da schon auch zu einem Konsens – eine dynamische Partnerschaft auf vielen Ebenen geben.

Außenpolitik bedeutet auch Hilfe bei der Bewältigung von Krisen im Ausland. Und da darf ich auch erwähnen, dass mit Spenden und unermüdlichem Einsatz vor Ort bei der Tsunami-Katastrophe echte Solidarität weit über unsere Grenzen geübt wurde, und darf mich an dieser Stelle bei unseren Netzwerken, bei unseren Botschaftern, die vor Ort in einem fremden Land wirklich Großartiges leisten, bedanken. Der Dank geht auch an alle österreichischen Hilfsorganisationen und Spender.

Große Anerkennung in Europa findet immer wieder die gute Zusammenarbeit der Frau Außenministerin mit der Kommissarin für Außenbeziehungen und Nachbarschaftspoli­tik Dr. Benita Ferrero-Waldner. Ich glaube, dass das auch sehr wichtig ist, weil viele, viele Themen ja dieselben sind.


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Nun ein paar Gedanken zu unserer EU-Präsidentschaft seit 1. Jänner dieses Jahres: Wir alle wissen, zwei negative Referenden zur EU-Verfassung – in Frankreich und in den Niederlanden – und die Sorge der Menschen um den Arbeitsplatz standen und stehen im Mittelpunkt. Viele erfolgreiche Veranstaltungen im Rahmen unserer Präsi­dentschaft haben schon stattgefunden, einige stehen uns noch bevor. Ich darf nur eini­ge erwähnen – Sie haben es auch schon vorgebracht –: das Treffen der europäischen Verteidigungsminister in Innsbruck, die EU-Tagung „Sound of Europe“ in Salzburg, die Subsidiaritätskonferenz in St. Pölten sowie das Treffen der EU-Landwirtschaftsminister Ende Mai in Krems, um ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur einige zu nennen.

Erwähnen möchte ich auch noch die „Westbalkankonferenz“ Ende März hier in diesem Hause mit den europäischen Vorsitzenden der Außenpolitischen Ausschüsse. Natio­nalrat Peter Schieder und ich durften diese Konferenz leiten, unsere Frau Außenminis­terin hat ein viel beachtetes Referat über die Situation auf dem Balkan gehalten und hat auf die vielschichtigen Fragen mit großem diplomatischen Geschick Antworten ge­geben.

Besonders gefiel den Teilnehmern dieser Konferenz ein sehr schöner Essay von Peter Sloterdijk, den er Anfang der neunziger Jahre geschrieben hat. Ich darf zitieren:

„Träume einer wirklichen europäischen Gemeinschaft müssen heller werden und nicht immer mit Angstgefühlen und mit pessimistischer Grundstimmung versehen sein.“ „Europa war immer der Leuchtturm derer, die daran geglaubt haben, dass irgendwann die Menschenrechte, die Gleichheit von Mann und Frau ... und die Mitbestimmung der Völker ernst genommen werden.“ „Helfen wir ihnen, ... ihre Ziele Frieden, Freiheit und die Verbesserung des Lebensstandards der Menschen in dieser Region zu erreichen.“

Ich darf zum Schluss noch den Besuch unseres Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel im Europarat in Straßburg in der Karwoche erwähnen. Er sagte in seiner Rede unter anderem: Es wäre verfehlt, zu glauben, Österreich könnte während seines Vorsitzes alle offenen Fragen klären und alle Baustellen fertig stellen. Aber wir möchten Europa neuen Schwung geben und das Feld für eine erfolgreiche finnische Präsidentschaft aufbereiten.

Berichten darf ich außerdem – und Kollege Lindinger hat das auch sehr gut gemacht – von einer sehr würdigen und gelungenen Feier zum Jubiläum „50 Jahre Österreich im Europarat“, mustergültig organisiert von unserem Botschafter in Straßburg Wendelin Ettmayer mit seiner Gattin, wobei es gelungen ist, österreichisches Flair in die ehrwür­digen Hallen des Europarates zu zaubern. Bedanken möchte ich mich auch bei unse­ren Mitarbeitern – eine sitzt heute auch hier –, die uns immer mustergültig betreuen und von denen wir alle Dinge bekommen, und zwar immer sofort. Der Vertreter der österreichischen Bundesregierung, Staatssekretär Winkler, hielt die Laudatio in seiner von früher her gewohnten Umgebung und wies auf die große Bedeutung des Europa­rates als Gralsgüter der Menschenrechte hin.

Zum Schluss gilt mein Dank für diesen sehr guten Bericht Ihnen, liebe Frau Außen­minister, Herrn Staatssekretär Winkler, Herrn Generalsekretär Kyrle und den Mitarbei­tern Ihres Hauses. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

10.44


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich er­teile ihm das Wort.

 


10.44.14

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Kollege Lindinger und Kollege Ager haben zu dem prä­genden und langen Verhältnis Österreichs und des Bundesrates zum Europarat sehr


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ausführlich Stellung genommen. Dem kann ich in der Weise nur voll zustimmen und möchte es hier nicht verdoppeln.

Die wichtige Rolle, die Österreich im Europarat gespielt hat und auch weiterhin spielen wird, ist meiner Ansicht nach von großer Bedeutung, insbesondere weil – die Frau Bundesministerin hat es schon angedeutet – natürlich der Europarat mit der immer größer werdenden Europäischen Union auch in eine Sinnkrise kommt. Da nun mit Jänner die Grundrechtsagentur quasi aufgesperrt und die Beobachtungsstelle für Ras­sismus in Wien umgewandelt wird, kommen wir hier schon in die Nähe zentraler Kom­petenzen des Europarates. Da gilt es, zu schauen, wie man eine Verdoppelung von Aufgaben und damit auch von Budgets vermeiden kann und wie es zu einem sinn­vollen Nebeneinander beziehungsweise zu einer sinnvollen Ergänzung zwischen dem Europarat und der Europäischen Union kommen kann. Was sind quasi die Kernmate­rien des einen, und was sind die Kernmaterien der anderen?

Da steht derzeit der Europarat sicherlich an zweiter Stelle. Wir im Bundesrat sind es ja gewöhnt, an zweiter Stelle hier in diesem Haus zu stehen. Nachdem der Europarat ein­mal an erster Stelle gestanden ist, nämlich im europäischen Einigungsprozess, ist er jetzt deutlich abgedrängt worden. Premier Juncker hat nun ein 40-seitiges Papier vor­gelegt, das unter anderem beinhaltet, dass künftig ein ehemaliger Premierminister, ein ehemaliger Staatspräsident dem Europarat in der Vorsitzführung neue Autorität und Kraft verleihen soll. Ob das Problem allein damit gelöst ist, wage ich zu bezweifeln, aber insgesamt sind diese Vorschläge, über die auch die Frau Bundesministerin ge­sagt hat, dass sie jetzt Stand der Debatte für die Diskussion „Wohin bewegt sich der Europarat?“ sind, auf der Tagesordnung.

Das umfangreiche Schaffen kennen wir ja von Wahlbeobachtungen aus eigenem Erle­ben, und ich sehe es allein schon, wenn ich mir anschaue, was im letzten Monat ge­schehen ist: Der Europarat verlangt vehement mehr Kontrolle der Geheimdienste nach all den Vorwürfen gegenüber der CIA. Der Europarat erstellt einen Bericht über die Fortschritte der Türkei in Richtung moderne Demokratie. Der Europarat erstellt einen Bericht über den mangelnden Minderheitenschutz im Kosovo. Der Europarat kritisiert das Verbot des Films „Grabavica“ in der Republika Srpska. Der Europarat lädt die Hamas in Europa zu politischen Gesprächen ein. Der Europarat bewertet die Wieder­wahl Lukaschenkos als Farce. Der Europarat prangert die Menschenrechtsverletzun­gen im künftigen Beitrittsland Rumänien an. Der Europarat prangert das vollkommen staatlich kontrollierte Bildungssystem in Weißrussland an. Der Europarat nimmt Stel­lung zur Abschaffung der Todesstrafe in Russland. Der Europarat verurteilt das Massa­ker von Tel Aviv. Und die jüngste, allerneueste Meldung: Der Europarat warnt vor dem rasanten Anstieg der Nazi-Ideologie in Europa.

Das sind Tätigkeiten des Europarates und Stellungnahmen, politische Inputs in die europäische Diskussion, in die weltweite Diskussion der letzten, wenigen Wochen. Man sieht, wie umfangreich die Tätigkeit des Europarates gerade in Menschenrechts­fragen, in Grundrechtsfragen und in Fragen der politischen Zusammenarbeit ist. Gleichzeitig geht es nun darum, wie dieser Europarat künftig neben der Europäischen Union wieder eine verstärkte und deutlichere Stimme bekommt. Ich bin sehr neugierig, welche Auswirkungen das Papier von Premier Juncker haben wird und wohin diese Entwicklung geht. Ich glaube, hier unbestritten für alle Fraktionen das klare Bekenntnis ablegen zu können: Ja zum Europarat, ja zu dieser Institution und ja zur prägenden und Vorreiterrolle Österreichs in dieser Institution!

Nun zum Zweiten, zum Außenpolitischen Bericht, der an sich ganz markante Daten enthält; jetzt spreche ich einmal das Gebiet an, von dem ich herkomme: Es war – und das beginnt mit dem 1. beziehungsweise 2. Jänner – das Gründungsjahr der ADA, mit dem Bekenntnis zu den Schwerpunkten in Afrika, Asien und Lateinamerika, besser ge-


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sagt Zentralamerika, und mit der Übernahme sehr vieler Projekte in diese Neugrün­dung. Jede Neugründung stellt a priori auch eine große Chance dar, ein Turbo zu sein. Ich glaube, hier wurde vieles genützt.

Weiters war das Jahr 2004 jenes der EU-Erweiterung. Mit unserem Präsidenten Weiss waren wir vom Bundesrat in Radkersburg bei diesem großen Freudenfest mit Slowe­nien. An diesem Abend – der Schengen-Beitritt Sloweniens wird ja noch etwas länger dauern – gab es sozusagen keine Grenze zwischen der österreichischen Seite von Radkersburg und der slowenischen Seite. Es gab dort eine große Erwartungshaltung, die wir deutlich spüren konnten, und ich glaube, dass diese auch nach dem Beitritt der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten ungebrochen anhält – trotz aller Probleme in Bezug auf eine Vertiefung der Europäischen Union und unabhängig davon, wie sich so man­che demokratische Entwicklung in den neuen Mitgliedsländern darstellt. In diesem Zu­sammenhang darf ich nur auf diese seltsame Zwillingsgeschichte in Polen hinweisen. Jedenfalls kann man sagen, dass dieses klare Bekenntnis zur Erweiterung völlig richtig war.

2004 war aber auch das Jahr, in dem klare Schritte gesetzt wurden in Richtung EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens. Ich bin froh, wenn dieser Prozess im Jahre 2007 abgeschlossen werden kann, und hoffe, dass es nicht noch zu irgendwelchen Verzö­gerungen kommt, sodass sich eben Rumänien und Bulgarien dann im gemeinsamen Haus Europa finden werden.

Frau Bundesministerin Plassnik, zuerst mein Dank und meine Gratulationen an die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses, denn auch dieser Außenpolitische Bericht ist – wie jedes Jahr, kann man sagen – einer, der sich durch hohen Standard und hohen Informationswert auszeichnet. Und ich bin froh, Frau Bundesministerin, dass Sie in Ihrem Vorwort, das ja quasi das politische Wollen der Ressortleiterin zum Ausdruck bringt, klar sagen, dass es Ihr Ziel und damit, nehme ich an, auch das der gesamten Bundesregierung ist, sozusagen den Lückenschluss in Bezug auf die Staaten des Balkans als vorrangig zu betrachten.

Meine Damen und Herren! Man kann dieses Haus Europa nicht im Dach abschließen, ohne zu wissen, welche Perspektiven es für die Länder Südosteuropas, welche Per­spektiven es für den Westbalkan gibt – und wenn wir diesen Ländern nicht aufzeigen, wie sich das Verhältnis der Europäischen Union zu dieser Region darstellt. Frieden und Sicherheit in Europa kann es auf lange Sicht nur dann geben, wenn wir das gemein­same Haus Europa über die gesamte Region Südosteuropa bauen.

Dass Sie, Frau Bundesministerin, in Ihrem Vorwort – das ist aber der politische Stand der Betrachtungen – vielleicht etwas zu bejubelnd Kroatien erwähnen, sei ebenfalls vermerkt. Was die Probleme in Kroatien anlangt, so sind Fortschritte zu verzeichnen – da haben Sie Recht, Frau Bundesministerin –, trotzdem meine ich, dass Sie diese Fort­schritte etwas überbetont haben.

Dass Sie, Frau Bundesministerin, im Jahre 2004 die Probleme in Bezug auf eine Ratifi­zierung der Europäischen Verfassung nicht voraussehen konnten, kann man Ihnen si­cherlich nicht zum Vorwurf machen. In diesem Zusammenhang kam es ja auch zu einer Diskussion, die wir übrigens auch bei unseren gestrigen Enquete hier hatten, nämlich über die Dienstleistungsrichtlinie und ihre Folgen, denn auch das war sicher­lich maßgebend für das Nein in Frankreich und in den Niederlanden zu einer gesamt­europäischen Verfassung.

Eines geht jedoch aus diesem Bericht ganz klar hervor, und ich sage das jetzt hier auch: Die Türkei hat von dieser Bundesregierung nichts zu erwarten! Das geht auch aus dem jetzt zur Diskussion stehenden Außenpolitischen Bericht klipp und klar hervor.


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So, wie die Türkei da abgehandelt wird, zeigt das ganz klar: Die Türkei hat von dieser Bundesregierung nichts zu erwarten! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Gestern war ein sehr berühmter türkischer Schriftsteller zu Gast im österreichischen Radio, und er hat gemeint, der „Christenklub EU“ werde die Türkei nie aufnehmen. – Ich jedenfalls hoffe, dass das nicht der Grundtenor der nächsten Debatte sein wird, auch nicht unter Intellektuellen, sondern dass wir diese wirklich einmalige Chance einer Aussöhnung von Kulturen und Religionen an dieser wichtigen Schnittstelle ergreifen. Die Türkei ist auch ein europäisches Land, allein schon geographisch gesehen, und wir sollten es als riesige Chance auch für nachfolgende Generationen betrachten, wenn es zwei Kulturkreise schaffen, in einem gemeinsamen politischen, geographischen, öko­nomischen und kulturellen Raum zusammenfinden. – Diesbezüglich, Frau Bundesmi­nisterin, hätte ich mir klarere Wort von Ihnen gewünscht.

Etwas mehr Selbstkritik Ihrerseits hätte ich mir eigentlich auch gewünscht, was die Tsunami-Katastrophe betrifft. Wir wissen und respektieren, was Ihr Haus da geleistet hat, Frau Bundesministerin, dass das eine Situation war – ich verweise jetzt nur auf 5 000 telephonische Anfragen –, mit der das Ministerium noch nie zuvor konfrontiert war. Aber man hätte doch zumindest erwähnen können, dass sich auch sehr viele Be­troffene, und zwar über Monate hinweg, in den Medien zum Teil doch sehr kritisch in Richtung Ihres Hauses geäußert haben. Man hätte in diesem Bericht zumindest den Hinweis machen können, dass diese Katastrophe natürlich eine Ausnahmesituation für die Beamtenschaft, ja für das Bundesministerium insgesamt dargestellt hat – und dass da eben sicherlich auch Fehler passiert sind. Aber: Wer ist schon frei von Fehlern?

Frau Bundesministerin! Ich glaube, alle Fraktionen wünschen Ihnen in Ihren Bemühun­gen viel Erfolg dabei, dass Österreich in Bezug auf die Kandidatur für den nichtständi­gen Sitz im UN-Sicherheitsrat erfolgreich sein möge. Wie wir gehört haben, wird gera­de bei der Lateinamerika-Konferenz versucht, die Chance mit den kleinen Inselstaaten der Karibik und so weiter zu nützen. Ich glaube, das ist wirklich eine große Chance.

Herr Generalsekretär Kyrle hat mir versprochen, dass ich Unterlagen über das nächste Thema schriftlich bekomme; wahrscheinlich können aber auch Sie, Frau Bundesminis­terin, mir etwas dazu sagen. Jedenfalls bin ich froh darüber und stolz darauf, wenn Österreich hinsichtlich der Eliminierung der hinterhältigsten und schändlichsten Waffen, nämlich der Anti-Personen-Minen, vorne mit dabei ist. Österreich hat ja im Berichtszeit­raum beim Gipfel von Nairobi den Vorsitz geführt, und es gibt das Aktionsprogramm gegen diese Waffe, eine Waffe, mit der ja auch noch Jahrzehnte später spielende Kin­der getötet werden. Militärisch gesehen ist diese Waffe sowieso Unsinn ist und verur­sacht lediglich eine Vielzahl an Blutopfern und Verstümmelungen unter der Zivilbevöl­kerung auch in späteren Jahren.

In diesem Zusammenhang würde mich interessieren, Frau Bundesministerin: Wie schauen da ganz konkret die österreichischen Anstrengungen aus, was kann da be­reits als tatsächlicher Erfolg verbucht werden? Was wird von Seiten Österreichs in der verbleibenden zweiten Hälfte dieses Aktionsprogramms – dieses läuft ja von 2004 bis 2009 – getan werden? In unserer politischen Funktion kommen wir ja auch immer wie­der in Länder, in denen noch Tausende und Abertausende Anti-Personen-Minen ver­graben sind.

Es wird auch von militärischer Seite immer wieder darauf hingewiesen – im Kosovo zum Beispiel –: Wir sind nicht dazu da, diese Minen zu bergen, sondern halten nur fest, wo es diese gibt! Auch jene Einheit des Bundesheeres, die bisher dafür da war, wurde im Zuge der Bundesheer-Reform aufgelöst.

Daher, Frau Bundesministerin: Wie sieht das also jetzt aus? Nach wie vor gibt es in Bosnien Tausende Minen, die vergraben sind, überhaupt auf dem ganzen Balkan. Ich


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möchte jetzt gar nicht auf Angola oder andere Regionen der Welt hinweisen, sondern möchte lediglich sagen: Alle Anstrengungen, die in diesem Aktionsprogramm angekün­digt wurden und durchgeführt werden sollen, müssen erheblich verstärkt werden. Und ich glaube, der nächste Schritt muss auch eine internationale Ächtung jenes Kriegsmit­tels sein, das vor allem unter der Zivilbevölkerung große Blutopfer fordert, nämlich der Streubomben.

Meine Damen und Herren! Wir werden den Außenpolitischen Bericht des Jahres 2004 wie schon im Ausschuss selbstverständlich auch hier zur Kenntnis nehmen.

Frau Bundesministerin! Sollten Sie sich im Rahmen dieser Debatte noch einmal zu Wort melden, möchte ich Sie bitten, diese Chance zu nutzen und uns vielleicht in ein paar Worten über den Stand in der Visa-Affäre zu informieren. Was ist derzeit Stand der Dinge? Das wäre doch ein passender Rahmen, wo wir jetzt eine so ausführliche Debatte über Ihr Haus und über die Außenpolitik in vielen Bereichen, ob im Europarat oder direkt im Ministerium im Rahmen der Europäischen Union, führen. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.01.08

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Bun­desrates! Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, erlaube ich mir, einige Anmer­kungen zu den Äußerungen meines Vorredners Herrn Schennach anzubringen.

Herr Schennach! Ich bin Europäer, ich liebe Österreich, aber ich verstehe nicht, wes­halb Sie jetzt zum Beispiel die Türkei ins Spiel gebracht haben. Es geht heute um Europa, und es geht heute um unsere Probleme. Und wir haben in Österreich wirklich genug Probleme, um die wir uns alle gemeinsam annehmen müssen. Die Frau Bun­desministerin hat jetzt einen so guten Bericht, gemeinsam mit ihren Mitarbeitern erar­beitet, vorgelegt ... (Bundesrat Schennach: Wir sind bei der Außenpolitik und nicht bei Österreich!) Na ja, aber mir sind halt die Österreicher näher, dann kommen die Euro­päer. Wenn wir genügend Zeit und Geld haben, sollten wir uns auch um die anderen Probleme kümmern, das ist meine Devise. (Bundesrat Schennach: Dann sollten Sie zu einem anderen Tagesordnungspunkt sprechen! – Bundesrat Gruber: Das ist ja Be­standteil des Berichtes!)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der Bericht ... (Bundesrat Gruber: Die Türkei ist ja Bestandteil des Berichtes, bitte!) Ich weiß nicht, ob und wo Kollege Schennach in der Türkei war, ob das ein Bestandteil des Berichtes war. (Bundesrat Gruber: Die Türkei ist ein Bestandteil des Berichtes!)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die 400 Seiten Bericht befinden wir alle, glaube ich, für sehr, sehr gut, und sie waren wichtig. Jeder von uns, der sie wirklich gelesen und sich Gedanken darüber gemacht hat, ist davon überzeugt, dass wir auf dem rich­tigen Weg sind. Auch Ihr Vorwort, Frau Bundesministerin, findet voll und ganz meine Zustimmung.

Ich habe aber trotzdem einige Fragen an Sie, so zum Beispiel zu Punkt „3.2. Die Fi­nanzielle Vorausschau 2007–2013“ betreffend die Absicherung des ländlichen Raumes der nachteiligen Gebiete, finanzielle Garantie, garantierter Ausgleich, Erhaltung der be­stehenden Struktur in unseren Gemeinden, Stopp der Abwanderung.


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Zu Punkt „6. Verkehr“ – wir dürfen ja sicher weitere Verkehrsprobleme erwarten –: Wie schaut es mit der Sperrminorität in letzter Konsequenz aus, wenn ein Land ein Wo­chenend- und Nachtfahrverbot verhängt?

Zu Punkt „8. Energie“: Offen sind Themen wie Erdgasleitungen – Verhandlungen mit der Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich sind im Gange –, erneuerbare Energie bis 2010 bis 21 Prozent. Die Reserven, die wir in Österreich haben, sind mei­ner Meinung nach wesentlich größer.

Offen ist die Frage Atomenergie – Abbau, Ausbau. Es wird sehr viel diskutiert. Wie geht das weiter? Wir wollen doch alle wissen, wie wir in Zukunft mit der Energie umzu­gehen haben.

Eine besondere Frage stellt sich für mich in Bezug auf Kapitel „H. Der internationale Schutz der Menschenrechte“. Sehr ausführlich beschrieben sind Menschenrechtspoli­tik, Menschenrechtsdialoge, Menschenrechte in den Vereinten Nationen, Menschen­rechtskommissionen, Menschenrechte in der OSZE, Menschenrechte im Europarat und humanitäres Völkerrecht, aber nirgendwo, Frau Bundesministerin, finden sich die Fragen der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, die durch AVNOJ-Be­schlüsse und durch die Beneš-Dekrete noch offen sind, und das sind: Recht auf Hei­mat, Recht auf Vermögensabgeltung und offizielle Entschuldigung. Wir haben immer sehr viel darüber geredet, alle haben geredet, und ich glaube, sehr verehrte Frau Bun­desministerin, auch in dieser Frage sollten und müssen wir handeln.

Viele Jahre werden auch schon Verfassungsdebatten geführt. Offen bleibt die Konvent-Arbeit diesbezüglich, es gibt keine öffentlichen Diskussionen mehr. Erinnern wir uns an den Konvent in Nizza, wo die polnische Regierung den Ausspruch „Nizza oder Tod“ geprägt hat! Derzeit liegt das Vertrauen Österreich : Europa bei 50 : 50 – 50 ja, 50 nein.

Für sehr positiv halte ich – und ich glaube, das sollten wir alle – die Dienstleistungs­richtlinie, die wir dringend brauchen, um hier endgültig eine Regelung zu finden. Ich finde allerdings nicht, dass der Bericht die großen Sorgen des ländlichen Raumes an­spricht. Große Hoffnungen setze ich in den 27. und 28. Mai, wo das Europäische Außenministertreffen stattfinden wird. Ich denke, dort wird man sicher über vieles be­züglich der Europäischen Verfassung reden. Gerade das, Frau Bundesministerin, ist etwas, worüber sehr viel Negatives in der Bevölkerung diskutiert wird: keine Mitspra­che, wenig Information, wir werden überfordert, und so weiter. Ich bin Europäer, ver­trete die 35. Europagemeinde als Bürgermeister, und ich stehe dazu, aber ich finde, wir sollten gemeinsam die Möglichkeit nützen, voll hinter dem ganzen Themenbereich stehen, damit wir uns alle leichter tun, ganz gleich, welcher Fraktion wir angehören.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ihre Arbeit für Europa hat hohe Anerkennung, Ihre Arbeit wird getragen von Fachwissen und Überzeugungskraft. – Ich danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.07


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Ko­necny. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.07.55

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses – was etwas ungewöhnlich ist – zitiert im Wesentlichen nur das Vorwort der Frau Bundesmi­nisterin, aber der erste Satz ist ein guter Aufhänger, um ein bisschen weiter über Euro­pa nachzudenken. Er lautet: „1. Weltweit steigt die Nachfrage nach Europa.“ Der Satz, der nicht dabei steht, müsste heißen: Und wo bleibt das Angebot?


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Die Wahrheit ist und aus der Praxis der EU und auch aus diesem Bericht wird deutlich, wie wenig das europäische Projekt definiert ist, wie sehr widerstreitende Interessen das Bild der Europäischen Union verunklaren, wie weit die Union nicht in einem Zu­stand ist, sich den Herausforderungen zu stellen, und wie massiv daher der Vertrau­ensverlust bei wesentlichen Teilen der europäischen Bevölkerung ist. – Keine Frage, eine Debatte im österreichischen Bundesrat wird das auch nicht auf die richtigen Schienen setzen, etwa von 11 Uhr bis 11.35 Uhr. (Zwischenruf des Bundesrates Knei­fel.) Gut, einverstanden, Kollege Kneifel, aber ich habe nicht Absicht, diese Redezeit, die du mir angeboten hast, auszunützen. Er hat gesagt: „Nicht einmal bis auf d’Nacht!“

Mir geht es darum, zumindest das in unsere Debatte einzubringen, dass das viel zi­tierte Erfolgsmodell Europäische Union ein bisschen ins Stottern gekommen ist, ein bisschen sehr an Dynamik verloren hat, ein Erfolgsmodell aus der vorigen Saison ist. Das Erfolgsmodell der heurigen Saison muss erst designt werden.

Ich könnte es mir leicht machen und relativ verantwortungslos diesen Bericht durch­ackern nach Punkten, die das so drastisch illustrieren, dass wir bei Verbalkompro­missen großartig sind und die Substanz eine relativ dünne ist. Ich will mich auf einige wenige Beispiele beschränken; auch solche, die hier aus diplomatischer Höflichkeit nicht vorkommen können, um das klar zu sagen.

Das europäische Verfassungsprojekt ist sozusagen gescheitert, bevor es ins Finale kam. Ich weiß schon, Frau Außenminister, Sie haben – und das ist verdienstvoll – ge­sagt, man müsse versuchen, dieses Projekt wieder in Gang zu bringen, aber ich habe diese Formulierung deshalb verwendet, weil natürlich jeder weiß: Nach einer wie im­mer herbeigeführten Zustimmung der beiden Länder, die bisher nein gesagt haben, sind wir nicht am Ziel, sondern wir sind dann erst vor den Toren der wirklich harten Brocken. Also die Zustimmung der Niederlande und Frankreichs würde dem Prozess Dynamik verleihen. Ob sich Polen und das Vereinigte Königreich von dieser Dynamik überzeugen lassen, ist eine gute und von mir nicht beantwortbare Frage. Frau Bundes­minister, wenn Sie uns das Versprechen liefern könnten, die Zwei sagen dann ohnehin ja, würde das der Dynamik eine ungeheure Verstärkung verleihen.

Genau darum geht es aber. Dahinter steht nicht Paragraphenfuchserei oder Kleinlich­keit, sondern dahinter stehen durchaus unterschiedliche Konzeptionen über den Inhalt des europäischen Projektes.

Ich will jetzt niemandem eine Politik unterstellen, die kein Staat so formuliert hat, aber es ist schon klar – Kollege Kampl hat den Satz zitiert, wenn auch nicht ganz an der Stelle, wo ich meine, dass er hinpasst –, in Verfassungsverhandlungen mit dem Satz „Nizza oder Tod“ zu gehen, ist nicht gerade ein Ausbund an Kompromissbereitschaft der polnischen Seite. Auf dieser Basis können wir nebeneinander operieren, miteinan­der tun wir uns schwer. Und die britische Seite, keine Frage, hält sich viel zu Gute auf ihre Balancerolle zwischen einem vielleicht werdenden Europa und den real existie­renden Vereinigten Staaten. Wo im Ernstfall die Loyalitäten liegen, ist eine gute, aber eigentlich beantwortete Frage.

Ich glaube, diese klare Frontstellung ist, das verstehe ich schon, nicht die Aufgabe der Diplomatie, natürlich nicht, aber es ist eine Aufgabe des politischen Diskurses, diese Frontstellung deutlich zu machen und damit vielleicht etwas zu bewirken. Wir müssen das europäische Projekt aus dieser Unverbindlichkeit, in die es nach der Erweiterung hineingeraten ist, wieder herausführen und wir dürfen uns keine neuen Unverbindlich­keiten leisten – das tun wir aber. Ein Beispiel ist die Erweiterung oder die Annäherung, was immer dann technisch dabei herauskommt, gegenüber Staaten des Westbalkans, aber auch den anderen Nachbarstaaten der Union.


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Ich halte es bei aller Verbundenheit mit Mitteleuropa für höchst problematisch, wenn hier Politik nach dem Gesichtspunkt betrieben wird: Jeder, der rein will, hat einen Freund, und dieser Freund übernimmt die Patronatsrolle.

Kroatien ist ein guter und wichtiger Nachbar, aber es ist nicht so, dass wir ihn im Geld­börsl in die EU mitnehmen können, sondern das müssen alle 25, die jetzt drinnen sind, wirklich wollen.

Die Debatte um die Türkei ist natürlich legitim; sie ist legitim auf vielen Ebenen. Sie ist legitim, weil eine Generation von europäischen Politikern, die wegen Pensionierung oder Ableben alle nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können, der Türkei eine lange Liste von Versprechungen gemacht hat, die bisher niemand eingehalten hat. Die Türkei hat die Versprechungen gehört und wahrscheinlich geglaubt. Niemand, der heute in der europäischen Politik tätig ist, hat das moralische Recht, jetzt „Schle­ckerpatzerl“ zu sagen, „Die sind tot und für mich gilt das nicht!“.

Das Zweite: Es wäre schlecht – da teile ich die Auffassung des Kollegen Schennach vollinhaltlich –, wenn irgendwo in der Diskussion über den Beitritt der Türkei eine anti-islamische Konnotation einfließen könnte oder Konnotationen, die auf der türkischen Seite das Gefühl wachrufen können: Das ist der Christenklub, der uns nicht will! Ich sage in Klammern dazu: Das gilt im Übrigen auch für Bosnien-Herzegowina, dort lebt schließlich auch eine große Gruppe von Menschen, die dem islamischen Glauben an­hängen.

Aber bei aller Notwendigkeit, das zu betonen, bleiben andere Eckpunkte auch be­stehen, der Eckpunkt nämlich, dass die Absorptionsfähigkeit der Europäischen Union einfach eine notwendige Maßzahl für jede, nicht nur die türkische Aufnahme ist; aber die Absorptionsfähigkeit der Union wird natürlich bei einem großen Staat ungleich stär­ker gefordert als bei einem kleinen.

Das Zweite, und ich beziehe mich dabei auf aktuelle Zeitungsberichte von heute: Ein heutiger Partner, das ist die Türkei, und ein mögliches Mitglied kann nicht elementare Grundrechte unseres Rechts- und Kulturkreises so pönalisieren, wie es gerade jetzt wieder geschieht. Es ist unvorstellbar aus europäischer Sicht, dass nicht die Wehr­dienstverweigerung, die es ohnehin nicht gibt, sondern das zivile Werben für die Wehr­dienstverweigerung – also die Gründung eines Vereines, der sagt, das sollte es in der Türkei auch geben – strafrechtlich verfolgbar ist.

Es kann nicht sein, dass all jene Bestimmungen, die ein bisschen mit dem Blick auf Brüssel gemildert oder abgeschafft wurden, wegen einer tatsächlich existierenden – das ist keine Frage – Krisensituation jetzt durch die Hintertür wieder eingeführt werden.

Es kann auch nicht sein, dass eine Bevölkerungsgruppe, eine Nationalität, über deren Größe es Diskussionen gibt, die aber auf jeden Fall einen wesentlichen Bestandteil der Bevölkerung der Türkei darstellt, nämlich die Kurden, einfach ignoriert wird von der na­tionalen Politik und es nur die kosmetischen Fortschritte gibt, die wir so gerne registrie­ren.

Das sind alles Sätze – ich kann das nicht kritisch bewerten –, die ich auszusprechen kein Problem habe, aber die naturgemäß nicht der Sprache der Diplomatie entspre­chen können. Aber der Gedanke sollte hinter der Sprache der Diplomatie stehen.

Das rote Licht erinnert mich an die Redezeitbeschränkung. Ich habe versucht, das zum Ausdruck zu bringen, worauf es mir ankam: nicht Einzelaspekte dieses Berichtes zu loben oder zu zerzausen, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass auch dieser Bericht uns daran erinnert, dass das europäische Projekt aber gewaltig ins Stottern ge­kommen ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.19



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
733. Sitzung / Seite 49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Kneifel das Wort. – Bitte.

 


11.19.19

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Die österreichische Außenpolitik der letzten 60 Jahre ist eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art, und ich freue mich, dass heute von Rednerinnen und Rednern aller Fraktionen auf diese besonderen Erfolge in einer sehr schwierigen Phase der Entwicklung und der Geschichte Europas auch detailliert eingegangen worden ist.

Mich freut es besonders, dass Zustimmung aller Fraktionen heute diese Betrachtung der österreichischen Außenpolitik und der österreichischen Europapolitik, insbesondere jene der letzten zehn Jahre, prägt, weil Sie diese besondere Hochschätzung und Wer­tung auch verdient.

Wir melden oft Kritik an, wenn wir glauben, das sei erforderlich, aber heute ist, glaube ich, wieder einmal eine Stunde, wo wir die Bemühungen und die Initiativen, die zu die­ser besonderen Erfolgsgeschichte geführt haben, wertschätzen und entsprechend wür­digen.

Ich danke dem Kollegen Lindinger, dass er auch auf die Rolle des Europarates einge­gangen ist, wobei er insbesondere auf die Verdienste sozialdemokratischer Politiker im Europarat hingewiesen und dabei Kreisky, Czernetz und Schieder genannt hat, aber auch andere Politiker nicht unerwähnt ließ.

Mein Kollege Ager wiederum hat Karasek und andere Generalsekretäre und Verant­wortliche aus dem christlich-demokratischen Lager genannt.

Wir haben Außenpolitik immer als Aufgabe und Herausforderung aller politisch tätigen Gruppen verstanden. Diese Tradition wird von der gegenwärtigen Außenministerin zu einer neuen Blüte geführt.

Nun möchte ich auf die Ausführungen des Kollegen Schennach kurz eingehen.

Zunächst einmal sei gesagt: Ich fühle mich nicht als Abgeordneter zweiter Klasse, wenn ich im Bundesrat tätig bin. Ich glaube, dass es um die Themen geht, die wir auf­greifen, und um die Angelegenheiten, um die wir uns kümmern.

Ich habe nie eine negative Bewertung oder eine Partnerschaft zweiter Klasse der Außenministerin gegenüber der Länderkammer erfahren, sondern ganz im Gegenteil: Es waren immer eine Zusammenarbeit und eine Partnerschaft auf gleicher Ebene. Ich bedanke mich dafür bei der Außenministerin sehr herzlich.

Bundesrat Schennach hat kritisiert, dass zum Thema „Türkei“ im Außenpolitischen Be­richt nicht Stellung bezogen wird. (Bundesrat Schennach: Das habe ich nicht gesagt!) Nicht in dem Ausmaß, wie Sie es sich erwartet haben. Aber wenn Sie das sehr persön­lich gehaltene Vorwort der Frau Außenministerin gelesen hätten, dann wüssten Sie, was dort darüber drinsteht. Ich zitiere:

„Die Türkei ist politisch, wirtschaftlich und strategisch ein wichtiger Partner Europas. Wir messen daher einer engen und dynamischen Partnerschaft“ mit der Türkei „große Bedeutung bei.“

Das ist der Stand der gegenwärtigen Entwicklung und der gegenwärtigen Verhandlun­gen. Was soll denn anderes drinnen stehen, als das zu reflektieren, was unser gegen­wärtiger Stand zu dieser Causa ist? Ich bin mit dieser Bewertung und mit dieser Dar­stellung auch sehr zufrieden.


Bundesrat
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733. Sitzung / Seite 50

Wenn jemand die Interessen Europas gegenüber der gemeinsamen Europäischen Union besonders ins Spiel gebracht hat, dann war es unsere Außenministerin. Sie hat das Kriterium der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union trotz geringen Beifalls der anderen europäischen Mitgliedstaaten in dieses Paket, in diesen Rahmen, in dem wir uns bei der Bewerbung der Türkei um dem Beitritt in die Europäische Union bewe­gen, hineinverhandelt. Und das ist ein großes Verdienst! Das hat bisher niemand zu­sammengebracht.

Weil sich auch Kollege Konecny kritisch in dieser Frage geäußert hat, darf ich sagen: Wer hat denn die Fahne der Europäischen Union hochgehalten und damit auch die Interessen Österreichs entsprechend gewahrt? Das war in erster Linie unsere Außen­ministerin! Und ich möchte ihr dafür herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es ist von meinem Vorrednern schon die große Freude, die entstanden ist, als zehn neue Staaten zur Europäischen Union da­zugestoßen sind, erwähnt worden. Vor allem Kollege Schennach hat das ausführlich getan, und ich schließe mich diesen seinen Ausführungen vollinhaltlich an.

Es ist mit dieser Erweiterungsrunde tatsächlich eine Jahrhunderte alte Spaltung Euro­pas beendet worden, und das kann nicht hoch genug bewertet werden. Damit ist auch eine neue Perspektive für Europa entwickelt worden. Es wurde mit diesen Staaten eine neue Partnerschaft ins Leben gerufen, die ebenfalls blüht und gedeiht und Früchte trägt und neue Perspektiven für die Entwicklung Europas eröffnet.

In diesem neuen Europa gibt es neue Chancen – politisch, gesellschaftlich und wirt­schaftlich. Nachbarschaft ist nicht immer leicht, weil man sich seine Nachbarn nicht aussuchen kann, aber wir haben das Beste daraus gemacht, und das ist auch eine Erfolgsgeschichte. Ich werde mich auch in Zukunft bemühen, diese Nachbarschaft in den jeweiligen Bundesländern entsprechend auszuweiten und zu pflegen.

Die Außenpolitik ist kein Selbstzweck, und ich bin froh, dass die Frau Außenministerin das auch im Außenpolitischen Bericht festgehalten hat. Die Außenpolitik muss einen Nutzen und einen Wert für die Bürger Österreichs haben. Das ist doch eine Selbstver­ständlichkeit! Die Außenpolitik muss sichtbar und transparent gemacht werden. Nur dann, wenn die Bürger auch nachvollziehen können, was wir machen, wie wir es ma­chen und warum wir es machen, kann man voraussetzen, dass die Bürger da auch mitgehen, dass sie die Außenpolitik mittragen. Auch das ist wichtig, wenn wir wollen, dass sie die Außenpolitik unterstützen.

Ein Wort auch zur österreichischen Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union: In einer Sitzung des Bundesrates vom letzten Jahr wurde gesprochen von einer Erstar­rung, von einer gewissen Erlahmung des europäischen Schwungs. Diese Erlahmung und diese Erstarrung sind durch unsere Ratspräsidentschaft durchbrochen worden. Ich denke da etwa an die Finanzverfassung, die erledigt wurde, oder an die Dienstleis­tungsrichtlinie, die auf Schiene gebracht wurde. Neue Initiativen wurden ergriffen, um die Europäische Verfassung wiederzubeleben. Weitere Beispiele: die Verhandlungen mit der Schweiz – Stichwort: Kohäsionsbeitrag –, das Finanzpaket mit dem nördlichen Zypern, die Beitrittsperspektiven für die Balkanländer, und so weiter und so fort. Diese Liste ließe sich noch fortsetzen.

Von der Subsidiaritätskonferenz wurde schon gesprochen, aber ich möchte hier noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion einbringen. Ich denke, dass das Prinzip der Subsidiarität so etwas sein kann wie Kitt, ein Klebstoff für den Zusammenhalt Europas, indem Entscheidungen auf regionaler Ebene getroffen werden können und eine Mitge­staltung der nationalen Parlamente möglich ist. Wenn wir diese Gesinnung erweitern, wenn wir sagen: mehr regionale Gesinnung der Europäischen Kommission und mehr


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733. Sitzung / Seite 51

europäische Gesinnung der Regionen!, dann wird dieses Gefüge sicher dazu beitra­gen, Europa verständlicher zu machen und den Mehrwert von Europa auch bei den Bürgern entsprechend darzustellen. Das soll unser Ziel sein!

Ich freue mich, dass mit dem EU-Ratsvorsitz Österreichs die Europaskepsis mit einer klaren Konzeption bekämpft wird: durch mehr Vertrauen, durch mehr Klarheit, durch mehr Schwung – und dass sehr zielorientiert, hartnäckig und unaufgeregt gearbeitet wird.

Man soll eine Ratspräsidentschaft nicht nur bewerten an den Zielen, die sie sich vorge­nommen hat – das ist ohne Zweifel wichtig! –, denn es gibt auch immer wieder unvor­hergesehene Ereignisse, wie zum Beispiel Probleme mit der Energieversorgung oder die Probleme mit dem Iran, mit der Hamas oder rund um den Karikaturenstreit. Da ha­ben wir viel Energie verwendet, um die Europäer zu einigen, um zu einer klaren Spra­che zu kommen. Dass das gelungen ist, ist auch ein großes Verdienst unserer EU-Ratspräsidentschaft.

Ich bedanke mich für diese Bemühungen, die nicht nur zum Wohle unserer Staatsbür­ger, sondern auch zum Wohle eines gemeinsamen Europas sind, und wünsche mir, dass dieser Schwung und diese Dynamik bis zum Ende der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs und darüber hinaus anhalten. – Ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

11.31


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (den Vorsitz übernehmend): Frau Bun­desministerin, Sie haben das Wort. – Bitte.

 


11.31.21

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Frau Prä­sidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich danken für die Anerkennung für meine Mitarbeiter und für die Arbeit, die wir leisten. Ich freue mich über das doch er­kennbar hohe Maß an Übereinstimmung in zentralen Punkten, denn ich bin überzeugt davon, dass Österreich seine Stimme in Europa und seinen Beitrag zum europäisches Gesamtgeschehen und damit auch zum Weltgeschehen umso besser hörbar bezie­hungsweise auch sichtbar wird machen können, je mehr wir hier im Grundsatz geeint auftreten. Salz und Pfeffer gehören dazu, denn sonst wird Europa zu einem Einheits­brei. Wir können durchaus im Einzelfall unterschiedliche Akzente setzen, sollten aber in den großen Linien miteinander vertrauensvoll arbeiten.

In diesem Geist möchte ich direkt eingehen auf das, was Sie, Herr Professor Konecny, gesagt haben: Ich teile Ihren düsteren Blick auf das, was vor uns liegt, und auch auf die Etappe, in der wir uns jetzt befinden, nicht! Ich glaube nicht, dass das europäische Projekt gewaltig ins Stottern geraten ist, wie Sie das gesagt haben. Ich glaube auch nicht, dass das europäische Modell ein Modell des Vorjahres oder ein Erfolgsmodell aus der vorigen Saison, wie Sie es genannt haben, ist.

Wir haben Gewaltiges in diesem Europa weitergebracht, und zwar alle europäischen Institutionen. Den Beitrag des Europarates haben wir alle gewürdigt – und er bleibt auch weiter wichtig! Ich bin persönlich davon überzeugt, dass es Dinge gibt, die man wirklich nur in Form des parlamentarischen Beitrages des Europarates in dieser Ge­samtlandschaft machen kann. Da gibt es einige Beispiele dafür, und ich würde durch­aus auch hier Mut und Zuversicht sehen.

Nun zum Verfassungsprojekt der Europäische Union: Da hat es eine Schrecksekunde gegeben, diese hält zum Teil immer noch an, aber man darf nicht übersehen, was in der Realität passiert! Belgien hat mittlerweile das Ratifikationsverfahren abgeschlos­sen. In Estland befindet sich der Verfassungsvertrag in parlamentarischer Ratifikation.


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Diese wird nach Aussagen unserer estnischen Freunde im Mai oder Juni abgeschlos­sen sein, also noch während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Gleiches gilt für Finnland. Ich glaube, dass das bemerkenswerte Anzeichen sind.

Ich sage nicht, dass damit eine Lösung möglich sein wird – einige von uns sind Juris­ten und wissen, wie komplex die völkerrechtliche Situation ist –, aber trotzdem bin ich zuversichtlich, denn wir reden wieder über dieses Projekt „Verfassungsvertrag“. Es geht nämlich auch um den Verfassungs-Prozess – nicht nur um einen Text und sein juristisches Schicksal. Und gerade deswegen ist mir der Hinweis auf das europäische Lebensmodell so wichtig – weil da auch wieder ein Weg führt zu den Grundsätzen und zu den Werten, die wir gemeinsam haben und die keiner – auch nicht in dieser laufen­den Diskussion – in Wirklichkeit in Frage gestellt hat.

Das ist für mich ein bemerkenswertes Teilergebnis, das ich während dieser Nachdenk­pause auch einmal anmerken möchte. Leider wird es auch gerne schlecht gemacht. Ich meine: Wenn wir nicht dauernd schlecht über Europa reden und über die Möglich­keiten, die wir haben, und über das, was wir erreicht haben, dann werden wir schon dadurch einen Beitrag dazu leisten, dass eine Klimaverbesserung und damit auch eine Erhöhung des Schwunges in das europäische Projekt kommt.

Mehrere Redner haben das Thema „EU-Beitritt der Türkei“ angesprochen, unter ande­ren auch Sie, Herr Bundesrat Schennach, und ich darf Ihnen sagen: Ich bin mit Ihnen nicht einer Meinung, wenn Sie sagen, dass aus dem Außenpolitischen Bericht 2004 ganz klar hervorginge, dass die Türkei von Österreich nichts zu erwarten habe. So haben Sie es formuliert. – Meiner Meinung nach ist das unzutreffend! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte zu diesem Punkt ganz ausdrücklich festhalten: Ich möchte nicht, dass mein Beitrag zur Entscheidung des 3. Oktober missverstanden und uminterpretiert wird. Ich habe mich immer für eine enge und dynamische Partnerschaft mit der Türkei ein­gesetzt; die Beitrittsverhandlungen haben begonnen; die strategische Entscheidung wurde getroffen.

Ich hätte mir mehr Differenzierungsmöglichkeit, das konkrete Ansprechen einer Alter­nativ-Variante vorstellen können – eine Vorstellung, die übrigens mittlerweile von brei­ten Kreisen geteilt wird und wo in der langfristigen Perspektive ganz bewusst auch ein Beitritt der Türkei nicht ausgeschlossen wird. Das habe ich immer gesagt.

Die Geschichte hat entschieden: Die Beitrittsverhandlungen laufen, aber wir sehen – und Sie haben ja einige der Beispiele erwähnt, die uns Sorge machen – im Alltag, was hier an Transformationsarbeit ansteht, und zu dieser Transformationsarbeit leisten wir als Europäische Union unseren Beitrag. Aber wir dürfen unsere Augen nicht verschlie­ßen vor den Verschärfungen in den verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen, etwa im Anti-Terrorbereich oder auch im Bereich der häuslichen Gewalt. Das sind Themen, die uns beschäftigen, die wir im politischen Dialog mit unseren türkischen Partnern sehr direkt und sehr offen vorbringen, denn nur so können wir zu einer positiven Verän­derung im Sinne dessen, was wir uns unter einer „europäischen Türkei“ vorstellen, bei­tragen.

Nun möchte ich auch hineingehen in das Thema „Europäische Union und der Islam“, das hier ebenfalls angesprochen wurde.

Mein Anliegen war und ist es – ich möchte es gerne hier wiederholen –, innerhalb der Europäischen Union ganz hartnäckig für zwei Aspekte zu werben: nämlich einerseits die Hand auszustrecken in die islamische Welt hinaus zu unseren Partnern, um klarzu­stellen, was unser Beitrag ist, was unsere Vorstellungen sind, und um da zu einer


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nüchterneren, klareren Sicht auf das Mögliche, aber auch auf die Grenzen hinzuwei­sen, und andererseits die Hand auszustrecken, und zwar alle, in die islamischen Ge­meinschaften innerhalb der Länder der Europäischen Union. Auch das ist eine Aufga­be, die dringend notwendig ist, wo wir die Augen nicht verschließen dürfen.

Wir haben vor wenigen Tagen in Wien die Zweite Europäische Imame-Konferenz im Rathaus und in der Universität abgehalten, und ich möchte mich bei den Gastgebern und den Teilnehmern dafür bedanken. Ich halte die Unterstützung eines moderaten Islam für einen absolut wichtigen Punkt. Ich glaube, dass ein „europäischer Islam“, bei dem Fachleute – ich weiß, dieser Begriff ist umstritten – sich fragen, ob es so etwas bereits gibt oder nicht, dass solch eine Entwicklung, die eine religiöse Identität als Muslim mit einer politischen, gesellschaftlichen Identität – als Europäer, als Österrei­cher, als Deutscher, als Franzose – kombiniert, auch eine Brücke sein kann und wird in die islamische Welt. Das ist ein ganz wichtiges Signal, nämlich dass Modernität, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Islam vereinbar und keine Ge­gensätze sind. – Es war mir wichtig, das noch zu erwähnen.

Ich teile nicht die Meinung, dass es einen Mangel an Selbstkritik im Zusammenhang mit dem Tsunami gab. Das ist eine unzutreffende Bemerkung. Natürlich passiert bei einer derartigen Angelegenheit die eine oder andere Panne, aber die Pannen waren durchwegs klein! Es besteht kein Grund, in Zweifel zu stellen, dass wir da das Men­schenmögliche getan haben.

Das bringt mich auch zum Thema „Antipersonenminen“. In diesem Bereich ist der ös­terreichische Einsatz unvermindert. Sie haben die Nairobi-Konferenz erwähnt, die unter dem Vorsitz von Wolfgang Petritsch stattfand. Es wurde ein Aktionsplan erarbeitet, der auch einen entsprechenden Fahrplan zur Umsetzung in den kommenden Jahren be­inhaltet. Kroatien hat mittlerweile die Präsidentschaft für zwei Jahre übernommen. Wir haben bei der letzten Konferenz im Dezember 2005 in Zagreb einen ersten, überwie­gend positiven Fortschrittsbericht vorgelegt. Das ist die multilaterale Seite. Ich selbst – und meine Kollegen wissen das – bringe das Thema in allen bilateralen Besuchen und Kontakten, wo es dazu sinnvollerweise eine Möglichkeit gibt, zur Sprache, so etwa auch – das ist gerade angesprochen worden – gegenüber meinem Kollegen in Sri Lanka. Es wäre ein wichtiger Beitrag, wenn Sri Lanka dem Antipersonenminen-Vertrag beitreten könnte.

Sie haben mich um ein paar Worte zur Visa-Affäre ersucht. – Ich habe drei Ziele: Bei der lückenlosen Aufklärung von Vorwürfen gibt es keine Reserven, da wird mit allen anderen involvierten Behörden voll zusammengearbeitet. Die Innenministerin weiß das. Wir befinden uns in einem permanenten Dialog, unsere Beamten arbeiten sehr eng zusammen, und das ist auch im Alltag ganz besonders wichtig, denn ein miss­brauchssicheres Visa-System ist nicht nur im Interesse der Österreicherinnen und Ös­terreicher, sondern auch im Interesse unserer Partner in der Welt. Wir wissen, dass wir in den Botschaften die Grenze Österreichs verwalten und dass das ein missbrauchs­anfälliger Bereich ist, in dem besondere Kontrollen und eine besonders umsichtige und behutsame Vorgangsweise erforderlich sind.

Erstes Ziel also: die lückenlose Aufklärung. Zweites Ziel: Alles unternehmen, um die­ses System für die Zukunft noch missbrauchsfester zu machen, als es das eigentlich ohnehin schon ist. Es geht auch darum, es etwa auch im Interesse der österreichi­schen Wirtschaft leistungsfähig zu gestalten. Dass hiebei unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen sind, ist eine jedem Außenministerium vertraute Aufgabe.

Da in den Medien über bestimmte Fälle berichtet wird, möchte ich betonen, dass wir deren Aufklärung wollen. Im Augenblick ist der Stand jedoch der, dass es eine Verur-


Bundesrat
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733. Sitzung / Seite 54

teilung gibt, die im Übrigen noch nicht rechtskräftig ist. Es gibt vier laufende Verfahren, in denen von der Staatsanwaltschaft Vorerhebungen geführt werden, und das ist es. In einigen Fällen sind bereits Verfahren eingestellt worden, weil sich herausgestellt hat, dass es keine entsprechende Beweislage gibt. Das ist der Stand. – Noch einmal: Es gibt hier volle Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und mit der Justiz.

Zum ländlichen Raum wurde von Herrn Bundesrat Kampl gefragt, wie dessen weitere Entwicklung sein wird und warum dieser Bereich im Bericht nicht entsprechend berück­sichtigt ist. – Er ist abgelenkt, ist sage es trotzdem: Die Entwicklung des ländlichen Raumes stellt ein wichtiges Element des europäischen Lebensmodells dar; das gilt für Europa insgesamt. Es geht um eine Zukunftsinvestition auch im Hinblick auf Arbeits­plätze im ländlichen Raum. Es ist dem Bundeskanzler im Dezember im Europäischen Rat gelungen, die Rückflüsse für Österreich im Vergleich zur laufenden Periode mit rund drei Milliarden € auf gleicher Höhe zu halten, und dies trotz einer Reduzierung der Gesamtmittel für die ländliche Entwicklung auf 69,7 Milliarden €. Mit der Einigung im Europäischen Parlament am 4. April – ich habe von diesem Ergebnis berichtet, das Bundesminister Grasser erzielt hat – ist auch noch eine Vereinbarung über die Erhö­hung der Dotierung der Umweltprogramme um 100 Millionen € dazugekommen. Das wird in erster Linie für Natura 2000 interessant werden.

Zum Thema „Heimatvertriebene“: Mein Ministerium arbeitet seit langem in engem und regelmäßigem Kontakt auch mit den Vertriebenenverbänden zusammen. Es gibt auch entsprechende Fortschritte zum Beispiel mit Slowenien.

Ich denke, das waren die wichtigsten Fragen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

11.45


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Vorlagen erfolgt getrennt.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Außenpolitischen Bericht 2004 der Bundesregierung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Bericht der Bundesministerin für auswär­tige Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2006.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.46.443. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend einen Vertrag zwi­schen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem König­reich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg,


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733. Sitzung / Seite 55

dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration samt Erklärungen der Republik Österreich und Gemeinsamer Erklärung (1155 d.B. und 1362 d.B. sowie 7500 d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Ta­gesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Mayer übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


11.47.26

Berichterstatter Edgar Mayer: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegen­heiten über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend einen Ver­trag zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, dem König­reich Spanien, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande und der Republik Österreich über die Vertiefung der grenz­überschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration samt Erklärungen der Republik Österreich und Gemeinsamer Erklärung.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Verle­sung.

Ich komme sogleich zum Antrag:

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 19. April 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wortmeldungen liegen hiezu keine vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


Bundesrat
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11.49.544. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, die Exekutions­ordnung und das Sicherheitspolizeigesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt sowie gegen beharrliche Verfolgung und des zivilrecht­lichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre geändert werden (Strafrechts­änderungsgesetz 2006) (1316 d.B., 1326 d.B., 1325 d.B. und 1383 d.B. sowie 7513/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zum 4. Punkt der Ta­gesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Frau Bundesrätin Neuwirth übernommen. Ich bitte sie um den Bericht.

 


11.50.17

Berichterstatterin Mag. Susanne Neuwirth: Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, die Exekutionsordnung und das Sicherheitspolizeigesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt sowie gegen beharrliche Verfolgung und des zivilrechtlichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2006).

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zum Antrag des Ausschusses.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. April 2006 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


11.51.15

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im Grunde trennt uns nicht so viel. Sie wissen, dass es uns allen miteinander sehr wichtig war, diesen neuen Straftatbestand des Stalking ge­setzlich zu regeln. Es handelt sich allerdings hierbei eher um die berühmte Debatte, Frau Bundesministerin: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Sie kennen mich und wissen, dass ich bei diesen Diskussionen immer ein sehr großzügiger Mensch bin und bei einem halb vollen Glas auch sage: Es ist halb voll und nicht halb leer! In diesem Fall und da damit doch eine ganz neue Materie geregelt wird, erlauben Sie mir, dass ich sage: Es ist halb leer, denn dieses Gesetz setzt für uns in der Definition doch einen zu engen Rahmen. Es ist einfach zu eng gefasst.

Der Ersatz der Worte „beharrliche Verfolgung“ durch die Worte „Beeinträchtigung der Lebensführung“ ist sicherlich adäquat. Das stellt eine Verbesserung dar, aber die in­haltliche Frage bleibt dahinter dennoch weiter bestehen: Wo findet diese qualitative Verbesserung statt? Es ist zwar eine semantische Verbesserung, eine treffendere For­mulierung, aber hat das auch faktisch Auswirkungen?

In einem zweiten Punkt hat es eine weitere Abschwächung gegeben. Sie wissen – und ich weiß das auch aus meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für Ihr Haus –, dass immer wie-


Bundesrat
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der die Kontaktherstellung durch Telekommunikation terrorähnliche Ausmaße anneh­men kann. Dass ist leider in der Form, wie wir uns das gewünscht hätten, nicht drin­nen. Gerade Männer greifen immer wieder zu diesem Mittel. Ich habe da für Ihr Haus einen Fall betreut, in dem wir auf 890 Anrufe bei einem jungen Mädchen gekommen sind. Also 890 Anrufe innerhalb von zehn Tagen dann selbst bei einer gesperrten Num­mer, das ist trotz aller Telefonate von Familienmitgliedern Horror. Das kann man über­haupt nicht anders qualifizieren. – Auf der anderen Seite ist das schon rein physisch eine Wahnsinnsanstrengung des Täters. Das zeigt natürlich auch die psychische Aus­nahmesituation, in der sich der männliche Täter befindet oder befinden muss. Das ge­hörte also meiner Meinung nach dazu. Dass das jetzt nur auf Antrag der verfolgten Person geschehen kann, ist meiner Meinung nach eine Abschwächung, und diese Ab­schwächung halten wir nicht für gut.

Auch die Regelungen zur einstweiligen Verfügung wurden modifiziert. – Wir alle erken­nen Ihre Bemühungen in diesem Bereich voll an, das möchte ich bei aller Kritik sagen. Sie haben sicherlich großartige Arbeit geleistet. Auch wenn ich als Kontraredner auf­trete: Hohes Kompliment für Ihre Arbeit, die Sie hier geleistet haben! (Beifall bei Bun­desräten der ÖVP. – Bundesräte Mayer und Dr. Spiegelfeld-Schneeburg: Großartige Leistung!) – Was war das für eine Bemerkung? Man ist immer dankbar für Zustim­mung, keine Frage. Ich bin nur manchmal sprachlos, dass sie gerade aus Feldkirch erfolgt. (Bundesrätin Zwazl: Auch aus Niederösterreich!) ... und dass Niederösterreich mir die Pampa verzeiht. (Bundesrätin Zwazl: Nein! Nein!) – Die Pampa habe ich ja ohnehin schon mit tiefer Erschütterung zurückgenommen, und ich hoffe, dass wir viel­leicht bis zum Ende der Sitzung auch darüber werden Frieden schließen können, denn es war niemals meine Absicht, die wunderschöne Stadt Klosterneuburg in die Pampa zu verlegen. (Bundesrat Konecny: Da müsste man den Berg abtragen!)

Jetzt muss ich wieder zum Thema zurückkommen, meine lieben Kollegen und Kolle­ginnen. Insofern ist das jetzt natürlich auch ein unfairer Applaus gewesen, weil er mich jetzt in andere Sphären gehoben hat. (Bundesrätin Zwazl: So leicht lassen Sie sich ab­lenken?) – Nur wenn es Frau Präsidentin Zwazl macht, bin ich immer ganz besonders ablenkungsanfällig.

Es gibt auch keine dem Gewaltschutzgesetz vergleichbare Regelung der Wegweisung. Die Wegweisung ist eine ganz wichtige Maßnahme in diesem Bereich. Es ginge um Wegweisung durch die Sicherheitspolizeibehörden, und zwar ohne vorherige einstwei­lige Verfügung. Das ist nicht möglich; es wäre aber unserer Meinung nach hier sehr, sehr wichtig. Das ist ein Punkt, dessentwegen wir trotz der Bemühungen der Frau Bun­desministerin leider Gottes eine Gegenposition beziehen müssen. Sie würden vielleicht sagen, dass wir hier kleinlich sind, aber wir versuchen hier gerade bei einer neuen Materie, die extrem wichtig ist, zu mahnen. Vielleicht gibt uns das die Chance, in Zu­kunft doch noch die eine oder andere Reform folgen zu lassen.

In diesem Sinne wünsche ich diesem Gesetz einen guten Start, auch wenn wir heute nicht mitstimmen werden, also nicht dafür stimmen werden, aber ich hoffe auf eine po­sitive Weiterentwicklung, und ich nehme an, dass dann auch wir bald an Bord sein wer­den. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.58


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mörk zu Wort. – Bitte.

 


11.58.19

Bundesrätin Gabriele Mörk (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh darüber, dass die­ses Anti-Stalkinggesetz vorliegt. Das Thema „Gewalt gegen Frauen und Gewalt in der


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Familie“ zu enttabuisieren, zu diskutieren und öffentlich zu machen, was meiner Mei­nung nach etwas ganz Wesentliches und Wichtiges ist, war schon immer und ist auch nach wie vor ein Anliegen der SPÖ beziehungsweise der SPÖ-Frauen. Wir haben uns immer vehement dafür eingesetzt, dass dieses Thema öffentlich diskutiert wird und dass auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. Ich denke etwa an das Ge­waltschutzgesetz, das Opfer vor Gewalt in der Familie schützen soll und das 1996 beschlossen wurde – ein Gesetz, das wunderbar funktioniert und um das Österreich in vielen europäischen Ländern beneidet wird.

Aber in diesem Bereich gibt es auch einen Wermutstropfen. Die Wiener Interventions­stelle gegen Gewalt in der Familie, eine bewährte und geeignete Opferschutzeinrich­tung, die auch in Zukunft die Ermächtigung erhalten soll, Stalkingopfer zu beraten und zu unterstützen, konnte seit Juni 2004 wegen mangelnder personeller Ressourcen die Betreuung der Opfer familiärer Gewalt nicht mehr in allen Wiener Bezirken gewährleis­ten.

Dieser Notstand ist einerseits dadurch entstanden, dass es steigende Zuweisungen der Polizei in der Anzahl von 1 000 im Jahr 2000 auf nicht ganz 3 000 im Jahr 2005 an die Interventionsstelle gegeben hat. Auf der anderen Seite wurden von den zuständi­gen Ministerien – das sind das Bundesministerium für Inneres und das Bundesministe­rium für Gesundheit und Frauen – nicht die entsprechenden finanziellen Mittel zur Ver­fügung gestellt. Die Betreuung der Opfer von familiärer Gewalt in vier Bezirken kann leider nur noch in Ausnahmefällen erfolgen. Ich hoffe, dass es in diesem Bereich zu einer entsprechenden Aufstockung der finanziellen Mittel kommen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute einer weiterführenden Ge­setzesmaterie im Bereich der Gewaltprävention unsere Zustimmung erteilen, dann ist dies konsequent, gut und richtig. Dieses Bundesgesetz wurde unter Ministerin Gastin­ger eingebracht, aber wenn wir uns die Chronologie dieser Gesetzeswerdung ansehen, dann können wir feststellen, dass es dieses Gesetz nur deshalb gibt, weil es eine tat­kräftige Unterstützung von Seiten der SPÖ gegeben hat. Dieses Gesetz würde es so nicht geben, hätte die SPÖ nicht so darauf gedrängt und dazu die Vorarbeiten geleis­tet.

Im November 2003 gab es auf Initiative der damaligen Wiener Frauenstadträtin Mag. Renate Brauner eine Fachkonferenz zum Thema „Psychoterror“. Damals wurde das erste Mal in Österreich über dieses Thema öffentlich geredet, es wurden Erfahrun­gen ausgetauscht und Lösungsmöglichkeiten diskutiert.

Im Juni 2004 hat die jetzige Wiener Frauenstadträtin Mag. Sonja Wehsely bei einer Pressekonferenz mit Expertinnen und Experten einen möglichen Fahrplan und eine Strategie skizziert, wie dieses Gesetz implementiert werden könnte. Im Septem­ber 2004 erfolgte ein einstimmiger Gemeinderatsbeschluss auf Wiener Ebene, und auch das geschah auf Grund einer Initiative der SPÖ.

In weiterer Folge kam es zu Resolutionsanträgen in den Landtagen von Niederöster­reich, Steiermark und Oberösterreich, im Grazer Gemeinderat, im Linzer Gemeinderat und so weiter. Das geschah immer wieder auf Initiative der SPÖ, aber – und auch das muss positiv erwähnt werden – alle Fraktionen haben diesen Resolutionen zugestimmt.

Danach begann – verzeihen Sie mir diesen Vergleich – die schwere Geburt dieses Ge­setzes. Der Antrag von SPÖ- und Grünen-Nationalratsabgeordneten im März 2005 im Justizausschuss erhielt keine Mehrheit. Im April 2005 konnte ein geänderter Antrag – ein eher sehr „weicher“ Antrag, wie man so schön sagt – mit Stimmen aller Fraktionen im Justizausschuss beschlossen werden.


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Im Oktober 2005 gab es dann von Ihnen, Frau Ministerin, einen Gesetzentwurf, der jedoch mangelhaft war; dies haben die zahlreichen Stellungnahmen ausgedrückt. Da­nach hat sich das Innenministerium quergelegt, und daraufhin auch noch das Finanz­ministerium.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung, ist aber nicht das, was wir uns unter einem effektiven, starken und wirksamen Schutz vorstellen. Ein Hauptkritikpunkt ist, dass die Position des Opfers ge­schwächt wird und dass Stalking mittels Kommunikationsmitteln kein Offizialdelikt ist, sondern nur auf Antrag des Opfers verfolgt werden kann.

Es fehlt auch ein effektiver Schutz der betroffenen Personen. Eine Änderung im Sicher­heitspolizeigesetz nach dem Beispiel des Wegweiserechts wäre notwendig. Ohne die­sen Sofortschutz durch die Polizei ist es sehr schwierig, sich ohne rechtlichen Beistand gegen die Belästigung von Stalkern effektiv und kostengünstig zu wehren. Davon wer­den vor allem sozial schwächere Bevölkerungsschichten, und da, wie man aus prakti­schen Erfahrungen weiß, vor allem Frauen, betroffen sein.

Beim Frauennotruf der Stadt Wien ist jede zehnte Anruferin, die Hilfe sucht, ein Opfer von Stalking. 80 Prozent der Opfer sind Frauen, 90 Prozent der Täter sind Männer. 65 Prozent der Opfer kennen die Täter, 80 Prozent der weiblichen Stalking-Opfer wer­den durch ihre Ex-Partner gestalkt und haben in ihrer Beziehung bereits Gewalt erlebt.

70 Prozent der Stalking-Opfer sind so massiv davon betroffen, dass sie in ihrem weite­ren sozialen Leben extrem eingeschränkt sind. Sie vermeiden soziale Kontakte, wech­seln sehr oft ihren Wohnsitz, müssen oft den Arbeitsplatz wechseln oder verlieren ihn und haben Probleme in einer neuen Beziehung.

Ich glaube, dass diese Zahlen den dringenden Handlungsbedarf veranschaulichen. Meine Fraktion wird diesem Gesetz die Zustimmung geben, auch wenn wir nicht um­fassend damit zufrieden sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.05


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


12.05.39

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Für mich als Frau ist es besonders schön, dass wir heute das Anti-Stalking-Gesetz beschließen, denn Stalking betrifft sowohl Männer als auch Frauen, jedoch sind mehrheitlich Frauen mit diesem Problem konfrontiert.

Europaweit haben bis heute nur vier Länder solche Schutzregelungen. Unsere Regie­rung hat jetzt erkannt, dass Stalking Psychoterror für die Opfer bedeutet, und daher dieses Gesetz zum Schutz der Betroffenen vorzüglich eingebracht. Da mein Kollege Schennach gesagt hat, das Glas ist ja nur halb voll oder halb leer, muss ich sagen: Bis jetzt war es ganz leer, und so ist es doch halb voll – auch schon eine schöne Sache!

Menschen, die beharrlich verfolgt werden, bekommen gesundheitliche Probleme wie Unruhe, Schlafstörungen, Depressionen und Ähnliches, was dann natürlich zur Folge hat, dass es vermehrt zu Krankenständen kommt und dass dies einen volkswirtschaft­lichen Schaden nach sich zieht.

Die neuen Kommunikationstechniken wie Internet, E-Mail, Handys oder SMS sind neue Möglichkeiten, Stalking-Opfer noch beharrlicher unter Druck zu setzen. Durch dieses Gesetz haben Betroffene jetzt die Möglichkeit, ein strafrechtliches Verfahren einzulei­ten beziehungsweise eine einstweilige Verfügung zu einem Kontaktverbot zu erwirken.


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Bei widerrechtlich beharrlicher Verfolgung müssen Täter mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr rechnen.

Ein weiterer Punkt in diesem Gesetz ist, dass die Opfer einerseits Schutz durch die Exekutive erhalten, aber außerdem auch die Kosten für eine psychosoziale Prozessbe­gleitung vom Staat getragen werden.

Dem neuen Gesetz nach wird weiters Zwangsverheiratung mit verbundener Nötigung nicht, wie bisher, als privilegierter Tatbestand der Ehenötigung bewertet, sondern als Nötigung zur Anklage gebracht.

Weiters werden die Verjährungsfristen bei Genitalverstümmelungen bis zur Volljährig­keit des Opfers verlängert, was meiner Ansicht nach ein wesentlicher Beitrag zur Wah­rung der Menschenwürde mit Hilfe des Strafrechtes ist.

Ich finde es auch sehr begrüßenswert, dass die gefährliche Drohung im Familienkreis nun als Offizialdelikt gesehen wird. Dies bedeutet Unterstützung und Hilfestellung gera­de für Frauen, die auf Grund von Gewaltanwendung ihres Ehemannes Anzeige erstat­ten und nach Druckausübung ihres Mannes schlussendlich wieder einen Rückzieher machen.

Ich bin davon überzeugt, dass gerade dieses Gesetz im Speziellen für Frauen, die von Stalking betroffen sind, eine große Verbesserung darstellt. Daher wird meine Fraktion diesem Gesetz die Zustimmung geben, und es würde mich freuen, wenn das auch alle anderen Fraktionen machen würden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mit­terer.)

12.09


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundes­ministerin Mag. Gastinger. – Bitte.

 


12.09.04

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich glaube auch, dass heute ein wichtiger Tag ist und dass es uns hier wirklich gelingen wird, dieses Anti-Stalking-Paket – neben den anderen Maßnahmen, die die Frau Bundesrätin soeben angeführt hat, aber auch dem Umweltstrafrecht – zu verabschieden.

Von Frau Bundesrätin Mörk wurde ja der Weg zu diesem Stalking-Paket – so würde ich es bezeichnen – skizziert. Es war aber auch so, dass – daran kann ich mich noch er­innern – Frau Stadträtin Wehsely damals, als ich sozusagen ganz „frisch gefangene“ Justizministerin war, bei mir einen Termin hatte und wir das besprochen haben. Auch Frau Stadträtin Landauer von der FPÖ, die heute nicht mehr Stadträtin ist, hat mich da­mals ganz eindringlich auf dieses Thema hingewiesen. Ich kann auch sagen, dass ich von Anfang an sehr daran interessiert war, dass wir hier zu einer Lösung kommen.

Sie wissen auch, dass wir dieses Stalking-Paket, diese Bestimmung nicht im Regie­rungsprogramm hatten und dass dies nicht Teil des Regierungsübereinkommens war. Aber wir haben uns trotzdem mit einer Vier-Parteien-Einigung im April 2005 darauf ge­einigt, dass wir hier Maßnahmen setzen wollen. Ich glaube auch, dass diese Maßnah­men sinnvoll, zweckmäßig und vor allem auch notwendig sind.

Wir haben im Zusammenhang mit der Erarbeitung dieser Gesetzesvorlage auch sehr viel Kontakt mit den Kriseninterventionsstellen der Frauen gehabt. Es hat eine Arbeits­gruppe gegeben, in der wir die Expertise aus der Praxis in diesen Gesetzwerdungspro­zess wirklich massiv einbezogen haben. Unsere Erfahrung war auch die, dass es be­sonders schwierig war, den Tatbestand des § 107a, also das beharrliche Verfolgen, tatsächlich in so klare Worte zu fassen, dass wir dann, wenn die Gerichte diesen Para-


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graphen anzuwenden haben, auch die Möglichkeit haben, ganz konkret zu sagen, was damit gemeint ist.

Sie müssen sich das so vorstellen, dass das Stalking im Grunde genommen eine Vor­stufe zur gefährlichen Drohung ist. Da haben wir die gefährliche Drohung, Nötigung, Körperverletzung; das Stalking ist noch eine Stufe davor. Das Stalking ist auch ein Be­griff, der in sehr verschiedenen Ausformungen greifen kann und der immer wieder auch – die meisten Stalker sind ja psychisch krank oder zumindest psychisch auffäl­lig – in verschiedensten Ausformungen ans Tageslicht treten kann. Daher war es für uns, vor allem auch für meine Mitarbeiter, besonders schwierig, dies so in juristische Worte zu fassen, dass man tatsächlich auch einen strafrechtlichen Tatbestand daraus formen kann.

Ich möchte an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön sagen, insbesondere an Herrn Dr. Manquet und seine Mitarbeiter, die wirklich sehr viel Hirnschmalz, möchte ich einmal sagen, investiert haben, dass man hier nach der anfänglichen Wortwahl immer konkreter geworden ist. Ich glaube, es ist nunmehr gelungen, wirklich einen praktikab­len strafrechtlichen Tatbestand für die Praxis auch praktisch in Worte zu fassen. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle!

Wichtig war da natürlich auch – Sie haben es ebenfalls angesprochen, es wurde von meinen Vorrednern schon gesagt –, dass es nicht so einfach ist, gerade dann, wenn man juristisches Neuland betritt, von vornherein auch alle, die damit betraut sind, prak­tisch sofort für sich zu gewinnen. Es war große Überzeugungsarbeit notwendig – das wurde auch schon angesprochen –, und ich glaube, dass der Weg, den wir beschritten haben, sicherlich ein sehr guter ist.

Herr Bundesrat Schennach hat es als Kritikpunkt angesprochen, dass wir zwar den Großteil der Stalking-Bestimmung als Offizialdelikt normiert haben, aber für Bereiche wie Telefonie- und Internet-Stalking – wo eben Kommunikationsmittel eingesetzt wer­den – dies als Antragsdelikt formuliert haben. Hierzu möchte ich nur erklärend ausfüh­ren, dass wir auch sehr intensive Diskussionen mit dem Innenministerium hatten und da vor allem auch wieder die Expertise aus der Praxis, aus der polizeilichen Ermitt­lungsarbeit mit einbezogen haben.

Sie müssen sich das insbesondere auch so vorstellen, dass es für die Ermittlungstä­tigkeit der Polizei sehr schwierig ist, Internet-Stalking oder auch Telefon-Stalking tat­sächlich nachzuvollziehen. Sie haben das angesprochen; bei den 890 Anrufen hat es sicherlich auch eine Telefonüberwachung gegeben. Aber der Zeitpunkt, zu dem die Polizei einschreiten müsste, liegt noch vor der Telefonüberwachung. Wäre da die poli­zeiliche Ermittlungstätigkeit zu einem Offizialdelikt durchzuführen, so würde dies in der Praxis auf Schwierigkeiten stoßen.

Deswegen haben wir den Ansatz gewählt, dass wir für diesen Bereich ein Antragsdelikt formuliert haben. Dieser Bereich wird in der Praxis nicht so klein sein, das weiß ich auch, weil es vielfach um Stalking-Fälle geht, aber wir möchten für diesen Bereich auch dem Opfer praktisch die Botschaft mitgeben: Wenn Sie über Internet, Telefon, Mail oder Ähnliches gestalkt werden, sammeln Sie bitte Ihre Beweise! Das ist einmal das eine, um die Ermittlungstätigkeit der Polizei zu ermöglichen; denn es gibt dann ein Antragsdelikt, der Staatsanwalt leistet diesem Antrag Folge und überträgt daraufhin der Polizei die weitere Ermittlungstätigkeit.

Wir haben parallel dazu ein Netzwerk vorgesehen – das wurde auch schon von meinen Vorrednern angesprochen –, indem wir gesagt haben, wir möchten eine psychosoziale und juristische Prozessbegleitung haben, um die Opfer in dieser Situation nicht allein zu lassen, sondern ihnen kostengünstige Hilfe an die Hand zu geben. Wie Sie alle wis­sen, wird diese Prozessbegleitung aus meinem Budget, aus dem Budget des Justizmi-


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nisteriums bezahlt. Wir haben auch mit der Kriseninterventionsstelle für Frauen einen Vertrag, wonach wir fallbezogen die Kosten, die dort erwachsen, tatsächlich bezahlen werden, sodass die finanzielle Absicherung gegeben ist. Ich halte das, was diesen Be­reich anbelangt, durchaus für ein sehr gut durchdachtes Konzept, das sicherlich sehr erfolgreich sein wird.

Ich habe in meiner Stellungnahme im Nationalrat schon angeführt, dass auch ich mir gewünscht hätte, das Sicherheitspolizeigesetz anzupassen, sodass wir ähnliche Be­stimmungen wie im Gewaltschutzpaket, vor allem wenn es um die Wegweisung geht, auch für das Stalking erreichen können. Ich muss sagen, dass es leider nicht möglich war, dies in die Praxis umzusetzen, muss aber auch hinzufügen, dass wir dann, als das klar war, versucht haben, mit der einstweiligen Verfügung, wie sie jetzt im Gesetz vorliegt, einen gangbaren Weg zu schaffen.

Ich glaube auch, dass dies für die Zukunft richtungweisend sein wird, da erstmals auch die Polizei einstweilige Verfügungen, die ja im Zivilrecht anzusiedeln sind, tatsächlich vollstrecken wird und dies nicht, wie es bisher üblich war, durch Gerichtsvollzieher ge­schieht. Das Zivilrecht wird jetzt also auch die Polizei vollstrecken.

Wir haben also wirklich versucht, innerhalb der bestehenden Rahmenbedingungen das für uns Bestmögliche herauszuverhandeln, und ich glaube, dass uns vieles gelungen ist. Ich bin wirklich sehr stolz darauf, dass es uns in relativ kurzer Zeit gelungen ist, juristisch komplettes Neuland zu betreten, und ich bedanke mich bei allen, die daran mitgearbeitet haben. Es waren sehr viele daran beteiligt, vor allem in den Arbeitsgrup­pen, aber auch Abgeordnete, dass wir hier wirklich ein vernünftiges Paket zustande ge­bracht haben.

Um noch einmal auf den Vergleich des Herrn Bundesrates Schennach mit dem Was­serglas zurückzukommen: Ich glaube, dass das Wasserglas nicht halb voll und auch nicht halb leer ist, sondern dass es zumindest zu drei Vierteln voll ist, wenn nicht noch voller! Ich bin auch sehr froh darüber, weil ich lieber Wasser als gar nichts im Glas habe. Die Alternative dazu wäre gewesen, gar nichts zu haben, und das wollte ich auf keinen Fall zulassen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitte­rer.)

In diesem Sinne glaube ich, dass dies wirklich ein gutes Vorhaben ist, dass wir, wenn wir es heute hier verabschieden werden, sehr viel für die Frauen, für die Stalking-Opfer in Österreich getan haben und dass wir – wie Sie es schon angesprochen haben, Frau Bundesrätin – mit dieser Stalking-Regelung sicherlich Pioniere in Europa sind. Wir wer­den damit sehr viel für den Opferschutz, für die österreichischen Opfer, Männer oder Frauen, geleistet haben und sind somit auch richtungweisend. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

12.17


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesminister. – Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. – Bitte.

 


12.17.31

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es ist den Worten unserer Ministerin nicht mehr sehr viel hinzuzufügen. Man sieht daran, welch ambitioniertes Vorhaben es war, dieses Gesetz hier ins Haus zu bringen. Es ist dies, wie Herr Bundesrat Schennach schon gesagt hat, eine großartige Leistung.

Ich glaube, es ist richtig, Neuland zu betreten. Ich glaube aber auch, dass gerade die Absicht, Neuland zu betreten, Ambition braucht, Ambition in so einem Gesetz, und ich


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glaube, wir sind uns hier im Haus alle einig – zumindest entnehme ich das allen vorhe­rigen Beiträgen –, dass damit ein guter Versuch gestartet wurde, dass ein Gesetz ge­macht wurde und dass dieses Gesetz eben heute so weit ist, beschlossen zu werden.

Natürlich kann es – und das wissen die Juristen ganz genau – bei Materien, mit denen solches Neuland betreten wird und bei denen es sich in einem weiten Bereich um Empfindungen und Gefühle handelt, nicht so sein, dass mit dem heutigen Tag alles abgeschlossen ist. Aber, wie schon gesagt worden ist, ich glaube, das Glaserl ist – man braucht nur ein bisschen Wasser hineinzugießen – sehr, sehr voll, und ich glaube, es ist dies auch für die österreichische Rechtsordnung ein guter Tag.

Ich möchte hier namens meiner Fraktion noch einmal ein herzliches Danke sagen. Er­folg hat bekanntlich viele Väter; in diesem Fall sind es viele Mütter und Väter. Ich glaube, es ist dies eine sehr gute gemeinsame Leistung, und natürlich wäre es schön, heute hier einen einstimmigen Beschluss herbeizuführen. Ich verweise auf die Feststel­lungen im Ausschuss des Nationalrates; dort wurde schon festgestellt, dass das wohl ein Gesetz sein wird, das man irgendwann evaluieren wird, wenn man mehr Erfahrun­gen damit hat.

Daher wäre es schön, wenn wir heute einen gemeinsamen Weg, den einstimmigen Weg finden würden. Ich glaube, das Gesetz hätte es sich verdient und auch die Frau Ministerin, weil ich sehe, dass es ihr ein Herzensanliegen war, dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode in Rechtskraft zu bringen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

12.20


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher ge­schlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.21.045. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend Zweites Protokoll auf­grund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union zum Übereinkom­men über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaf­ten samt Erklärungen (1301 d.B. und 1384 d.B. sowie 7514/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft anderer­seits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen samt Schlussakte und Vereinbarter Niederschrift (1064 d.B. und 1385 d.B. sowie 7515/BR d.B.)


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7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend das Protokoll zu dem am 23. Februar 1995 unterzeichneten Vertrag zwischen der Regierung der Re­publik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 des am 25. Juni 2003 unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Rechtshilfe (1348 d.B. und 1386 d.B. sowie 7516/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend das Protokoll zu dem am 8. Jänner 1998 unterzeichneten Auslieferungsvertrag zwischen der Regie­rung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 des am 25. Juni 2003 unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung (1347 d.B. und 1387 d.B. sowie 7517/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zu den Punkten 5 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Berichterstattung zu den Punkten 5 bis 8 wird von Herrn Bundesrat Mag. Klug vor­genommen. – Ich bitte um die Berichte.

 


12.22.42

Berichterstatter Mag. Gerald Klug: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Der Bericht des Justizausschusses zum Tagesordnungspunkt 5 liegt Ihnen in schriftlicher Ausfertigung vor. Ich darf daher zum Antrag kommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. April 2006 den Antrag, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B‑VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte, darüber abstimmen zu lassen.

Auch zum Tagesordnungspunkt 6 liegt Ihnen der Bericht des Justizausschusses in schriftlicher Ausfertigung vor. Ich darf daher in diesem Zusammenhang auch gleich zur Antragstellung kommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. April 2006 den Antrag, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B‑VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf fortfahren zum Tagesordnungspunkt 7 und auch dazu die Berichterstattung bringen. Der Bericht des Justizausschusses auch zu diesem Tagesordnungspunkt, sehr geehrte Damen und Herren, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher erlaube ich mir beim gegenständlichen Tagesordnungspunkt zur Antragstellung überzuleiten.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. April 2006 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte, im Anschluss auch darüber abstimmen zu lassen.


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Zum Tagesordnungspunkt 8, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt Ihnen der Bericht des Justizausschusses ebenso in schriftlicher Form vor. Ich erlaube mir daher, auch in diesem Zusammenhang zur Antragstellung überzu­gehen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. April 2006 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich danke.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Zweites Protokoll aufgrund von Art. K.3 des Vertrags über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interes­sen der Europäischen Gemeinschaften samt Erklärungen.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B‑VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenos­senschaft andererseits zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen, samt Schlussakte und Vereinbarter Niederschrift.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B‑VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


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Des Weiteren gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend das Protokoll zu dem am 23. Februar 1995 unterzeich­neten Vertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen im Sinne des Artikels 3 Abs. 2 des am 25. Juni 2003 unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Rechtshilfe.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend das Protokoll zu dem am 8. Jänner 1998 unterzeichneten Auslieferungsvertrag zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Vereinigten Staaten von Amerika im Sinne von Artikel 3 Abs. 2 des am 25. Juni 2003 unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.29.339. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über Patientenverfügungen (Patientenverfügungs-Gesetz – PatVG) (1299 d.B. und 1381 d.B. sowie 7518/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zum 9. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wolfinger. Ich bitte um den Bericht.

 


12.30.00

Berichterstatter Franz Wolfinger: Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über Patientenverfü­gungen (Patientenverfügungs-Gesetz).

Der Inhalt des Berichtes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme zur Antragstel­lung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 19. April 2006 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


12.30.37

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das im gegenständlichen Tagesord­nungspunkt behandelte Patientenverfügungs-Gesetz – und da möchte ich doch eine grundsätzliche Einstellung der SPÖ vorwegnehmen – ist eine Maßnahme, ist ein ge­setzlicher Weg, der seitens der Sozialdemokratie schon lange gefordert wurde. Es ist eine an sich begrüßenswerte Entwicklung, eine an sich begrüßenswerte Maßnahme. Ich möchte das bewusst voranstellen, damit unsere inhaltliche Position hinsichtlich des


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Gesetzes – das möchte ich auch bewusst differenzieren: hinsichtlich des Gesetzes – und unser Abstimmungsverhalten letztlich nicht von vornherein falsch verstanden wer­den.

Wir haben uns unsere inhaltliche Position zum Patientenverfügungs-Gesetz nicht leicht gemacht – ich möchte das in diesem Zusammenhang auch besonders betonen –, und ich gehe davon aus, dass dies auch durch die letzten Beratungen im Justizausschuss für alle Kolleginnen und Kollegen entsprechend sichtbar war.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch bei den Vertretern des Ministeriums für die guten Informationen, für die aufschlussreichen Diskussionen recht herzlich bedan­ken. Die Diskussionen waren nicht immer einfach.

Erlauben Sie mir jetzt, vielleicht doch einige Anmerkungen zu machen, damit unsere inhaltliche Position hinsichtlich des Patientenverfügungs-Gesetzes leichter verständlich wird.

Zu den Formerfordernissen im Zuge der Errichtung einer Patientenverfügung kann man zweifelsohne unterschiedlicher Meinung sein und unterschiedliche Zugänge ha­ben. Ich persönlich vertrete zweifelsfrei die Auffassung, dass eine gewisse Stringenz in den Formerfordernissen ein zweckmäßiger und sinnvoller Zugang ist.

Zu den Problemen oder Defiziten in diesem Gesetz – und ich möchte das gleich voran­stellen – gehört aus unserer Sicht die mangelnde Registrierung. Wir haben das im Ausschuss besprochen. Wenn es eine derartige Patientenverfügung gibt, dann ist es aus unserer Sicht eine ganz wichtige Voraussetzung, dass diese auch rechtzeitig ge­funden wird. Was macht eine Patientenverfügung für einen Sinn, wenn ich sie nicht finde?

Jetzt kann es in diesem Zusammenhang zweifelsfrei unterschiedliche Anlassfälle ge­ben – ich hebe das auch bewusst hervor –: Es gibt bestimmte Dinge, die man rechtzei­tig planen kann – ich sage rechtzeitig, wahrscheinlich auch schon unter ganz bestimm­ten individuellen Bedingungen, aber trotzdem noch rechtzeitig –, und es gibt darüber hinaus bestimmte Umstände, in denen es vielleicht nur mehr schwieriger möglich ist. Wenn es aber eine derartige – und ich sage jetzt – verbindliche Patientenverfügung gibt, dann ist es sowohl für die Krankenanstalt als auch für den praktischen Arzt wich­tig, dass man diese finden kann, dass sie rechtzeitig gefunden wird, damit letztlich auch die richtigen Maßnahmen getroffen werden, insbesondere deshalb, weil wir in diesem Zusammenhang doch über Maßnahmen sprechen, die letztlich auch über Le­ben und Tod entscheiden.

Dass diese Registrierung nicht gelungen ist, ist aus unserer Sicht doch ein wesentli­ches Manko in diesem Gesetz. Es ist auch nicht ganz verständlich. Aus unserer Sicht gab es wohl keinen politischen Willen dazu. Für die Registrierung hätte es mehrere Möglichkeiten gegeben. Die Entwicklung in die Richtung, dass die e-card-Variante ir­gendwann einmal eine Lösung sein wird, ist zweifelsfrei ein guter Zugang. Man hätte das, wenn es derzeit technisch nicht möglich ist, durchaus auch jetzt lösen können. Es gibt beispielsweise im ÖBIG das Transplantationsregister. In diesem Bereich hätte man das vielleicht auch übergangsmäßig lösen können. Dazu fehlte offensichtlich der poli­tische Wille.

Zweites Manko – das möchte ich vielleicht auch noch besonders hervorheben – sind aus unserer Sicht die sich in diesem Zusammenhang sowohl für den Patienten als auch für die Länder ergebenden Auswirkungen hinsichtlich der Kosten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie sich vergegenwärtigen, dass nach ersten Schätzungen die Kosten im Bereich der Beratung für die Erstellung einer derartigen Patientenverfügung – und das beziehe ich jetzt einmal ausschließlich auf den juristi-


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schen Bereich – 100 bis 300 € ausmachen, dann sind diese Schätzungen a) nicht zu hoch gegriffen, und da ist – Sie wissen das – b) der medizinische Aspekt der Beratung im Bereich der Aufklärung noch nicht inkludiert.

Wenn ich mir jetzt anschaue, welche Lösungen gefunden wurden, wo man diese Pati­entenverfügung errichten kann, dann sehe ich, dass man Notare gefunden hat, dass man Rechtsanwälte gefunden hat und dass man die Patientenvertretungen der Länder gefunden hat. Und in diesem Zusammenhang, sehr geehrte Damen und Herren, Frau Bundesminister, kann ich es – das muss ich auch ganz ehrlich sagen – nicht nachvoll­ziehen, wenn in der Regierungsvorlage unter „Finanzielle Auswirkungen“ für den öf­fentlichen Bereich festgestellt wird, dass es keine nachhaltigen Auswirkungen haben wird.

Nach den Einschätzungen der Experten der Länder im Bereich der Patientenvertretun­gen wird die Konsequenz eine andere sein. Wenn es Bereiche gibt, in denen die Pati­entenverfügung eine wesentliche finanzielle Belastung bedeutet, während andere Orte der Errichtung mit vielleicht kaum oder gar keinen finanziellen Belastungen verbunden sind, dann geht unserer politischen Einschätzung zufolge die Situation in jene Rich­tung, dass wir damit rechnen müssen, dass die Patientenvertretungen überdurch­schnittlich stark mit diesen Patientenverfügungen beschäftigt – Klammer auf: „belastet“ unter Anführungszeichen, Klammer zu – werden.

Nach einer ersten Einschätzung der Patientenvertretung im Bundesland Steiermark wurden im Jahr 2005 2 251 derartige Formulare ausgesandt. Wenn nur 10 Prozent da­von Realität in der Errichtung werden, dann werden die personellen Ressourcen im Bereich der Patientenvertretungen der Länder eindeutig überbelastet und überstark strapaziert, was mit den personellen Ressourcen, wie sie derzeit gegeben sind, nicht in Einklang zu bringen ist.

Es gibt in diesem Zusammenhang schon einen äußerst interessanten E-Mail-Verkehr, worin die Patientenvertretungen ersucht werden, in Verbindung mit den Hospizbetreu­ungen direkt privat nach Hause zu kommen, was entsprechende weitere Belastungen auslöst.

Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang auch noch auf ein drittes Manko aufmerk­sam zu machen. Bei einer derart wichtigen Sache, die hochgradig in den privaten und in einen äußerst sensiblen Bereich der Lebensführung und auch der Privatsphäre der Menschen vordringt, in Verbindung mit einer Konstellation, wo man letztlich auf die Länder zurückgreift, ist eines anzumerken: Wenn man ein derart wichtiges und an sich gutes – ich möchte das noch einmal betonen – Gesetzeswerk auf die Reise schickt, dann sollte man die Länder so weit mit einbeziehen, dass dies eine vernünftige Vorbe­ratung ermöglicht. Eine Stellungnahmefrist von einer Woche – in dem Zusammenhang möchte ich doch auch erwähnen, dass das insbesondere auch aus dem Bundesland Steiermark kritisiert wurde – ist aus unserer Sicht wohl nicht gut dazu geeignet.

Dass es nicht stimmen kann, dass es letztlich keine finanziellen Auswirkungen auf die Länder haben wird, schätzen wir insbesondere schon aus der sich abzeichnenden Kostenentwicklung ab. Ich darf eine gemeinsame Einschätzung der Patientenvertretun­gen weitergeben. Es wird de facto nicht möglich sein, derartige Beträge, wie sie bei den Rechtsanwälten und bei den Notaren wohl gang und gäbe sind, bei den Patienten­vertretungen für eine derartige Verfügung einzufordern und zu verlangen. Das wird un­möglich sein.

Wenn es einzelnen Ländern gelingt, ist es eine Möglichkeit, unter sozialen Gesichts­punkten derartige Honorare für Patientenverfügungen zu staffeln. Es wird gelingen – das hoffen wir doch sehr –, in einzelnen Bundesländern, insbesondere für jene Perso­nen, die zum Beispiel unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegen oder Sozialhilfe-


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empfänger sind, eine derartige Patientenverfügung unentgeltlich anzubieten. Was den darüber hinausgehenden Bereich betrifft, das kann man heute noch nicht einschät­zen.

Daher glauben wir, dass es eine nicht unerhebliche Kostenbelastung der Länder geben wird. Solange man im Zuge eines neuen Bundesgesetzes derartige Fragen nicht mit­regelt – ich mache bewusst darauf aufmerksam, und in diesem Zusammenhang sind auch die gesamten Aktivitäten im Initiativantrag zu sehen –, so lange ist es nicht klar, ob man einen Weg findet, dass man im Finanzausgleich diese Entwicklung und diese Einschätzung den Bundesländern gegenüber zugesteht und besonders darauf eingeht. Das bleibt abzuwarten. Im vorliegenden Gesetzentwurf finden wir in diesem Zusam­menhang leider nichts.

Ich sage noch einmal zusammenfassend: Von Seiten der SPÖ wurde eine entspre­chende Patientenverfügung schon seit langem gefordert. Wir halten das Ganze für eine äußerst interessante und begrüßenswerte Entwicklung. Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet allerdings aus unserer Sicht doch erhebliche Detailprobleme. Daher ist uns eine Zustimmung – und diesbezüglich ersuche ich um Verständnis – heute nicht mög­lich. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte.

 


12.42.02

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Hoch geschätzte Damen Ministerinnen! Hohes Haus! Die meisten Patientenverfügungen werden von älteren Menschen gemacht. Vor allem die Angst, ein Pflegefall zu werden und wehrlos einer ungewollten Behandlung ausgeliefert zu sein, ist das Hauptmotiv dafür.

Die Ausführungen des Kollegen Klug sind beachtenswert. Dieselben Überlegungen haben auch wir angestellt – bezüglich der Kosten mehr, bezüglich der Registrierung weniger. Betreffend Registrierung ist zu sagen: Dieses Problem gibt es auch bei einem Testament. Registrierungen gibt es überall, aber uns haben die Kosten mehr interes­siert. Es gibt noch ein paar problematische Felder, aber uns haben eben die Kosten sehr beschäftigt.

Die Regierung hat am 3. Februar dieses Jahres diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Da­durch sollen Patienten nach Absprache mit einem Arzt im vorhinein bestimmen kön­nen, welche Behandlungsmethoden sie ablehnen. Das ist eine schwerwiegende Sa­che. Die Frau Ministerin ist ja selbst Ärztin und kann, so glaube ich, auch etwas dar­über sagen. (Bundesministerin Rauch-Kallat schüttelt verneinend den Kopf.) – Aber sie hat jedenfalls die nötigen Informationen eingeholt, nehme ich an.

Es gibt die so genannte verbindliche Patientenverfügung, die die gesetzliche Grund­lage darstellt, in bestimmten Fällen auf lebensverlängernde Behandlungen zu verzich­ten und damit dem Willen des Patienten zu entsprechen, sollte er zum Zeitpunkt der Behandlung nicht mehr in der Lage sein, selbst Entscheidungen zu treffen. Die ver­bindliche Patientenverfügung gilt fünf Jahre und muss rechtlich durch Notar, Anwalt oder Patientenanwalt bestätigt werden. Nach Ablauf dieser Frist bedarf es einer neuer­lichen notariellen Bestätigung. Sollte diese nicht erfolgen, dann wird diese verbindliche Patientenverfügung automatisch zu einer beachtlichen Verfügung.

Diese kann im Unterschied zur verbindlichen jederzeit ohne Notar und Anwalt erstellt werden. Das ist sehr wichtig. In unseren Überlegungen hat das eine große Rolle ge­spielt. Diese beachtliche Patientenverfügung dient nicht als Weisung an den Arzt, son­dern als Ausdruck des Patientenwillens für den behandelnden Arzt.


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Ich habe mich mit Ärzten unterhalten, und Ärzte begrüßen diese Regelung sehr. Ich hatte selbst in meiner Familie so einen Fall, meine Damen und Herren. Vor sechs Jah­ren, am 6. August 2000, ist meine Tochter bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Ihr Gatte – sie waren damals drei Monate verheiratet – lebt noch immer, hat aber nie das Bewusstsein wiedererlangt und liegt in einem Wachkoma. Zweimal hat er eine ziemlich starke Entzündung gehabt, und die Ärzte haben alles daran gesetzt, ihn zu retten. Sie haben es als ihre Pflicht betrachtet, dass man diesem Menschen helfen muss. Das ist ihre Verantwortung und auch ihre Verpflichtung.

So ein Gesetz, meine ich, würde da manchen Arzt, der gewissenhaft handelt, entbin­den, weil er sagen könnte: Bitte, es gibt eine Patientenverfügung, und ich kann ge­wisse Geräte, Apparate, die einen Menschen künstlich am Leben erhalten können, ab­schalten.

Ich habe mit einem bekannten Chirurgen gesprochen. Er hat mir etwas erzählt, was mich auch beeindruckt hat. Bei dem betreffenden Menschen sind ja, wenn er eine sol­che Verfügung notariell beglaubigen lassen muss, auch bestimmte Motive gegeben, er handelt aus bestimmten Gründen. Da spielen die Umgebung, die Wohnung, die Ver­wandtschaft, die Gespräche, die er führt, also nicht nur die Erkrankung eine Rolle, son­dern da spielen viele Faktoren mit. Dieser Chirurg hat mir erzählt, dass er ein Dutzend Selbstmörder behandelt hat. Er hat von einem erzählt, der von einem Balkon gesprun­gen ist und zerschmetterte Knochen hatte.

Aber alle diese Menschen wollten weiterleben. Ein Selbstmörder wird da ja nicht in Be­tracht gezogen. Aber das ist ein Gesetz, das notwendig ist, aber es ist natürlich eine heikle Sache. Ich wundere mich, dass die Sozialdemokraten heute nicht zustimmen, denn man müsste froh sein, dass solch eine Regelung getroffen wird.

Nur die zwei Gründe, nämlich dass man das nicht registrieren kann und der finanzielle Aspekt, wären für mich nicht ausreichend, so eine Möglichkeit abzulehnen. Ich be­grüße dieses Gesetz unbedingt, auch wenn es ein paar Probleme gibt. Gerade ältere Leute unterschreiben oft so eine Verfügung – kann ich mir vorstellen – nur deswegen, um im Ernstfall niemandem zur Last zu fallen.

Auch in der Realität ist es damit für den Betreffenden, aber auch für den Arzt möglich, für Unglücksfälle gewisse Details abzuklären. Wann will ich nicht mehr wiederbelebt werden? Wann ist für mich der Zeitpunkt da, an dem ich dem Arzt sage: Jetzt reicht es!? Der Verfasser einer Patientenverfügung ist bei tatsächlichem Eintreten des Krank­heitsfalles ja nicht mehr handlungsfähig und daher auf die Interpretation des Arztes an­gewiesen.

Insgesamt, ich sage es noch einmal, ist das ein schwieriges Thema mit vielen Fragen und Problemen. Es ist richtig, dass dieser Gesetzesvorschlag behandelt wird und dass wir ihm unsere Zustimmung geben. Es ist aber auch richtig, dass es eine dreijährige Probephase gibt. Darüber werden wir uns später noch einmal unterhalten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl.)

12.50


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


12.50.35

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister Gastinger! Sehr geehrte Frau Minister Rauch-Kallat! Geschätzte Damen und Herren! Die vorliegende Gesetzesmaterie betrifft eine sehr heikle und emotionale Phase in unserem Leben, wie es auch schon Kollege Krit­zinger ausgeführt hat. Wie heikel das sein kann, zeigt sich insbesondere dann, wenn


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es den Kern der Familie trifft, aber natürlich auch dann, wenn es das eigene Leben, das eigene Wohlbefinden betrifft. Dieses Gesetz ist für uns Grüne ein Schritt in die Richtung, die Autonomie zu stärken, die Selbstbestimmtheit des Lebens zu stärken.

Meiner Meinung nach ist es eine zentrale Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen herzustellen – egal, in welchem Bereich. Wir haben heute eine spezielle Materie vor­liegen. Das betrifft genauso den Bereich Bildung, den Bereich Wirtschaft, den Bereich Arbeitsrecht et cetera. Rahmenbedingungen sind herzustellen, sodass die Menschen ein selbstbestimmtes, autonomes Leben in Unabhängigkeit führen können. Diese Ge­setzesmaterie ist für uns ein Schritt in diese Richtung, darum werden wir dies unterstüt­zen.

Da es heute schon die Diskussion gab betreffend ein Glas, das halb voll, halb leer, ganz leer und so weiter ist und Frau Minister Gastinger auch eingeworfen hat, dass es auch ein dreiviertel volles Glas gibt, möchte ich sagen, dass es für die grüne Fraktion so ist, dass wir das vorliegende Gesetz als dreiviertel volles Glas sehen und dies damit auch in dieser Form unterstützen werden – im Sinne dessen, dass dieses Gesetz die Autonomie der Patientinnen und Patienten in heiklen Situationen stärkt.

Es ist heute angeführt worden, dass man erst am Ende des Lebens oder im fortge­schrittenen Alter an so etwas denkt. Es können dennoch Situationen eintreten – so wie es heute schon zitiert worden ist, siehe Unfälle –, dass das Menschen in sehr jungen Jahren betrifft. Ich denke, da ist auch eine gute Regelung gefunden worden, dass es, wenn Fristen verstrichen sind, entsprechende Abläufe oder Änderungen geben wird. Das ist durchaus ein richtiger Schritt.

Die beiden Bereiche Registrierung und Kosten sind für uns Grüne in dieser Form, wie sie vorliegen, Frau Minister, suboptimal gelöst. Aber ich glaube, dass Sie diese Ansicht auch teilen und denke, es ist sicherlich richtig, es zu forcieren, dass dieser Umstand in der e-card tatsächlich automatisch verzeichnet ist.

Herr Kollege Kritzinger, weil Sie vorhin angeführt haben, Testamente gebe es ja auch irgendwo und man brauche sie nicht registrieren lassen. (Zwischenruf des Bundesrates Kritzinger.) In der Regel gibt es eine Menge Erben, die sich intensiv darum kümmern, diese auch zu finden. (Heiterkeit.) Da würde ich mir bei meiner eigenen Patientenverfü­gung keine Sorgen machen, weil ich eine Familie habe, die das weiß und sich darum kümmert, aber generell würde ich sagen, eine verpflichtende Registrierung ist gut und klug und das soll man voranbringen.

Ich denke, Frau Minister Gastinger wird das entsprechend forcieren und weiterbringen. In Kooperation mit der Frau Bundesminister für Gesundheit werden da denkbare Vari­anten gefunden werden können, um das Problem zu lösen.

Das andere ist natürlich ein Bereich ... Jetzt ist Kollege Klug nicht im Saal. (Rufe bei der SPÖ: Da ist er! – Bundesrat Mag. Klug hebt die Hand.) – Entschuldigung, das pas­siert, weil sich die Sitzordnung bei der Sozialdemokratie und der ÖVP im Saal fast jedes Mal ändert, positiv verändert.

Das Thema der Kosten ist ein sehr heikler Bereich. Für uns Grüne ist es auch ein ganz zentrales Anliegen – darum habe ich auch gesagt, das Glas ist dreiviertel voll –, dass man genau in diesem Bereich, der den Menschen in seinen ureigensten Grundrechten betrifft, einen absolut niederschwelligen Zugang hat. Dafür muss man sorgen.

Da stellt sich die Frage, wie das zu regeln ist. Es gibt verschiedene Varianten. Ich den­ke, das über die Patientenanwaltschaften zu regeln, mag eine Möglichkeit sein. Warum soll man nicht andenken, das über die Sozialversicherungen zu regeln? Warum soll man solche Dinge nicht gleichzeitig mit der Vorsorgeuntersuchung inklusive Beratung


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checken können? Ich glaube, es gibt verschiedene Wege, die man prüfen muss, um tatsächlich einen Fortschritt zu erreichen.

Wir Grünen werden dem auf Grund des Fortschrittes in dieser sehr heiklen Materie zu­stimmen, weil wir glauben, dass es eben ein sehr großer Fortschritt ist – ein Fortschritt, der uns und unsere Grundwerte im Wesen trifft, nämlich die Autonomie des Menschen. Um aber genau in den Bereichen Registrierung und Kosten voranzukommen, werden wir heute einen Entschließungsantrag mit einbringen, der de facto auch die Evaluie­rung, die weitere Vorgangsweise und die Verbesserung der Umsetzung dieser vorlie­genden Gesetzesmaterie regelt. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.56


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


12.56.29

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­te Frau Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesminister Gastinger! Sehr geschätzte Frau Bundesminister Rauch-Kallat! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Mit diesem Gesetz sollen die Inhalte der Patientenverfügungen, die letzten Endes den Patienten zugute kommen, neu geregelt werden. Ich bin bei der letzten Sitzung, bei der 732. Sitzung, schon kurz auf diese Problematik eingegangen und habe die Situation in Kärnten und die dazugehörigen Unterlagen erläutert, aber ich möchte heute so wie auch meine Kollegen die Situation nochmals etwas näher beleuchten.

Ausgenommen ist in diesem Gesetz die Sterbehilfe, die auch auf Wunsch des Patien­ten in Österreich verboten bleibt. Der Justizausschuss beschloss mit Stimmenmehrheit folgende Regelungen:

Regelung zur Durchführung von Sondenernährung, Regelung zur Einschätzung des Zustandes des Patienten durch den Arzt, Regelung der Rechtsfolgen. Die Rechtsbera­tung bleibt ausschließlich Rechtsanwälten und Notaren vorbehalten. Offen ist die Kos­tenbeteiligung beziehungsweise die Lage von sozialen Fällen.

Leider, sehr geehrte Frau Bundesminister, ist man auf die Bedenken der Länder und Fachleute nicht ganz eingegangen. Das Bundesland Kärnten hat teilweise andere Überlegungen beziehungsweise die Bedenken zu Patientenrechten und Kosten schrift­lich eingebracht. Auch werden nach wie vor die Mehrkosten von jährlich etwa 70 000 € vom Bundesland Kärnten allein für etwa 1 200 bis 1 500 Personen aufgebracht werden müssen.

Meines Wissens sind die neuen gesetzlichen Regelungen nicht mit der Bundessach­walterschaft beziehungsweise deren Obmann Dr. Bachinger und der Stellungnahme des Landes Kärnten vereinbar. Aber mit dem heutigen Entschließungsantrag, den Kol­lege Edgar Mayer einbringen wird, nach dem nach drei Jahren über das Patientenver­fügungs-Gesetz ein Bericht vorzulegen ist und dann eine weitere gesetzliche Grund­lage zu finden sein wird, können wir dem heute vorliegenden Gesetzentwurf die Zu­stimmung geben. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer und bei der ÖVP.)

12.59


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister Mag. Gastinger. – Bitte.

 


12.59.21

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es wurde von meinen Vorred­nern bereits mehrfach angesprochen, dass wir es hier mit einer sehr sensiblen Rechts-


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materie zu tun haben, die sich vor allem mit einem Abschnitt des Lebens beschäftigt, an den viele von uns, solange es uns gut geht, oft gar nicht denken beziehungsweise mit dem man sich nicht so gerne auseinander setzt. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es besonders wichtig ist, dass wir heute nach fünf Jahren langer und zäher Verhand­lungen und nach vielen Überlegungen und Diskussionen zu dem Ergebnis gekommen sind, dass wir hier das Patientenverfügungs-Gesetz verabschieden können.

Wir haben uns die Aufgabe hier nicht leicht gemacht, weder das Gesundheitsressort noch das Justizministerium, und ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich den Mitarbei­tern sowohl des Gesundheitsressorts als auch im Speziellen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus meinem Haus, die mit diesem Gesetz betraut waren, meinen Dank aussprechen, dass wir heute dieses Gesetz hier verhandeln können.

Wir haben ganz bewusst sehr strenge Formerfordernisse für den Bereich der verbind­lichen Patientenverfügung gewählt. Es freut mich, dass dies von Herrn Bundesrat Klug als positiv anerkannt wurde, weil ich nämlich auch persönlich der Überzeugung bin, dass es besonders wichtig ist, dass jene Menschen, die eine verbindliche Patientenver­fügung errichten wollen, nicht nur eine medizinische Beratung, sondern auch eine juris­tische Beratung erfahren, um sich dessen bewusst zu sein, welche Tragweite ihre Ent­scheidung hat. Ich bedanke mich für diese positiven Ausführungen in dieser Richtung.

Natürlich ist die Kostenfrage eine essentielle Frage; sie wurde hier mehrfach, eigentlich von allen meinen Vorrednern, angesprochen. Natürlich wollten wir den Zugang zur Pa­tientenverfügung nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit desjenigen, der die Ver­fügung treffen will, abhängig machen. Deshalb haben wir hier neben Rechtsanwälten und Notaren, soweit es die juristische Beratung betrifft, auch die Patientenanwaltschaf­ten vorgesehen. Wir haben selbstverständlich mit den Vertretern der Patientenanwalt­schaften, bevor wir dieses Vorhaben in den Ministerrat gebracht haben, auch Dis­kussionen geführt. Der Vertreter der Patientenanwaltschaften war auch im Justizaus­schuss, wo wir dieses Expertenhearing hatten. Es besteht grundsätzlich bei den Pati­entenanwaltschaften die Tendenz, dass sie keine Kosten dafür verrechnen wollen.

Es ist selbstverständlich Sache der Länder, nachdem die Patientenanwaltschaften, wie wir alle wissen, von den Ländern organisiert werden und auch kompetenzrechtlich zu den Ländern gehören; aber auch das war uns bewusst in dieser Diskussion. Wir haben bei dieser Kostenfrage, vor allem soweit es die Länder betrifft, sehr wohl einen sensib­len Zugang gefunden.

Es ist natürlich schwierig, nachdem dieses Instrument jetzt erstmals eingeführt wird, eine vernünftige Kostenabschätzung durchzuführen. Ich glaube daher, dass es sinnvoll ist, dass wir dieses Patientenverfügungs-Gesetz nach einem bestimmten Zeitraum, der jetzt mit drei Jahren vorgesehen wurde, evaluieren, um praktisch feststellen zu können, wo allenfalls noch, insbesondere was die Kostenfrage anbelangt, Nachjustierungen er­forderlich sind.

Mir hat besonders gut der Ansatz gefallen, der auch von einem meiner Vorredner an­gesprochen wurde, dass man das mit einer sozialen Staffelung versieht. Ich glaube nämlich auch nicht, dass es notwendig ist, dass zum Beispiel ein Generaldirektor zum Patientenanwalt geht, um dort kostenlos eine Rechtsberatung zu erfahren. Dieser soziale Ansatz gefällt mir gut, denn ich meine, es gibt genug Menschen in Österreich, die sich durchaus diese Rechtsberatung leisten können und wo nicht die öffentliche Hand eingreifen muss. Ich glaube, darüber sind wir uns hier einig.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir dieses Gesetz jetzt einmal verabschieden und in die Praxis umsetzen können, damit wir sehen, wie es wirkt.


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Ein weiterer ganz wichtiger Punkt – auch von meinen Vorrednern bereits angespro­chen – ist natürlich die Registrierung. Es ist sehr wohl der politische Wille vorhanden, auch für die Registrierung Vorkehrungen zu schaffen. Das dokumentiert sich auch in einer Entschließung des Hohen Nationalrates, in der er uns aufgetragen hat, uns weiter darüber Gedanken zu machen, wie wir diese Registrierung vorsehen können. Es gibt hier verschiedene Modelle. Wie Sie alle wissen, stehen die Notare schon „Gewehr bei Fuß“, sie wollen das gerne übernehmen. Es gibt auch Modelle, wonach das auf die E-Card kommen soll, was ich sehr begrüßen würde, weil man dann alle Informationen über uns, die wichtig sind zu wissen, zentral auf einer Art Bürgerkarte, gleich, ob es die E-Card oder etwas Ähnliches ist, gesammelt hätte.

Ich bitte Sie auch um Verständnis, dass wir vor der Alternative gestanden sind: Entwe­der machen wir diesen ersten und, wie ich glaube, sehr wichtigen Schritt jetzt hier und heute und lassen die Frage der Registrierung derzeit noch offen, wohl wissend, dass diese Frage einer Lösung zugeführt werden muss, oder machen wir hier gar keinen Schritt. Wir haben gesehen, dass es einen Bedarf für eine Patientenverfügung in Ös­terreich gibt, dass die Gefahr besteht, wenn wir das nicht so regeln, wie es jetzt ge­schieht, dass es hier noch weiter zu Unsicherheiten kommt, und wir wollten diesen Un­sicherheiten mit einer Regelung im Sinne der Privatautonomie der Patienten, wie Frau Bundesrätin Lichtenecker hier sehr deutlich formuliert hat, begegnen. Das war auch der Grund, weswegen wir gemeinsam in dieser Regierung beschlossen haben, noch in dieser Legislaturperiode dieses doch nun schon sehr lange diskutierte Regelwerk dem Nationalrat beziehungsweise dem Bundesrat zur Entscheidung vorzulegen, damit wir hier zu einer Lösung kommen.

Ich glaube, dass das der richtige Weg war, und ich kann Ihnen an dieser Stelle versi­chern, sowohl aus Sicht des Justizministeriums als auch aus Sicht des Gesundheits­ministeriums – das wird meine geschätzte Amtskollegin dann noch ausführen –, dass wir an der Frage der Registrierung ganz intensiv weiterarbeiten werden, damit wir auch diesen Punkt einer Lösung zuführen können. Ich glaube, dass das im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger einen ganz wesentlichen und ganz wichtigen Schritt in die richtige Richtung darstellt, und so hoffe ich doch auf Ihre Zustimmung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten ohne Fraktionszu­gehörigkeit.)

13.06


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


13.06.11

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesmi­nisterinnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz berührt einen äußerst feinfühligen Bereich. Bisher bewegte man sich hier weitgehend in einem rechtsfreien Raum, es gab keine exakten Handlungsanweisungen, eigentlich für alle Beteiligten. Es war sowohl für die behandelnden Ärzte als auch für die Angehörigen stets ein Wagnis, wie man sich in Bezug auf lebenserhaltende Maßnahmen verhält.

Meistens konnte auf Grund der Rechtsunsicherheit der wirkliche Wunsch der Betrof­fenen beziehungsweise der Patienten nicht erfüllt werden. Es geht um die Frage der menschlichen Würde bis zum Sterben. Entscheidend muss natürlich dabei besonders der freie Wille eines jeden sein. Einzig und allein der Betroffene hat zu entscheiden, und niemand darf jemandem einreden, auf eine Behandlung zu verzichten, wie viel­leicht sonst oft etwaige Nutznießer über Leben und Tod entscheiden.

Wir befinden uns dabei natürlich im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung, der ärztlichen Behandlungspflicht und natürlich dem Verbot der Sterbehilfe. Es ist eine Ab-


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sage – das ist natürlich klar auszudrücken – an jede aktive Sterbehilfe, es ist vielmehr ein Ausbauen der Sterbebegleitung.

Eine Willenserklärung, eine Behandlung abzulehnen, abzugeben und damit lebensver­kürzend wirken zu können, ist in unserem Leben für jeden Einzelnen wohl etwas be­sonders Einmaliges – und das gerade auch unter Einbindung der Sensibilität für das Sterben in Würde. Handlungen dürfen nicht aus einer Augenblickssituation heraus ge­setzt werden, sondern müssen nach reiflichen Überlegungen ein Endpunkt sein. Ge­rade deshalb sind natürlich auch umfangreiche Formalerfordernisse notwendig.

Ich glaube, ich täusche mich nicht, aber es wird sich möglicherweise nur um eine kleine Gruppe von Menschen handeln, die sich an die Patientenverfügung heranwagen wird. Das Festlegen der rechtlichen Rahmenbedingungen erfordert Experten, und da­mit sind natürlich auch Kosten verbunden. Ich glaube, bei denjenigen, die ernstlich eine Patientenverfügung errichten wollen, wird es nicht an den Kosten scheitern. Natürlich müssen wir diese Sache ernst nehmen und besonders im Auge behalten, um die Kos­ten möglichst niedrig zu halten.

Es hat gestern eine Sitzung des Bundesseniorenrates stattgefunden, in welcher dieses Thema besonders debattiert und besprochen worden ist. Das ist auch gut so, weil das ein Gremium ist, in dem die Parteipolitik eine untergeordnete Rolle spielt. Vielmehr geht es darum, Themen der älteren Generation umfassend zu debattieren, und so wur­de gestern auch über die Senkung der Kosten gesprochen. Es wurden ja schon Notar­kosten von bis zu 300 € genannt worden, und es ist gesagt worden, man werde alles tun, um diese zumindest auf 100 € zu senken. Aber auch alle anderen Kosten sind gestern im Bundesseniorenbeirat debattiert worden, und die Vorsitzenden der beiden großen Seniorenverbände, Präsident Khol vom Seniorenbund und Karl Blecha vom Pensionistenverband, waren sich bei diesen Themen völlig einig.

Ich darf abschließend feststellen, dass viele Menschen den Gedanken an eine längere Krankheit scheuen und natürlich hoffen, dass sie selbst nicht ein derartiges Schicksal erleiden. Aber ich glaube, mit dieser neu geregelten Patientenverfügung werden Unsi­cherheiten beseitigt und Rechtssicherheit geschaffen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.11


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


13.11.05

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Minis­terinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem vorliegenden Patientenverfügungs-Gesetz wurde von meinen Vorrednern einiges bereits sehr ausführlich behandelt. Ich darf noch ganz kurz auf die Rahmenbedingungen, auf die formalen und inhaltsspezifi­schen Anforderungen dieses Gesetzes, auf die Gültigkeit einer Patientenverfügung und die damit verbundenen Beratungserfordernisse zu sprechen kommen.

Wichtig – und das hat Kollege Saller auch schon erwähnt – sind die Selbstbestimmung der Patienten und das Verbot der aktiven Sterbehilfe. Das Patientenverfügungs-Gesetz ändert nichts an den strafrechtlichen Verboten von Tötung auf Verlangen und Mitwir­kung am Selbstmord. Die so genannte aktive Sterbehilfe bleibt also verboten. Über die­sen Ansatz, glaube ich, sind wir hier im Hohen Haus einer Meinung, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.

Bei diesem Gesetz ist, zugegeben, das Spannungsfeld geradezu vorgezeichnet, weil der Arzt oder die Ärztin einerseits vor der Behandlungspflicht steht, wie von Kollegem Kritzinger angesprochen, auf der anderen Seite aber den Patienten gegen seinen Wil­len nicht behandeln darf. Solange sich der Patient selbstbestimmt äußern kann, ent-


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steht auch kein Problem. Erst wenn der Mensch fremdbestimmt wird, muss dies einer sehr, sehr genauen Prüfung unterzogen werden.

Deshalb ist auch eine entsprechende rechtliche Beratung erforderlich, wenn es zu einer derartigen schriftlichen Festlegung wie der Patientenverfügung kommt. Es ist deshalb auch erforderlich, dass es entsprechende formale Abläufe gibt: eine umfas­sende medizinische Aufklärung, die Errichtung der Verfügung vor einem Rechtsanwalt, Notar oder rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen. Wichtig ist auch, dass nach fünf Jahren die Patientenverfügung erneuert werden muss, weil eben der Patient eine Verfügung über sein Leben macht.

Ich gebe Ihnen Recht, Herr Kollege Klug, wir sind da nicht sehr weit auseinander, auch was die Registrierung anbelangt; die Frau Minister hat das erwähnt. Auch mir persön­lich wäre sehr an dieser Registrierung gelegen, wie immer man es dann auch macht, ob es über die e-card oder über eine Bürgerkarte geregelt wird. Das ist jedenfalls ein nächster wichtiger Schritt in diesem Gesetz.

So wie das Land Steiermark hat auch das Land Vorarlberg gegen dieses Gesetz Ein­wendungen gemacht, was die Kosten anbelangt, weil die Patientenverfügung eben vor einem Rechtsanwalt, Notar oder rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretung zu errichten ist. Und das ist der entscheidende Punkt: Da die Heranziehung eines Rechts­anwaltes oder Notars mit Kosten verbunden ist, werden Patientenverfügungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Patientenvertretung errichtet wer­den.

Ihr sozialer Ansatz, Frau Ministerin, in Ehren, aber wenn Sie annehmen, dass Men­schen mit einem höheren Einkommen eher nicht zur Patientenvertretung gehen wer­den, um diese Patientenverfügung dort zu errichten, dann wage ich das etwas zu be­zweifeln, weil unter Umständen gerade besser verdienende Menschen oft den billige­ren Weg suchen werden, zu einer derartigen Verfügung zu kommen. Das kann man also nicht ausschließen.

Hochgerechnet ergibt das für das Land Vorarlberg einen Kostenansatz von zirka 176 000 €, im Höchstfall einen bis zu 264 000 €. Wir haben deshalb in unserer Stel­lungnahme vom Februar den Konsultationsmechanismus beantragt. Und da hätte man – das sage ich jetzt auf gut Vorarlbergerisch – „üs Vorarlberger einfach amoi ’s Mul gunna könna“. Ich gebe dann für das Protokoll vielleicht noch eine deutsche Erklä­rung ab. (Heiterkeit. – Vizepräsidentin Haselbach: Bitte auch für uns!) Auch für Sie: Man hätte, auf gut Deutsch gesagt, mit uns vorher auch reden können. Darüber hätten wir uns sehr gefreut. Es wird schwierig sein, es zu protokollieren, das ist mir schon klar.

Der Justizausschuss des Nationalrates hat, weil auch andere Bundesländer die Kos­tenfrage eingewendet haben, eine Feststellung dazu abgegeben. Es wurde heute schon öfter vom Glas gesprochen, das halb voll oder halb leer ist, für die Grünen ist es sogar zu drei Vierteln voll. Man kann sagen, für uns Vorarlberger hat man vielleicht einen Schluck herausgenommen, den „Kostenschluck“. Also der Justizausschuss hat zu den behaupteten finanziellen Mehrbelastungen der Länder aus der Mitwirkung der Patientenvertreter in § 6 Abs. 1 explizit festgehalten, „dass mit der Möglichkeit, solche rechtskundigen Patientenvertreter zu betrauen, keine Verpflichtung zur Übernahme dieser Aufgabe verbunden ist, vielmehr an in einzelnen Bundesländern bestehende Gegebenheiten angeknüpft wird. Auch steht es den Patientenvertretern frei, für ihre Tä­tigkeit einen Kostenbeitrag zu fordern, insbesondere unter Berücksichtigung der sozia­len Bedürftigkeit des Patienten.“

„Suboptimal“, wie Sie, liebe Kollegin Lichtenecker, das bezeichnet haben. – Na ja, gut und recht. Wohl hör’ ich die Botschaft, doch allein uns fehlt der Glaube, obwohl wir Vor-


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arlberger gläubige Menschen sind. (Widerspruch bei ÖVP und SPÖ.) Auf jeden Fall, auf jeden Fall! Da liegen wir im EU-Vergleich weit vorne! Weit vorne!

De facto wird man sich der Inanspruchnahme der Patientenvertretung in der Praxis kaum entziehen können. Ein Lösungsansatz wäre, anstatt einer unumgänglichen Per­sonalaufstockung, eben nur im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten die Errichtung einer Patientenverfügung zu ermöglichen. Dies entspricht allerdings nicht den Vorstel­lungen des Landes Vorarlberg von Bürgerbetreuung und Bürgerservice.

Ich darf deshalb folgenden Entschließungsantrag einbringen, der von allen Fraktionen getragen wird:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Edgar Mayer, Prof. Albrecht Konecny, Dr. Ruperta Lichtenecker, Jür­gen Weiss, Kolleginnen und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen und die Bundesministerin für Justiz werden ersucht, dem Bundesrat nach Ablauf von drei Jahren nach In-Kraft-Treten des Patientenverfügungs-Gesetzes einen Bericht über die rechtlichen, ethischen und faktischen Erfahrungen aller betroffenen Stellen, insbesondere auch der Gerichte und unter Berücksichtigung allfälliger Stellungnahmen der Patientenanwaltschaften sowie über allfällige mit der Errichtung von Patientenverfügungen verbundene Kosten vorzu­legen. Dabei soll auch dargestellt werden, in welchem Ausmaß in den einzelnen Län­dern rechtskundige MitarbeiterInnen der Patientenvertretungen für die Errichtung von Patientenverfügungen herangezogen wurden.

*****

Ich darf diesen Entschließungsantrag dem Präsidium überreichen – ich hoffe, er ist ausreichend unterstützt. Es soll aber auch kein Präjudiz sein für eine Wiederwahl, denn in drei Jahren kann sich unter Umständen auch einiges anderes ergeben in diesem Hohen Haus, das wissen wir ja.

Es ist ein gutes Gesetz – Kollege Klug hat es ja gesagt –, trotzdem hoffe ich, dass mit dieser Patientenverfügung entsprechend sensibel, sorgsam umgegangen wird und sie ein probates Mittel für das Sterben in Würde und somit kein Wunschprogramm für be­günstigte Erbberechtigte ist. Wir werden deshalb aus Vorarlberger Sicht diesem Ge­setz zustimmen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei den Bundesräten Ing. Kampl und Mitterer.)

13.18


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Mayer, Ko­necny, Lichtenecker, Weiss, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungs­antrag betreffend das Bundesgesetz über Patientenverfügungen ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich bitte jetzt Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, das Wort zu ergreifen.

 


13.18.59

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Frau Vorsit­zende! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich ganz kurz noch zu diesem Gesetzesantrag, der heute hier zur Abstimmung steht, Stellung nehmen. Er hat ja eine lange Geschichte, eine Geschichte, die daraus resultiert, dass Österreich ent-


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gegen holländischen Bestrebungen immer eine ganz klare Haltung eingenommen hat, was die Sterbehilfe anlangt, gleichzeitig aber auch die Meinung vertreten hat: Nicht durch die Hand eines Menschen, sondern an der Hand eines Menschen wollen wir aus dem Leben scheiden, und die Sterbebegleitung sehr ernst genommen hat – und daher natürlich auch die Frage: Wieweit ist die Selbstbestimmung des Patienten in dieser letzten Lebensphase, auch wenn er möglicherweise nicht mehr artikulationsfähig ist, sicherzustellen? Es hat auch einen klaren Auftrag des Parlaments an das Gesund­heits- beziehungsweise Sozialministerium gegeben. Die Arbeit wurde von Bundesmi­nisterin Sickl und dann von Bundesminister Haupt aufgenommen und von mir dann übernommen. Als wir vor eineinhalb Jahren diesen Gesetzesantrag sozusagen von meinem Haus her fertig hatten, sind wir in eine intensive Diskussion mit dem Justizmi­nisterium eingetreten, die wir sehr, sehr ernst genommen haben. Es ist heute schon mehrfach angesprochen worden: Es ist ein extrem diffiziles Thema.

Nachdem wir vor eineinhalb Jahren geglaubt hatten, wir hätten jetzt nach sehr viel Ko­ordination mit allen Organisationen, die in diesem Bereich schon seit vielen Jahren tätig sind, also mit den Hospizorganisationen, die bestmögliche Variante gefunden, sind wir zu jenem späteren Zeitpunkt, nach der ersten Diskussion mit dem Justizminis­terium, wieder mit Expertinnen und Experten – wir hatten auch Teilnehmer des Ethik­beirates, die bei unseren Gesprächen und Sitzungen dabei waren –, zu der Auffassung gelangt, dass wir eigentlich noch gar nichts wissen.

In diesen eineinhalb Jahre dauernden Diskussionen sind so viele Aspekte aufgetaucht, etwa was die Frage betrifft, wie man sicherstellen kann, dass einerseits die größtmög­liche Freiheit und Selbstbestimmung des Patienten gewährleistet sind, aber anderer­seits auch die mögliche Meinungsänderung des Patienten oder der Patientin in der letzten Lebensphase berücksichtigt werden kann, denn offensichtlich ist es so – und die Beispiele, die heute hier gebracht wurden, zeigen es –, dass man dann, wenn es einem sehr schlecht geht – Gott sei Dank, als Selbstschutz – einen ungeheuren Über­lebenswillen entwickelt. Sogar Selbstmörder wollen dann wirklich überleben.

Daher: Wir wissen so vieles in diesen Fragen nicht! Wir haben uns in diesen Gesprä­chen in einer sehr, sehr guten Zusammenarbeit mit dem Justizministerium sehr be­müht, und ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich nicht nur bei der Frau Minis­terin selbst, sondern auch bei ihren Beamtinnen und Beamten, genauso natürlich bei meinen Beamtinnen und Beamten und bei allen Expertinnen und Experten, die in die­sem langen Prozess mit beraten haben, für das, was heute vorliegt, bedanken. Ich sage Ihnen, es ist bei unserem derzeitigen Wissens- und Diskussionsstand die opti­male Form, auch wenn sie vielleicht aus mancher Sicht suboptimal ist. Aber wir wissen noch nicht, wie sich das entwickeln wird. Auch die Patientenanwaltschaft war nicht sofort im Gespräch, sondern wir haben überlegt: Wie können wir sicherstellen, dass nicht drängende Erben die Oma und den Opa zum Unterschreiben zwingen?, oder was immer. Wir sind in diesem Gespräch um vieles klüger geworden, wir sind aber noch absolut unwissend, wie sich dieses Gesetz bewähren wird, wie es angenommen wer­den wird, wie es sich entwickeln wird.

Daher bedanke ich mich bei allen, die diesem Gesetz jetzt zustimmen, bedanke mich bei allen, die diesen Weg mit uns bis hierher gegangen sind, und bitte sie, nämlich die Expertinnen und Experten, diesen Weg mit uns weiterzugehen mit dieser Evaluierung, die wir in drei Jahren vornehmen wollen, wo wir sehen werden, wie sich das entwi­ckelt. – Wenn Sie mich persönlich fragen: Ich glaube, dass es relativ wenige verbind­liche, nämlich absolut verbindliche Patientenverfügungen geben wird, meine aber, dass die Zahl der hoch beachtlichen stark steigen wird. Das heißt, auch eine verbindliche Patientenverfügung, die nach fünf Jahren nicht erneuert wird, ist keine verbindliche mehr, sondern nur mehr eine beachtliche, aber sie ist natürlich in einem weitaus höhe-


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ren Maße beachtlich – und die Entscheidung hat dann der Mediziner zu treffen – als eine Patientenverfügung, in der der Patient nur schreibt: „Ich will nicht künstlich be­atmet werden“ – Unterschrift. – Auch das ist ja eine Patientenverfügung, aber nur eine beachtliche und vielleicht eine sehr wenig beachtliche.

Aber ich glaube, lieber Kollege Kritzinger, dein Schwiegersohn hätte, selbst wenn er eine verbindliche Patientenverfügung abgeschlossen hätte, die abgelaufen wäre, oder – er konnte ja keine verbindliche abschließen, aber eine beachtliche – wenn dein Schwiegersohn eine Patientenverfügung, die zum Beispiel dem Mustervortrag des Hospizwesens entsprochen hätte – es gibt ja bereits 130 000 Patientenverfügungen, die unterschrieben wurden und die ja auch nicht irgendwie verfasst sind, sondern unter Beratung von Hospizexpertinnen und -experten –, abgeschlossen hätte, dann wäre für den Mediziner oder die Medizinerin, der/die die Entscheidung letztendlich zu treffen hat, eine große Hilfe gegeben.

Das heißt, bei der verbindlichen kann ich nur mehr so lange zurück, solange ich artiku­lationsfähig bin. Bei der hoch beachtlichen, die unter Beratung und mit Nachvollzieh­barkeit des Umstands, dass der Patient in seiner Verfügung wirklich weiß, was er ver­fügt, abgeschlossen wird, kann der Arzt diese Entscheidung natürlich auch auf Grund dieser beachtlichen treffen. Es ist also schon eine Hilfe für den Arzt, aber es ist eine sehr schwierige Sache.

Daher: Danke schön für die Unterstützung bisher! Wir sind, glaube ich, mit diesem Ge­setz einen ganz wichtigen Schritt, auch europaweit, vorangekommen. Wir sind eines der ersten Länder, die eine derartige Patientenverfügung haben. In Deutschland disku­tiert man noch darüber und nimmt man sich auch ein Beispiel an uns, was uns auch sehr freuen darf. Wir sind aber noch nicht am Ende des Weges. Wir werden das in den nächsten drei Jahren sehr genau beobachten müssen, dann gegebenenfalls adaptie­ren müssen und vielleicht immer wieder anpassen müssen an Neuerungen der medizi­nischen Wissenschaft, an Erkenntnisse, die wir gewinnen. Aber ich glaube, dass Sie zu dem, was Sie heute hier beschließen werden, guten Gewissens ja sagen können und dass wir ein ganz, ganz wichtiges Stück dabei vorangekommen sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei den Bundesräten Ing. Kampl und Mitterer und bei den Grünen.)

13.26


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Edgar Mayer, Konecny, Dr. Lichtenecker, Kollegin­nen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung: Bundesgesetz über Patientenver­fügungen vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundes­rätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Ent­schließung ist daher angenommen. (E 209-BR/06.)


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13.28.1510. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Übernahmegesetz, das Handelsgesetzbuch, das Börsegesetz, das Umwandlungsgesetz und das Spaltungsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erlassen wird (Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006 – ÜbRÄG 2006) (1334 d.B. und 1382 d.B. sowie 7519/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung dazu hat Frau Bundesrätin Mörk übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


13.28.36

Berichterstatterin Gabriele Mörk: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Justizausschusses liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Bun­desrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Übernahmegesetz, das Handelsgesetzbuch, das Börsegesetz, das Umwandlungsgesetz und das Spaltungsgesetz geändert werden und ein Bundesge­setz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erlassen wird (Übernahme­rechts-Änderungsgesetz 2006), mit der dem schriftlichen Ausschussbericht beigegebe­nen Begründung Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


13.30.01

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wien ist in den letzten Jahren zu einem geschätzten und sich sehr positiv entwickeln­den Finanz- und Börseplatz geworden. Diesen Börse- und Finanzplatz gilt es in höchs­tem Maße zu sichern. Es hat in der letzten Zeit einige interessante Emissionen gege­ben. Ich darf erinnern an die Telekom, die Wiener Städtische, die voestalpine Stahl, die Erste Bank und demnächst die Post.

Seit 1999 haben wir ein Übernahmegesetz, das in der Zwischenzeit mehr als sieben Jahre alt ist, und wie wir wissen, klaffen Theorie und Praxis öfters auseinander. Vor allem ist es wichtig, dass die Praxis auch in die Gesetze Eingang findet und entspre­chend einfließt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Außerdem hat die Europäische Union mit der Kommission in Brüssel und mit dem Par­lament einerseits eine Richtlinie herausgegeben, andererseits gibt es einen entspre­chenden Beschluss von April 2004. In diesem ist unter anderem vorgesehen, dass bis 20. Mai 2006 die Richtlinie aus Brüssel umzusetzen ist. Damit ist großer Handlungsbe­darf gegeben.

Worum geht es? – Dieser Gesetzentwurf dient der Sicherung der österreichischen Kernaktionäre, insbesondere durch eine Neuregelung des Kontrollüberganges. Dies­bezüglich sieht die Regierungsvorlage, die heute zur Abstimmung steht, nunmehr vor, dass unter einem Schwellenwert von 26 Prozent des Aktienkapitals jedenfalls kein


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Kontrollübergang vorliegen und daher niemals ein Pflichtangebot verlangt werden kann. Im Bereich zwischen 26 und 30 Prozent besteht keine Verpflichtung zur Legung eines Pflichtangebots, sofern die 26 Prozent übersteigenden Stimmrechte nicht ausge­übt werden oder sich der Betroffene Auflagen der so genannten Übernahmekommis­sion unterwirft.

Zu den Schwellenwerten – weil das immer wieder angesprochen wird – ist zu sagen, dass das durchaus im nationalen Bereich liegt, und da haben wir sehr unterschiedliche Schwellenwerte: In Deutschland sind es derzeit 30 Prozent, in Frankreich 33 Prozent, in Großbritannien 30 Prozent, bei den kleineren Ländern, wie zum Beispiel in Portugal, zwischen 33 und 50 Prozent. Ähnlich ist es in Dänemark, in Finnland sind es sogar 67 Prozent. In der Schweiz, die auch ein berühmter Finanzplatz ist, liegt der Wert bei 33 Prozent, und in Norwegen, das als eines der reichsten Länder Europas gilt, liegt er bei 40 Prozent.

Weiters sieht dieses Gesetz vor, dass die Kernaktionäre gestärkt werden, dass die Rechtssicherheit und die Investitionssicherheit verbessert werden, und außerdem wird verschiedenen Wünschen des Verfassungsgerichtshofes entsprochen. Zuletzt bringt das Gesetz aber auch einen Vorteil für die Kleinaktionäre – wobei ich schon bitten darf, den Unterschied zwischen Kernaktionär und Kleinaktionär herauszuschälen, weil das später noch eine Rolle spielen wird.

Derzeit ist es auf Grund der Gesetzeslage so, dass bei einem Pflichtangebot bei Klein­aktionären ein 15-prozentiger Preisabschlag möglich ist. Das soll es in Zukunft nicht mehr geben. Alle Investoren sollen gleich behandelt werden, was zweifelsohne ein deutlicher Fortschritt ist. In Summe ergibt sich mit diesem neuen Gesetz eine Fülle von Verbesserungen.

Dazu eines, was doch eine gewisse Aktualität hat: Im gestrigen „Morgenjournal“ hat sich der Wirtschaftsguru oder – wie er sich selbst öfters bezeichnet – das wirtschaft­liche Gewissen der SPÖ zum BAWAG-Verkauf geäußert; er möchte gerne eine öster­reichische Lösung. – „Morgenjournal“ vom 20. April.

Daraufhin hat Abgeordneter Ikrath, der sicher Wirtschaftskompetenz hat, gemeint, dass er mit großem Erstaunen feststellt, dass die SPÖ den Verkauf der BAWAG in Richtung einer österreichischen Lösung haben möchte. Er verstünde daher nicht, dass heute die SPÖ einen Einspruch erhebt, weil doch das Gesetz eine Stärkung der Kernaktio­näre vorsieht. Und er appelliert an den Vorsitzenden der SPÖ-Fraktion, sich noch ein­mal zu überlegen, ob man nicht doch vielleicht dem Übernahmegesetz zustimmen könnte. – Dass es dann eine weitere Erklärung seitens der SPÖ gibt, wieder von Matz­netter entsprechend unterstützt, dass Kernaktionär mit Kleinaktionär verwechselt wird, darauf will ich nicht näher eingehen.

Ein weiteres Argument, das zumindest im Einspruch der SPÖ angeführt wird, ist die Teilnahme an den Aktionärsversammlungen, die in Österreich zwischen 12 und 15 Prozent liegt, in anderen Ländern, zum Beispiel in Großbritannien, bei 30 Prozent und mehr. – Diese geringe Teilnahme an Aktionärsversammlungen als Argument dafür zu verwenden, dass man gegen das Übernahmegesetz ist, ist schon, zumindest mei­ner Ansicht nach, mehr als kurios, denn: Wenn jemand Kleinaktionär ist – das bin ich auch, ich bekenne mich dazu –, dann erhält er beziehungsweise dann erhalte ich zu­mindest von meinem Institut – ohne jetzt Werbung für eine bestimmte Bank zu ma­chen – immer zeitgerecht vor den Aktionärsversammlungen eine entsprechende Ver­ständigung und auch die Möglichkeit, mit meinem Stimmrecht etwas zu tun oder nicht zu tun. Vielleicht gibt es in Österreich Banken, die das nicht machen – ich weiß nicht, vielleicht bei Ihnen? – und wo dann nur in der „Wiener Zeitung“ steht, dass so etwas stattfindet.


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Wenn jetzt ein Aktionär das alles ignoriert – den Termin ignoriert und auch sein Stimm­recht –, wenn es ihm egal ist, was geschieht, dann ist das wohl sein Problem, denn: Auch bei den allgemeinen Wahlen, die in Österreich stattfinden, die in jeder Demokra­tie stattfinden, ist wohl jeder noch selbst schuld, wenn er zu einer Wahl oder zu einer Versammlung nicht hingeht.

Daher abschließend folgender Antrag:

Antrag

gemäß § 43 GO-BR

der Bundesräte Dr. Kühnel, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nati­onalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Übernahme­gesetz, das Handelsgesetzbuch, das Börsegesetz, das Umwandlungsgesetz und das Spaltungsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erlassen wird (Übernahmerechts-Änderungsgesetz 2006 – ÜbRÄG 2006) (1334 d.B. und 1382 d.B. sowie 7519/BR d.B.), keinen Einspruch zu er­heben

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Übernahmegesetz, das Handelsgesetzbuch, das Börsegesetz, das Umwandlungsgesetz und das Spaltungsgesetz geändert werden und ein Bundesge­setz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erlassen wird (Übernah­merechts-Änderungsgesetz 2006 – ÜbRÄG 2006) (1334 d.B. und 1382 d.B. sowie 7519/BR d.B.), wird kein Einspruch erhoben.

*****

Dieser Antrag ist entsprechend gezeichnet, und ich darf ihn der Frau Präsidentin über­geben. (Der Redner wendet sich zum Präsidium um.) – Entschuldigung! Das habe ich nicht ...! (Heiterkeit. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Der Herr Präsident ist mutiert! – Vizepräsident Weiss: Ich nehme es trotzdem!)

Ich darf bitten, in Hinkunft hier Spiegel einzubauen, damit man einen Wechsel am Prä­sidium zeitgerecht registrieren kann! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

13.38


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben eingebrachte Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.38.32

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesminister! Wenn vor dem Hintergrund der Entwicklungen dieses Übernahmerechts-Änderungsgesetzes und der parlamentarischen Beratungen im Nationalrat Ihre Erwartungshaltung heute jene ist, dass die SPÖ-Fraktion einen doch wesentlich kritischeren Zugang zu dieser Gesetzes­materie als zum Patientenverfügungs-Gesetz hat, dann darf ich das Ergebnis schon vorwegnehmen: Ich werde mich sehr bemühen, Ihre Erwartungshaltung zur Gänze zu erfüllen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausführungen des Kollegen Kühnel im Zusammenhang mit dem Übernahmerechts-Änderungsgesetz veranlassen mich, doch ein bisschen auch den Hintergrund dieser Materie in den Vordergrund zu rücken. Wenn man seine Ausführungen verfolgt hat, dann könnte man nämlich meinen, dass das ohnedies alles völlig in Ordnung ist und dass wir einer gesellschaftsrechtlichen, aber auch einer wirtschaftspolitisch vernünftigen nationalen Entwicklung entgegentreten – und das ist doch wohl bei bestem Willen nicht zu erken­nen.

Sie wissen, sehr geehrte Damen und Herren, beim Übernahmerechts-Änderungsge­setz 2006 handelt es sich im Wesentlichen um die Umsetzung der Übernahmerichtlinie der Europäischen Union in nationales Recht. Insofern wäre das auch die Chance ge­wesen – ich möchte das in diesem Zusammenhang besonders hervorheben –, sich ausschließlich auf den Transport der europäischen Richtlinie in nationales Recht zu be­schränken, insbesondere vor dem Hintergrund der massiven Bewegungen des Gesell­schaftsrechts auf nationalem Gebiet. Sie wissen, was ich damit meine, es geht um den Gesetzesprüfungsantrag vor dem Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit dem bestehenden Übernahmerecht und den entsprechenden materiellen Bestimmungen.

Der Anlassfall ist ohnedies bekannt: Es geht im Wesentlichen um den Rückzug der ÖIAG aus dem Bereich der Beteiligungen der Böhler-Uddeholm, und damit in Verbin­dung getreten ist, dass sozusagen durch eine völlig passive Haltung die Fries-Gruppe de facto zu einem Mehrheitsaktionär wurde und die Europäische Kommission in die­sem Zusammenhang auf den Plan gerufen wurde und ein entsprechendes Gesetzes­prüfungsverfahren mit dem bestehenden Übernahmerecht zumindest einmal eingeleitet hätte.

Da ich meine, dass man das hätte abwarten sollen: Es wäre zumindest interessant ge­wesen, die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes in diesem Bereich der gesell­schaftsrechtlichen Aspekte für eine materielle Neuregelung des Übernahmerechtes ins Auge zu fassen. Diese Chance hat man bedauerlicherweise nicht ergriffen.

Wenn wir jetzt aber in die Regierungsvorlage des Übernahmerechts-Änderungsgeset­zes 2006 im Konkreten einsteigen, dann ist Folgendes zu sagen: Wir haben im Aus­schuss sehr viele Aspekte hervorgehoben. Kollege Schennach hat auch die Frage angesprochen, die Sie, Kollege Kühnel, in Verbindung mit der Anwesenheit nationaler Hauptversammlungen und der Realsituation angesprochen haben. Ich möchte das ganz kurz behandeln.

Mir geht es um etwas anderes. Sie wissen, zentraler Inhalt auf der europäischen Ebe­ne im Zusammenhang mit dieser Übernahmerichtlinie war die Frage der Abwehrmaß­nahmen. Und auf diese sind Sie, Kollege Kühnel – bei allem Respekt! –, entweder gar nicht oder aus meinem Blickwinkel zu wenig eingegangen. Es ist mir schon ein wich­tiges Anliegen, das aus der Sicht Österreichs besonders hervorzuheben, denn es ist nach unserer politischen Einschätzung schon bedauerlich, dass man die Möglichkeiten der Richtlinie der Europäischen Union im Bereich des Übernahmerechts für die Umset­zung ins nationale Recht nicht genutzt hat. Diese Chance wurde – das ist sehr bedau­erlich – vertan!

Worum geht es zentral? – Sie wissen, es geht um die feindlichen Übernahmen, es geht um Übernahmeangebote heimischer Unternehmen und darum, welche Position – das ist ganz zentral – nationale Organe in diesen Unternehmungen haben. Wie kann der Vorstand reagieren? Wie kann der Aufsichtsrat reagieren?

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch besonders hervorheben – auch wenn Sie Kleinaktionär sind; es gibt auch andere Beteiligte –: In welcher Form kann man Arbeit­nehmerinteressen im Zuge derartiger Übernahmen überhaupt noch wahrnehmen? Es


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geht um Arbeitnehmerinteressen nationaler Unternehmungen, und das ist ein wirt­schaftspolitisch und wohl auch beschäftigungspolitisch nicht uninteressanter Aspekt. Das ist insofern besonders wichtig, als ich in diesem Zusammenhang auch andere Bei­spiele erwähnen möchte: Es geht vielleicht um die RHI, es geht vielleicht um die Voest, es geht vielleicht um Wienerberger.

Ich möchte in diesem Zusammenhang im Bundesrat nicht leichtfertig über die wirt­schaftliche Entwicklung dieser Unternehmen bei einer gesellschaftsrechtlichen Verän­derung, die gravierende wirtschaftspolitische Auswirkungen haben kann, hinwegdisku­tieren.

Welchen Weg geht man jetzt? – Man sagt: Wir regeln das nationale Recht im Zuge eines Übernahmeangebots so – zwischen Klammern: obwohl wir gar nicht müssen –, dass sich die Organe der heimischen Unternehmungen strikt und streng neutral zu ver­halten haben. Die Vorstände dürfen nicht reagieren, der Aufsichtsrat darf nicht reagie­ren, und die Arbeitnehmer-Interessenvertretungen wollen wir auch nicht einbinden – das ist der Weg, den man gewählt hat. Sie haben sich strikt neutral zu verhalten, und das ist doch eine bedauerliche Entwicklung, denn das wäre vor dem Hintergrund der Richtlinie der Europäischen Union nicht notwendig gewesen; es gäbe eine äußerst in­teressante Optionsmöglichkeit in diesem Zusammenhang. Der Weg, den man jetzt ge­wählt hat, ist eindeutig zum Nachteil der Durchsetzung der Arbeitnehmerinteressen von betroffenen nationalen Unternehmungen.

Ich sage es, wie es ist: Ich kann mich auch des Eindrucks nicht erwehren, sehr geehrte Frau Bundesministerin, dass man zwar eine europäische Richtlinie in nationales Recht umgesetzt hat, das zwar europäischem Niveau und Standard entspricht – insofern ist aus diesem Blickwinkel zweifelsohne nichts einzuwenden –, dass man aber für Öster­reich den schlechteren Weg gewählt hat.

Ich sage es jetzt vorsichtig: Vielleicht hat es intensive Beratungen zwischen dem Jus­tizministerium und dem Herrn Wirtschaftsminister gegeben. Unter diesem Aspekt hat sich meines Erachtens die Frau Bundesministerin für Justiz nicht ganz durchsetzen können.

Ein kurzer Blick über die Grenzen unseres Landes in die Bundesrepublik Deutschland hätte genügt, um zu sehen, dass die Bundesrepublik Deutschland bei gleichen oder sehr ähnlichen gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen in diesem Zusammen­hang bewusst einen anderen Weg gewählt hat. Sie wissen sicher, warum.

Zur Einschätzung des Kollegen Kühnel, wann eine beherrschende Stellung vorliegt und wann nicht, wo es um diese Kontrollmechanismen geht, darf ich nur sagen, dass zwar auch meiner Einschätzung nach der Vergleich mit den anderen europäischen Ländern, die Sie, Kollege Kühnel, herangezogen haben, zwar richtig ist und daher ein höherer Schwellenwert argumentierbar wäre, dass allerdings die Ist-Situation in Österreich in der Hauptversammlung eine andere ist.

Sie wissen, dass in der Regel die Anwesenheit bei 25 bis 30 Prozent liegt, sodass bei realistischer Einschätzung eine eindeutige Beherrschung bei 15 bis 20 Prozent gege­ben ist. Und auch aus diesem Aspekt, nicht nur deshalb, weil man nationale Wirt­schaftsunternehmen benachteiligt, deren Organe benachteiligt, können wir dieser Re­gierungsvorlage betreffend das Übernahmerecht sicher nicht zustimmen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Es drängt sich der Verdacht auf, dass dem Ge­setzgeber Sonderinteressen eindeutig wichtiger sind als die nationalen Gesamtinteres­sen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es sich hiebei um einen Kniefall vor Großaktionären, vor Großanlegern letztlich zum Schaden der Kleinaktionäre handelt.


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Wenn Sie die Kritik im Zuge der Begutachtung ernst nehmen, dann gestatten Sie mir, einen Satz des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages vorzulesen, der folgen­dermaßen lautet:

Die Opferung des zentralen Anliegens des Übernahmerechts zugunsten von Partikular­interessen wäre unverzeihlich und würde für Österreich mit einem Schlag den Rückfall von einem international beachteten Vorbildgesetz in den Status der kapitalmarktpoliti­schen Krabbelstube bedeuten. – Ich meine, dass man diese Einwendungen des Rechtsanwaltskammertages auch sehr ernst nehmen soll.

Fazit, liebe Kolleginnen und Kollegen, und zusammenfassend: Es wurde eine EU-Richtlinie umgesetzt, wobei die Umsetzung zwar europäischem Recht entspricht, die Chancen für Österreich, für die österreichischen Unternehmungen wurden aber bedau­erlicherweise vertan. – Herzliches Glückauf! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.49


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mitterer. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.49.44

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Es gibt geteilte Auffassungen in dieser sehr, sehr komplexen Materie, aber ein paar Dinge sind unbestritten.

Unbestritten ist, dass Österreich mit überwältigender Mehrheit in die Europäische Union wollte. Gerade die sozialdemokratische Fraktion hat auch einen hohen Anteil da­zu beigetragen, in Österreich das Bewusstsein zu stärken, den Blick nach Europa offe­ner zu gestalten.

Unbestritten ist auch, dass Österreich im Rahmen der Europäischen Union profitiert.

Unbestritten ist auch, dass Österreich im Rahmen der Europäischen Union eine gute Figur macht, was sich gerade in diesem halben Jahr der Ratspräsidentschaft wieder weltweit zeigt.

Es ist auch unbestritten – das ist auch von meinem Vorredner nicht in Frage gestellt worden –, dass Vorgaben der Europäischen Union natürlich auf nationale Ebenen zu übertragen sind, in nationalen Parlamenten abzusegnen sind, bis hinunter in den Land­tagen, so auch das Übernahmegesetz. Eine Nicht-Umsetzung hätte für die Republik Österreich möglicherweise enorme finanzielle Konsequenzen bedeutet.

Ich meine, es war der Frau Ministerin auch ein Anliegen, die derzeitige Rechtslage, die viele Unsicherheiten beinhaltet, zu beseitigen. Und es ist, glaube ich, gelungen, mit diesem Änderungsgesetz Rechtssicherheit für den Wirtschaftsstandort Österreich zu schaffen.

Es mag die Angst berechtigt sein, dass der Einfluss der österreichischen Wirtschaft in einigen Bereichen verloren geht. Aber dass wir mit diesem neuen Gesetz auch ver­stärkt zusätzliche Investitionen nach Österreich holen können, dass der Wirtschafts­standort Österreich europäisch gesehen gewinnen kann, ist auch unbestritten.

Österreich fällt die Anpassung nicht allzu schwer. Wir haben gute Erfahrungen mit dem österreichischen Gesellschaftsrecht, wo ebenfalls „25 plus 1“ als Sperrminorität festge­halten ist. Und es war bisher kein großes Anliegen, diese Grenze nach unten zu verle­gen, das zeigt die österreichische Erfahrung.

Zur Sorge der Opposition: Natürlich, es ist das gute Recht der Opposition, die Arbeit der Regierung kritisch zu betrachten, zu begutachten, auch zu kritisieren und Ände­rungsvorschläge einzubringen. Aber ich meine, dass die Befürchtungen der Opposition


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betreffend den Ausverkauf österreichischer Unternehmen oder dahin gehend, dass der österreichische Kapitalmarkt damit geschädigt wird, nicht eintreffen werden. Sie sind meines Erachtens unbegründet, aber von Ihrer Seite, nämlich von der SPÖ – das ist ein kleiner Seitenhieb auf Aktuelles –, auch unglaubwürdig. Denn wenn man im Nach­hinein sagt, man habe in einem Unternehmen, an dem man mit 100 Prozent beteiligt ist, wie der ÖGB an der BAWAG, auf die Geschäftsführung keinen Einfluss und damit auch keine Verantwortung ausüben können, dann sind auch 15 Prozent viel zu wenig, wenn man schon bei 100 Prozent nichts mitreden konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass es nach dem heute zu erwar­tenden Einspruch der Oppositionsparteien rasch zu einem Beharrungsbeschluss im Nationalrat kommt (Bundesrat Mag. Klug: Der kommt eh verlässlich!), damit wir zeitge­recht und ohne finanzielle Konsequenzen für die Republik Österreich dieses Gesetz über die Bühne bringen. Es soll dies ein Beitrag zur Verbesserung des Standortes Ös­terreich sein. Österreich wird dann – und nun spreche ich mit den Worten der Bundes­ministerin – innerhalb der europäischen Konkurrenz, vor allem was den Börsen- und Aktienmarkt anlangt, sicher einen sehr guten Platz einnehmen. (Beifall des Bundes­rates Ing. Kampl sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.53


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Gastinger das Wort. – Bitte.

 


13.54.05

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Wir haben jetzt vieles an Kritikpunkten, aber auch viel Lob für dieses Gesetz gehört. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz klar und deutlich ausführen, warum wir dieses Gesetz gemacht ha­ben – das wurde bereits angesprochen.

Erstens: Wir haben natürlich die Verpflichtung, die Übernahmerichtlinie, eine EU-Richt­linie, in nationales Recht umzusetzen. Die Umsetzungsfrist geht bis zum 20. Mai die­ses Jahres, und dieser Umsetzungsfrist fühlen wir uns verpflichtet, insbesondere auch deshalb, weil eine nicht fristgerechte Umsetzung gerade in diesem sensiblen Bereich des Übernahmerechts mit sehr hohen finanziellen Konsequenzen für die Republik Ös­terreich verbunden sein könnte, nämlich dann, wenn die Richtlinie nicht rechtzeitig umgesetzt würde und es in dieser Zeit, in der die Umsetzung noch nicht erfolgt ist, bereits Übernahmen in Österreich gäbe, die richtlinienwidrig gewesen wären. Darauf wollte ich nur hinweisen.

Zweiter Punkt – das wurde auch schon von Herrn Bundesrat Klug angesprochen –: Es ist ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig, und wir haben im Dezem­ber des Vorjahres einen Beschluss des Verfassungsgerichtshofes zur Kenntnis bekom­men, wonach sich der Verfassungsgerichtshof mit dem Übernahmerecht befassen wird.

Ich möchte zu bedenken geben, dass es vor allem auch darum geht, dass der Verfas­sungsgerichtshof in diesem Beschluss bereits angekündigt hat, dass er insbesondere den materiellen Kontrollbegriff, den wir hier jetzt diskutieren – wir haben jetzt einen for­mellen Kontrollbegriff eingeführt –, den materiellen Kontrollbegriff, also Übernahme­recht-alt, als verfassungsrechtlich bedenklich sieht, auch die Verordnungskompetenz der Übernahmekommission verfassungsrechtlich bedenklich findet und dass die Ange­botspflicht bei passiver Kontrollerlangung, wie sie derzeit im Übernahmerecht vorgese­hen ist, ebenfalls als verfassungsrechtlich bedenklich sehen könnte. Das war die Be­gründung für diesen Beschluss, dafür, weswegen sich der Verfassungsgerichtshof da­mit auseinander setzt.


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In der momentanen Situation haben wir in Österreich nach dem Übernahmerecht-alt, das jetzt sieben Jahre alt ist, die Übernahmekommission, die damals vom Gesetzgeber ganz bewusst mit sehr viel Macht ausgestattet wurde. Es ist rechtspolitisch jedoch etwas bedenklich, dass wir hier eine einzige Behörde haben – ohne Rechtsmittelbe­fugnis –, die über das Wohl und Weh unserer Wirtschaft in Österreich entscheidet. Die Übernahmekommission hat sicher sehr gut gearbeitet, das stelle ich außer Zweifel, auch mit sehr viel Bedacht. Für mich ist es rechtspolitisch jedoch sehr schwierig, dass ich gerade hier, wo ich eine materielle Mengenschwelle für die Übernahme habe, eine einzige Entscheidungsinstanz habe, der ich als Wirtschaftstreibender oder als Groß­aktionär ausgeliefert bin. Das ist etwas, was aus meiner Sicht sehr bedenklich ist.

Weiters ist es sehr bedenklich, dass die Übernahmekommission praktisch für sich selbst die Verordnungen macht. – Ich denke, wir sind mit der Herbeiführung dieser Än­derung wirklich einen wichtigen und den richtigen Weg gegangen.

Der dritte wesentliche Punkt, weswegen wir hier eine Änderung herbeiführen wollten, schließt an den zweiten an: Wir hatten die politische Entscheidung zu treffen, ob wir an der materiellen Mengenschwelle, wie sie das Übernahmerecht-alt vorsieht, festhalten wollen, wonach die Übernahmekommission jeweils im Einzelfall, bei jedem einzelnen Unternehmen zu entscheiden hat, ob eine Übernahme vorliegt, aktiv wie passiv – wo­bei es bei passiv noch viel schlimmer ist als bei aktiv.

Was bedeutet das jetzt für mich als Investor? – Das bedeutet, dass ich, wenn ich zum Beispiel ein Aktienpaket von 12 Prozent erwerben möchte, nicht weiß, ob ich damit einen Kontrollerwerb habe, und damit auch nicht weiß, ob ich ein Übernahmeangebot zu stellen habe. Das ist schon schwierig, denn ich muss ja auch für Sicherheit für die Investoren sorgen. Beim passiven Kontrollerwerb ist das noch viel kritischer. Es kann ja sein, dass jemand sein Aktienpaket verkauft, womöglich auch an viele Kleinaktio­näre, und ich mit meinen 15 Prozent, obwohl ich nie Kontrolle über diese Firma haben wollte, derjenige bin, der auf einmal die Kontrolle hat und damit ein Übernahmeangebot für die restlichen 85 Prozent zu erstellen hat, ohne dafür finanziell vorgesorgt zu ha­ben.

Sie sehen, dass dieser materielle Kontrollbegriff, wie wir ihn im derzeitigen Übernah­merecht haben, sehr viele Schwierigkeiten mit sich bringt.

Uns war es wichtig, mit diesem Übernahmerecht-neu fixe Mengenschwellen festzule­gen, wonach klar ist, dass ich bis zu diesem Prozentsatz kein Übernahmeangebot zu stellen brauche. Bei einem Erwerb ab diesem Prozentsatz gehen wir von einem Kon­trollerwerb aus. Dies bedeutet, zwischen 26 und 30 Prozent habe ich dann meine Stimmrechte ruhen zu lassen beziehungsweise ab 30 Prozent muss ich auf jeden Fall ein Übernahmeangebot stellen.

Damit habe ich Sicherheit, Sicherheit in der Wirtschaft. Und wenn ich Investor bin, kann ich mich darauf einstellen, was ich machen möchte, und für das, was ich mache, kann ich die Konsequenzen abschätzen. Das ist das, was hinter dieser formellen Kon­trollschwelle gestanden ist.

Warum sind es jetzt 26 Prozent? – Über die Mengenschwelle, den Prozentsatz, kann man sicher streiten, das wissen Sie auch. Ich war auch einmal für 25 Prozent, habe dann aber eingesehen – das hat auch Herr Bundesrat Dr. Kühnel schon richtig ausge­führt –, dass es uns auch wichtig sein muss, den österreichischen Kernaktionär zu stär­ken.

Wir wissen, dass wir in Österreich ein besonderes Spezifikum haben, dass wir österrei­chische Kernaktionäre mit 25 plus einer Aktie haben. Uns war es in diesem Fall wich­tig, diesen österreichischen Kernaktionär zu stärken und tatsächlich auch die Rahmen-


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bedingungen dafür zu schaffen, deswegen die 26 Prozent. Das war der Hintergrund, und das ist, wie ich meine, auch ein guter Weg.

Wir haben uns selbstverständlich auch über die Kleinaktionäre Gedanken gemacht. Das ist ein wichtiger Bereich, der uns ganz besonders am Herzen liegt, da wir in Ös­terreich auf dem Kapitalmarkt einen großen Prozentsatz von Kleinaktionären haben. Wir haben – das möchte ich nicht unbeachtet lassen – den Abschlag, der bis dato im Übernahmerecht alt vorgesehen war, wonach ich bei einem Kleinaktionär einen 15-pro­zentigen Abschlag bei einem Übernahmeangebot automatisch vorsehen kann durch denjenigen, der das Übernahmeangebot eben zu erstellen hat, jetzt abgeschafft. Somit wird der Kleinaktionär gleich wie der Großaktionär im Falle eines Übernahmeangebo­tes praktisch ausbezahlt. – Das war ein wichtiger Punkt.

Auf der anderen Seite ist uns natürlich auch bewusst gewesen, dass die Hauptver­handlungspräsenz gerade bei den Kleinaktionären in Österreich nicht wirklich, sagen wir es einmal so, sehr rege ist. Auf der anderen Seite muss ich jedoch auch sagen, ich bin wirklich felsenfest davon überzeugt, dass wir – Herr Dr. Kühnel ist ja so ein Kleinak­tionär, wie er ja gesagt hat –, so wie wir alle hier sitzen, nicht das Recht haben, Klein­aktionäre zu bevormunden. Das sind freie Menschen, denen eine freie Willensäuße­rung zusteht, die zu einer Hauptversammlung hingehen können oder auch nicht.

Und das ist etwas, wo ich auch nicht eingreifen will, das sage ich Ihnen hier offen und ehrlich. Wenn ein Kleinaktionär nicht hingehen will, dann gehe ich davon aus, dass er auch nicht mit entscheiden will, aus welchen Gründen auch immer. Es steht mir nicht zu, da ein Werturteil abzugeben.

Und das war auch der Grund, weswegen wir gesagt haben, wir können eine Mengen­schwelle, also eine formelle Kontrollschwelle nicht nur von der HV-Präsenz abhängig machen, das geht nicht, weil wir auch die Autonomie und die Selbstbestimmung unse­rer Kleinaktionären mit zu berücksichtigen haben. Es heißt: Jeder Kleinaktionär hat die Möglichkeit, sich auch vertreten zu lassen. Es gibt auch Vertretungen für jene Klein­aktionäre, die sehr aktiv sind, die sehr gute Arbeit leisten. Sie können sich vertreten lassen. Und wenn sie als Kleinaktionär wirklich mitbestimmen wollen, haben sie die Möglichkeit. Es steht allerdings mir als Justizministerin nicht zu, den Kleinaktionären zu sagen, sie müssen das tun. Sie sind selbstbestimmt. Das ist unser Ansatz in diesem Zusammenhang.

Es tut mir Leid, dass dieses Gesetzesvorhaben den Bundesrat offensichtlich nicht posi­tiv passieren wird, dass es hier keine positive Abstimmung geben wird. Das tut mir wirklich sehr Leid. Ich kann Ihnen nur aus meiner Sicht hier versichern, dass wir uns wirklich bemüht haben, das Bestmögliche vor allem auch für den Wirtschaftsstandort Österreich zu realisieren. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass uns dies mit diesem Gesetzesvorhaben gelungen ist. Ein herzliches Danke an meine Mitarbeiter, allen voran auch Frau Dr. Bydlinski und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nach wirklich sehr langen und sehr zähen Verhandlungen, wie das bei Wirtschaftsge­setzen immer der Fall ist, ein, wie ich meine, sehr, sehr gutes Gesetz vorgelegt haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­räte Ing. Kampl und Mitterer.)

14.03


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort kommt nun Frau Bundesrätin Dr. Ruperta Lich­tenecker.

 


14.03.27

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Frau Ministe-


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rin, wenn man Ihren Ausführungen folgt, dann könnte man meinen, es wäre tatsächlich eine Verbesserung im Gange – eine Meinung, die wir allerdings in dieser Form nicht teilen können.

Wenn Sie betonen, dass es jetzt gut ist, dass der formelle Kontrollbegriff den materiel­len ablöst, dann ist das teilweise richtig. Wir haben im Wirtschaftsbereich und im Wirt­schaftsrecht durchaus Bestände, wo wir tatsächlich flexible Grenzen und nicht starre Grenzen haben, wie es jetzt in dieser Form eingeführt wird. Diese Dinge haben sich bislang auch bewährt und haben gut funktioniert.

Nicht nur wir haben eine gewisse Befürchtung, sondern auch in verschiedenen Stel­lungnahmen, eben auch zum Beispiel von der Rechtsanwaltskammer, die jetzt sicher­lich fernab von der Verdächtigung ist, dem Kapitalmarkt Österreich schaden zu wollen, werden ebenfalls Bedenken geäußert, nämlich auch in Bezug auf das Verfassungs­recht.

Sie haben heute die Rechtssicherheit betont. Frau Ministerin, ich möchte das unter­streichen. Natürlich sind wir dafür, dass wir EU-Regelungen in österreichisches Gesetz so implementieren, dass es auch hieb- und stichfest ist.

Diese Bedenken betreffen nämlich die Kleinaktionäre, von denen Sie vorhin mehrmals gesprochen haben. Diese sind jetzt damit konfrontiert, dass es auf einmal eine andere Rechtssituation gibt. Es ist eben zu befürchten und es ist der Tatbestand da, dass diese Neuregelung tatsächlich auch eine Schlechterstellung bedeutet. Das ist etwas, was wir in dieser Form nicht begrüßen. Ich denke, die Börse in Österreich hat eine gute Entwicklung gehabt. Das ist zu begrüßen. Wir sind ein sehr kleiner Kapitalmarkt, und es ist schwierig genug, diesen zu etablieren und zu forcieren, was tatsächlich auch eine Aufgabe ist, um eben auch einen Bereich in der Wirtschaft zu stärken und zu si­chern, um die Wirtschaftskreisläufe voranzutreiben.

Das vorliegende Übernahmerechts-Änderungsgesetz, so glauben wir, wird dem nicht Genüge tun, und unser Fazit ist, dass das neue Übernahmerecht in dieser Form weit­gehend eine Verschlechterung, eine Abschaffung einer wirksamen Kontrolle von Über­nahmen bedeutet. So sieht das auch die Rechtsanwaltskammer. Und es führt ferner zu einer Verschlechterung der Position der einzelnen Aktionäre und auch der Kleinaktio­näre. Insgesamt befürchten wir, dass das der Attraktivität des Kapitalmarktes abträglich ist. Genau deswegen, Frau Ministerin, denke ich, ist es gut, wenn es noch einmal zu­rückgeht, einer Neuberatung unterzogen wird und die eine oder andere Passage eine Änderung erfährt. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schennach.) Dann kann es ja durchaus sein, dass es ebenfalls unsere Zustimmung erhält wie auch heute schon eine andere Gesetzesvorlage. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.06


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Danke, nein.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


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Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag, keinen Einspruch zu erheben. (Bundesrat Konecny: Darf ich um eine ganz kurze Unterbrechung ersuchen!) – Gerne.

Ich unterbreche die Sitzung. Ich nehme an, wir finden uns hier am Präsidium zusam­men.

*****

(Die Sitzung wird um 14.08 Uhr unterbrochen und um 14.19 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

14.19.3711. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (27. KFG-Novelle) (1327 d.B. und 1368 d.B. sowie 7498/BR d.B. und 7504/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Straßentunnel-Sicherheitsgesetz erlassen und die Straßenverkehrs­ordnung 1960 geändert wird (1328 d.B. und 1378 d.B. sowie 7505/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die Sitzung wieder auf und rufe die Punk­te 11 und 12 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Sodl. Ich bitte ihn um die Be­richte.

 


14.20.01

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Natio­nalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrge­setz 1967 geändert wird – 27. KFG-Novelle.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 19. April 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

In weiterer Folge bringe ich zum Tagesordnungspunkt 12 den Bericht des Ausschus­ses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Straßentunnel-Sicher­heitsgesetz erlassen und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme zur Antragsstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 19. April 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte. – Wir gehen in die Debatte ein.

 


Erster Redner ist Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich erteile ihm das Wort.


Bundesrat
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14.21.58

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten, lieben Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich in den Tagesordnungspunkt 11 einsteige, bin ich eigentlich nicht unglücklich darüber, dass die Präsidiale – und man sieht, wie wichtig sie ist – mir die Möglichkeit gibt, an einem Bei­spiel auf die journalistische Freiheit einzugehen.

Unglücklich bin ich jedoch darüber, dass mit dem politischen Transport über die Alpen diese journalistische Freiheit hier in dieses Haus gelangt ist. Ich bin dafür bekannt, ge­schätzte Damen und Herren des Hohen Hauses, dass ich ein Verfechter der journalis­tischen Freiheit bin, kenne daher ganz besonders gut und richtig das Spannungsfeld der Formulierung, weiß, wer als Verfasser von abgedruckten journalistischen Freihei­ten auftritt, und kann das also gut nachvollziehen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Der Bericht in den „Außerferner Nachrichten“ über meine Diskussion mit Schülern des Bundesrealgymnasiums gibt leider nicht ganz die Kritik der jungen Menschen wieder. In der Diskussion bezogen sich die Jungen auf jene Vorfälle, mit denen der Bundesrat, ganz besonders in der letzten Vergangenheit, unangenehme Aufmerksamkeit erregt hat. Dies gipfelte dann in der Frage, ob man ihn nicht besser abschaffen sollte.

Geschätzte Damen und Herren! In meiner Antwort versuchte ich, nicht die Verursa­cher dieser Vorfälle in Schutz zu nehmen, sondern darauf hinzuweisen, dass trotz des Fehlverhaltens einzelner Bundesräte – Fehlverhalten, wie es dies wohl überall gibt – die Körperschaft Bundesrat selbst eine sehr wichtige Aufgabe erfüllt. Ich habe mich be­müht, die wichtigen Aufgaben des Bundesrates und seiner Stellung in der Verfassung auch darzustellen.

Mein Damen und Herren! Die Ausdrucksweise meiner geschätzten Gesprächspartne­rinnen und -partner war offen und sehr direkt, wie sie es eben bei jungen Menschen ist. Um daher in diesem Gespräch verstanden zu werden, habe ich mich auch ein wenig angepasst. (Heiterkeit.)

Natürlich hat die Bezeichnung „Holzköpfe“ in diesem Zusammenhang eine andere Be­deutung als – und darauf lege ich Wert – in einer Debatte zwischen Politikern. Nichts­destoweniger ist es mir sehr wichtig, geschätzte Freunde, dass es weder von den Dis­kutanten noch von jemand anderem die Absicht war, irgendeinen Kollegen im Bundes­rat in irgendeiner Weise zu beleidigen oder herabzuwürdigen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Vielleicht trägt meine Ansicht dazu bei, uns doch wieder einmal daran zu erinnern, dass wir alle das Beste wollen.

Ich komme nun zum Tageordnungspunkt 11, bei dem ich meine – und es passt gut da­zu –, dass in Tirol und im westlichen Österreich ein doch ein wenig raueres Klima und härtere Witterungsbedingungen herrschen. Daher sind wir, besonders im Westen Tirols, wo es nirgends solch hohe Passübergänge gibt, sehr froh darüber, dass es jetzt auch dieses Gesetz, dieses Bundesgesetz gibt.

Ich werde diesem Bundesgesetz, da ich direkt und unmittelbar an der Linie dieser Konfrontation stehe, die volle Zustimmung geben. Nur, meine geschätzten Damen und Herren, würde ich mir wünschen, dass es möglich wäre, eine Änderung in diesem Ge­setz dahin gehend herbeizuführen, dass die Winterreifenpflicht nicht mit dem 15. No­vember beginnt und am 15. März endet, denn besonders das heurige Jahr hat deutlich gezeigt, wie wichtig es wäre, dies zumindest bis zum 15. April auszudehnen.

Ich weiß, dass die Länder die Möglichkeit haben, dies zu machen, aber immer wieder im jeweiligen Anlass- und Akutfall. Wenn es gesetzlich geregelt wäre, dass dies einen


Bundesrat
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Monat vorher und einen Monat nachher möglich wird, wäre uns in den wirklichen Al­pentälern gedient. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.27


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.27.21

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Wiesenegg, eine kurze Replik auf deine Erklärung: Unserer Ansicht nach hätte sich der selbst ernannte König des Außerferns an und für sich schon auch dazu herablassen sollen oder kön­nen, eine explizite Entschuldigung anzubringen und nicht eine Erklärung darüber, wer denn nun der „Holzkopf“ ist. (Bundesrat Boden: Wer fühlt sich denn betroffen?) Wir Vorarlberger sind ja Alemannen, und diese Volksgruppe der „Holzköpfe“ ist uns unbe­kannt, das kann ich hier erklären. Aber ich hätte mir ein etwas genaueres Eingehen und nicht so ein doch entschuldbares Fehlverhalten Ihrerseits erwartet. Das möchte ich hier in aller Form anfügen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Kraml: Wollen Sie es ganz genau wissen?)

Zurück zu unserer Materie, dem Straßentunnel-Sicherheitsgesetz: Es ist, wie der Na­me schon sagt, dazu da, die Sicherheitsstandards in unseren Tunneln zu erhöhen und nachhaltig zu sichern. Obwohl seit den Katastrophen im Mont Blanc- und Tauern-Tun­nel die Sicherheit bereits erheblich verbessert wurde, ist die nunmehrige Mindestanfor­derung an die Tunnelsicherheit und sind höhere Standards für Tunnel mit einer Länge von mehr als 500 Metern mehr als nur sinnvoll.

Es erfolgt diese Änderung im Einklang mit der EU-Richtlinie, beziehungsweise unsere gesetzliche Vorgabe geht über diese EU-Richtlinie hinaus, weil wir in die Vorschriften für über 500 Meter lange Tunnel auch die Schnellstraßen mit eingebunden haben. Auch die Einsetzung entsprechender Kommissionen, die Bestellung eines Tunnelbe­auftragten, die Maßnahmen für die Videoüberwachung und den Tunnelmanager sind im Detail geregelt worden. Das ist nicht nur wichtig, sondern das kann auch lebensret­tende Maßnahmen darstellen und bedeuten.

Die Verringerung der Abstände zwischen Notrufnischen und Fluchtwegen oder zweite Tunnelröhren bei einer Frequenz von über 10 000 Fahrzeugen pro Fahrstreifen werden gewaltige Kosten von zirka 1,1 Milliarden € verursachen. Es sind dies aber enorme Verbesserungen für die Verkehrssicherheit, für die Tunnelsicherheit. Für Vorarlberg wird es auf Grund der Frequenz zu einem weiteren Ausbau der Rheintalautobahn, der zweiten Röhre des Pfändertunnels und der Arlberg-Schnellstraße mit dem Dalaaser Tunnel kommen.

Gerade in Straßentunneln ist es natürlich wichtig, dass die Autofahrer ein entsprechen­des Gefühl der Sicherheit haben. Dazu tragen die Adaptierungen in österreichischen Tunnelanlagen wesentlich bei.

Aus Vorarlberger Sicht wurde gegen den § 3 Abs. 7 Einwand erhoben; demnach kann die Tunnelverwaltungsbehörde – also das Bundesministerium für Verkehr –, wenn in einem Tunnel die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllt sind, dem Tunnelmanager, sprich der ASFINAG, per Bescheid die Aussetzung oder Einschränkung des Tunnelbe­triebes auftragen – und daran die Bedingungen knüpfen, unter denen der normale Ver­kehrsbetrieb wieder aufgenommen werden darf. Wir sind der Auffassung, dass eine solche straßenpolizeiliche Maßnahme dem Vollzugsbereich der Länder vorbehalten ist und dass das somit verfassungswidrig wäre.

Damit war auch die Sorge des Landes Vorarlberg verbunden, dass bei einem direkten Zugriff des Bundesministers beziehungsweise der ASFINAG auf Tunnelsperren die Be-


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zirkshauptmannschaft, die Bezirksverwaltungsbehörde, nicht mehr eingebunden gewe­sen wäre und vielleicht keine Rücksicht darauf genommen würde, dass beispielsweise Erhaltungsmaßnahmen zu einem für Bregenz – ich nenne nur den Pfändertunnel – oder auch für Feldkirch mit dem Ambergtunnel besonders ungünstigen Zeitpunkt vor­genommen werden könnten.

Ich darf mich für eine diesbezüglich im Ausschuss von den Vertretern des Ministeriums erfolgte Klarstellung bedanken, dass die Bezirksverwaltungsbehörde, sprich Bezirks­hauptmannschaft, selbstverständlich durch die in den Absätzen 5 und 6 des § 3 des Straßentunnel-Sicherheitsgesetzes normierten Bestimmungen in derartige Vorgänge mit eingebunden wird. Herzlichen Dank dafür!

Wir werden deshalb dieser Gesetzesvorlage gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Kerschbaum das Wort.

 


14.32.03

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir werden diesen beiden Gesetzesvorlagen zustimmen, auch wenn wir noch ein paar Wünsche anzubringen hätten; vielleicht, Herr Staatssekretär Kukacka, können Sie das notieren. Die Kettenmitnahmepflicht ist an und für sich eine sehr gute Sache. Warum das so lange gedauert hat, weiß ich allerdings nicht, denn hängen gebliebene LKW hat es ja nicht erst im letzten Winter zum ersten Mal gegeben, sondern die gibt es schon lange. Daher hätte man das ruhig schon früher machen können.

Die LKW-Winterreifenpflicht ist auch eine besonders wichtige Sache, nur: Es ist schon wesentlich, das auch zu kontrollieren. Im Ausschuss habe ich nachgefragt, inwieweit es diesbezüglich vermehrte Kontrollen geben wird, und da hat es dazu geheißen – wie üblich, möchte ich sagen –: Das fällt nicht in unsere Kompetenz!

Dann habe ich nachgefragt, ob das Verkehrsministerium schon einmal an das Innen­ministerium um mehr Kontrollen herangetreten ist. Das wurde verneint – und darum würde ich Sie jetzt bitten, Herr Staatssekretär, dass das vielleicht doch einmal ge­schieht. Ein Gesetz zu machen, in dem die Winterreifenpflicht zwar verordnet, deren Einhaltung aber nicht kontrolliert wird, stellt doch das Gesetz insgesamt in Frage.

Des Weiteren wünsche ich mir, dass es auch eine Diskussion darüber gibt, inwieweit es denn nicht auch eine Winterreifenpflicht für PKW geben sollte.

Was das Straßentunnel-Sicherheitsgesetz anlangt, möchte ich hier kurz anmerken, dass es für uns nicht ganz logisch und klar ist, warum es für einige Projekte Über­gangsbestimmungen gibt, und zwar für Projekte, von denen behauptet wird, dass sie schon mehr oder weniger in Bau beziehungsweise fertig sind. So ist zum Beispiel be­züglich der S 1 noch nicht einmal das UVP-Verfahren abgeschlossen; also würde man da nicht unbedingt eine Übergangsbestimmung benötigen.

Im Übrigen werden wir, wie gesagt, diesen beiden Gesetzesvorlagen zustimmen.

Sie, Herr Staatssekretär Kukacka, bitte ich, meine Anmerkungen weiterzuleiten.

14.33


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


Bundesrat
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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geän­dert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Straßentunnel-Sicherheitsge­setz erlassen und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.

14.34.5213. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird (1333 d.B., 342/A und 1369 d.B. sowie 7499/BR d.B. und 7506/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sodl. Ich bitte um seinen Bericht.

 


14.35.09

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 19. April 2006 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.36.03

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden dieser Gesetzesvorlage unsere Zustimmung nicht geben, und zwar aus diversesten Gründen nicht. Durch diese Gesetzesänderung werden folgende Dinge neu geregelt:

Zunächst geht es um die Nachbarrechte, die neu formuliert werden. Diese sind unserer Meinung nach unzureichend formuliert – und in letzter Konsequenz eigentlich nur eine Anpassung an die jetzt vorgesehenen Bescheide; zuvor waren es keine Bescheide.


Bundesrat
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Der zweite Punkt ist die Möglichkeit der Mitfinanzierung von Bundesstraßen durch Ge­meinden und Länder. Das ist meiner Meinung nach sehr bedenklich, denn diese Stra­ßen heißen ja Bundesstraßen – und sollten deshalb auch vom Bund bezahlt werden. Wenn die Notwendigkeit einer Bundesstraße nicht besteht, dann sollte man eine solche auch nicht bauen – und nicht sagen: Dann bauen sich’s halt die Länder!

Der nächste Punkt, der unserer Ansicht nach eigentlich bedenklichste, ist die Aufnah­me von 200 Kilometern neuer Hochleistungsstraßen in das Bundesstraßengesetz. Da geht es um 2 bis 3 Milliarden €. Allein schon das ist für uns ein Punkt, der reicht, diese Gesetzesvorlage abzulehnen.

Ich möchte aber trotzdem noch auf andere Punkte eingehen, so zum Beispiel auf den Nachbarschutz.

Es steht zwar in den Unterlagen, dass die subjektiven Nachbarrechte, dass Leben und Gesundheit geschützt werden – das klingt gut –, aber wie beweise ich, dass mein Le­ben und meine Gesundheit durch eine Autobahn oder eine Schnellstraße gefährdet sind? – Alle anderen Schutzgüter, so zum Beispiel Beeinträchtigung der Lebensqualität oder Lärmbelästigung, sind nicht einklagbar, sondern das unterliegt wirtschaftlichen Überlegungen. Sprich: Wenn ein Lärmschutzfenster billiger ist als die Lärmschutz­wand, dann werden die Betroffenen eben wohl oder übel nur ein Lärmschutzfenster be­kommen. Wenn man dann nicht in den Garten gehen und den Sommer nicht genießen kann, dann hat man eben Pech gehabt – und man kann dann auch nichts einklagen. Daher: Meiner Ansicht nach ist es einfach nicht logisch, zu sagen, nur dann, wenn man als AnrainerIn oder NachbarIn durch diese Straße in Bezug auf Leben oder Gesundheit gefährdet wird, hat man einen Anspruch darauf, dass etwas geändert wird, sondern meiner Meinung nach müsste auch schon eine Beeinträchtigung der Lebensqualität so weit ausreichen, dass bei einem Projekt Rücksicht auf Anrainerrechte genommen wird.

In Wirklichkeit – wie ich schon erwähnt habe – ist diese Neuformulierung der Nachbar­rechte nur eine Anpassung an das neue Bescheidverfahren. Es geht dabei nicht wirk­lich um eine Änderung oder gar um eine Verbesserung der Nachbarrechte.

Was fehlen würde – das ist mir als Anrainerin der A 22 in letzter Zeit schmerzlich auf­gefallen –, ist, dass man eigentlich schon im Bescheid festlegen müsste, wann außer baulichen Maßnahmen andere Maßnahmen zum Schutz der AnrainerInnen verhängt werden sollen, so zum Beispiel ein Tempolimit.

Bei der A 22 war es so: Ausbau auf drei Spuren. Während der Verhandlungen wurde uns immer wieder versichert: Da kommt sicher eine Temporeduktion, ihr werdet keine großartige zusätzliche Lärmbelästigung haben; Tempo 100 oder 80 kommt da ganz be­stimmt!

Jetzt ist die Autobahn ausgebaut. Die Gemeinde hat eine Temporeduktion beantragt; dieser Antrag ist zuerst einmal lange liegen gelassen worden – und inzwischen gibt es, glaube ich, schon einen abschlägigen Bescheid. Das Ministerium ist der Meinung, dass es eigentlich keinen Grund gibt, Tempo 100 auf der Autobahn zu verordnen, denn Autobahnen vertragen Tempo 130! – Die Anrainer haben nichts mitzureden, und sie werden auch nicht für wichtig gehalten.

Was mir auch noch fehlt, ist, dass, obwohl in den Untersuchungen zu diesen neuen Straßenprojekten immer wieder angeführt wird, dass gleichzeitig auch der öffentliche Verkehr ausgebaut werden müsste, jetzt einmal nur die Straße beschlossen wird. Der öffentliche Verkehr kommt vielleicht irgendwann, aber nicht verbindlich. Wer A sagt, muss auch B sagen, und wenn in den Untersuchungen steht, die beste Variante wäre


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jene in Verbindung mit dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs, dann müsste dieser auch vorrangig behandelt werden.

Zur Mitfinanzierung für Länder und Gemeinden, die künftig möglich sein soll. – Meiner Meinung nach ist es schon bedenklich, wenn Länder und Gemeinden einfach eine Subventionierung oder eine Mitfinanzierung an die ASFINAG überweisen. Die ASFINAG ist ja eine private Firma, daher ist es meiner Ansicht nach schon bedenklich, wenn man das einfach so regelt, ohne zu wissen, ob solche Transaktionen europa­rechtlich möglich sind. Außerdem glaube ich nicht wirklich – was mir im Ausschuss ver­sichert worden ist –, dass es bisher keinerlei Abmachungen zwischen Bund und Län­dern bezüglich dieser Beteiligungen gibt. Ehrlich gesagt, das kann ich mir nicht vorstel­len. Man könnte jetzt nicht den Ausbau der Straßen beschließen, wenn das Land noch nicht zugesagt hätte, sich vielleicht auch daran zu beteiligen.

Letztendlich ist es so: Sie beschließen jetzt, dass künftig Länder und Gemeinden mitfi­nanzieren können, haben aber über die Höhe der Beteiligungen noch nicht verhandelt. Das heißt, wenn wir gleichzeitig diese neuen Straßen beschließen, wissen wir noch nicht, wie viel diese neuen Straßen den Bund kosten werden, weil die Länder und Gemeinden ja vielleicht auch noch etwas dazuzahlen.

Des Weiteren fehlt auch eine Änderung des Zweckzuschusses. Die ehemaligen Bun­desstraßen B wurden erst vor einigen Jahren von den Ländern übernommen, und für diese Übernahme, für die Betreuung dieser Straßen gab es einen Zweckzuschuss. Jetzt wird ein Teil dieser Straßen wieder in Bundeskompetenz zurückübernommen und ausgebaut, sprich, es müsste auch dieser Zweckzuschuss verändert werden. – Auch dazu konnte ich im Ausschuss keine Auskunft erhalten, wie viel das sein wird und ob das auch schon irgendwo berechnet worden ist.

Diese Kritik kommt jetzt nicht nur allein von den Grünen, diese Kritik bezüglich Ände­rung des Zweckzuschusses findet sich auch in der Stellungnahme des Rechnungsho­fes, der da sagt:

„Die finanziellen Auswirkungen der Übernahme bestehender Straßen sowie der Mehr­kosten und deren Vergütung durch Unternehmen bzw. der Finanzierungsbeitrag von Land, Gemeinde und Dritten wurden nicht dargestellt.

Der Rechnungshof erlaubt sich daher darauf hinzuweisen, dass damit den Vorgaben des § 14 BHG nicht entsprochen wurde.“

Die Kostenschätzung zu diesem Gesetz ist in den Unterlagen mit 1 300 € für den Bund und 710 € für das Land angegeben. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) – Nein. Was auch immer diese Schätzung jetzt darstellen soll, es kann nicht wirklich etwas mit diesen neuen Bundesstraßen zu tun haben, zumindest nicht mit dem Ausbau. Es steht so in den Unterlagen, ich habe dreimal nachgesehen. Da steht wirklich: 710 € für die Länder und 1 300 € für den Bund – Auswirkungen die­ses Gesetzes. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) Ich kann Ihnen gerne die Erläuterungen übermitteln. Ich hätte gedacht, die sind von Ihrem Ministerium erstellt worden, das seien Kostenschätzungen des Ministeriums zu diesem Gesetz.

Dass die fünf neuen Straßen 2 bis 3 Milliarden € kosten werden, habe ich im Aus­schuss erfahren, und das ist an und für sich eine bekannte Summe. Natürlich fallen die nicht direkt als Kosten für den Bund an, sondern das wird zuerst die ASFINAG zahlen. Letztlich ist es aber so, dass die ASFINAG mit ungefähr 10 Milliarden € in der Kreide steht und somit der Bund für diese Aufwendungen, für diese Kredite haften muss und dass die Vignetten-Einnahmen der ASFINAG derzeit schon fast komplett für die Zah­lung der Zinsen für diese Schulden aufgehen. Wenn jetzt fünf neue Straßen gebaut


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werden sollen, die 2 bis 3 Milliarden € kosten, dann stellt sich meiner Meinung nach über kurz oder lang die Frage einer kilometerabhängigen Pkw-Maut, denn wie sonst soll die ASFINAG weiter agieren. Wie soll die ASFINAG mit diesen Vorgaben auch noch einen Gewinn machen? (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Ku­kacka.) – Das steht jetzt nicht zur Debatte. Ich bin nur dafür, dass man offen und ehrlich über diese Dinge diskutiert und nicht falsche Angaben in Unterlagen präsentiert. Darauf gehe ich aber später noch ein; auch die Pkw-Maut kommt noch einmal.

Zu den fünf neuen Bundesstraßen. – Wie gesagt, es sind das 200 neue Autobahnkilo­meter – und damit sind wir dann EU-weit weiterhin führend bei den Autobahnkilome­tern pro Kopf – und Kosten von 2 bis 3 Milliarden €. Die politische Entscheidung, ob diese Straßen gebaut werden sollen oder nicht, fällt jetzt – nicht erst in Zukunft mit einer UVP und Ähnlichem, sondern jetzt –, und meiner Meinung nach sind die Grund­lagen für diese politische Entscheidung noch nicht bekannt. Ich werde das auch noch näher begründen.

In den Gesetzeserläuterungen steht zum Beispiel: „Auswirkungen auf die Beschäfti­gung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Durch den Bau neuer Bundesstraßen und aufgrund der verkehrssichereren Ausgestal­tung des Bundesstraßennetzes ist mit positiven Auswirkungen für den Wirtschafts­standort Österreich zu rechnen.“

Warum? Ich habe nachgefragt, warum denn da mit positiven Auswirkungen zu rechnen wäre; das steht nämlich nicht in den Erläuterungen, wie man auf so eine Idee kommt. Ich glaube, Herr Kollege Himmer war es, der dann gesagt hat, zumindest durch den Bau würden schon viele Arbeitsplätze entstehen. – Abgesehen davon, dass diese Ar­beitsplätze, die durch den Autobahnbau entstehen, nicht wirklich nachhaltig sind, habe ich Folgendes in Erinnerung: Ich habe in letzter Zeit einige Plakate der ÖVP zum The­ma „BAWAG“ gesehen, und da steht, dass die ÖVP mit 2,3 Milliarden € 200 000 Ar­beitsplätze schaffen würde. Die würde ich dann gerne auf der Baustelle wiederfinden! Also das kann es wohl nicht sein. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn bei der ÖVP 2,3 Milliarden € 200 000 Arbeitsplätze sind, dann müssten eigentlich 200 000 Leute auf diesen Autobahnbaustellen beschäftigt sein. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das, glaube ich, war nicht gemeint. Ich glaube nicht, dass das in den Gesetzeserläuterun­gen wirklich damit gemeint war.

Es gibt noch dieses – ich würde es so bezeichnen – Märchen von den positiven Aus­wirkungen von Fernverkehrsstraßen auf die wirtschaftliche Entwicklung einer Region. Diese Geschichte ist prinzipiell schon seit langem widerlegt. Wenn so eine Fernver­kehrsstraße für irgendjemanden positive Auswirkungen hat, dann bekanntlich für den Anfangspunkt und für den Endpunkt, sprich für die Großstädte, die am Anfang und am Ende dieser Straße liegen, und nicht für die Region dazwischen. Es gibt auch eine Stu­die der Vereinigung Schweizerische Verkehrsingenieure, die im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Straßen erstellt wurde. Die Conclusio dieser Studie ist, dass die For­scher vor einer pauschalen Gleichsetzung, bessere Verkehrserschließung ist gleich re­gionaler Entwicklungsimpuls, warnen. Ich würde diese Warnung auch in Österreich wirklich ernst nehmen.

Des Weiteren: Eine Verkehrserschließung ist nicht unbedingt nur auf der Straße zu erreichen, eine Verkehrserschließung wäre auch sinnvoll und wichtig auf der Schiene beziehungsweise im Bereich des öffentlichen Verkehrs.

Für mich ist vorhin erwähnter Satz, der in den Gesetzeserläuterungen steht, nämlich dass mit positiven Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich durch den Bau dieser Bundesstraßen zu rechnen sei, eine Vermutung, aber nicht mehr. Und mit die­ser Vermutung begründen Sie Investitionen in der Höhe von 2 bis 3 Milliarden €. – Es


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ist nicht belegt, dass diese Autobahnen irgendwelche positiven Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich haben werden; abgesehen von den Baumaßnahmen, die kurzfristig sicher Arbeitsplätze schaffen werden.

Ein Punkt, der noch dazukommt und den man derzeit schon im Inntal sehr gut beob­achten kann, in Niederösterreich höchstwahrscheinlich auch bald, ist, dass die meisten dieser Straßen, die jetzt übernommen beziehungsweise neu gebaut werden sollen, in bereits luftschadstoffbelasteten Gebieten beziehungsweise in Feinstaubsanierungsge­bieten, wie sie in Niederösterreich bereits definiert sind, errichtet werden sollen. Und selbst nach der letzten Reform des Immissionsschutzgesetzes Luft, das ohnehin schon sehr zurückgestutzt worden ist, ist festzuhalten, dass ein feinstaubbelastetes Gebiet einfach ein Problem mit der Ansiedelung neuer Gewerbebetriebe hat. Bewilligungen werden nur mehr erteilt, wenn keine zusätzlichen Immissionen freigesetzt werden. In­sofern ist eine neue Straße, die neue Immissionen durch den Verkehr freisetzt, wirklich nicht förderlich für die Wirtschaft, sondern ganz im Gegenteil! Im Inntal gibt es bereits Probleme bei der Zulassung von neuen Gewerbebetrieben.

Auch die ASFINAG sieht zum Teil ein wirtschaftliches Problem. Sie hat in ihrer Stel­lungnahme angemerkt, dass die S 3, die Weinviertler Schnellstraße, die von Holla­brunn nach Znaim führen soll, eine Konkurrenz zur A 5 ist. Sprich, Mauteinnahmen werden gleich bleiben und entweder dort oder da anfallen. Letztlich fallen aber die Kos­ten für eine neue Straße auf jeden Fall zusätzlich an. Durch diese S 3 befürchtet die ASFINAG deshalb einen Einnahmenentfall. Das heißt, für mich ist der wirtschaftliche Vorteil dieser neuen Straßen nicht nachgewiesen.

Des Weiteren bin ich betreffend Straßen-Neubauten über die SPÖ doch enttäuscht: Ich habe mir immer gedacht, die SPÖ, das sind die Eisenbahner – und jetzt stimmt die SPÖ zu, dass das Konkurrenzunternehmen Individualverkehr auf der Straße gefördert und forciert wird! (Bundesrat Boden: Ist ja alles in schwarzer Hand!) Das ist alles in schwarzer Hand – und deshalb macht ihr nichts mehr für die Eisenbahn oder wie?

Letztendlich ist es ein Konkurrenzunternehmen: Der Individualverkehr auf der Straße ist ein „Konkurrenzunternehmen“ der ÖBB, und das wird massivst gefördert. Bei der Eisenbahn wird, wie wir wissen und in den letzten Jahren ja schmerzlich erfahren mussten, immer wieder gekürzt und zerstückelt und zerstört.

Obwohl auch die SPÖ, was den Schuldenstand der ASFINAG betrifft, immer wieder skeptische Äußerungen von sich gibt, stimmt sie diesem Gesetz jetzt zu, was ich nicht verstehen kann. Diese neuen Projekte werden viel Geld kosten, und die ASFINAG wird dieses Geld irgendwie auftreiben müssen – und dann wird wahrscheinlich doch, wie schon erwähnt, über eine kilometerabhängige PKW-Maut zu reden sein. PendlerInnen, die von der SPÖ in der Hinsicht doch immer wieder vertreten werden, wird als Lösung für ihre Abhängigkeit vom Individualverkehr und für ihre Abhängigkeit vom Kfz eigent­lich nichts angeboten, denn der öffentliche Verkehr wird ja nicht im gleichen Ausmaß gefördert. Das heißt, die Abhängigkeit vom PKW wird immer größer.

In der SP-V, der Strategischen Prüfung-Verkehr zur Weinviertler Schnellstraße gibt es eine sehr interessante Zahl, nämlich: Der geschätzte Motorisierungsgrad für 2020 liegt bei 715 PKW pro 1 000 Einwohner. Das heißt, im Jahr 2020 hat bald jeder, der noch ir­gendwie fahren kann, zwei Autos. Zumindest ist es meiner Meinung nach bedenklich, wenn man davon ausgeht, dass der Motorisierungsgrad in den nächsten Jahren ge­nauso stark steigen wird wie in den vergangenen 30 Jahren. (Staatssekretär Mag. Ku­kacka: Haben Sie ein Auto?) – Ich habe ein Auto, aber meine zwei Kinder haben noch kein Auto, die fahren noch mit mir mit! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich möchte noch etwas zu der Strategischen Prüfung-Verkehr sagen. Ich habe die Strategische Prüfung-Verkehr für die Weinviertler Schnellstraße sehr genau durchgele-


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sen – das war sehr viel –, und ich habe auch eine Stellungnahme abgegeben zu dieser Strategischen Prüfung, die ungefähr 16 Seiten dick war. Ich habe mir auf Grund dieser Stellungnahme erwartet, dass das Ministerium, dem ich diese Stellungnahme übermit­telt habe, zumindest „Muh“ oder „Mäh“ oder sonst irgendetwas sagt – aber es ist nicht einmal eine Empfangsbestätigung gekommen, geschweige denn, dass irgendjemand auf meine Sorgen eingegangen wäre, die ich bezüglich dieser Straße habe.

Dass das Ministerium zu meiner Stellungnahme nicht viel sagt, okay, das mag viel­leicht noch irgendwie einzusehen sein, dass das Ministerium aber auch die Einwände des Umweltministeriums offenbar ignoriert, finde ich schon ein starkes Stück. Ich bin im Ausschuss darauf hingewiesen worden, dass es ja die zusammenfassende Erklärung für diese Strategische Prüfung bereits gibt und dass in dieser zusammenfassenden Er­klärung umfassend auf die Stellungnahmen eingegangen worden sei.

Das, was das Ministerium zu den Stellungnahmen sagt, ist in Wirklichkeit eine PISA-Sonderprüfung für sinnerfassendes Lesen. Wenn ihr euch konzentriert, versteht ihr es vielleicht:

„Nach einer Gesamtabwägung sämtlicher eingelangter negativer wie positiver Stellung­nahmen sowie im Kontext mit den im Umweltbericht untersuchten Vor- und Nachteilen der vorgeschlagenen Netzveränderung stellt der Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie fest, dass unter der Voraussetzung der Einhaltung der Überwa­chungsmaßnahmen und der Festlegungen für allfällige sich aus der vorgeschlagenen Netzveränderung ergebenden Projekte gemäß Punkt 4 der vorliegenden zusammen­fassenden Erklärung, die in den Stellungnahmen geäußerten Meinungen zur vorge­schlagenen Netzveränderung und zum Umweltbericht berücksichtigt werden können und damit einer Weiterverfolgung der vorgeschlagenen Netzveränderung nicht entge­genstehen. Sofern die Stellungnahmen konkrete Vorschläge und Kritikpunkte enthal­ten, die auf der derzeitigen strategischen Ebene der Netzveränderung – systemimma­nent – nicht aufgegriffen werden können, sind diese in allfälligen späteren Verfahrens­schritten auf Projektebene einer evaluierenden Betrachtung zu unterziehen.“

Dieser Satz geht über 13 Zeilen, und wer ihn beim ersten Vorlesen verstanden hat: großes Lob! Ich habe ihn ungefähr fünf Mal gelesen, bis ich ihn wirklich erfasst hatte. Diesen Satz muss man aufteilen, und zwar in das, was der Herr Bundesminister, oder wer auch immer diese Erklärung geschrieben hat, damit sagen wollte. Er wollte uns sa­gen, dass der Herr Bundesminister den Umweltbericht gelesen hat, den seine Beamten damals geschrieben haben. Er wollte uns sagen, dass er auch die Stellungnahmen ge­lesen hat, die zu dieser SP-V abgegeben wurden. Er hat dann alles abgewogen, so­wohl den Umweltbericht als auch die Stellungnahmen, und hat am Ende festgestellt, dass alle Meinungen berücksichtigt und die Straßen trotzdem gebaut werden können.

Dubioserweise gibt es aber in den Stellungnahmen doch sehr viele, die sagen, es gibt eine ganz andere Variante, die zu bevorzugen wäre. Selbst das Bundesministerium für Umwelt sagt, in Wirklichkeit sei die Umfahrungsvariante die bessere Variante. Selbst in der SP-V steht bei der Kosten-Nutzen-Rechnung, die Umfahrungsvariante sei die bes­sere Variante. Aber der Herr Bundesminister hat das alles abgewogen und hat dann festgestellt: Wurscht! Wir können alle Meinungen zusammenfassen und letztendlich die Autobahn trotzdem bauen.

Ganz zum Schluss steht noch, dass man sie vielleicht bei späteren Verfahrensschritten auf Projektebene einer evaluierenden Betrachtung unterziehen könnte. – Das ist ein Blabla, denn die UVP wird nichts mehr daran ändern, dass das eine Hochleistungsstra­ße wird. Die politische Entscheidung, ob Hochleistungsstraße oder ob Umfahrungsvari­ante, fällt jetzt und nicht bei der UVP! Da sind wir uns einig? – Wunderbar! (Ruf bei der


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ÖVP: Sind Sie schon fertig, Frau Kollegin?) – Nein, ich bin noch nicht fertig. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie können ja einstweilen auf einen Kaffee gehen.

Also selbst das Umweltministerium kommt zu dem Schluss, dass Umfahrungsvarianten die bessere und sinnvollere Lösung für diese Verkehrsprobleme ist.

Zusammenfassend möchte ich dazu jetzt noch Folgendes sagen: Sie wissen weder, was diese neuen Straßen kosten werden, noch, wer sie finanziert. (Zwischenbemer­kung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) Sie haben gesagt, Sie haben mit dem Land noch nicht geredet, ob es vielleicht dazuzahlt. Also was den Bund diese neuen Straßen kosten werden, wissen Sie noch nicht – oder haben Sie vielleicht doch schon mit dem Land geredet?

Sie wissen nicht, was es bringt, und Sie wissen nicht, welche Änderungen in abseh­barer Zeit eintreten werden und wie sich diese Änderungen auswirken werden. Es ist nicht berücksichtigt eine PKW-Maut, es ist nicht berücksichtigt eine City-Maut. Der Benzinpreis ist in den Unterlagen mit 40 Cent angegeben; das finde ich irrsinnig span­nend, dass man Berechnungen und Prognosen erstellen kann mit einem Benzinpreis von 40 Cent! Und Sie treffen eine Entscheidung ohne die nötigen Grundlagen und ohne die Berücksichtigung der Umwelt – deshalb können wir diese Entscheidung auch nicht mittragen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, das kann ich nicht kürzer sagen.

Da Sie jetzt noch nachsetzen mussten, muss ich leider auch noch nachsetzen. (Rufe bei der ÖVP: Ganz kurz!)

Ich könnte Ihnen jetzt auch noch die Einwände des Umweltministeriums genau vorle­sen. (Ruf bei der ÖVP: Bitte! Ich bitte darum!) Ich hätte das an und für sich schon vor­gehabt, aber es reicht mir, wenn ich dem Herrn Staatssekretär eine Stellungnahme des VCÖ zu den geplanten Straßenbauprojekten mitgeben kann. (Die Rednerin überreicht Staatssekretär Mag. Kukacka besagte Stellungnahme.) Vielleicht kann man das auch noch mit einfließen lassen, denn auch der VCÖ ist der Überzeugung, dass Hochleis­tungsstraßenbau nicht die ideale Verkehrslösung ist in Zeiten wie diesen, wo man überhaupt nicht weiß, wie sich der Verkehr künftig entwickeln wird, Benzinpreis-Erhö­hungen, et cetera, et cetera. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.59


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. – Bitte.

 


14.59.43

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit der gegenständlichen Novelle wer­den, wie bereits erwähnt, weitere hochrangige Straßen ins Bundesstraßen-Verkehrs­netz aufgenommen.

Zur Kollegin Kerschbaum möchte ich doch zwei Sätze sagen. Erstens: Wenn Sie mei­nen Ausführungen zuhören, dann werden Sie verstehen, warum wir zustimmen wer­den. Zweitens in Richtung des Herrn Staatssekretärs: Es wurden sehr wohl seitens der SPÖ, und zwar durch den Nationalratsabgeordneten Heinz Gradwohl, im Verkehrsaus­schuss Fragen an den Herrn Staatssekretär gerichtet, nämlich inwieweit flankierend in den öffentlichen Verkehr investiert wird und inwieweit der Belastung auf den Straßen entgegenwirkende Maßnahmen gesetzt werden. Soviel ich weiß, Herr Staatssekretär, stimmt das.

Nun zu meinen eigentlichen Ausführungen: Als einer, der im Bezirk Murau, und zwar in Scheifling, wohnt und tagtäglich das Teilstück der B 317 – zukünftig S 37, Klagenfurter Schnellstraße – von Klagenfurt über St. Veit an der Glan und Friesach nach Scheifling,


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die dann als S 36 Murtal-Schnellstraße von Scheifling nach Judenburg, wo die Auto­bahn beginnt, weiterführt, benützt, weiß ich, was sich dort abspielt. Kollege Kampl weiß es auch, er benützt dieses Teilstück auch tagtäglich.

Nichtsdestotrotz, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir – Gemeinden, politisch Verantwortliche – uns bemüht um den Ausbau der B 317 von Scheifling bis zur Kärntner Landesgrenze beziehungsweise um die Aufnahme dieses Teilstückes so­wohl auf steirischer als auch auf kärntnerischer Seite in das höherrangige Straßenver­kehrsnetz. Das Teilstück von Scheifling bis zur Kärntner Landesgrenze wird zukünftig ein zentrales Stück sein, nämlich ein Nadelöhrstück. Dabei muss man bedenken, dass bei der Schnellstraße von Judenburg bis Scheifling – weil ich Herrn Dipl.-Ing. Lückler hier sehe, möchte ich erwähnen: 2008 Baubeginn, bereits zwei Jahre Verzögerung – spätestens 2011 mit der Fertigstellung zu rechnen ist. Das wurde uns zugesichert. Des Weiteren muss angeführt werden, dass Kärnten relativ rasch von Klagenfurt beginnend Richtung steirische Grenze das Straßennetz ausbaut. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt wieder den Vorsitz.)

Was heißt das? – Das Teilstück Scheifling – Dürnstein in der Steiermark –, Kärntner Landesgrenze, 25 Kilometer lang, wird vorerst als Bundesstraße geführt, aber als Teil eines höherrangigen Straßenverkehrsnetzes; dort fahren PKWs und LKWs. Das heißt, von Wien bis nach Palermo wird es ab 2011 eine Autobahn geben. Aber vorerst sind dort 25 Kilometer Bundesstraße. (Zwischenruf des Bundesrates Mitterer.) Ich komme gleich auf dieses Thema zu sprechen, Herr Kollege.

Wir wissen aber auch, dass – und da spreche ich vor allem Sie an, Herr Bundesrat Mit­terer – Jörg Haider 2003 aus seiner Sicht erfolgreich die Herausnahme dieses Teilstü­ckes von Judenburg bis Klagenfurt aus dem seinerzeitigen Generalverkehrsplan er­wirkt hat. Er hat das erwirkt, weil er glaubte, dass er damit ein Road-Pricing umgehen kann. Aber jetzt stellt er sich hin und sagt: So, jetzt bauen wir! (Bundesrat Ing. Kampl: Das glaube ich nicht!) Kollege Kampl, das ist nachlesbar. Ihre Kärntner Freunde wer­den Ihnen dies auch bestätigen.

Wie gesagt: 25 Kilometer Nadelöhr, von der rechten Seite Autobahn, von der linken Seite Autobahn, dazwischen fünf Gemeinden, die auf normaler Bundesstraße durch­quert werden. Derzeit befahren zirka 12 000 PKWs und 2 000 LKWs täglich diese Stre­cke. Das verfügte Nachtfahrverbot wird kaum eingehalten, und die Exekutive hat zu wenige Beamte, um dieses Verbot rigoros überprüfen beziehungsweise überwachen zu können.

2004 wurde die LKW-Maut eingeführt. Doch seit das Road-Pricing eingeführt wurde, gibt es immer mehr Mautflüchtlinge. Der LKW-Ausweichverkehr über mautfreie Bun­desstraßen hat drastisch zugenommen und ist weiter im Steigen. Knapp 70 Prozent dieser 2 000 LKWs kommen aus Polen, aus der Ukraine, aus Rumänien und aus Russ­land. Auf dem Weg von Wien oder woher auch immer in Richtung Süden ersparen sie sich als höchste Erhebung den Perchauer Sattel mit 1004 Metern. Des Weiteren erspa­ren sie sich zirka 50 Kilometer Road-Pricing-Strecke, wenn sie diese Ausweichstrecken benützen.

Das heißt aber auch, dass durch die LKWs die Straßen wesentlich stärker beansprucht werden und es somit zu teuren Renovierungsarbeiten kommt, die derzeit von den Län­dern vorgenommen werden müssen.

Wenn nun aber auch das Teilstück Scheifling bis Klagenfurt in das Bundesstraßenver­kehrsnetz aufgenommen wird – und da wissen wir, wie mir auch Herr Dipl.-Ing. Lückler bestätigen wird: Planung plus Bau etwa zehn bis 15 Jahre nach Meinung der Experten bei diversen Veranstaltungen –, dann kann diese Belastung der Bevölkerung für diese Dauer nicht zugemutet werden. Daher hat der Steiermärkische Landtag in seiner letz-


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ten Sitzung folgenden einstimmigen Beschluss gefasst: Die zuständigen Behörden werden aufgefordert, umgehend eine sicherheitstechnische Überprüfung der B 317 zwischen Scheifling und der Landesgrenze nach Kärnten durchzuführen, auf deren Basis in der Folge zur Senkung der Gefahren für die Bevölkerung bestehende Sicher­heitseinrichtungen verbessert werden sollen. Des Weiteren werden die Stellen aufge­fordert, den gesamten Straßenabschnitt einer lärmtechnischen Untersuchung zu unter­ziehen und geeignete Schallschutzmaßnahmen zu setzen.

Wenn entsprechende Emissionswerte überschritten werden, dann kann beziehungs­weise sollte ein Fahrverbot verhängt werden. Daher wird auch der Bund aufgefordert, zusätzliche Infrastrukturmittel den Ländern bereitzustellen, und zwar sowohl der Steier­mark wie auch Kärnten, damit diese lärmtechnischen Maßnahmen durchgeführt wer­den können.

Des Weiteren soll eine rasche Bemautung der B 317 erfolgen, um damit den so ge­nannten LKW-Mautflüchtlingen einen Riegel vorzuschieben.

Darüber hinaus sollte man vor allem für das Teilstück von Judenburg, wo es bereits eine Planung bis Scheifling gibt, auf Seiten der ASFINAG weitere Überlegungen hin­sichtlich anderer Trassenführungen anstellen.

Herr Staatssekretär! Ich darf Ihnen ein Papier übergeben, in welchem Überlegungen von namhaften Tunnelplanern enthalten sind, und ich darf Sie ersuchen, sich das ein­mal anzuschauen und die ASFINAG zu beauftragen, eine Kosten-Nutzen-Rechnung anzustellen und zu sagen, ob das möglich oder nicht möglich ist. (Der Redner übergibt das oberwähnte Schriftstück Staatssekretär Mag. Kukacka.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen dieser Gesetzesnovelle zu, sehr wohl wissend, wie problematisch das alles ist, aber die Bevölkerung in den erwähnten Gebieten hätte, wie ich bereits erwähnt habe, kein Verständnis, wenn wir dagegen auf­treten würden. Daher unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

15.09


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bader. – Bitte.

 


15.09.14

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Zunächst einmal: Keine Angst, von mir gibt es heute kein Papier für den Herrn Staatssekretär. – Ich möchte zur geplanten Änderung des Bundesstraßen­gesetzes aus meiner Sicht einige Anmerkungen machen.

Die Frau Kollegin Kerschbaum tut mir schon ein bisschen Leid, weil schon mein Vor­redner auf ihre Ausführungen eingegangen ist und ich das jetzt auch in einer gewissen Hinsicht tun muss. Ich bin eigentlich schon sehr verwundert, dass die Grünen die Men­schen überhaupt nicht in ihre Überlegungen mit einbeziehen. (Bundesrat Schennach: Nur die Menschen!)

Das glaube ich nicht, lieber Kollege Schennach, denn wenn die Kollegin Kerschbaum hier gesagt hat, der Ablehnungsgrund für sie sei der, dass die Kosten sehr hoch sind, dann denke ich mir: Wo werden da die Interessen der Menschen, die dort an diesen Strecken entlastet werden sollen, berücksichtigt? Das sind dort Situationen, die unzu­mutbar sind, wie mein Vorredner schon ausgeführt hat.

Es gibt da Straßenstücke, wo es zu Situationen kommt, die für die Anrainer nicht lustig sind, die unzumutbar sind, wo es schwierig ist, über die Straße zu kommen. Ich lade Sie alle ein, einmal eines dieser Straßenstücke, zum Beispiel die B 20 im Bereich


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Spratzern, im Bereich St. Georgen, zu überqueren. Dass das nicht einfach ist, das wer­det ihr dann dort sicherlich sehen.

Was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist das Argument, dass die von dieser Geset­zesänderung ausgehenden Straßenbaumaßnahmen auf den Wirtschaftsstandort keine Auswirkungen hätten, dass das ein Märchen sei. Ich halte vielmehr das für ein Mär­chen, was Sie hier erzählt haben. Denn: Die Tatsachen liegen ja auf der Hand, näm­lich: Bessere Verkehrsanbindungen bringen auch eine Verbesserung des Wirtschafts­standortes mit sich. Nicht bloß dort, wo der Beginn und das Ende des höherrangigen Straßenzuges ist, boomt die Wirtschaft. Es gibt aus Niederösterreich zwei gute Bei­spiele dafür, die hier angeführt werden können.

So hat im Umfeld der A 1 – kein neues hochrangiges Straßenstück – eine wirtschaft­liche Entwicklung in großem Ausmaß stattgefunden, und zwar alleine schon dadurch, dass Autobahnanschlussstellen geschaffen wurden, wie beispielsweise in Böheimkir­chen, wo die Abfahrt von der A 1 ist. Was sich dort derzeit an wirtschaftlicher Entwick­lung tut, ist großartig. Gleiches gilt für die Region beim Autobahnanschluss in Loosdorf westlich von St. Pölten, wo sehr viel an Möglichkeiten für die Menschen dort geschaf­fen wurde.

Nächster Punkt: Ich glaube eigentlich überhaupt nicht, dass zwischen Schiene und Straße Konkurrenz herrschen soll, sondern meine vielmehr, dass sie einander ergän­zen müssen. (Bundesrätin Konrad: Wo ist die Schiene?) Wir haben von der Topogra­phie her in Österreich teilweise Gegenden, wo es keine Bahnverbindungen gibt. Ich komme aus solch einem Gebiet. So gibt es zum Beispiel am Annaberg in Mitterbach keine Bahnverbindung, die wirtschaftlich leistungsfähig ist, um den Gütertransport vor­nehmen zu können. Daher ist es ganz einfach notwendig, hier entsprechende Maßnah­men zu setzen.

Aus der Sicht eines niederösterreichischen Bundesrates kann ich nur sagen, dass heute mit dieser Änderung des Bundesstraßengesetzes wirklich ein guter Tag für Niederösterreich gegeben ist, weil damit drei Straßenstücke, nämlich die Marchfeld­schnellstraße, die Weinviertelschnellstraße und die Traisentalschnellstraße, in das Bundesstraßengesetz aufgenommen werden, und zwar mit einem Kostenvolumen von rund 1 Milliarde €, wobei der Bund den Ausbau übernehmen wird.

Dieser Beschluss hat mehrere Auswirkungen und bringt zahlreiche Vorteile. Das ist zum einen die Anbindung an die Nachbarländer und zum anderen eine Verbesserung der Wirtschafts- und Standortqualität, wie wir aus entsprechenden Berechnungen ent­nehmen können. Es entstehen während des Baues entsprechend viele Arbeitsplätze. Diese sind zugegebenermaßen nicht dauerhaft, aber es gibt im Zuge der Verbesse­rung der Infrastruktur Möglichkeiten, Betriebsansiedlungen durchzuführen.

Dadurch steigt aber auch die Verkehrssicherheit. Ich denke da vor allem an die B 20, die Bundesstraße von St. Pölten Richtung Süden, eine Strecke, die mich ganz beson­ders interessiert. Daher habe ich dort eine Plattform ins Leben gerufen, und diese wurde von der Wirtschaft und von den Menschen dort in großartiger Art und Weise unterstützt, denn dort sind auch sehr viele Pendler negativ betroffen von einer Bundes­straße, auf der im jahresdurchschnittlichen Tagesverkehr 17 000 Fahrzeuge unterwegs sind. (Bundesrätin Kerschbaum: Haben die keinen Zug?) – Auch die Fahrzeiten wur­den verbessert. Das ist auch schon geschehen. Es ist also nicht nur im Straßenbereich etwas geschehen. Aber man braucht natürlich dort, wo ein Bahnhof ist und wo man vielleicht einen Arbeitsplatz hat, auch entsprechende Verbindungen.

Wie gesagt, dass die Verkehrssicherheit erhöht wird, ist sehr wesentlich. Andererseits ist es aber auch ganz wichtig, dass die Anrainer entsprechend geschützt werden, etwa


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durch wirksame Lärmschutzmaßnahmen. Das wurde in den Vorgesprächen schon si­chergestellt.

Bei der Traisentalschnellstraße gehen die Auswirkungen in mehrere Richtungen. Zum einen geht es da um eine Verbesserung der Situation im ländlichen Raum südlich der Landeshauptstadt und um eine Anbindung an die Landeshauptstadt selbst und zum anderen um Wirtschaft und Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe und im Bereich des Tourismus. Da gibt es einige sehr positive Einrichtungen, die in den letzten Jahren geschaffen wurden. Diese Gesetzesänderung wirkt sich auch dahin gehend aus, dass Betriebe, die schon überlegt haben abzuwandern beziehungsweise die den Betrieb in die Landeshauptstadt St. Pölten, wo sie einen zweiten Standort haben, verlegen woll­ten, in der Region bleiben und planen, diesen Standort auszubauen. Das ist also eine massive Investition für die Verbesserung der Lebensqualität der Menschen.

Ich habe das bei der Debatte zum Gesetz über die Strategische Prüfung schon ange­sprochen: Wir haben in der Region, aus der ich komme, laut der letzten Volkszählung Gemeinden mit einem Bevölkerungsminus von über 20 Prozent, weil es dort ganz ein­fach nicht möglich ist, Betriebe hinzubekommen, Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist auch nicht zumutbar, aus diesen Gegenden täglich in die Landeshauptstadt oder in andere Regionen, wo Arbeit angeboten wird, zu pendeln.

Durch diese Gesetzesänderung wird auch die Unfallhäufigkeit eine entsprechende Senkung erfahren, und daher bin ich sehr froh, dass wir das heute beschließen. Ich darf mich dafür beim Herrn Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll und auch beim Herrn Vizekanzler, der sich vor Ort die Situation angeschaut hat und überrascht darüber war, wie viel Verkehr es da an einem normalen Wochentag gibt, sehr herzlich bedanken.

Ich denke, dass dies gerade für die Region südlich der Landeshauptstadt St. Pölten eine historische Entscheidung ist – mit Entwicklungsmöglichkeiten und Entwicklungs­chancen für die Menschen in dieser Region, die heute noch gar nicht zu erahnen sind.

Ich möchte mich abschließend auch noch bei allen aus dem Bereich der Wirtschaft und aus dem Bereich der Pendler, die diese Plattform B 334 unterstützt haben, recht herz­lich bedanken. Mit weit mehr als 400 Unterstützungen – auch bei der Strategischen Prüfung – und mit nicht einmal einer Hand voll negativen Stellungnahmen ist das, mei­ne ich, für diese Region eine sehr gute Entscheidung. (Beifall bei der ÖVP.)

15.17


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich bitte, die Bestimmungen der Geschäftsordnung einzuhalten. – Bitte.

 


15.17.55

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin, selbst­verständlich werde ich die Bestimmungen einhalten. – Der Kollege Bader hat gemeint, dass die Grünen in ihrem Protest nicht an die Menschen denken. Das ist unrichtig!

Denn: Durch dieses Gesetz kommt es zu einem subjektiven Nachbarschutz, und unter den subjektiven Nachbarschutz fallen unzumutbare Belästigungen nicht hinein. Im § 7 Abs. 3 letzter Satz heißt es – ich zitiere –:

„Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung von Beeinträchtigungen sind nur zu ergreifen, wenn dies im Verhältnis zum Erfolg mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand erreicht werden kann.“ 

Damit widerspricht sich Ihre Aussage!

Die Grünen denken hier sehr wohl in erster Linie an die Menschen, die nämlich da­durch wesentliche Beeinträchtigungen, gerade was den Faktor Lärm betrifft, zu erwar-


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ten haben. Die dagegen zu stellenden Maßnahmen werden nur unter diesem Aspekt gesehen. (Beifall bei den Grünen.)

15.19


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


15.19.12

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir diskutieren heute über ein ganzes Paket, über Infrastrukturgesetze und Maßnahmen, die wichtig sind, denn es ist nicht zu verleugnen, dass zwar Österreich ein wunderschönes Urlaubsland ist, aber auch ein stark frequentiertes Transitland. Deshalb muss auch für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer und auch für die Entlas­tung der Bewohner ständig gesorgt werden, und das erfordert natürlich auch ständige Anpassungen.

Aus dem Bundesstraßengesetz, das jetzt gerade zur Diskussion steht, möchte ich nur einen Part herausnehmen. Ich habe mir gerade deshalb statt dem Bundesadler das Kärnten-Abzeichen angesteckt. Es muss auch legitim sein, als Bundesrat Interessen der Bundesländer zu vertreten – in dem Fall des eigenen Bundeslandes.

Ich bin sehr froh, dass mit diesem neuen Gesetz auch das Bundesstraßennetz erwei­tert wird, vor allem was den Ausbau der B 317 zwischen Klagenfurt und Scheifling in der Steiermark als Schnellstraße betrifft. Da arbeiten die Steirer wieder einmal sehr gut mit uns zusammen. Das ist eine Teilstrecke, die täglich von 14 000 PKWs und 1 600 LKWs befahren wird, und eine sehr unfallträchtige Strecke. – Das wissen Sie aus den Berichten der letzten Jahre. Es sind immer sehr schwere Unfälle mit meist töd­lichem Ausgang.

Der Kampf um den Ausbau dieser Strecke ist schon ein längerer. Wenn einer meiner Vorredner gemeint hat, dass Landeshauptmann Haider gegen den Ausbau dieses Teil­stückes war, dann hat er nicht ganz die Wahrheit gesagt beziehungsweise entspricht das nicht ganz den Tatsachen, denn die Bedenken, die wir immer wieder gehabt haben und auch weiterhin haben werden, betreffen die Bemautung verschiedener Strecken in Österreich, denn das führt immer zu Ungerechtigkeiten innerhalb Österreichs. Ich den­ke an die Sondermauten der Tunnel, die bewirken, dass manche Bundesländer nichts zu zahlen haben – zum Beispiel, wenn man von Linz nach Salzburg fährt – und man in anderen Fällen zu zahlen hat, wenn man etwa von Salzburg nach Villach fährt.

Es besteht also weiterhin Skepsis, wenn Teilstrecken errichtet werden und dann mit der Begründung, dass das eben Geld kostet, auch Mauten eingeführt werden. Das war der Grund, der damals dazu geführt hat, dass der Landeshauptmann – allerdings ge­meinsam mit der ÖVP in der Steiermark und mit der ÖVP auf Bundesebene – ebenfalls skeptisch eingestellt war.

Letztlich ist es allerdings Landesrat Dörfler mit Unterstützung des SPÖ-Bürgermeisters Mock aus Sankt Veit bereits 2003 gelungen, sich vehement Gehör zu verschaffen. Er wurde in Wien von einem Vorarlberger angehört, und zwar von Vizekanzler Gorbach, der die Sorgen und Nöte erkannt hat. Dass danach einige, die vorher auch skeptisch waren, auf den Zug aufgesprungen sind und gesagt haben, dass sie eigentlich auch schon immer für den Ausbau waren, ist eine andere Sache.

Herr Staatssekretär! Ich glaube, Sie waren dann letztlich auch ein vehementer Befür­worter. (Bundesrat Schennach: Ein Aufspringer! Bundesrat Reisenberger: Hop-On, Hop-Off!) Aber jeder, der die Projekte, die uns zum Vorteil gereichen, befürwortet, ist uns recht, auch wenn er vorher – genauso wie der Herr Landeshauptmann – nicht offi-


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ziell vehement dafür eingetreten ist. Man kann in der Politik und auch sonst im Leben immer wieder gescheiter werden.

Der Infrastrukturminister und Vizekanzler Gorbach hat jedenfalls diesem Thema seine Aufmerksamkeit geschenkt. An dieser Stelle möchte ich aber auch hinzufügen, dass es überhaupt seit dem Beginn dieser Koalition im Jahre 2000 eine bessere Streuung gibt, was die Finanzierung von Projekten österreichweit anbelangt. Wir stellen fest, dass diese Wien-Lastigkeit beziehungsweise die Schwerpunktsetzung auf Wien und die Um­gebung von Wien abgelegt worden ist und dass wir heute gleichberechtigte Partner sind.

Ich verweise darauf, dass gerade in Kärnten im Bereich von Infrastrukturmaßnahmen in der jüngsten Vergangenheit und in der Zukunft viele Projekte verwirklicht wurden be­ziehungsweise werden. (Bundesrat Gruber: Kärnten wird übervorteilt! Koralmtunnel! Wörtherseebühne! Förderung vom Bund! Millionen Abgänge!) – Ja, aber wir haben Geld für Kärntner Projekte gesichert, auch bereits für die Zukunft. Das hätte es früher unter einer sozialdemokratischen Regierung nie gegeben. (Ah-Rufe bei der SPÖBundesrat Molzbichler: Der Schuldenstand ist so hoch wie noch nie! Ruf bei der SPÖ: Ins gemachte Nest setzen!) Da haben wir jahrelang auf die so genannte Touris­mus-Milliarde, auf die Infrastruktur-Milliarde gewartet – jahrelang! Seit 2000 hat sich das geändert. Nicht alles kann man machen, das ist keine Frage, aber es hat sich eini­ges geändert.

Der Koralmtunnel kommt und auch der zweiröhrige Ausbau der Tauernstrecke. – Wenn wir schon bei den Grünen sind: Ich meine damit auch den Ausbau der Tauernbahnstre­cke. (Bundesrat Gruber: Wirtschaftlicher Nonsens, der Koralmtunnel!) Das sind alles Dinge, die unter einer SPÖ-Regierung für Kärnten niemals gesichert worden wären. (Ruf bei der SPÖ: Semmering!)

Ich bedanke mich deshalb abschließend dafür, dass dieses Projekt Schnellstraße Kla­genfurt bis in die Steiermark realisiert wird und hoffe, dass dieses Nadelöhr, als das es sich nach wie vor darstellt, in Kürze beseitigt wird. Das wird ein wichtiger Beitrag für die Verkehrssicherheit der Benützer – aller Verkehrsteilnehmer – sein, aber natürlich auch eine Entlastung für die Einwohner und für die Bevölkerung in diesem Raum. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl sowie Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

15.25


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


15.25.25

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich werde nicht – so wie die Grünen heute – den Generalverkehrsplan neu erfinden. Das kann ich mit Sicherheit angeben. Mit der vorliegenden Bundesstraßengesetz-Novelle beschließen wir wichtige infrastrukturelle Maßnahmen, mit der Voraussetzungen ge­schaffen werden, dass der Wirtschaftsstandort Österreich noch stärker ausgebaut und gesichert wird und die Wettbewerbsfähigkeit steigt. Das ist unbestritten, und Österreich wird auch noch vom Center for European Reform mit einem Top-Drei-Platz als Wirt­schaftsstandort mit höchster Wettbewerbsfähigkeit ausgezeichnet. Das heißt es zu halten beziehungsweise auszubauen.

Herr Kollege Schennach! Zu Ihrer tatsächlichen Berichtigung: Wenn es um die Men­schen geht, dann geht es auch der ÖVP und meiner Fraktion um die Menschen. Wenn nämlich tagtäglich 17 000 Fahrzeuge durch ein Ortsgebiet fahren, dann geht es um die Menschen, und wenn man diese Menschen mit einer Umfahrungsstraße, mit einer neuen Straße entlasten kann, dann geht es wirklich um die Menschen. (Bundesrätin


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Kerschbaum: Umfahrungsstraße wollen wir eh!) Das muss uns auch etwas wert sein, denn genau diese Menschen sind betroffen, und die werden durch diesen Straßenbau auch entlastet. – Darum ging es dem Bundesrat Kollegen Bader! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Zur ASFINAG: Das ist eine Erfolgsgeschichte – auch für die Bauwirtschaft! (Bundesrat Gruber: Da krieg’ ich eine Gänsehaut!) Das bedeutet, dass nicht nur in die Infrastruk­tur investiert wird, sondern da geht es auch um sehr viele Arbeitsplätze. Herr Kollege Gruber! Das ist doch auch für Sie jedes Mal ein besonderes Thema.

Wir hören von Ihnen – und das müssen Sie bei Ihren Ausführungen auch in Betracht ziehen – jedes Mal Vorhaltungen bezüglich der Arbeitslosenzahlen. Jedes Mal wird das Problem wieder neu aufgewärmt. Das ist auch richtig, weil wir uns wirklich für Arbeits­plätze einzusetzen haben. Genau diese Straßenbaumaßnahmen – dieser Ausbau des Wirtschaftsstandortes Österreich – sind auch arbeitsplatzschaffende und arbeitsplatz­erhaltende Maßnahmen. Deshalb muss es uns auch wichtig sein, die Bauwirtschaft entsprechend zu fördern.

Wenn Sie, liebe Kollegin Kerschbaum, davon sprechen, dass in der Bauwirtschaft be­ziehungsweise in der Wirtschaft und gerade bei diesen Ausbauten keine nachhaltigen Arbeitsplätze gesichert werden, dann ist das aber geradezu logisch. Welche Straßen­baustelle hat nachhaltige Arbeitsplätze? – Kaum eine! (Bundesrätin Kerschbaum: Sag’ ich ja!)

Während der Bautätigkeit gibt es intensivst Arbeitsplätze, und danach zieht die Bau­wirtschaft weiter, weil es neue Projekte umzusetzen gibt. Aber dass man mit Straßen­bauprojekten hunderte oder tausende nachhaltige Arbeitsplätze schafft, das ist, glaube ich, wirklich ein Märchen. – Das kann nur ein Märchen sein!

Zu Ihren Ausführungen, was den Ausschuss anbelangt: Im Ausschuss haben wir wirk­lich über einen längeren Zeitraum hindurch ausführlich diskutiert, und wir haben auf fast alle unsere Fragen entsprechende Antworten erhalten. Da können Sie wirklich nicht behaupten, dass Ihr Fragenkatalog im Ausschuss nicht beantwortet wurde, denn der war entsprechend umfassend – fast so umfassend wie Ihre Rede heute im Plenum. Das kann ich in aller Form anmerken. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Wir sind grund­sätzlich!)

Aber eine grüne Baustelle, wie Sie es vorhaben, die gibt es nicht. Es gibt keine Bau­stelle mit grünen Wiesen und vielleicht Schmetterlingen, aber ohne Bautätigkeit. Eine solche grüne Baustelle, wie sie Ihnen vorschwebt, können wir mit derartigen Baumaß­nahmen natürlich nicht bieten. Das geht einfach nicht. (Bundesrat Schennach: Eine Wiese ist keine Baustelle!) – Ja, eben. Das schwebt Ihnen als grüne Baustelle vor, und das ist eben nicht umzusetzen. (Bundesrätin Kerschbaum: Das finde ich interessant, was mir alles vorschwebt!) – Ja, offensichtlich, denn der Succus Ihrer Ausführungen war: am liebsten eine grüne Baustelle, keine Bautätigkeit, kein Straßenbau. Da kann man nur zu diesem Schluss kommen, liebe Kollegin!

Ich komme auf das zurück, was das Land Vorarlberg gegen diesen Gesetzesantrag eingewendet hat, und zwar konkret den § 10 Abs. 2 betreffend, Länder und Gemeinden und andere juristische Personen können Beiträge zu Planung, Bau oder Erhaltung von Bundesstraßen an die Bundesstraßenverwaltung leisten.

Das Land Vorarlberg hat in der Stellungnahme vom 17. Oktober kritisiert, dass diese Bestimmung zu hart ausgeführt ist. Dann wurde die Bestimmung entschärft, als danach der Bund die Durchführung von Ausbaumaßnahmen von Beiträgen anderer Gebiets­körperschaften hätte abhängig machen können – ich zitiere –, „wenn der überwiegende Nutzen für den Bund nicht erwiesen werden kann“.


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Mit Schreiben vom 6. März dieses Jahres wurde auch die entschärfte Bestimmung ab­gelehnt und das unberücksichtigt gebliebene Verlangen auf Verhandlungen nach dem Konsultationsmechanismus wiederholt geäußert, weil nämlich zu erwarten ist, dass diese Bestimmungen von Seiten des Bundes dazu genützt werden, von den Ländern und Gemeinden Kostenbeiträge einzufordern.

Auf Grund der nicht informativen Kostendarstellungen und des für das Land zu erwar­tenden Mehraufwandes wurde außerdem die Aufnahme von Verhandlungen verlangt. Derartige Verhandlungen wurden bisher nicht durchgeführt, was den Verdacht aufkom­men lässt, dass wir nicht ganz ernst genommen werden, was wir Vorarlberger als staatstragendes Bundesland angesichts unserer Verdienste um die standhafte Vertei­digung der EU-Außengrenze und angesichts der damit verbundenen Verkehrsproble­matik aber sicher verdienen würden.

Wir werden trotz der kritischen Betrachtung dieser Gesetzesnovelle selbstverständlich zustimmen, weil sie für viele betroffene Gebiete von Österreich wichtige infrastruktu­relle Maßnahmen und Impulse bringt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.31


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Einwallner. – Bitte.

 


15.31.41

Bundesrat Thomas Einwallner (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte mich eigentlich nicht zu Wort melden, da meine beiden Vorredner seitens der ÖVP schon sehr viel Richtiges gesagt haben, aber da ich von der grünen Fraktion und überhaupt von dir, Herr Bundesrat Kaltenbacher, am Schluss sehr enttäuscht worden bin, habe ich mir gedacht, ich muss mich doch noch einmal zu Wort melden. (Bundesrat Kaltenbacher: Das möchte ich jetzt wissen! Bundesrätin Bachner: Was hat er denn angestellt?)

Faktum ist, dass durch dieses Gesetz eine jahrelange Forderung des Bezirkes Murau – nämlich die Aufnahme der B 317 in das Bundesstraßennetz – erfüllt wird. – Wenn aber dann du als Bundesrat, der aus Murau stammt, dem Staatssekretär eine Mappe mit einem Plan für ein Tunnelsystem übergibst, das nicht nur schwer finanzierbar ist (Bun­desrat Kaltenbacher: Das weißt ja du nicht! Wir sind ja keine Experten!), sondern das auch – so entnehme ich das den Medien, zum Beispiel der „Murtaler Zeitung“ (Bundes­rat Kaltenbacher: Ich habe ja nicht die Meinung der „Murtaler Zeitung“!) – um den Be­zirk Murau herum führt, also nicht durch Murau durch oder bei Murau vorbei, sondern um Murau herum, wenn du als Abgeordneter aus Murau so ein Projekt unterstützt, dann wissen wir auch schon, wie weit es mit einer „unabhängigen“ Bürgerinitiative her ist, die dieses Projekt unterstützt.

Da wissen wir, woher der Wind weht, und ich bin dankbar dafür, dass du dich heute ge­outet hast, dass die SPÖ hinter dieser Bürgerinitiative gegen den Bezirk Murau steht. So schaut es aus! Leider kann ich dir den Vorwurf nicht ersparen, denn dein Handeln hat das ganz klar gezeigt. (Beifall bei der ÖVP. Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ. Bundesrat Molzbichler: So viel Blödsinn habe ich überhaupt noch nie gehört!)

Zu den Grünen vielleicht noch ein Wort: Es gab auf diesem Stück leider schon viele Todesfälle auf Grund von Unfällen. Dass natürlich eine bessere Infrastruktur auch für einen wirtschaftlichen Aufschwung einer Region sorgt, ist ja hoffentlich wohl auch in der grünen Fraktion unumstritten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.33



Bundesrat
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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat Kaltenbacher hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.34.09

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Ich kann das so nicht im Raum stehen lassen. Kollege Einwallner! Entweder du warst draußen, oder du hast Stöpsel in den Ohren. (Bundesrat Molzbichler: Wie so oft!)

Ich habe mit diesem Schriftstück gebeten, sich einmal um die Plausibilität zu kümmern und sich einmal anzuschauen, ob dies oder jenes möglich ist. Das darf ich wohl. Wir wissen – und das haben wir auch immer in unseren Stellungnahmen gesagt –, die Straße führt durch drei Naturschutzgemeinden, und weiters grenzt sie an das Na­tura 2000-Gebiet. Ein Teilstück der Mur – von Unzmarkt nach Scheifling – müsste um 500 Meter verlegt werden.

Es geht jetzt darum, zu überprüfen, ob das möglich ist – nicht mehr und nicht weniger. Der Bezirk Murau wird deswegen nicht ausgespart – überhaupt nicht! Es gäbe Anbin­dungsstellen. Bei so einem Riesenprojekt mit weit über 100 Millionen € Kosten muss es doch möglich sein, sich auch diese Variante einmal anzuschauen. – Nicht mehr und nicht weniger fordere ich.

Du sagst, ich bin gegen den Bezirk. Ich weißt nicht: Wenn du die Meinung der „Murta­ler Zeitung“ vertrittst – die vertrete ich nicht. Wir vertreten die Bürger! (Beifall und Bra­vorufe bei der SPÖ.)

15.35


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Mag. Kukacka. – Bitte.

 


15.35.48

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind heute einige grundsätzliche Fragen zur Verkehrspolitik angespro­chen worden, und ich möchte daher ganz kurz darauf eingehen.

Zum einen glaube ich doch – bei aller Selbstbescheidenheit – feststellen zu können, dass diese Regierung mehr für den Straßenbau und für den Infrastrukturausbau insge­samt gemacht hat als alle vorhergehenden. Es werden nämlich derzeit doppelt so viele Mittel zum Beispiel für den Straßenbau in Österreich eingesetzt – insbesondere für den hochrangigen –, wie das noch vor sechs oder sieben Jahren der Fall war. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Wir haben mit der LKW-Maut und mit der PKW-Vignette auch ein selbstfinanzierendes System für das hochrangige Straßensystem geschaffen, weil diese Straßen nicht mehr aus dem Budget finanziert werden, sondern vom Nutzer. Es hat jetzt jeder österreichi­sche Staatsbürger zum Großteil selbst in der Hand, dafür zu sorgen, ob er einen Bei­trag dazu leistet oder nicht, ob er nur mit der Bahn und mit anderen öffentlichen Ver­kehrsmitteln fährt – dann braucht er nämlich überhaupt nichts dazu beizutragen – oder ob er selbst mit dem PKW fährt – Frau Kollegin Kerschbaum ist auch PKW-Fahrerin, wie sie erklärt hat – und damit einen entsprechenden Beitrag zum nutzerfinanzierten Ausbau des hochrangigen Straßensystems leistet. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber ich bin heute mit dem Zug da! Bundesrat Schennach: Mit der Vignette ...!) – Selbst­verständlich! Sie wissen so gut wie ich, dass insbesondere der Infrastrukturausbau ein Ausbau in die Zukunft ist und dass diese Autobahnen selbstverständlich in 10, 20 oder 30 Jahren noch immer nutzbar sind, noch immer Geld hereinspielen werden und sich noch immer refinanzieren werden, aber natürlich jetzt gebaut und bezahlt werden müs­sen. (Bundesrat Schennach: Dann kommt wieder die Sanierung!)


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Das ist eigentlich eine ganz simple volkswirtschaftliche Sache, die völlig unproblema­tisch und auch betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich vollkommen unbestritten ist. Es ist selbstverständlich klar, dass diese Straßen – auch die, deren Bau wir heute beschließen – insgesamt natürlich einen großen Vorteil für den Standort Österreich bringen und auch für jene Regionen, in denen wir jetzt bauen. Durch die Verdoppelung der Infrastrukturausbauten, die wir vorgenommen haben, und das Geld, das wir dafür investieren, werden 10 000 Arbeitsplätze gesichert.

Meine Damen und Herren! Wir hören immer wieder gerade auch von der Opposition, dass in die Infrastruktur investiert werden soll, und das machen wir in einem hohen, überdurchschnittlichen Maße – jedenfalls weit mehr, als das in der Vergangenheit der Fall war. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich ist das eine politische Entscheidung. Dazu bekennen wir uns auch. Der Infra­strukturausbau und der Bau der Straßen, den wir heute beschließen, werden insge­samt positive Auswirkungen haben. Das gilt bei Abwägung aller Vor- und Nachteile, denn natürlich gibt es auch Nachteile, insbesondere für unmittelbare Anrainer. Das wollen wir ja gar nicht bestreiten. Bei einer politischen Abwägung aller Vor- und Nach­teile überwiegen jedoch die Vorteile, und deshalb ist es politisch, verkehrspolitisch, standortpolitisch vernünftig und richtig, diese Straßen zu bauen.

Ich beglückwünsche auch alle Politiker, die heute den Mut haben, sich zu diesem Aus­bau zu bekennen, der insgesamt Vorteile bringt, aber direkt Betroffene solche Maßnah­men oft auch sanktionieren. Hinzufügen möchte ich aber, dass wir uns mit allen moder­nen technischen Möglichkeiten bemühen, diesen Ausbau so umwelt- und so sozial- und so lärmverträglich wie nur irgendmöglich zu gestalten. Fast nirgendwo in Europa werden Straßen so aufwendig wie in Österreich gebaut, meine Damen und Herren, weil wir einen solchen Aufwand betreiben, um sie lärmverträglich, um sie umweltver­träglich zu machen. (Beifall bei der ÖVP.) Es gibt kein Land in Europa, der Europäi­schen Union, und davon können Sie sich überzeugen, wenn Sie durch Europa fahren, in dem so viel in den Lärmschutz investiert wird wie im hochrangigen Straßensystem Österreichs, meine Damen und Herren. Ich glaube also sagen zu können, dass alles in allem die Vorteile bei weitem überwiegen.

Und wenn Sie schon der Meinung sind – und das frage ich die Grünen –, dass der Autoverkehr so hoch wie möglich belastet werden soll, dann sollten Sie auch sagen, ob Sie für die PKW-Maut sind oder nicht, und sich nicht immer um diese Entscheidung herumdrücken. Wenn Sie der Meinung sind, der Straßenverkehr soll so hoch wie mög­lich belastet werden, um zum Beispiel die Alternativen dazu wie den öffentlichen Ver­kehr in Relation zu verbilligen, dann sagen Sie das auch, aber drücken Sie sich nicht um diese Entscheidung herum, meine Damen und Herren! Das halte ich nämlich nicht für eine faire und ehrliche Politik. (Bundesrätin Kerschbaum: Sind Sie dafür?)

Ich möchte abschließend festhalten, dass natürlich auch die Länder, weil auch das heute angesprochen wurde, für die Aufnahme dieser neuen Straßen einen Beitrag leis­ten müssen. Ich halte fest: Der vorliegende Gesetzentwurf bringt keine generelle Mit­verpflichtung Dritter. Es ist nur eine Kannbestimmung enthalten, und damit wird ledig­lich die in den letzten Jahren, im letzten Jahrzehnt bereits praktizierte Vorgangsweise festgeschrieben, gemäß der insbesondere bei besonders teuren Straßenprojekten und bei Projekten mit hohem regionalen und lokalen Nutzen finanzielle Beiträge Dritter eingefordert werden. Das ist jetzt bei der Hanson-Kurve der Fall, und das mit Recht, weil es sich bei diesem Stück um das bisher teuerste Autobahnteilstück handeln wird, das wir jemals in Österreich gebaut haben und das selbstverständlich auch einen hohen regionalen und lokalen Nutzen hat. Ich erinnere daran, dass in Oberösterreich, in Linz bei der Einhausung Bindermichl rund ein Viertel der Kosten von der Stadt Linz


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und vom Land Oberösterreich finanziert worden ist, weil es sich auch dort vor allem um ein lärmschutzorientiertes Projekt mit hohem lokalem Nutzen gehandelt hat.

In diesem Sinn, meine Damen und Herren, bedanke ich mich bei all jenen, die diesem Gesetz zustimmen. Es ist ein Gesetz, das dazu beitragen wird, den Standort Öster­reich auch in Zukunft wettbewerbssicher zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP und der Bun­desräte Ing. Kampl, Mitterer und Vilimsky.)

15.44


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet: Frau Bun­desrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.44.26

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Einige Bemerkun­gen sind in der Debatte gefallen, auf die ich doch eingehen möchte. Kollege Bader bei­spielsweise hat gemeint, die Grünen würden jetzt nur mehr auf die Wirtschaft schauen und nicht auf die Gesundheit der Menschen. In dem Fall kann ich nur sagen: Du kannst mir nicht wirklich zugehört haben, denn ich habe gesagt, dass der Anrainerschutz nicht gewährleistet ist. Ich habe gesagt, dass die subjektiven Rechte nicht gewährleistet sind. Du hast zwar ein Recht zu klagen, wenn du durch die Straße zu Tode kommst, du hast aber kein Recht dazu, wenn du dich durch den Lärm oder die Emissionen be­lästigt fühlst, die die Straße verursacht. Da hast du in Wirklichkeit keine Rechte: Die hattest du vorher nicht, und die hast du künftig nicht. Du kannst mir jetzt also nicht vorwerfen, dass wir jetzt auf die Gesundheit der Menschen nicht mehr achten, sondern nur mehr auf das Geld. (Beifall bei den Grünen.)

Dass ich vorhin so detailliert auf die wirtschaftlichen Gesichtspunkte eingegangen bin, liegt an der Begründung dieses Gesetzes, denn in der steht nämlich, dass diese Stra­ßen gebaut werden sollen, weil das so tolle wirtschaftliche Auswirkungen auf Öster­reich haben wird. Wir bekommen ja dadurch angeblich so viele neue Arbeitsplätze. Wie gesagt: 200 000 hätte die ÖVP mit dem BAWAG-Geld geschaffen bei 2,3 Milliarden €. Jetzt habe ich gerade gehört: 10 000 sind es bei der Straße. (Staatssekretär Mag. Ku­kacka: Sagen die Roten!) – Nein, nein, das steht auf euren Plakaten, nicht auf den roten! Kennen Sie Ihre Plakate nicht? Interessant! – Also für 2,3 Milliarden € sind es 10 000 Arbeitsplätze, und ich bin der Meinung, dass es sehr viele andere Möglichkei­ten gibt, mit 2,3 Milliarden € Arbeitsplätze zu schaffen, und zwar sehr viel mehr Arbeits­plätze als durch den Straßenbau. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Bader: Das ist doch eine Hin- und Herrechnerei!) – Nein, das ist keine Hin- und Herrechnerei!

Du hast vorhin erwähnt, dass sich an den Autobahnabfahrten so viele tolle Betriebe an­siedeln würden. Ich erlebe das auch, auch wir haben „schöne“ neue Autobahnabfahr­ten. Dort siedeln sich die üblichen kleinen Einkaufszentren an, und das ist an und für sich nicht das, was ich für erstrebenswert halte. Wir kennen das von der Diskussion um die S1. Da gibt es in Gerasdorf ein riesengroßes, tolles Einkaufszentrum, das sich an­siedeln wird. Dort gibt es dann neue Arbeitsplätze, aber in Wien oder in der Umgebung werden dadurch wahrscheinlich Arbeitsplätze verschwinden, weil Einkaufszentren be­kanntlich Arbeitsplätze nur verlagern und keine neuen schaffen. (Ruf bei der ÖVP: Es gibt auch Beispiele, wo das keine Einkaufszentren sind!)

Was deine Anmerkung betrifft, dass es ein Märchen wäre, dass in erster Linie die End­punkte einer Autobahn von den Autobahnen profitieren: Dazu gibt es Studien, dazu kann ich dir gerne einen Link schicken. Wenn du mir eine Studie schicken kannst, in der nachgewiesen wird, dass Autobahnen wirklich konkrete positive Auswirkungen auf die Regionen haben, dann schick sie mir bitte auch. Ich kenne nämlich keine. Ich kenne nur Studien, die besagen, dass man es nicht gleichsetzen kann. Man kann sich


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drauf freuen, man kann es erträumen, man kann aber nicht davon ausgehen, dass, wenn ich ein Stück Autobahn baue, deshalb dort Arbeitsplätze entstehen. Und was gerade in Niederösterreich, gerade in unserer Region noch dazukommt, ist, dass wir bereits Feinstaubsanierungsgebiet sind. Es wird daher Probleme geben für neue Betriebe, oder? Du hast doch auch das IG-L gelesen, soweit ich weiß. In dem steht nämlich, dass es dort keine zusätzlichen Belastungen geben darf. Wie willst du dann neue Betriebe eröffnen? (Bundesrat Schennach: Außerdem gibt es dann auch noch die Alpenschutzkonvention!)

Der Herr Staatssekretär hat uns soeben ganz erfreut mitgeteilt, dass im Straßenbau derzeit doppelt so viele Mittel wie bisher ausgegeben werden. Ich frage mich: Wo bleibt dann der Bahnausbau? Wann kommt endlich die Bahnanbindung nach Tschechien und in die Slowakei? Wann kann ich endlich nach Znaim fahren in einer vernünftigen Frequenz, also nicht nur alle 4 Stunden, sondern vielleicht alle 2 Stunden im Takt. Wann geht der letzte Zug von Wien nach Hollabrunn? Der geht um 9 Uhr, und das erst seit die Gemeinde Hollabrunn etwas dazuzahlt, damit noch ein letzter Zug eingescho­ben wird. Sonst kann ich nämlich nur mehr um 8 Uhr öffentlich von Wien nach Holla­brunn fahren, und das ist wohl wirklich nicht Sinn und Zweck der Sache und auch nicht zufriedenstellend für die Pendler. Da müssen die Gemeinden aber schon dazuzahlen, und das sehe ich überhaupt nicht ein. Wo bleibt also bitte die Investition ins öffentliche Verkehrsnetz, wenn dem Straßenbau doppelt so viele Mittel wie bisher zur Verfügung gestellt werden? (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es stimmt schon: Auch ich habe ein Auto. Ich weiß nicht, warum das den Grünen im­mer so besonders vorgehalten wird. Ich kann mich auch outen: Ich habe einen Dai­hatsu Cuore, und der schluckt ganze 5 Liter Benzin. Dennoch entspricht der Motorisie­rungsgrad in unserer Familie keineswegs dem allgemeinen Schnitt von 715 Autos pro 1 000 Einwohnern; diesen Motorisierungsgrad haben wir also noch nicht erreicht und werden wir auch nicht erreichen. Das Problem ist eben, dass der öffentliche Verkehr nicht mehr ausreichend zur Verfügung steht. Ich komme zwar nach Wien noch ganz gut ohne Auto, aber nach St. Pölten ist es schon ein großes Problem. Also: Wo steht der öffentliche Verkehr? Wo gibt es eine Unterstützung für eine Pendlerin, die vielleicht nach St. Pölten muss und nicht nach Wien? Die kann nämlich am Abend auch nicht mehr heim. Wenn sie vielleicht nicht um 6 Uhr zu arbeiten aufhört, gibt es für sie kei­nen Bus mehr von St. Pölten nach Korneuburg beispielsweise.

Sie haben gesagt, dass es ein sich selbst finanzierendes System ist. Kollege Schenn­ach hat bereits eingeworfen: Natürlich werden die Straßen jetzt gebaut, und die Maut­einnahmen kommen dann laufend herein, wenn noch Autos fahren, wenn der Benzin­preis nicht höher wird, wenn, wenn, wenn! – Das alles ist jetzt nicht berücksichtigt wor­den in Ihren Berechnungen. Aber gut: Nehmen wir einmal an, die Autos fahren weiter und die Straßen werden Mauteinnahmen abwerfen, so werden Sie trotzdem zwischen­durch einmal die Straßen auch sanieren müssen und werden auch weitere Aufwen­dungen haben. Eine wirkliche „Goldene Kuh“ ist es also nicht, die die ASFINAG da ge­schenkt bekommt, wenn sie Straßen bauen muss, ansonsten würde sie ja zum Beispiel gegen die S3 keine Einwendungen haben und sagen, dass es damit zu Einnahmenver­lusten kommen wird.

Sie haben gesagt, Sie bedanken sich für den Mut der Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und ÖVP, die diesem Gesetz zustimmen. Sie werfen mir mangelnden Mut vor, weil ich mich nicht zur PKW-Maut geäußert habe. Ich habe aber auch von Ihnen keine Äußerung zur PKW-Maut gehört. Ich habe sogar extra noch versucht, eine solche anzuregen, aber Sie haben jetzt auch nicht gesagt, ob Sie dafür sind oder dagegen.

 


Ich kann Ihnen aber schon auch meine persönliche Meinung ... (Vizepräsidentin Hasel­bach gibt das Glockenzeichen.)


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich möchte Sie bitten, die Privatge­spräche doch ein bissel leiser zu führen, denn es gibt ein paar, die die Rednerin hören wollen! (Bundesrat Gruber: Sie redet ohnehin mit dem Staatssekretär!)

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (fortsetzend): Ich kann Ihnen meine persönliche Meinung zur PKW-Maut sagen: Die Grünen sind nicht dafür, dass neue hochrangige teure Straßen gebaut werden. Dadurch wäre eine gewisse Kosteneinsparung gegeben.

Des Weiteren gibt es von den Grünen schon lange ein Programm, das sich ökosoziale Steuerreform nennt, das Kostenwahrheit auch für den Verkehr vorsieht. Es gibt ver­schiedene Möglichkeiten, zu dieser Kostenwahrheit zu kommen, allerdings sind als Ausgleich dazu Maßnahmen vorgesehen, damit auch die Lohnnebenkosten gesenkt werden und auch hier eine gewisse Kostentransparenz eintritt. Warum sollen wir uns also jetzt zu einer PKW-Maut äußern, wenn wir die neuen Straßen gar nicht bauen wol­len? Warum sollten wir uns überlegen, wie die ÖVP beziehungsweise die Regierungs­parteien inklusive SPÖ momentan die neuen Projekte, die sie sich haben einfallen lassen und die wir ablehnen, finanzieren sollen? Warum sollen jetzt wir sagen, ob wir das mit einer PKW-Maut finanzieren sollen oder nicht? Äußern doch Sie sich dazu, wie Sie es finanzieren wollen! Selbst finanzieren wird es sich jedenfalls sicher nicht! (Beifall bei den Grünen.)

15.52


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär Kukacka.

 


15.52.40

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Ich möchte es kurz machen, Frau Kollegin. – Ich denke, es ist wirklich unbestritten und auch rechtlich nachvollziehbar, dass jeder in Österreich An­spruch auf Lärmschutz hat. Es gibt ein entsprechendes Gesetz und es gibt Lärm­schutzrichtlinien, die genau festlegen, dass, wenn ein bestimmter Lärmpegel entsteht, es einen rechtlichen Anspruch gibt. (Bundesrätin Kerschbaum: Wo steht der?) –
Wo steht er? – Im Gesetz und in den entsprechenden Verordnungen! (Bundesrätin Kerschbaum: In welchem Gesetz?)

Wenn zum Beispiel am Tag eine Dezibelgrenze von 60 dB überschritten wird und in der Nacht eine von 50 dB, dann hat jeder bei Gesundheitsgefährdung den rechtlichen Anspruch, dass ein entsprechender Lärmschutz gemacht wird, und zwar an der Auto­bahn gegen den Lärm, der durch den Autoverkehr entsteht. Wo es einen solchen rechtlichen Anspruch allerdings nicht gibt, das ist zum Beispiel beim Eisenbahnverkehr. Und dort bekommen wir in Zukunft wahrscheinlich viel mehr Probleme als beim Auto­bahnbau und beim Lärmschutz an den Straßen, denn dort zahlen den Lärmschutz die Nutzer. Die Bahn kann sich einen so teuren Lärmschutz nicht leisten, weil sie nicht in der Lage ist, das selbst zu finanzieren oder ihre Nutzer damit zu belasten. Dort muss es auch in Zukunft der Steuerzahler finanzieren, damit das klargestellt ist. (Bundesrat Gruber: Autofahrer sind aber auch Steuerzahler!)

Wir alle wissen, und das ist ja eine volkswirtschaftliche Binsenweisheit, dass dort, wo eine moderne Infrastruktur besteht, sich auch entsprechende Arbeitsplätze ansiedeln. Es weiß jeder, dass wir in jenen Regionen Österreichs, wo es keine solche Infrastruktur gibt, auch eine große Schwäche bei den Arbeitsplätzen und bei den Betriebsansiedlun­gen haben. Und dass wir hier auch im europäischen Vergleich als Standort Österreich sehr gut liegen, besser liegen bei den Arbeitsplätzen, besser liegen beim Wirtschafts­wachstum als der Großteil Europas, liegt auch daran, dass wir in den letzten Jahren so massiv in die Verkehrsinfrastruktur investiert haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)


Bundesrat
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Wir machen das jedoch nicht nur bei den Straßen, wir machen das auch bei der Bahn. Auch bei der Bahn ist noch nie so viel investiert worden wie in den letzten zwei Jahren, meine Damen und Herren. 1,3 Milliarden € verbauen wir heuer mit entsprechenden In­vestitionen in den Bahnausbau. Ich brauche Ihnen jetzt die Projekte nicht alle aufzu­zählen vom viergleisigen Ausbau der Westbahn bis hin zu den neuen modernen Bahn­hofsprojekten, die entstehen. Wir tun das, weil wir die Bahn brauchen und weil wir sie wollen. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Ing. Kampl.)

Wir brauchen und wollen die Bahn, weil sie eine Alternative zur Straße ist und sein soll, wenngleich uns auch klar sein muss, dass der LKW und der PKW solche Systemvor­teile haben, insbesondere in der Flächenbedienung, dass die Eisenbahn dafür kein Er­satz sein kann, sondern sich eben nur für ganz bestimmte Verkehre eignet. In dem Zu­sammenhang müssen wir uns eben zum Beispiel überlegen, ob es einer vernünftigen Kosten-Nutzen-Relation entspricht, öffentlichen Verkehr, Eisenbahnverkehr auch in der Nacht, um 9 Uhr oder wann auch immer, in einem sehr intensiven Takt zu führen, weil wir eben für vier oder fünf Reisende dieses teure System nicht finanzieren können, es vor allem dem Steuerzahler nicht zumuten können, das zu finanzieren. Und deshalb muss hier ein vernünftiger Kompromiss gefunden werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Ing. Kampl.)

Wir investieren aber sehr viel in den öffentlichen Verkehr. Ich erinnere daran, dass wir derzeit an einem Verkehrskonzept für den öffentlichen Verkehr in ganz Österreich ar­beiten. Immerhin wenden Bund und Länder gemeinsam 2 Milliarden € zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs auf. Das ist mehr als in den meisten anderen Ländern Euro­pas. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Mitterer.)

15.57


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.58.2914. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion (Verkehrs-Ar­beitsinspektionsgesetz) und das Bundesgesetz über Seilbahnen (Seilbahnge­setz) geändert werden (1270 d.B. und 1379 d.B. sowie 7507/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Sodl übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


15.58.50

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
733. Sitzung / Seite 115

Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Techno­logie über den Beschluss des Nationalrats vom 29. März 2006 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Verkehrsarbeitsinspektion (Verkehrs-Ar­beitsinspektionsgesetz) und das Bundesgesetz über Seilbahnen (Seilbahngesetz) ge­ändert werden.

Der Bericht lieg Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Daher erübrigt sich dessen Verle­sung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 19 April 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Es liegen hiezu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.00.2815. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend Akte zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patent­übereinkommen) vom 5. Oktober 1973, zuletzt revidiert am 17. Dezember 1991, samt den beiden Beschlüssen des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 (1281 d.B. und 1380 d.B. sowie 7508/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat wieder Herr Bundesrat Sodl übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


16.01.00

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend Akte zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europäi­sches Patentübereinkommen) vom 5. Oktober 1973, zuletzt revidiert am 17. Dezember 1991, samt den beiden Beschlüssen des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragsstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 19. April 2006 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Es liegen hiezu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.02.2616. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (752/A und 1308 d.B. sowie 7475/BR d.B. und 7501/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tages­ordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Frau Bundesrätin Mag. Knoll übernommen. Ich bitte sie um den Bericht.

 


16.02.53

Berichterstatterin Mag. Gertraud Knoll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Sie haben ausführlich und schriftlich den Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft vom 19. April 2006 über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird, vor sich. Ich darf mich auf den Antrag kon­zentrieren.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft somit den Antrag, der Bundesrat wolle beschließen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird, mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Baier. – Bitte.

 


16.04.01

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Kukacka darf also die Vertretung der Frau Bundesminister übernehmen. Er ist ja als ehemaliger ÖH-Vorsitzender der Johannes-Kepler-Universität auch mit Sicherheit bestens dafür geeignet; er ist auch immer für seine inhaltlichen bildungspolitischen Ansprüche bekannt gewesen.

Ich gebe zu, wir führen heute eine über weite Strecken einhellige und einstimmige De­batte; es ist im Haus auch relativ ruhig. Ich fürchte, ich muss jetzt diese Ruhe ein wenig stören (Zwischenruf des Bundesrates Gruber), weil wir doch zu einem sehr kontro­versiellen Thema kommen, das wir auch schon im Ausschuss des Bundesrates sehr intensiv diskutiert haben. Es geht darum, wie Österreich in Zukunft mit dem EuGH-Urteil und mit den Auswirkungen des EuGH-Urteils vom Juli 2005 umgeht und welche Schritte die Republik, insbesondere der Gesetzgeber, unternimmt, um die zweifelsohne negativen Auswirkungen wieder zurückzudrängen.

Ich möchte nur kurz etwas zum Sachverhalt sagen, weil viel debattiert wird, ohne die Fakten vorher klar auf den Tisch zu legen. Vor dem EuGH-Urteil – Sie alle wissen das, ich darf es einleitend nur feststellen – konnte in Österreich nur der studieren, wer auch in seinem Heimatstaat – ich formuliere es einmal so – eine Studienberechtigung nach­weisen konnte. Mit dem Urteil vom 7. Juli 2005 hat der Europäische Gerichtshof er­kannt, dass die bisherige Regelung eine Diskriminierung darstellen würde, und ist nicht


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auf die Argumentation der österreichischen Vertreter eingegangen, dass durch eine Änderung dieser Zulassungen ein massiver Zustrom deutscher Studenten zu befürch­ten ist. Der EuGH erkannte das Argument mit der Begründung nicht an, das seien nur Schätzungen, ihm lägen keine Beweise vor.

Das ist natürlich bedauerlich, und so kam es letztlich zu diesem EuGH-Urteil, worauf die Bundesregierung und der Gesetzgeber mit einer Ermächtigung für die Universitäten reagiert haben, wonach die Universitäten, an denen die acht Numerus-clausus-Stu­dienrichtungen – um diese geht es ja im Wesentlichen – unterrichtet beziehungsweise angeboten werden, ermächtigt werden, für den Zeitraum von drei Jahren entweder vor der Zulassung oder nach der Zulassung zum Studium ein Aufnahmeverfahren durchzu­führen. Das ist sehr wichtig: 2005 hat man die Universitäten dazu ermächtigt, für die nächsten drei Studienjahre entweder vor der Zulassung oder nach der Zulassung zum Studium ein Aufnahmeverfahren durchzuführen.

Warum sage ich das? – Es ist in der parlamentarischen Diskussion immer wieder auch der freie Hochschulzugang ein Thema, und dabei kritisiert die Opposition immer wie­der, dass der freie Hochschulzugang durch diese Regelung gefährdet wäre. Jetzt muss man aber wissen, dass diese Ermächtigung vorsieht, entweder vor der Zulassung oder nach der Zulassung zum Studium ein Aufnahmeverfahren durchzuführen, und keine Universität hat dies vor der Zulassung getan!

Daher ist es meiner Ansicht nach nicht richtig, von einer Zugangsbeschränkung zu re­den, da es solche Zugangsbeschränkungen nicht gibt. Das Auswahlverfahren findet, wenn überhaupt, erst nach der Zulassung statt, also nachdem man zu studieren be­gonnen hat. Es ist wichtig, dass auch das herausgearbeitet wird, denn da wird sehr schnell klar, dass es keinesfalls um Zugangsbeschränkungen geht, sondern in der kon­kreten Ausformung immer nur um eine Art von Bewährung und auch um eine Art Leis­tungsstandard in diesem Bereich.

Für die Numerus-clausus-Fächer – dass es acht an der Zahl sind, habe ich erwähnt –, das heißt, für diese Studienrichtungen wurde also diese Ermächtigung, diese Möglich­keit geschaffen. Im laufenden Studienjahr 2005/2006 ist es nun dazu gekommen, dass wir insbesondere in den Studienrichtungen Human- und Zahnmedizin einen massiven Zustrom deutscher Studenten zu verzeichnen haben. Also genau das, was Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof argumentiert hatte, nämlich, dass es einen massi­ven Zustrom geben wird – was aber der Europäische Gerichtshof nicht anerkannt hat, und zwar mit der Begründung, das dies nur Schätzungen seien –, ist nun eingetreten!

Daher war es klarerweise notwendig und, darauf aufbauend, jetzt auch möglich, dies­bezüglich eine neue Regelung zu schaffen. Warum sage ich das? – Das ist auch inso­fern wichtig, als wir über den Bestand dieser Regelung diskutieren, darüber, ob diese Regelung in Zukunft vor dem EuGH halten wird. Nunmehr wird der EuGH wohl nicht mehr sagen können, dass diese Argumentation nicht beweisbar sei, denn jetzt sind das keine Schätzungen mehr, sondern Tatsachen, Fakten, die klar auf dem Tisch liegen. Diese zeigen ganz klar, dass es einen massiven Zustrom deutscher Studierender in diesen beiden Studienrichtungen gibt.

Worum geht es bei dieser „Safeguard-Regelung“? – Da muss man zwischen diesen beiden Blöcken trennen: dem Bereich, in dem es einen Zustrom deutscher Studieren­der gab, nämlich in der Human- und Zahnmedizin, und jenem Bereich, eben den übri­gen Studienrichtungen, in dem es gar keinen Zustrom oder jedenfalls nur einen in sehr geringem Maße gab.

Für jenen Bereich, in dem es einen massiven Zustrom gab, liegt der Vorschlag vor, die so genannte „Safeguard-Regelung“ einzuführen. Dabei handelt es sich um die Rege­lung, dass 95 Prozent der Studienplätze für EU-Bürger reserviert sind, und davon wie-


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derum 75 Prozent für die Inhaber von österreichischen Reifeprüfungszeugnissen; die übrigen 5 Prozent sind für Nicht-EU-Bürger vorgesehen.

Gleichzeitig, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wurde die Zahl der Studienplätze in den beiden Studienrichtungen Human- und Zahnmedizin von 1 250 auf 1 500 ange­hoben. 75 Prozent von zukünftig 1 500 Studienplätzen entsprechen dem Ausmaß, das auch vor dem Studienjahr 2005/2006 gegeben war. Das heißt, mit dieser Regelung ge­lingt es, dass wieder, wie vor dem Studienjahr 2005/2006 – also noch vor dem EuGH-Urteil –, die gleiche Zahl an Studienplätzen für Österreicherinnen und Österreicher zur Verfügung stehen wird. Das ist der entscheidende Inhalt dieser „Safeguard-Regelung“, darauf kommt es wesentlich an.

Zum Punkt EU-Konformität: Die Opposition hat kritisiert – auch in der Begründung zu diesem Antrag –, dass es der Bundesregierung nicht gelungen sei, sicherzustellen, dass die EU-Kommission diese Regelung anerkennt.

Bereits im Ausschuss ist von Beamten des Ministeriums ganz deutlich klargemacht worden, dass es natürlich nicht auf das Anerkenntnis der Kommission ankommt, son­dern Rechtssicherheit – das wissen wir ja alle in diesem Saale – kann es immer nur durch höchstgerichtliche, durch letztinstanzliche Entscheidungen geben; das ist nicht nur Juristen bekannt. So kann es diese Absicherung eigentlich gar nicht geben, denn dazu müsste ja wieder ein EuGH-Urteil vorliegen. Aber da diese Regelung noch gar nicht beschlossen ist, kann es dazu natürlich auch kein Urteil geben.

Sehr wohl jedoch gibt es Hinweise, Fakten und Argumente, die meiner Ansicht nach deutlich aufzeigen, dass diese Regelung, und zwar zu einem sehr, sehr hohen Pro­zentsatz, halten wird: zum einen deshalb, weil diese Regelung mit Vertretern der EU-Kommission, mit EU-Rechtsexperten und mit Experten aus den Partnerländern Deutschland und Belgien erarbeitet wurde, und zum anderen deswegen, weil im Übri­gen auch Belgien in einer ähnlichen Situation ist – da geht es um den französischspra­chigen Teil Belgiens – und auch Belgien den gleichen Weg wie Österreich geht, um sein Hochschulsystem abzusichern.

Das heißt: Das ist eine ausgesprochen gute Ausgangssituation, und die Argumente sind mehr als plausibel, sodass diese Regelung wahrscheinlich auch vor dem EuGH halten wird.

Zur Ermächtigung für die weiteren Zulassungsverfahren – also dass nicht nur zum einen die „Safeguard-Regelung“ eingeführt wird, sondern diese Ermächtigung für die Universitäten auch für die verbleibenden zwei Jahre erhalten bleibt – ist es notwendig, dass man diese Zulassungsverfahren weiterhin den Universitäten zugesteht, um auch in den nächsten zwei Jahren beobachten zu können, ob es zu einem stärkeren Zu­strom aus Deutschland in den übrigen Numerus-clausus-Fächern kommt. Das heißt also, es ist notwendig, dass auch die Zulassungsverfahren erhalten bleiben.

Darauf beruft sich ja auch die Opposition in ihrem Antrag, genau das sind ihre Kritik­punkte: einerseits was das Bestehen dieser Regelung vor dem Europäischen Gerichts­hof anlangt und andererseits diese Zulassungsbestimmungen. – Nochmals: Beides ist notwendig, um an den Universitäten und in diesen bestimmten Studienrichtungen ein Studieren für junge Österreicherinnen und Österreicher auch in Zukunft gewährleisten zu können.

Mit der heute hier zur Diskussion stehenden Gesetzesvorlage ist es gelungen, und zwar einerseits mit der „Safeguard-Regelung“ und andererseits aber auch mit dem Weiterbestehen der Zulassungsbeschränkungen, dass die Studienplätze für die jungen Menschen in unserem Land gesichert sind.


Bundesrat
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Ich kritisiere massiv – ich habe das auch schon im Ausschuss getan –, dass die Oppo­sition nicht nur in der letzten Ausschussrunde sozusagen ein Stellungnahmeverfahren eingeleitet hat, in dem noch einmal eine Reihe von Institutionen zu Wort gekommen sind, sondern jetzt sogar dazu übergegangen ist, Einspruch gegen diesen Gesetzesbe­schluss zu erheben. Das ist insbesondere deswegen zu kritisieren, weil die Unsicher­heit, die infolge des EuGH-Urteils ohnehin schon gegeben ist, dadurch sicherlich nicht vermindert wird, sondern in ihrem Fortbestehen gefördert wird.

Meine Damen und Herren! Wenn man eine Regelung will, dann muss man eine solche auch auf den Tisch legen. Ich habe es schon im Ausschuss gesagt: Wenn die Opposi­tion darauf beharrt, diese Regelung abzulehnen, dann soll sie doch mit der Mehrheit in diesem Hohen Hause eine Alternative vorlegen und dann soll sie auch sagen: Nein, dieser Regelung können wir nicht zustimmen, wir legen aber mit der Mehrheit – und Rot und Grün haben die Mehrheit in diesem Hause – eine alternative Regelung vor!

Eine alternative Lösung sind Sie jedoch schuldig geblieben! Sie können sich auch nicht darauf berufen – wie Sie das im Ausschuss getan haben –, dass Sie „nicht die Suppe der Regierung auslöffeln“ möchten. Sie müssen sich schon dessen bewusst sein: Wenn Sie diese Regelung jetzt ablehnen, dann gibt es keine andere beziehungsweise tritt eine Regelung erst verspätet in Kraft! (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist das Wesentliche, und daher muss ich sagen, dass ich die Haltung der Opposi­tion in diesem Punkt überhaupt nicht verstehe.

Aus diesem Grunde bringe ich folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 GO-BR der Bundesräte Mag. Baier, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (752/A und 1308 d.B. sowie 7475/BR d.B. und 7501/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (752/A und 1308 d.B. sowie 7475/BR d.B. und 7501/BR d.B.), wird kein Einspruch erhoben.

*****

Ich appelliere eindringlich an die Opposition – da ja auch die große Mehrheit jener In­stitutionen, die Sie im Stellungnahmeverfahren befragt haben, dem zugestimmt hat –, darüber nachzudenken, ob sie nicht doch diesem Antrag zustimmen sollte, um damit Klarheit und Sicherheit für die jungen Menschen, für die Schülerinnen und Schüler Ös­terreichs herbeizuführen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

16.19


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Antrag der Bundesräte Mag. Baier Kolleginnen und Kollegen ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Neuwirth. – Bitte.

 


16.20.22

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! – Sehr geehrter Herr Kollege Baier, ich war jetzt wirklich schon gespannt, denn nach den Ankündigungen und Dro-


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hungen im Ausschuss habe ich mir gedacht, jetzt kommt’s, und ich muss mich wirklich warm anziehen. Aber in Wirklichkeit ... (Bundesrat Mag. Baier: Wer hat gedroht?) Die Drohung, dass ich mich in Acht nehmen und warm anziehen möge für das, was Sie mir heute zu sagen haben, ist protokolliert, falls Sie es vergessen haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP, der SPÖ und den Grünen.) Sie können es nachlesen. Jedenfalls habe ich jetzt in 15 Minuten langatmig nur das gehört, was Sie im Ausschuss in ungefähr sechs Minuten gesagt haben. Am Inhalt hat es nichts geändert, und überzeugt haben Sie sichtlich auch niemanden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute, und zwar nach einem Dreivierteljahr – eigentlich sind es schon zehn Monate, aber sagen wir einmal, nach einem Dreiviertel­jahr –, über einen Versuch, eine völlig ungeeignete und in ihren Auswirkungen auf die österreichischen Studierenden katastrophale Situation nach dem Ihrer Meinung nach ach so überraschenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes wenigstens in Teilberei­chen zu sanieren – einem Urteil, das in Wirklichkeit so überraschend nun doch nicht war.

Wenn Sie nur ein bisschen zurückgehen in die kurzfristig zurückliegende Geschichte dieses Bundesrates, dann werden Sie sich vielleicht daran erinnern, dass hier im Haus schon mehrere Male über die Androhung dieses Urteils diskutiert worden ist, dass wir schon mehrere Male angemerkt haben – nicht nur hier im Bundesrat, sondern auch im Nationalrat –, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Urteils sehr, sehr hoch ist, und die Aufforderung ausgesprochen haben, man möge sich doch überlegen, was denn dann passieren werde und was wir dann tun sollten beziehungsweise was die Regierung dann tun würde. Aber von Seiten der zuständigen Ministerin ist immer nur eines gesagt worden: So ein Urteil wird nicht kommen! Und es ist von uns nur eines gehört worden aus dem Ministerium: So ein Urteil wird nicht kommen! Man hat schlicht­weg den Kopf in den Sand gesteckt, man hat so getan, als ob nicht wäre, was ist. So ist dieses Schlamassel zustande gekommen. Und das kann niemand leugnen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Folge davon – das haben Sie nicht dargestellt – war nämlich eine mehr als Ver­zehnfachung von deutschen Studienanfängerinnen und Studienanfängern und natür­licherweise eine massive Verdrängung von StudienanfängerInnen mit einem in Öster­reich ausgestellten Maturazeugnis. In Graz zum Beispiel, Kolleginnen und Kollegen, sind die Zahlen der österreichischen Studierenden von 91 Prozent auf 44 Prozent zu­rückgegangen, und da ist wohl klar, dass dann dringender Handlungsbedarf geherrscht hat. Es hat allerdings neun Monate gedauert, bis mal endlich etwas vorgelegt worden ist, nämlich das, was wir heute vorliegen haben. – Dem Herrn Kollegen Bieringer scheint es auch nicht zu gefallen, was da von Seiten seiner Leute gesagt wird. (Bun­desrat Bieringer: Was, was, was?)

Mit dieser so genannte Quotenregelung für das Medizinstudium, die jetzt festgelegt werden soll, wonach 75 Prozent für InhaberInnen österreichischer Reifezeugnisse zur Verfügung gestellt werden sollen, 20 Prozent für solche Studierende, die aus den EU-Ländern kommen, und 5 Prozent für solche Studentinnen und Studenten, die von außerhalb der EU kommen, soll eines gelöst werden, nämlich eine schwerwiegende Störung der Homogenität des Bildungssystems. Das ist etwas, wovon auch wir schon immer geredet haben, aber zu diesem Zeitpunkt ist immer geleugnet worden, dass es zu einer solchen Störung kommt. Das kommt also jetzt. Ich führe nicht in jedem Detail aus, was wir ohnehin in unserem Antrag begründet haben, aber es kommt also jetzt zu dieser Möglichkeit, die von den Regierungsparteien stets bestritten worden ist, solange sie von der SPÖ verlangt wurde, nämlich eben durch diese „Safeguard-Klausel“ sicher­zustellen, dass zumindest dreiviertel der Studienplätze von Studierenden mit österrei­chischem Maturazeugnis in Anspruch genommen werden können.


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Wenn Sie den Kopf schütteln, dann haben Sie es nicht kapiert. Macht ja nichts. Aber, Herr Kollege Baier ... (Bundesrat Baier: Sie verstehen das nicht!) Lassen Sie mich ruhig ausreden, denn ich habe Ihnen auch 15 Minuten zugehört. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Baier.) Sie werden es gleich sehen. Es ist eine gesetzliche Quotenregelung – das ist das jetzt; zumindest für den Bereich Medizin wird das damit geschaffen –, die jetzt geschaffen werden soll, und dies trotz der Bedenken, die wir ha­ben. Natürlich haben wir Bedenken, ob die Zulassungsprüfung oder die Verfahren wirk­lich der Weisheit letzter Schluss sind. Ich nehme an, dass auch Sie Bedenken haben. Es haben ja auch die Ministerialbeamten, sogar die Ministerin Bedenken, denn es soll ja in eineinhalb Jahren von jetzt angerechnet überprüft werden, ob das überhaupt sinn­voll ist, ob das überhaupt so durchgeführt werden kann. Also es ist ja wirklich nur ein Versuch, hier etwas zu reparieren, was eben in Wirklichkeit eine Katastrophe bewirkt hat, eine so genannte Notlösung. – Gut. Schauen wir uns das an!

Aber was wir überhaupt nicht einsehen und deshalb mit Sicherheit nicht mittragen, sind diese so genannten Zulassungsbeschränkungen für die Studienrichtungen Biologie, Pharmazie, Psychologie, Tiermedizin, Betriebswirtschaft, Kommunikationswissenschaf­ten und Publizistik. Und auch wenn Sie noch so sehr versuchen, es hier herumzudre­hen, zu wenden und zu verklausulieren, es handelt sich natürlich um Zulassungsbe­schränkungen, denn wenn ich mit einem gültigen Maturazeugnis in der Tasche nicht an einer Universität zugelassen werde, dann ist das eine Beschränkung der Zulassung durch die Universität. (Bundesrat Mag. Baier: Woher haben Sie das?) Was soll es denn sonst sein, bitte schön? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es gäbe überhaupt keinen Handlungsbedarf, keinen akuten nämlich ... (Bundesrat Mag. Baier: Das ist unrichtig!) Macht ja nichts! (Bundesrat Konecny: Nein, nein! Sie hat Recht!) Schauen Sie, Herr Kollege, von der ÖVP haben sich ohnehin noch zwei sehr kompetente Redner zu Wort gemeldet, die werden das dann schon klarstellen. Sie brauchen mir nicht bei jedem Satz zu sagen, das ist unrichtig. (Bundesrat Schenn­ach – in Richtung ÖVP –: Der Kollege Schnider wird es bestätigen, dass sie Recht hat!) Der Herr Kollege Schnider, ja, und dann gibt es noch einen kompetenten Redner aus den Reihen der ÖVP. Also ich bin überzeugt davon, es wird schon richtig gestellt werden, auch wenn Sie es nicht nach jedem Satz sagen.

Lustig ist es nämlich nicht, Kolleginnen und Kollegen, sondern diese Frage ist ernst. Es geht in diesem Bereich unserer Meinung nach darum, die Zahl der Studierenden insge­samt zu beschränken, es geht um eine Erschwernis für den Universitätszugang, Herr Kollege Baier, und das lassen wir uns mit Sicherheit nicht von irgendjemandem weg­diskutieren. Es kann ja davon ausgegangen werden, dass es lediglich ungefähr 350 bis 400 Plätze sind, die fehlen, und angesichts der Tatsache, dass in diesen Studienrich­tungen ein Studienplatz wesentlich weniger Geldmittel erfordert als in der Humanme­dizin, liegt einfach der Schluss nahe, dass es nicht darum geht, diese Leute studieren zu lassen, sondern dass es darum geht, die nötigen Geldmittel eben nicht zur Verfü­gung zu stellen. Sie sollen ja nicht zur Verfügung gestellt werden, sondern erst ab dem Jahr 2007 und folgende, wenn es wahr ist.

Die Frage ist auch nicht geklärt für die betroffenen Studentinnen und Studenten, die keinen Platz bekommen haben und wieder keinen bekommen werden, denn es wird diese Beschränkungen geben. Es ist ja nicht so, wie Sie das sagen, dass das nicht beschlossen werden wird. Oder täusche ich mich und hat der Nationalrat jetzt nicht mehr der Möglichkeit des Beharrungsbeschlusses? Irgendwie weiß ich nicht recht, ob die in der Zwischenzeit verloren gegangen ist. Außer Ihre Wortmeldung bedeutet, es soll doch früher gewählt werden. Dann kann es natürlich sein, dass es nicht mehr geht. Das könnte sein. Wir werden das ja sehen. Jedenfalls kann es durchaus sein, dass


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diese Studierenden oder eben nicht Studierenden völlig unschuldig die Familien- und Studienförderung verloren haben. Und dafür gibt es auch noch keine Lösungen.

Deshalb sind wir der Meinung, dass diese Zugangsbeschränkungen sofort, und zwar wirklich sofort, fallen müssen, um Chancengleichheit herzustellen für alle, die in diesem Land studierwillig sind, und zwar unabhängig von ihrem Universitätsstandort, das heißt, unabhängig davon, wo sie wohnen.

Die Zugangsbeschränkungen sind außerdem auch noch vor einem anderen Problem zu sehen, das massiv auch von Seiten der Universitäten und der Universitätsprofesso­rinnen und -professoren immer wieder dargestellt wird, nämlich dass Österreich im in­ternationalen Vergleich immer noch eine sehr geringe AkademikerInnen-Quote hat. Unsere Quote liegt bei 35 Prozent, während im OECD-Ländermittel 53 Prozent eines jeden Maturajahrganges studieren. Da studiert also jeder Zweite. Zum plastischen Ver­gleich: in Österreich nur jeder Dritte, und das ist im Vergleich eine geringe Akademike­rInnen-Quote.

Ich weise nur darauf hin, dass im großen internationalen Vergleich Österreich mit 15 Prozent weit unter dem Schnitt von anderen Ländern wie den USA, Japan, Finnland et cetera liegt, mit denen wir uns ja auch in Konkurrenz befinden, denn Humankapital ist ein Kapital, das Österreich dringend benötigt.

Um zum Abschluss zu kommen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Bereits mit der Einführung der Studiengebühren wurde ein Weg beschritten, der systematisch da­zu führt, weniger Studierende an Österreichs Universitäten zu haben – und das bei einer, wie ich bereits ausgeführt habe, ohnehin sehr unzureichenden AkademikerIn­nen-Quote.

Die jetzt in diesem Gesetz vorgesehenen Zugangsbeschränkungen sind ein weiterer Schritt in diese Richtung, denn die Universitäten verfügen bekanntlich nach wie vor über zu wenig Mittel – das habe ich Ihnen letztes Mal von diesem Platz aus vorgele­sen; ich kann es Ihnen auch heute noch einmal vorlesen, falls Sie es vergessen ha­ben –, und das führt dazu, dass nicht jeder österreichische Maturant und jede österrei­chische Maturantin das studieren kann, was er oder sie will. Und das ist etwas, was wir nicht wollen, denn die Regierung betreibt damit eine Einschränkung der Zukunftschan­cen unserer Jugend. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wie wir, Herr Kollege Baier und werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, geden­ken, das Bildungssystem anders zu gestalten, als Sie das jetzt in den letzten Jahren gemacht haben, das habe ich Ihnen schon gesagt. (Bundesrat Mag. Baier: Wie denn?) Das habe ich Ihnen schon gesagt. (Bundesrat Mag. Baier: Wann erfahren wir Details?) Wann Sie das im Detail erfahren werden? (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Etwas zu verändern ist eine Drohung? – Gut. Sie rechnen damit. Das freut mich, denn Sie werden es nach der nächsten Nationalratswahl erfahren. Und deshalb bleiben wir heute bei unserem Einspruch. (Beifall bei der SPÖ.)

16.32


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Schnider. – Bitte. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Sie kommen mit einer roten Kra­watte?)

 


16.32.35

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Auch daran sieht man: Jeder sucht sich seine Krawatte selbst aus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In welcher Phase befinden wir uns nun als Bundesrat hinsichtlich dieses Themas? – Es wurde vertagt, weil es ganz konkret geheißen hat, es seien Stellung-


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nahmen einzuholen. Das ist passiert. Es ist nur schade, dass bis jetzt von diesen Stellungnahmen hier noch keine Rede war, denn ich glaube, man sollte sich ja selbst auch ein Stückchen ernst nehmen, sodass man, wenn man etwas auslöst, dann auch schaut: Wie sehen die Ergebnisse dazu aus? – Und das ist nicht uninteressant.

Erstens: Wir sind ja hier die Länderkammer, und wenn man sich die Stellungnahmen der Länder, die hier eingelangt sind, ansieht, muss man sagen, es ist schon interes­sant, dass die zu dieser Regelung „Ja“ sagen und positiv dazu stehen. Man denke hier konkret an die Gutachten von Vorarlberg, Tirol und Salzburg.  – Das ist die erste Grup­pe der Stellungnahmen.

Ich bin sehr dankbar, dass Sie auf diese Stellungnahmen gedrängt haben, weil wir da­mit ja auch unsere Qualität erhöhen und wir auch unsere Kompetenz – die Frau Kol­legin hat gerade von der Kompetenz gesprochen – dort wahrnehmen, wo sie richtig ist.

Zweite Gruppe: Es wurden die Bundesarbeitskammer und die Wirtschaftskammer ge­fragt. Beide haben sich positiv geäußert. Die Bundesarbeitskammer sagt ganz klar (Zwischenruf des Bundesrates Wiesenegg) – Moment, ich habe ja die Gutachten da –: Wenn diese Regelung EU-konform ist. – Ja selbstverständlich sagt das jeder, das ist ja vollkommen klar. Nur – Kollege Baier hat es ausgeführt –: Wenn man nun in einer schwierigen Situation auf unterschiedlichsten Ebenen eine Lösung sucht und von vorn­herein die EU-Gremien mit hinein nimmt, dann, bitte, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist das wohl am ehesten ein Weg, der zum Erfolg führt.

Und eine dritte Gruppe möchte ich noch einbringen – das ist meines Erachtens die am meisten betroffene; die anderen reden viel über etwas –, das sind die Rektoren. Da gibt es eine sehr interessante schriftliche Äußerung der Österreichischen Rektorenkon­ferenz vom 6. April 2006. (Bundesrätin Konrad: Und die ÖH nicht?) Es kommt dann auch noch die ÖH dran. Die habe ich natürlich auch noch in meinen Gruppen drinnen. Aber ich nenne jetzt bewusst die Rektoren, die in die Gruppe derer hineingehören, die am meisten betroffen sind, nämlich die Rektoren und die ÖH. Das sind nämlich wirklich die, um die es hier geht. (Bundesrat Schennach: Und die Studierenden!) Ich glaube, dass die ÖH die Vertreterin der Studierenden ist. Ich bin der Meinung sein, dass das auch tatsächlich so ist.

Die Rektoren sagen zu beidem ja. (Bundesrat Schennach: Aber es stehen ja noch welche vor der Türe von den Studierenden!) Ja, zu denen komme ich noch, die vor der Tür stehen.

Aber jetzt in aller Kürze: Die Rektoren sagen, dass das zu begrüßen ist, wie das hier ist. Sie unterstützen das und sagen auch in Bezug auf die anderen Fächer, sie sind froh und dankbar, dass das hier auf alle Fälle noch mit der Zwei-Jahres-Befristung bleibt, weil es noch zu wenig Ergebnisse gibt, wie sich das auswirkt. Und ich glaube, dass das eine sehr solide Stellungnahme ist.

Und die ÖH? – Da war ich auch sehr überrascht. Natürlich ist man dort skeptisch, kei­ne Frage, aber man sagt: Jetzt, in dieser Situation, wenn das EU-konform ist, bitte besser das als gar nichts.

Ich denke – so wie es ja auch schon mein Vorredner gesagt hat –, dass es wichtig ist, dass wir eine Lösung haben. Und da wollte ich wirklich nur einmal, ohne jetzt zynisch zu sein, in aller Ruhe sagen, was ich auch im Ausschuss schon gesagt habe: Ich glau­be, man macht es sich als Parlamentarier oder Abgeordneter, der ja nicht unmittelbar betroffen ist, oft zu einfach, wenn man sagt: Gut, diese Lösung nicht. Dann möchte ich aber gerne hören, wo andere Ansätze für eine andere Lösung sein könnten.

Hier wurden zwei Dinge von Seiten des Ministeriums eindeutig klargestellt. Das eine ist: Die Österreicher verlieren durch die Aufstockung der Studienplätze nichts an Plät-


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zen. Zweitens: Es passiert nicht das, was ja an den Universitäten jetzt schon passiert ist: dass es für unsere eigenen jungen Leute keine Plätze mehr gibt. – Genau das wollte man mit dieser Lösung jetzt klären. Und jetzt sage ich noch etwas: aber nicht ein für alle Mal – und es ist wichtig, auch das zu bedenken –, sondern jetzt.

Ich glaube zudem, man muss es gut evaluieren, und deshalb bin ich auch glücklich, dass die Betroffenen – sowohl die ÖH als auch die Rektoren – sagen, sie sind bereit, an weiteren Lösungsmodellen mitzuarbeiten. Ich glaube, genau um diese Kompetenz muss es uns hier auch gehen.

Ich lade daher wirklich dazu ein, dass wir zwar auf der einen Seite die Dinge schon kri­tisch wahrnehmen, aber auf der anderen Seite doch wenigstens auch zeigen, in wel­che Richtung es gehen soll. Es gibt ja genug Themenfelder hier im Haus, zu denen viele von uns oder jeder und jede von uns schon einmal einen Vorschlag gemacht hat: In die Richtung könnte es gehen.

Ich muss nur von meiner Seite her sagen: Bei all den Bedenken, die man hier auch ha­ben kann – wenn man etwa an die Stellungnahme des Volksanwaltes denkt, der zum Schluss sehr differenziert sagt, das eine oder andere ist natürlich zu bedenken –, glau­be ich doch, dass wir, wenn wir jetzt keine bessere Lösung auf dem Tisch haben und sowieso sagen, dass das auf einen ganz bestimmten Zeithorizont begrenzt und be­schränkt ist, uns hier – ich sage das jetzt ganz bewusst – dem kleineren Übel anschlie­ßen und sagen sollten: Wir akzeptieren diese Lösung. Sie ist gut zu evaluieren, und gemeinsam haben wir daran zu arbeiten, dass es in Zukunft vielleicht auch noch ganz andere Lösungen gibt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Und ich wollte noch einen Schlusspunkt sagen, weil das angesprochen worden ist, warum die Akademikerquote, die so gehuldigt worden ist, bei uns wahrscheinlich nied­riger ist: weil eben manche Studienentwicklungen erst jetzt auch bei uns hier Platz grei­fen und wir genau wissen, dass all das, was rund um Fachhochschulen und jetzt auch in Pädagogischen Hochschulen passiert, vorher in anderen Institutionen gelaufen ist und nicht als akademische Studien angerechnet worden ist. In anderen Ländern hat es aber diese Prozesse bereits lange gegeben, und zwar, wie wir auch wissen, mit ande­ren Graduierungen, egal ob das der MBA und so weiter ist. Wir wissen, dass das alles im akademischen Segment drinnen ist und deshalb auch die Prozentzahlen anders ausschauen.

Ich bin dafür, gemeinsam – wie auch die Vorrednerin gesagt hat – Kompetenz wahrzu­nehmen. Aber Kompetenz kann man am stärksten zeigen, indem man versucht, jetzt aus dem Gegebenen das Beste zu machen und in Zukunft gemeinsam nicht nur das eine oder andere zu evaluieren, sondern auch nach neuen Wegen, was Zulassung und Beschränkungen betrifft – und ich weiß, das ist immer wieder auch eine Gratwande­rung –, Ausschau zu halten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad.

 


16.40.19

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Baier und Kollegin Neu­wirth haben sich jetzt lange darüber unterhalten, ob Kollege Baier im Ausschuss tat­sächlich gedroht hätte, ob das eine Drohung gewesen sei, so zu verstehen sei oder nicht. – Ich fürchte mich nicht so schnell und ich fühle mich auch nicht so schnell bedroht, aber schwindlig geworden ist mir jetzt schon ein bisschen, nämlich bei Ihrem Versuch, zu erklären, dass das alles keine Zugangsbeschränkungen sind, von denen wir heute reden.


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Ich weiß schon, man kann Worte unterschiedlich interpretieren, aber ich glaube eigent­lich schon, dass freier Hochschulzugang in der normalen öffentlichen Wahrnehmung bedeutet, wenn ich etwas studieren will und die Matura bestanden habe, kann ich das auch studieren. Das war in Österreich so.

Das ist jetzt nicht mehr so, und insofern behaupte ich – und behaupten auch sehr viele Österreicherinnen und Österreicher, die vielleicht Medizin hätten studieren wollen und das nicht tun werden –: Ein freier Hochschulzugang ist das nicht mehr; es geht hier sehr wohl um Zugangsbeschränkungen, wie Sie es auch drehen und wenden.

Wir haben schon gehört, Österreich hat eine AkademikerInnenquote von 15 Prozent, der OECD-Durchschnitt liegt bei 24 Prozent, und jene Länder, die besonders gut sind, liegen bei über 30 Prozent. Es stimmt schon, dass es in anderen Ländern Berufsgrup­pen gibt, die akademisch sind, man kann aber jetzt nicht sagen, dann zählen wir jene in Österreich auch dazu, sondern diese müssen auch wirklich akademisch ausgebildet werden.

Das betrifft zum Beispiel nicht nur jene Personen, die an den Pädagogischen – jetzt neu – Hochschulen unterrichtet werden, das sähe ich eigentlich für alle Kinderbetreu­ungsberufe so. Auch Kindergärtnerinnen und Kindergärtner sollten durchaus eine aka­demische Ausbildung bekommen, denn das ist ein sehr verantwortungsvoller, wichtiger Job.

Ähnliches gilt für das Pflegepersonal. Es gibt sehr viele Berufsgruppen, die sehr wohl noch in eine Hochschulausbildung eingegliedert werden sollten, aber man kann jetzt nicht sagen, wir zählen diese Berufsgruppen einfach dazu, ohne dass es die entspre­chende Ausbildung gibt. Fakt ist, die AkademikerInnenquote in Österreich liegt bei 15 Prozent, und das ist im Durchschnitt wirklich erbärmlich niedrig. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Angesichts dieser Tatsache sollte man meinen, wir unterhalten uns doch einmal zur Abwechslung darüber, wie man (Unruhe bei der ÖVP) – ich hoffe, ich störe die Herren nicht – diese Quote anheben könnte. Ich habe ein paar Vorschläge gemacht. Ich finde, die Frage sollte sein: Wie erhöhen wir diese Quote? Wie schaffen wir es, dass mehr junge Menschen in Österreich Abschlüsse an universitären Einrichtungen machen? – Stattdessen reden wir über Beschränkungen, auch wenn es Herr Kollege Baier viel­leicht anders sieht.

Und wir reden nicht nur über Beschränkungen für deutsche Studierende, die österrei­chischen Studierenden den Studienplatz wegnehmen, sondern es geht auch um Be­schränkungen, die österreichische Studierende treffen, Beispiel Medizin. Hier ist zwar von einer Anhebung der Zahl der Studienplätze gesprochen worden, aber wie das fi­nanziert wird, ist nicht geklärt.

Sie sagen, es gibt jetzt mehr Studienplätze – wer sie allerdings bezahlt, das steht in den Sternen. Wir reden auch nicht nur über Beschränkungen im Fach Medizin, son­dern auch in anderen Fächern. Auch das ist schon erwähnt worden.

Zur Medizin. Es ist tatsächlich eine vertrackte Situation, und ich glaube nicht, dass es jetzt sozusagen „auf die Schnelle“ eine gute Lösung für diese Situation gibt. Alles, was nun unternommen wird, kann nur zur Überbrückung dienen, um ein wenig Zeit zu ge­winnen, in der man sich eine ordentliche, vernünftige und sinnvolle Lösung überlegt.

Aber wenn jetzt eine Zwischenlösung beschlossen werden soll, ohne dass es Überle­gungen gibt, wie denn eine langfristige Lösung, eine tatsächliche Verbesserung der Situation ausschauen sollte, dann, so glaube ich, ist das nicht besonders ernst zu neh­men. Im Ausschuss ist immer wieder betont worden, das sei eine befristete Lösung.


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Auf meine Nachfrage, wie denn der Prozess aussehe, um zu einer langfristigen Klä­rung zu kommen, hat man gesagt, man werde das evaluieren.

Ein bisschen mehr hätte ich mir schon erwartet, denn es ist doch logisch, dass man das evaluiert. Es steht auch im Gesetz, dass das evaluiert wird, aber so etwas wie einen Zeitplan, wie man dann weiter vorgeht und was denn eventuell für weitere Lö­sungen angedacht sind, gibt es wohl leider nicht.

Österreich hätte jetzt im Rahmen der EU-Präsidentschaft sehr wohl die Gelegenheit – in Klammern: gehabt –, diesbezüglich auch in der EU weiter tätig zu werden – es ist ein EU-weites Problem – und zu einer Lösung beizutragen. Das ist auch nicht passiert, zu­mindest hat man es in der Öffentlichkeit nicht mitbekommen. Und es gäbe sehr wohl Alternativen zu dem, was jetzt auf dem Tisch liegt.

Zum Beispiel – das habe ich im Ausschuss schon angesprochen – gäbe es die Mög­lichkeit, ein Modell von Ausgleichszahlungen zu vereinbaren. Das muss man verhan­deln, das ist natürlich nicht einfach, aber es wäre eine Möglichkeit. Und ich wehre mich schon dagegen, wenn hier gesagt wird, die Opposition mache keine Vorschläge. Man macht einen Vorschlag, aber dieser wird dann vom Tisch gewischt und nicht einmal an­satzweise diskutiert. Es gäbe Vorschläge, aber die muss man sich eben anhören und dann darüber nachdenken. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es gäbe auch noch eine andere Alternative, nämlich das so genannte Herkunftsland­prinzip. Das ist im Groben die Regelung, die schon bisher bestanden hat, von welcher der EuGH gesagt hat, wir glauben euch diese Begründung nicht und deshalb wird sie aufgehoben. – Jetzt liegen, wie schon Kollege Baier gesagt hat, die Zahlen auf dem Tisch, die beweisen, dass die österreichischen Befürchtungen, was das Fach Medizin betrifft, durchaus begründet waren. Aber es wurde nicht in diese Richtung weiterver­handelt.

Wenn wir uns daran erinnern, wie die österreichische Verteidigungsargumentation da­mals, als dieses Urteil gefällt wurde, gelaufen ist, muss ich sagen: Diese Argumentati­onslinie war nicht besonders schlüssig, da wurden auch nicht sehr viele Zahlen vorge­bracht, sondern man hat bloß Schätzungen – und das nur für Medizin – gebracht.

Jetzt liegen die Zahlen auf dem Tisch, jetzt könnte man argumentieren, dass man schwarz auf weiß mit Zahlen beweisen kann, dass dieses Problem tatsächlich existiert, aber das wurde nicht gemacht. Es wurde nicht in diese Richtung weiterverhandelt. Auch wenn das für ausländische Studierende eine Beschränkung für das Medizinstu­dium in Österreich bedeutet hätte, wäre es zumindest ein bisschen besser als das, was jetzt geplant ist, was für alle Studierenden, auch für österreichische, eine Beschrän­kung sein wird.

Stattdessen passiert Folgendes: Mit dem Argument, dass die deutschen Studierenden den österreichischen nicht den Platz wegnehmen sollen, nehmen wir jetzt selbst den österreichischen Studierenden den Platz weg und die Schweiz bekommt dafür Geld, nämlich mit Tests, die überprüfen sollen, ob eine Studierfähigkeit gegeben ist, Tests, die in der Schweiz erstellt werden, in der Schweiz ausgewertet werden und die ein Hei­dengeld kosten, was übrigens die Universität selbst bezahlen muss.

Dieser Test, wenn Sie sich einmal näher erkundigen, hat dieselbe Signifikanz wie der Numerus clausus. Das bedeutet: In Langzeituntersuchungen wurde festgestellt, dass jene Studierenden, die diesen Studierfähigkeitstest durchlaufen haben, später die glei­che Drop-out-Quote haben, wie es beim Numerus clausus der Fall ist. So gesehen: Das kostet viel, bringt aber wenig. (Bundesrat Schennach: Da hat der Herr Baier ...!) –Offenbar.


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Eines muss man auch sagen, damit hier kein Irrtum entsteht: In dieser Vorlage sind nur Zahlen festgelegt. Da geht es nur um eine Anzahl von Studienplätzen, um eine Pro­zentaufteilung, aber wie dann diese Auswahl passiert, das müssen die Unis selbst re­geln. Hier ist das Argument der medizinischen Grundversorgung gebracht worden, Ös­terreich könne den Bedarf an Medizinerinnen und Medizinern nicht decken, wenn wir im Land nicht viele Österreicherinnen und Österreicher ausbilden würden. Das zeigt ja, dass das auch eine politische Bedeutung hat, dass auch politisch entschieden werden muss. Stattdessen sagt man aber, das sollen sich die Unis selbst regeln. Es wurde also Verantwortung abgegeben, obwohl gesagt wurde, das ist wichtig, da muss etwas geregelt werden.

In Graz gab es zum Beispiel ein Konzept, wobei es eine Eingangsphase im Medizinstu­dium gab. Zuerst wurde eine Weile studiert, erst später erfolgte ein Auswahlverfahren. Dieses Auswahlverfahren war zumindest ein bisschen fairer und war vor allem mit allen betroffenen Gruppen an der Universität abgesprochen. Im Gegensatz dazu haben sich Innsbruck und Wien diesen Schweizer Auswahltest gekauft – und das einzig und allein auf Wunsch der Rektoren –, mit dem Ergebnis, dass sich sehr viele Leute in Graz be­worben haben und deren Modell dann auf Grund eines neuen Überlaufens, das aber durch österreichisches Handeln herbeigeführt wurde, wieder nicht funktioniert hat.

Das Ergebnis, über das Sie sich jetzt beschweren, nämlich dass wir diese Vorlage heute quasi zurückwerfen, ist eine Neuregelung, die nur Quantitatives und nichts In­haltliches regelt und wahrscheinlich in etwa gleich EU-konform sein wird, wie die bishe­rige Regelung war, weil man schon davon ausgehen kann, dass die Wahrscheinlich­keit, ein österreichisches Maturazeugnis zu haben, für österreichische Staatsbürgerin­nen und Staatsbürger höher ist. Insofern gibt es hier auch von Europa-Rechtlern Zwei­fel, dass diese Regelung halten wird. – Erstens.

Zweitens haben wir eine Regelung, die auf keinen handfesten Grundlagen beruht, denn es gibt nur eine fiktiv festgelegte Zahl von Studienplätzen. Es gibt keine Zahlen über die tatsächliche Kapazität der Universitäten, es gibt keine Zahlen über den Bedarf an Medizinerinnen und Medizinern.

Herr Kollege Schnider! Hier möchte ich die Stellungnahme des Landes Burgenland zitieren, die etwas sehr Richtiges besagt, nämlich dass der Bedarf an Medizinerinnen und Medizinern nicht unbedingt damit zusammenhängt, dass sie Inhaber österreichi­scher Maturazeugnisse sein müssen. Ich glaube, dass jemand, der in Deutschland oder England Medizin studiert hat, sehr wohl auch als Arzt oder Ärztin hier arbeiten könnte. Das wäre doch normalerweise kein Problem.

Drittens gibt es eine Regelung, die nicht nur Beschränkungen für Medizin ermöglicht, sondern auch für andere Fächer, und zwar Biologie, Pharmazie, Psychologie, Betriebs­wirtschaft, Publizistik und Kommunikationswissenschaften sowie Tiermedizin. Es wur­de schon erwähnt: Da geht es um 300 bis 400 Studienplätze. Die müssten doch in einem so reichen Land wie Österreich durchaus finanzierbar sein. Und allein die Tatsa­che, dass argumentiert wird, es geht um die Studienplätze für Medizin, dann aber andere Fächer für Zugangsbeschränkungen quasi mitgenommen werden, ist für mich schon Grund genug, dieses Gesetz abzulehnen.

Ich glaube, es geht hier eigentlich um einen Probelauf für Zugangsbeschränkungen. Es soll ein Gewöhnungseffekt eintreten, dass man sich in Österreich damit abfindet, dass es eben Zugangsbeschränkungen gibt. Und zu guter Letzt: Die Rektoren wollen es so. Die Rektoren – das sollte man ihnen vielleicht auch ins Stammbuch schreiben – sind nicht nur die Vertreter ihrer selbst, sondern sie sind auch die Vertreter der Studieren­den der gesamten Universität. Da sind die Studierenden die größte Gruppe. Aber als solche begreifen sich momentan die wenigsten Rektoren.


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Die Stellungnahme der Rektorenkonferenz – für alle, die sie nicht gelesen haben, sie ist so lang (die Rednerin hält ein Exemplar derselben in die Höhe) – ist eine halbe Seite lang. Zum Thema Änderung der Regelung des Hochschulzugangs sagt sie ge­nau Folgendes:

Die österreichische Rektorenkonferenz unterstützt jede EU-konforme Lösung, die das Problem der überbordenden Zahl an deutschen Studierenden im Bereich der Medizin beseitigt und Rechtssicherheit schafft. – Zitatende.

Das ist eine Nullachtfünfzehn-Aussage. Das ist meiner Meinung nach auch nicht ein Zeichen dafür, dass sich die Rektorenkonferenz bemüßigt gefühlt hat, in irgendeiner Form eine tiefer gehende Stellungnahme abzugeben; das bedeutet: Die machen sich das schon anders aus.

Für mich als Mitglied des Bundesrates ist das allerdings nicht zufrieden stellend. Es geht hier um ein Gesetz, das den parlamentarischen Weg geht. Diese Stellungnahme halte ich für ein bisschen sehr dünn. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. (Bundesrat Dr. Kühnel geht durch die Reihen der ÖVP.) – Ich habe schon gedacht, Herr Kollege Kühnel stürmt zum Rednerpult.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

16.53.1017. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Öster­reichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombetei­ligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird (754/A und 1320 d.B. sowie 7510/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wiesenegg. – Bitte.

 


16.53.28

Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des National­rates vom 2. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktien­gesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Ge­setz 2000) geändert wird.

Am 19. April 2006 hat der Finanzausschuss die Verhandlungen wieder aufgenommen. Bei der Abstimmung wurde der Einspruchsantrag mit Stimmenmehrheit angenommen.


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Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Bun­desrat möge beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2006 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Ös­terreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteili­gungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird, mit der beigegebe­nen Begründung Einspruch zu erheben.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Kneifel.

 


16.54.46

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Die ÖIAG ist eine besondere Erfolgsgeschichte in dieser Republik. Vor allem in den letzten fünf Jahren hat die ÖIAG eine besondere Leistung in Richtung Standorterhaltung der Betriebe und in Richtung Ablieferung von Gewinnen an den Eigentümer erbracht. Diese Gewinne sollen „unterjährig“, wie es in der Gesetzes­vorlage heißt, für bestimmte Zwecke, wie zum Beispiel Forschung und Entwicklung, verwendet werden.

Ich glaube, es ist das Recht des Eigentümers – Eigentümer ist die Republik, und die Republik vertritt wiederum die Bürgerinnen und Bürger, die der echte Eigentümer der ÖIAG sind –, diese Gewinne für Forschung und Entwicklung, konkret für die For­schungsanleihe zu verwenden. Ich denke, das ist eine sinnvolle Verwendung dieser Gelder, und wir sollten – wir haben heute übrigens schon mehrmals auf die Notwendig­keit von Forschung und Entwicklung, Ausbildung und so weiter hingewiesen – dieses Ziel damit konsequent verfolgen.

Ich meine, es ist vertretbar, dass Gewinne nicht nur am Ende eines Geschäftsjahres, sondern auch „unterjährig“, wie der Fachbegriff heißt, ausgeschüttet werden, vor allem wenn man sie für solche Zwecke verwendet. Deshalb halte ich es für sinnvoll, dieser Vorlage die Zustimmung zu geben und keinen Einspruch zu erheben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle folgenden Antrag:

Antrag

gem. § 43 GO-BR

der Bundesräte Kneifel, Kolleginnen und Kollegen

gegen den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2006 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombe­teiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird (754/A und 1320 d.B. sowie 7510/BR d.B.), keinen Einspruch zu erheben (TOP 17)

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2006 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombe-


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teiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) geändert wird (754/A und 1320 d.B. sowie 7510/BR d.B.), wird kein Einspruch erhoben.

*****

Ich bitte, diesem Ansinnen auch näher zu treten. (Beifall bei der ÖVP.)

16.57


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben eingebrachte Antrag, gegen den vorliegen­den Gesetzesbeschluss keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Sodl. Ich erteile ihm das Wort.

 


16.57.59

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Lieber Kollege Kneifel, ich muss dir leider in den meisten Punkten, die du ge­rade als mein Vorredner aufgezählt hast, sehr wohl widersprechen. (Ruf bei der ÖVP: Er hat nicht viele aufgezählt!) – Ja, das stimmt, nicht viele, aber da waren auch keine richtigen dabei.

Mit diesem Gesetzesbeschluss soll eine unterjährige Dividende der ÖIAG ermöglicht werden. Damit soll noch für das Jahr 2006 ein Dividendenvorschuss auf künftige, noch ungewisse Erträge der ÖIAG gebilligt werden, der offensichtlich das letzte Budget die­ser Regierung beschönigen soll.

Seit Herbst 2005 wird die Diskussion geführt, die Post zu privatisieren. Begründet wurde dies seitens der Bundesregierung immer damit, die Postprivatisierung diene ausschließlich dazu, dem Unternehmen strategisch die Entwicklung nach Osten zu ermöglichen. Die Wahrheit ist eine ganz andere, nämlich die Post zu verkaufen, um Budgetlöcher zu stopfen. Und dies soll mit der Änderung des ÖIAG-Gesetzes 2000 er­folgen.

Sie verschönern, Sie versuchen, damit Wahlkampfmunition zu erhalten, und dafür ist Ihnen nichts zu schade, eines vor allem nicht, dass man jene Werte, die heute in der Österreichischen Post stecken, zu billig auf die Kapitalmärkte bringt. Um es auf den Punkt zu bringen: Es geht einzig und allein darum, die Privatisierungserlöse der Post AG direkt in das Budget fließen zu lassen.

Wenn man sich die am 6. März 2006 präsentierte Post-Bilanz 2005 anschaut, so sieht man, dass die Post sehr gut dasteht. Darum müssen die Gewinne für die Aufrecht­erhaltung und den Ausbau einer flächendeckenden Versorgung, für die Konsumentin­nen und Konsumenten verwendet werden, denn Konsumenten und Arbeitnehmer müs­sen schon jetzt zugesperrte Postämter, schlechte Versorgung und Personalabbau hin­nehmen.

Angesichts der Gewinne einen investorenfreundlichen Kurs zu Lasten der Konsumen­tinnen und Konsumenten sowie der Arbeitnehmer zu fahren ist inakzeptabel. Mit der jetzigen Privatisierung der Post, ist der Versorgungsauftrag mit einem Börsegang nicht verträglich.

Die Bilanz für die Konsumenten und Arbeitnehmer fällt im Gegensatz zur Postbilanz sehr traurig aus. Seit dem Jahr 2000 wurden bundesweit von den 2 327 Postämtern 1 000 geschlossen. Gerade im ländlichen Raum hat sich die Versorgung massiv ver­schlechtert. Experten befürchten eine weitere Schließung von Postämtern, bis zu 400 Postämter im gesamten Bundesgebiet könnten in weiterer Folge unter die Räder


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kommen. Dadurch käme es zu einer zusätzlichen Ausdünnung des Postämternetzes. Durch diese Maßnahmen wurde und wird der ländliche Raum weiter geschwächt und ausgehöhlt.

In einer ÖVP-Aussendung habe ich gelesen, dass 78 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher im ländlichen Raum leben, und das glaube ich auch der ÖVP. Ich hoffe, dass diese Menschen wissen, dass dieser neoliberale Kurs dieser Bundesregie­rung daran schuld ist, dass die Infrastruktur eigentlich nicht mehr das ist, was sie sein sollte (Bundesrat Dr. Kühnel: Auf zum Klassenkampf!): keine Post, keine Ämter, keine Schulen, keine Verkehrsverbindungen, keine Arbeitsplätze und dadurch eine massive Abwanderung der Bevölkerung.

Wenn man sich in weiterer Folge die Personalentwicklung in der Post AG anschaut: Jobs wurden und werden abgebaut. Im Jahr 2005 sank die Zahl der Beschäftigten von 26 342 auf 25 192 Mitarbeiter, das sind um 4,4 Prozent weniger, und die Arbeitsbedin­gungen der Mitarbeiter haben sich wesentlich verschlechtert.

Hingegen zeigt die Postbilanz 2005, dass es der Post sehr gut geht: ein Viertel mehr Jahresüberschuss, 58 Millionen €, fast 90 Prozent höhere Bilanzgewinne, 75 Millio­nen €, und beinahe 380 Millionen € allein an Wertpapier- und Kassenbeständen. Dazu kommt noch Immobilienbesitz im Buchwert von über 434 Millionen €.

Angesichts dieser Zahlen im Hinblick auf einen Börsengang einen harten Sparkurs auf Kosten der Bevölkerung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fahren ist nicht akzeptabel und wird von der SPÖ entschieden abgelehnt.

Wenn man die einzelnen Unternehmen in der ÖIAG jeweils mit Stand 2000 und 2005 bewertet und dann vergleicht, so kommt man zu dem Schluss, dass Volksvermögen in der Höhe von 8,2 Milliarden € verschleudert wurde. (Bundesrat Mag. Himmer: Vor­sicht! Vorsicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ein weiteres negatives Beispiel sind die Verkaufskosten für zehn Beteiligungen der ÖIAG seit dem Jahr 2000, die das hoch bezahlte Management mit 550 Millionen € be­ziffert hat. Wenn Sie sich die Einkommensentwicklung dieser hoch bezahlten Manager anschauen – im Rechnungshofbericht 2003 und 2004 nachzulesen –, dann sehen Sie, dass deren Gehälter für das Verschleudern dieser Gelder um 160 Prozent gestiegen sind. (Bundesrat Mag. Himmer: Was haben denn der Elsner und der Zwettler ver­dient? – Staatssekretär Dr. Finz: ARBÖ!) – Herr Staatssekretär! Ich glaube nicht, dass der ARBÖ hier zur Debatte steht.

Ferner besteht der Einwand, dass die seitens der Regierungsparteien behauptete Ver­wendung des Dividendenvorschusses für Zwecke der Forschungsförderung sich nicht zwingend aus dem Gesetz ergibt, weil dies in der Novelle des ÖIAG-Gesetzes explizit nicht vorgesehen ist. Lediglich in den Erläuterungen wird darauf hingewiesen, dass der Vorschuss unter anderem zur Finanzierung der Forschungsanleihe herangezogen werden kann.

Damit ist erstens klargestellt, dass die Einnahmen explizit nicht ausschließlich zur Fi­nanzierung der Forschungsanleihe herangezogen werden müssen. Darüber hinaus ist zweitens auch klargestellt, dass die Forschungsanleihe um diese Beträge keinesfalls aufgestockt werden muss, weil davon in den Erläuterungen nicht die Rede ist, auch wenn die Bundesregierung glauben machen will, dass dadurch zusätzliche Mittel für die Forschung bereitstünden.

Schließlich wäre eine Verknüpfung von Forschungsförderung mit Dividenden der ÖIAG generell problematisch, weil diese einerseits nur den Druck auf die Privatisierung erhöht und andererseits mit Einmaleffekten keine nachhaltige Finanzierung der For­schungsförderung sichergestellt ist.


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Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da gibt es einen Minister, dieser wird un­terstützt von den Abgeordneten der Regierungsfraktionen, der sich eine Vorschussre­gelung gesetzlich absegnen lässt. Wer nimmt heute einen Vorschuss? Und das ist das, was hier vorliegt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.06


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Perhab.

 


17.06.28

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Sodl! Ich habe gerade in Ihrer Biographie nachge­schaut, weil Sie von Schulden geredet haben: Ihre Lieblingsurlaubsdestination ist die Dominikanische Republik. Also Sie waren schon in der Karibik! (Bundesrat Todt: Was ist denn das für eine Aussage? – Bundesrat Gruber: Hör auf mit dem Schmarren! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und Ihr großes politisches Vorbild ist Bruno Kreis­ky – ist für mich auch klar –: der Bundeskanzler, der diese Republik verschuldet hat wie kein anderer. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Gru­ber: So eine miese Partie!)

Und dann sprechen Sie von Postschulden und von Privatisierung. Ich frage Sie: War­um hat die Postbelegschaft mit überwiegender Mehrheit für die Postprivatisierung ge­stimmt? Warum hat sie vor 14 Tagen für diese Privatisierung gestimmt? – Weil der finanzielle Anreiz da ist und weil das eine zukunftsorientierte, auch für die Mitarbeiter der Post zukunftsorientierte Lösung sein wird, wie alle anderen Privatisierungen in den letzten Jahren. (Bundesrat Gruber: Zusperren, zusperren, zusperren – das könnt ihr!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus der Begründung Ihres Einspruchs kann man schon herauslesen, worum es Ihnen wirklich geht. Ihnen geht es nicht um die Sache, um diese ÖIAG-Gesetz-Novelle. Sie schreiben hier:

„Mit diesem Gesetzesbeschluss des Nationalrates soll eine unterjährige Dividende der ÖIAG ermöglicht werden. Damit soll noch für das Jahr 2006 ein Dividenden-Vorschuss auf künftige – noch ungewisse – Erträge der ÖIAG gebilligt werden, der offensichtlich das letzte Budget der jetzigen Bundesregierung beschönigen soll.“ (Bundesrat Gruber: Genau so ist es! Das ist die Realität!)

Also bitte, so wie man schreibt, so denkt man auch. Es geht Ihnen nur um das poli­tische Ziel, hier wieder eine Lösung, die für die Forschung von größtem Vorteil ist, ma­dig zu machen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch Ihre Argumentationen hier im Bundesrat, und das wird sich wahrscheinlich bis zu den Nationalratswahlen im Herbst nicht mehr ändern. (Bundesrat Gruber: Wenn alles verscheppert ist, ist es aus, Herr Kollege!)

Die Wahrheit ist, dass im Gesetzesantrag vorgesehen ist, dass ein Abschlag auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn der ÖIAG gezahlt werden kann, sofern dieser Abschlag Bedeckung findet. Das steht im Gesetz, und so wird es auch geschehen. Wenn kein Geld vorhanden ist, wird diese Forschungsmilliarde nicht zu finanzieren sein, aber zur­zeit schaut es so aus, dass die ÖIAG sehr wohl in der Lage ist, diese Forschungsmil­liarde mit zu finanzieren.

Meine Damen und Herren! Weil Sie jetzt immer von der Wirtschaftskompetenz reden: Vielleicht sollten Sie einmal Ihren Geschäftsführer beim ARBÖ fragen, was er mit 290 000 € und mit neun Landesstellvertretern gemacht hat. – Das ist die „Wirtschafts­kompetenz“ der SPÖ. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich hoffe, Frau Kollegin Neuwirth, und bin mir ganz sicher, dass bei der Wahl im Herbst Weihnachten und Ostern für die SPÖ vorbei sein und der nächste Bundeskanzler


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wieder Wolfgang Schüssel heißen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.09


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste kommt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker zu Wort.

 


17.10.00

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Die Hauptintention des vorliegenden Gesetzes ist ja nicht, dass man Forschungsförderung finanzieren will. Das ist zwar ein gutes Ansinnen, aber de facto wird nichts anderes gemacht, als sich im Wahljahr das Budget aufzufetten und damit zu arbeiten, und das kann man so nicht hinnehmen.

Die Frage ist: Wie weit geht Kanzler Schüssel in diesem Land? Und wenn Kollege Per­hab von Wirtschaftskompetenz redet, dann muss man auch klar sagen, dass ein Kanz­ler Schüssel ungeniert und direkt einen staatsmännischen Bankrotteur, nämlich Berlus­coni, unterstützt. Und das ist widerlich! (Beifall und Bravorufe bei den Grünen und der SPÖ.)

Einem Bankrotteur wie Berlusconi, der ein Schaden für Italien, ein Schaden für Europa und die Demokratie ist, alles Gute für die Wahl zu wünschen, das ist wirklich letztklas­sig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bravoruf bei der SPÖ. – Bundesrat Ko­necny: Die Achse der Unsympathischen!)

Einem Berlusconi, dessen Liste der Versäumnisse und Verstöße endlos ist, alles Gute für die Wahl zu wünschen, das ist wirklich widerwärtig für einen gestandenen Demo­kraten. Das muss man einmal klar sagen. (Bundesrat Mag. Himmer: Und die Hälfte der Italiener ist auch widerwärtig? Das ist eine absurde Einzelmeinung!) Sie können ja frei entscheiden, wenn sie wählen, das ist ja gut.

Kollege Himmer! Was sagst du zu einem Staatsmann, der de facto in eine Reihe von Strafprozessen verwickelt ist, wo es um Korruption und andere Delikte wie Machtmiss­brauch geht, der Gesetze basteln lässt, um seine Macht zu stützen, um sich selbst zu bereichern, der dubioseste Verbindungen hat, der sein Machtkartell schamlos nützt? (Bundesrat Mag. Himmer: Was hat das mit der ÖIAG zu tun?) Und angesichts dessen geht Schüssel her und wünscht ihm alles Gute zur Wahl?! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Da ich Kollegen Ager aus Tirol hier sitzen sehe: Am 4. April wird Südtirols Landes­hauptmann Durnwalder zitiert mit den Worten: perplex über Schüssel. Da heißt es: Perplex über die Äußerungen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Dieser hat ver­gangene Woche dem „lieben Silvio“ – so zitiert – die Daumen gedrückt, dass er bei den Parlamentswahlen in Italien am kommenden Wochenende gewinnt. Durnwalder erklärt sich Schüssels Engagement so: Er werde schon seine Gründe gehabt haben. Vielleicht habe er aber auch nicht die gesamte Tragweite seiner Äußerungen bedacht. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Wenn solche Äußerungen aus Ihrer eigenen Fraktion kommen, dann ist das wirklich eine sehr bedenkliche Geschichte.

Wo ist denn Italien gelandet? Die „Presse“ von gestern schreibt auf Seite 19 im Euro­pateil – heute haben ja alle die schönen Europakrawatten und -tücher angelegt –: „Ita­lien bleibt Europas Klotz am Bein.“ Und dafür hat Berlusconi gesorgt!

Und Kanzler Schüssel hat nichts anderes zu tun, als genau den zu unterstützen, und das löst wirklich Befremden aus. Ein Schüssel geht her und sagt: Mitte-Rechts vor!


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Jetzt ist Kollege Vilimsky nicht hier, aber er muss sich wirklich ängstigen, dass er bei der nächsten Wahl zu sehr von ihm umarmt wird. – In diesem Sinne sind wir gegen diese Gesetzesvorlage. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte. (Bundesrat Dr. Kühnel: Frau Kollegin Lichtenecker, Thema verfehlt!)

 


17.14.06

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wirk­lich provokant, wenn Kollege Kneifel hier von einer Erfolgsgeschichte der Bundesregie­rung für die Österreicherinnen und Österreicher spricht. – Eine Erfolgsgeschichte ha­ben wir schon erlebt, und zwar für jene, die es sich leisten konnten, in spekulativer Form Aktien zu erwerben, die diese Schnäppchen gemacht haben. Ich glaube, man muss wirklich hier einmal diese Erfolgsgeschichte von diesen Aktienkäufern aufzeigen: 14 Beteiligungen der ÖIAG hat es im Jahr 2000 gegeben, wenn das richtig ist, Herr Staatssekretär. Der Verkauf brachte 5,440 Milliarden €. Das heißt, von den Schulden, von denen Sie sprechen, waren nachher noch 200 Millionen € übrig.

Wie ist eigentlich verkauft worden? Im ÖIAG-Gesetz 2003, Kollege Kneifel, ist gestan­den: Die Privatisierungen sollen langfristig Arbeitsplätze in Österreich sichern und schaffen. – Nur bei zwei von den sechs börsennotierenden Industriebeteiligungen ist das erreicht worden, bei zwei von sechs! Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Arbeitsplatzverluste in dieser Republik bei der Austria Tabak, bei der OMV, bei der Telekom, bei der VA Tech – so schaut es in Wirklichkeit aus! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Mag. Himmer: Beim „Konsum“!)

Was schafft denn wirklich Arbeitsplätze? Das innere Wachstum dieser Betriebe, Inves­titionen in die Produkte, in die Produktionsverfahren, die es dort gibt. Das ist eine Zu­kunft, meine Damen und Herren!

Aber schauen wir uns einmal an, wie es dann weiter heißt im ÖIAG-Gesetz 2003: Die Privatisierungen sollen möglichst hohe Erlöse für den Eigentümer bringen.

Ich muss sagen, Herr Staatssekretär, Sie sind mit Ihrem Ressortchef für mich da eigentlich nur ein Treuhänder. Der Eigentümer, den wir Sozialdemokraten sehr ernst nehmen, sind nämlich die österreichischen Bürgerinnen und Bürger, und die hätten eigentlich einen Rechtsanspruch an den Treuhänder, dass hier ordentlich verkauft wird.

Wenn ich als Linzer mir anschaue, was da wirklich geschehen ist, bin ich so wie Gott­fried Kneifel natürlich tief betroffen davon, was aus dem Austria-Tabak-Werk geworden ist. (Ruf bei der ÖVP: Was aus der Voest geworden ist!) Der Wert des Austria-Tabak-Werks hat sich seit dem Jahr 2001 verdreifacht! Das muss man sich einmal vorstellen. Jetzt repräsentiert dieses Werk einen Wert von 2,5 Milliarden €, Herr Staatssekretär. Und um wie viel haben Sie beziehungsweise hat Ihr Vorgänger es denn verkauft? Um 769 Millionen €! Das muss man sich einmal vorstellen, Kollege Himmer! (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Multiplizieren Sie einmal mit drei! Das ist Ihre Erfolgsgeschichte?

Die vielen kleinen Details, dass man dann noch die Immobilien verkauft hat, die Wert­gegenstände, die Kunstschätze, die es in der Porzellangasse gegeben hat, das war dann sozusagen nur mehr die Butter aufs Brot für jene, die sich hier saniert haben. (Ruf bei der SPÖ: Erfolgsgeschichte!)

Wenn ich mir anschaue, wie hier verkauft wurde, dann muss ich sagen, dieser Dilettan­tismus wurde eigentlich nur mehr bei der VA Tech überboten, denn bei der VA Tech ist es ganz dick gekommen. Die Aktien wurden bekanntlich um 24,6 € pro Stück verkauft.


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Und jetzt passen Sie bitte gut auf: Bereits kurz darauf hatte die Aktie einen Wert von 55 €. Als dann der Rest verkauft wurde, hat die Deutsche Bank das Stück mit 65 € be­wertet. Das muss man sich einmal vorstellen. Das entspricht in etwa einer Verdreifa­chung. Aber das hat keine Rolle gespielt. Der Kollege ist vielleicht dort Aktionär, ich weiß es nicht. Da kann man dann nur mehr applaudieren. Wenn man als Bürgerin und Bürger dieses Landes Eigentümer der VA Tech war, dann kann man eigentlich, lieber Kollege aus Tirol, nur noch weinen.

Sie wissen wie ich, wie wichtig es ist, dass diese Betriebe eine Konzernzentrale im Land haben. Schauen wir uns einmal an, was diesbezüglich im ÖIAG-Gesetz gestan­den ist – ich zitiere wieder wörtlich –: Die Privatisierungen sollen die Entscheidungs­zentralen – wenn möglich – in Österreich halten.

Schauen wir uns einmal die beiden Flaggschiffe an, nämlich die Austria Tabak und die VA Tech, die österreichischen Flaggschiffe der Industrie. Wo sind jetzt deren Entschei­dungszentralen? Sie sind abgewandert. Was heißt das? Die Finanzierung, die Produk­tionsentwicklung, das Marketing, Sponsoring und so weiter finden Sie jetzt in Großbri­tannien und in der Bundesrepublik Deutschland. So schaut das wirklich aus.

Ich möchte noch Revue passieren lassen, wie man mit den Menschen in diesem Land umgegangen ist. Es wird jetzt immer die Post angesprochen, und da bin ich als Ober­österreicher wirklich tief betroffen: Wir haben in weiten Bereichen keine Versorgung mehr. Damals hat der Präsident der Wirtschaftskammer gemeint, Tausende österrei­chische Greißler, Lebensmittelhändler würden nur darauf warten, ein Bedarfspostamt aufzumachen. Ich habe einige angerufen und kann Ihnen sagen, das rechnet sich für sie nicht, weil die Beträge, die man dort zur Verfügung stellt ... (Zwischenruf der Bun­desrätin Zwazl.) Ich nenne Ihnen, Kollegin Zwazl, gerne auch aus Ihrem Bundesland Lebensmittelhändler, die die Postlizenz wieder zurückgegeben haben, mit dem Ergeb­nis, dass die Menschen dort keine Versorgung mehr haben.

So schaut es auch mit dem Nahverkehr aus: Sie wissen, Herr Staatssekretär, früher hat beim Postbus ein Drittel Gewinn gemacht, ein Drittel ist ausgeglichen gefahren, und das letzte Drittel konnte quasi durch den Gewinn des ersten Drittels subventioniert werden. Und jetzt schaut es halt so aus, dass wir dort keine Versorgung mehr haben. Wenn das unsere Zukunft ist!?

Abschließend noch einmal zurück zu diesem Antrag: Uns wurde von Ihnen, Herr Staatssekretär, von Ihrem Ressortchef sowie vom Herrn Bundeskanzler erklärt: Wenn hier durch die Post Beträge lukriert werden, dann werden diese Mittel verwendet, um diesen Betrieb fit zu machen für Akquisitionen in den EU-Beitrittsländern. Das wurde erklärt. – Wir wissen jetzt, was wir vom Wort Ihres Ressortchefs und des Herrn Bun­deskanzlers zu halten haben, denn plötzlich wurde erklärt: Nein, das Geld nehmen wir für die Forschung – und nicht, um einen wettbewerbsfähigen Postbetrieb zu machen.

Die Antwort darauf werden Sie sicher bei den nächsten Wahlen bekommen. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP.) Wir sind nicht bereit, diesem Schmäh, mit dem hier agiert wird, aufzusitzen. Ich ersuche um Ihr Verständnis, und vielleicht überlegt es sich der eine oder andere noch einmal. Gottfried Kneifel hat ja heute bereits einmal mit uns, mit der Vernunft gestimmt. Vielleicht kannst du dich noch ein zweites Mal dazu entschließen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach und Bravorufe bei der SPÖ.)

17.21


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

 


Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Herr Bundesrat Gruber.


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17.21.30

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Worte des Kollegen Kneifel und auch des Kollegen Perhab bezüglich der besonderen „Erfolgsgeschichte“ der ÖIAG ha­ben mich natürlich nicht ruhig auf meinem Platz sitzen lassen, und ich möchte ganz kurz zurückblicken. Sie wissen, Anfang 2000 hatte die ÖIAG in etwa 15 Beteiligungen, ein Vermögen von 7,7 Milliarden € und Verbindlichkeiten in der Größenordnung von 6 Milliarden €. Dabei gab es 122 000 Mitarbeiter, und es wurden 23,7 Milliarden € um­gesetzt – ohne PSK.

Anfang 2006, also sechs Jahre später, hat die ÖIAG alle wesentlichen Industriebe­teiligungen zu 100 Prozent abgegeben. 2006 beinhaltet das Beteiligungsportfolio der ÖIAG Anteile an Unternehmen – Sie werden es vielleicht ohnedies wissen –: ÖMV 31,5 Prozent, AUA 39,7 Prozent, Telekom Austria AG 29,95 Prozent, Post AG zurzeit noch 100 Prozent, aber das wird sich dann ändern, und ÖBAG 100 Prozent, ohne VA Erzberg GmbH.

Meine Damen und Herren! Mit dem Verkauf dieser Beteiligungen – und das sei Ihnen gesagt – kam es zur größten Vermögensumverteilung nach dem Zweiten Weltkrieg. Durch schlechtes Verkaufsmanagement, politischen Druck und Wahl des falschen Zeit­punktes der Verkäufe ist den Österreichern ein Schaden von 8,2 Milliarden € ent­standen (ironische Heiterkeit des Bundesrates Mag. Himmer) – 112 Milliarden Schil­ling, Herr Kollege Himmer, damit du leichter lachen kannst. (Ruf bei der ÖVP: Die BAWAG ...!)

Der Vermögenszuwachs – und das ist das Bedauerliche – wurde an in- und ausländi­sche Manager, Investmentbanken und Spekulanten und leider nur zu einem geringfügi­gen Teil an Mitarbeiter ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Herr Kollege Himmer, ich wäre an deiner Stelle ruhig! Ich habe gerade heute die „Tiro­ler Nachrichten“ gelesen, und darin war über die Tiroler Sparkasse zu lesen, dass man dort vor Jahren Millionen verspekuliert hat. Und wissen Sie, wer im Aufsichtsrat geses­sen ist? – Herr Landeshauptmann Van Staa und der jetzige Arbeiterkammerpräsident von Tirol! (Bundesrat Mag. Himmer: Da geht es sicher um „Milliarden“!) – Also wenn es um Spekulationen und um Banken geht, würde ich zuerst vor der eigenen Tür keh­ren, und dann erst würde ich mit Steinen werfen. Nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Mag. Him­mer: Die Dimensionen im Auge behalten! Man muss immer die Dimensionen im Auge behalten!)

Meine Damen und Herren! Dazu kommt dann noch die Alpe-Adria-Bank, Herr Kollege, wo Ihre Vertreter von der Grazer Wechselseitigen und der Landeshauptmann von Kärnten auch noch im Aufsichtsrat sitzen und wo dasselbe passiert. Aber ich weiß schon, das wollen Sie nicht hören.

Wenn Sie die heutige Ausgabe des „NEWS“ genau gelesen haben, dann haben Sie gesehen, was der Herr Landeshauptmann in Kärnten – mit Unterstützung des Finanz­ministers – am Wörthersee und bei der Wörthersee-Bühne an Verlusten macht und was sich dort abspielt: Millionen € – mit Unterstützung des Finanzministers, nebenbei noch! Von der Styrian Air will ich gar nicht reden. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ so­wie des Bundesrates Schennach.)

Kollege Schimböck hat es ja schon gesagt: Der Erfolg dieser Politik ist der, dass die Austria Tabak überhaupt von der Bildfläche verschwunden ist, dass die VA Tech AG von der Bildfläche verschwunden ist. Die Konzernzentralen hat man aufgelöst, die File­tierung der Konzerne wurde durchgeführt. Man weiß heute, dass die Austria Tabak einen Wert von in etwa 2,5 Milliarden € hätte; verkauft wurde sie um 769 Millionen


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Schilling. Also wenn man sie noch ungefähr drei Jahre lang behalten hätte, dann hät­ten wir den Verkaufspreis wieder herinnen gehabt. (Bundesrat Mag. Himmer: Und wenn wir heute die Lottozahlen von nächster Woche wüssten ...!)

Meine Damen und Herren! Gerade auch durch das, was wir heute im Zusammenhang mit der Erhöhung des Schwellenwertes für das Übernahmeangebot – erst ab 30 Pro­zent! – diskutiert haben, sind weitere österreichische Betriebe bedroht, allen voran Böhler Uddeholm und auch die voestalpine. Ich glaube nicht, dass das heute eine sehr vernünftige und sehr gute Entscheidung von Ihnen war.

Meine Damen und Herren! Sie sollten bei dieser Gelegenheit auch gleich Folgendes wissen: Bei diesen Privatisierungen gibt es ja auch Gewinner – und die größten Gewin­ner waren die Investmentbanken. Wissen Sie, dass seit dem Jahr 2000 an Investment­banken, die diese Privatisierungen durchgeführt haben, 550 Millionen € bezahlt wur­den? 550 Millionen € – lassen Sie sich das einmal durch den Kopf gehen, bitte! (Ruf bei der ÖVP: Wer verkauft die BAWAG?) Und damit wurde auch die Chance vertan, in Österreich entsprechendes Investment-Know-how für solche Dinge aufzubauen. Das wurde nicht gemacht. Ausländische Banken haben dieses Geschäft gemacht und dabei natürlich gut verdient! (Bundesrat Höfinger: Wer wurde mit dem Verkauf der BAWAG beauftragt? – Weitere Rufe bei der ÖVP: Wer verkauft die BAWAG?)

Meine Damen und Herren, und was noch viel schlimmer ist: Die ÖIAG hat uns mit teu­ren Inseraten in sämtlichen österreichischen Zeitungen und Wochenzeitschriften einzu­reden versucht, sie wäre schuldenfrei. – Die ÖIAG hatte mit Stand vom 31.12.2005 nach wie vor Schulden – obwohl Sie alles verschleudert haben – in der Höhe von 457 Millionen €! Das ist nachzulesen, bitte! – Man sollte den Menschen in diesem Land nicht die Unwahrheit sagen. Da wird um 1 Million € in den Tageszeitungen inseriert, und dann stellt sich heraus, dass das gar nicht stimmt und dass immer noch Schulden in Höhe von 457 Millionen € vorhanden sind!

Meine Damen und Herren! Auch der Herr Finanzminister hat sich ja kräftig bedient – Herr Staatssekretär, Sie werden es ja wissen –: 555 Millionen € oder 7,65 Milliarden Schilling an Dividenden sind in die Budgetsanierung geflossen. – Über die Forschungs-Regelung wurde heute ohnedies schon gesprochen, die möchte ich jetzt gar nicht mehr anschneiden.

Was im Zusammenhang mit dieser „Erfolgsgeschichte“, glaube ich, auch noch interes­sant ist, ist der „entpolitisierte Aufsichtsrat“ der ÖIAG: Da kommen mir die Tränen und das Lachen gleichzeitig! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Ja, da wäre ich gerne drinnen, Herr Kollege Kühnel! Ich meine, das wäre ja keine Schande, wenn man fürstlich entlohnt wird! (Bundesrat Mag. Himmer: Man sollte sich auskennen auch!)

Aber man muss sich einmal vorstellen, dass die Damen und vor allem die Herren, die dort drinnen sitzen, am Anfang Bezüge in Höhe von 462 000 € jährlich hatten (Bun­desrat Höfinger: Reden Sie vom BAWAG-Geschäftsführer?) – das war noch im Jahr 2003 –, und, Herr Kollege, diese Bezüge sind im Jahr 2004 auf 725 000 € erhöht worden (Oh-Rufe bei der SPÖ – Ruf bei der SPÖ: Weil sie so „erfolgreich“ verkauft ha­ben!) – eine Steigerung um 57 Prozent, was letzten Endes auch nicht ganz schlecht ist.

Und wenn das Ihre „Erfolgsgeschichte“ der ÖIAG ist, dann kann ich nur sagen: Träu­men Sie weiter! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer zweiten Wortmeldung hat sich Herr Bundesrat Kneifel gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Kraml: Jetzt erklärt er uns den „Erfolg“!)

 



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17.29.28

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. (Bundesrat Boden: So ist es! – Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schennach.)

Ich finde es wirklich sehr kühn und sehr „mutig“ von Ihnen, wenn Sie zum Beispiel Voest-Aktionäre – Kollege Schimböck hat das so genannt – als Spekulanten bezeich­nen! (Bundesrat Schimböck: Kovats! ... Kovats!) Diese haben einen Beitrag geleistet! Und wissen Sie: Rund 10 Prozent der Voest-Aktien sind in Arbeitnehmerhand – Gott sei Dank! (Bundesrat Schimböck: Gott sei Dank!) Das sind Leute mit Vernunft! Das sind Leute, die wissen, was sie getan haben – weil sie damit einen Beitrag zur Stand­ortsicherung ihres Unternehmens in Österreich geleistet haben! (Bundesrat Stadler: ... es ans Ausland verkaufen – sei ehrlich! Sei ehrlich!) Und das ist lobenswert, und das ist sinnvoll! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Schimböck: Kovats ...!)

Nein, nicht ans Ausland! Die haben einen Beitrag zur Standortsicherung geleistet! Und diese Leute, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Geld in ihr eigenes Unter­nehmen investieren, sollte man eher positiv bewerten und anerkennen, als sie als Spe­kulanten zu bezeichnen. Als Spekulanten bezeichne ich jene Funktionäre der BAWAG, die Geld in der Karibik versenkt haben! Die bezeichne ich als Spekulanten! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsache ist, dass der Schuldenstand der ÖIAG im Jahr 2000 einen Betrag von 6,3 Milliarden € ausgemacht hat (Bundesrat Gru­ber: 6,15, Herr Kollege!) – oder, umgerechnet, 86,7 Milliarden Schilling. (Bundesrat Gruber: Und der Wert der ÖIAG damals?) Das war die Bilanz, als diese Regierung an­getreten ist: 86,7 Milliarden Schilling Schulden! (Bundesrat Gruber: Herr Kollege: Der Wert?) – Dieser Schuldenstand ist auf Heller und Pfennig abgebaut worden (Bundesrat Gruber: Verkauft!), und trotzdem (Bundesrat Gruber: Verkauft!) – lassen Sie mich das fertig sagen! – ist das Unternehmen noch immer sehr viel wert. (Bundesrat Konecny: Verschuldet!) Nicht, nein!

Schauen Sie, die ... (Bundesrat Reisenberger: Da tut man sich schon schwer beim Formulieren!) – Nein, nein, da tut man sich überhaupt nicht schwer, da tut man sich sehr leicht! Wenn es um die ÖIAG geht, tut man sich sehr leicht, denn das war eine enorme Anstrengung (Bundesrat Reisenberger: Familiensilber verkaufen!), und Sie wissen genau, wie diese Schulden der ÖIAG zustande gekommen sind: Durch Miss­wirtschaft und durch Schuldenpolitik sind die zustande gekommen! (Beifall bei Bundes­räten der ÖVP. – Bundesrat Reisenberger: Da klatschen nicht einmal die eigenen Leute!)

Das ist die zweite Seite der Medaille: Es wurden Schulden abgebaut und der Unter­nehmenswert gesteigert! Parallel! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Sie brauchen sich ja nur in den Tageszeitungen ein bisschen zu orientieren: Es wurden nicht nur die Schulden abgebaut, sondern auch der Wert des Unternehmens deutlich gesteigert! Trotz umfangreicher Privatisierungen im Gesamtwert von rund 5 Milliar­den € liegt der Wert des ÖIAG-Portfolios Ende 2004 – das war dem letzten Geschäfts­bericht zu entnehmen – mit 5,5 Milliarden € deutlich über dem Ausgangswert von 5 Mil­liarden € am Ende des Jahres 2000! (Bundesrat Gruber: 7,6 Milliarden, Herr Kolle­ge!) – Das ist die Erfolgsgeschichte der ÖIAG! Das muss erst jemand nachmachen! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Klug: Austria Tabak Werke!)

Ja, das ist heute schon sehr ausführlich diskutiert worden (Ruf bei der SPÖ: Verschleu­dert!): Es wurde das Nettovermögen der ÖIAG vervielfacht! Die Vervielfachung des Nettovermögens der ÖIAG belegt diese erfolgreiche Entwicklung. Der Saldo aus dem


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Wert des Beteiligungsportfolios und der Nettoverschuldung, sprich das Nettovermögen, wurde seit Ende 2000 von 1,8 Milliarden € auf 4,8 Milliarden € gesteigert!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind die nackten Zahlen der ÖIAG! Und dahinter stecken Leistungen von Menschen, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern, die sich dort selbst engagieren, die eigenes Geld in die Hand genommen haben, um ihr eigenes Unternehmen zukunftssicher zu gestalten. Und diese sollte man nicht als Spekulanten abtun. Dagegen verwahre ich mich! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Letztes noch: Der Wirtschaftsstandort Österreich wurde mit dieser Politik wesentlich gestärkt. Aus der ehemaligen Verstaat­lichten sind gewinnbringende, prosperierende Unternehmen geworden. Davon profitie­ren wir alle!

Wesentlicher Bestandteil des Regierungsauftrages ist die Aufrechterhaltung der Head­quarters: Die Schaltzentralen sind im Lande geblieben (Ruf bei der SPÖ: In Großbri­tannien!), weil wir diese Politik in letzter Zeit gemacht haben. Wichtige zentrale Einrich­tungen der Unternehmen sind in Österreich – und das soll weiterhin so bleiben, und dafür wird diese Regierung auch garantieren! Auf diese Weise wurden Unternehmen geschaffen, die im Kern österreichisch (Bundesrat Kraml: Austria Tabak: „im Kern ös­terreichisch“!), aber in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit international ausgerichtet sind.

Schauen Sie sich die ÖMV an: Das ist heute der größte Mineralölkonzern Mitteleuro­pas! Schauen Sie sich das an! Das ist ein ÖIAG-Betrieb (Bundesrat Kraml: Weil Sie nicht verkaufen dürfen!), auf den wir stolz sein können und den wir nicht vernadern sollten – ebenso wenig wie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Betrieben, die sich anstrengen und mithelfen, damit ihr eigener Betrieb eine Zukunft hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sollten wir bedenken, wenn wir von der ÖIAG in diesem Lande reden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

17.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu jetzt nicht mehr vor. – Wie ich sehe, wünscht auch niemand mehr das Wort.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

17.36.3218. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1280 d.B. und 1310 d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Da der Bundesrat dem Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsu­mentenschutz zur Berichterstattung über den gegenständlichen Beschluss des Natio-


Bundesrat
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nalrates eine Frist bis 20. April 2006 gesetzt hat, ist diese Vorlage gemäß § 45 Abs. 3 auch ohne Vorliegen eines Ausschussberichtes in Verhandlung zu nehmen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


17.37.12

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweifelsohne ist es so, dass der jetzige Tagesordnungspunkt, nämlich eine Novellierung des Bauern-Sozialversicherungsge­setzes, in der Tragweite und in der Emotionalität mit der Debatte der Novellierung des ÖIAG-Gesetzes nicht ganz mithalten kann. Ich werde mich daher bemühen, nur ganz kurz auf die Entwicklung einzugehen, mit der wir uns ja schon seit mehreren Wochen im Bundesrat im Zusammenhang mit der Novellierung auseinander setzen.

Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss mit der verehrten Vorsitzenden ha­ben ja mittlerweile schon in zwei Ausschusssitzungen versucht, diese Thematik inhalt­lich zu bearbeiten. Ich gehe davon aus, dass Sie alle ausreichend Kenntnis davon ha­ben, und ich möchte hervorheben, dass es in beiden Ausschusssitzungen – und das ist der Knackpunkt dieser Sache – nicht gelungen ist, den Vorwurf der verfassungswidri­gen Neuregelung zu entkräften.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen auf dem Standpunkt, dass wir im Zuge einer seriösen Gesetzgebung keinesfalls eine vom Verfassungsgerichtshof als verfas­sungswidrig aufgehobene Regelung durch eine – wie mehrheitlich von Experten bestä­tigt – neuerlich verfassungswidrige Regelung ersetzen sollten. Wir haben in der vorletz­ten Ausschusssitzung im Sozialausschuss versucht, diesen Gegenstand mittels Verta­gungsantrag einer vielleicht doch noch detaillierteren Diskussion und Behandlung zu­zuführen, und auch in der letzten Sitzung des Ausschusses ist es, wie gesagt, letztlich nicht gelungen, diese Vorwürfe zu entkräften.

Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, mit dem Instrumentarium des Einspruchs – ich möchte das als persönliche Meinung anmerken – dem Nationalrat die Möglichkeit zu geben, sich mit dieser Novellierung näher auseinander zu setzen.

Warum betone ich das in diesem Zusammenhang besonders? – Wenn Sie – ich gehe davon aus, dass das doch überwiegend geschehen ist – die Behandlung im Nationalrat beobachtet haben, dann wissen Sie, dass das damals inhaltlich mit dem „Arbeits­rechtsreformprogramm“, zwischen Anführungszeichen, behandelt wurde. Sie erinnern sich, es ist um das Angestelltengesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsge­setz gegangen, und da ist die Novellierung des BSVG im Nationalrat inhaltlich doch untergegangen. Es ist die inhaltliche Auseinandersetzung darüber, ob das aus der Sicht des Verfassungsrechtes in Ordnung ist oder nicht, untergegangen, um nicht zu sagen, es ist das nicht ausreichend belichtet worden.

Ich gestehe aber auch, dass trotz mehrmaliger Beratungen eine Mehrheitsfindung in Richtung eines Einspruches nicht gelungen ist – das ist aus meiner Sicht etwas ent­täuschend, aber es war de facto nicht möglich. Ich weiß nicht, warum, aber vielleicht sind die mahnenden Worte einzelner Bundesratskollegen und -kolleginnen, dass man mit den Instrumentarien des Bundesrates, insbesondere mit dem „starken Schwert des Einspruches“ vorsichtig hantieren sollte, doch auf fruchtbaren Boden gefallen. Meiner persönlichen Einschätzung nach hätten wir Einspruch erheben sollen, und zwar ganz bewusst, um eine inhaltliche Auseinandersetzung im Nationalrat zu ermöglichen.


Bundesrat
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733. Sitzung / Seite 141

Inhaltlich ist das keine leichte Materie – ich gestehe das vorweg –, es ist etwas kompli­ziert. Es ist auch schwierig, anhand eines plakativen Beispiels zu erklären, warum aus unserer Sicht die ganze Sache verfassungswidrig ist. Ich versuche es trotzdem und hoffe, es gelingt.

Der wesentliche Punkt unserer Kritik der Verfassungswidrigkeit zeigt sich im folgenden Beispiel – ich darf Sie höflich einladen, mir jetzt zwei Minuten sozusagen gedanklich zu folgen; ich werde mich bemühen, ein einfaches Beispiel zu bringen –:

Wir haben einen ASVG-Versicherten, der in Pension geht und Pensionist ist. Wir ha­ben einen BSVG-Versicherten, der in Pension geht und Pensionist ist. Beide beziehen eine Pension, beide nehmen in ihrem Pensionistendasein gewerbsmäßig einen land­wirtschaftlichen Betrieb auf. Ich bringe ein Beispiel: Es ist eine einfache Vermietung und Verpachtung eines Bauernhofs et cetera. Beide verunfallen, und auf Grund der Minderung der Erwerbstätigkeit haben beide einen Anspruch auf eine Versehrtenrente.

Die Neuregelung sieht jetzt so aus, dass man zum ehemaligen ASVG-Versicherten und ASVG-Pensionisten sagt: Ja, wir wissen, wir müssen dir jetzt etwas zahlen, aber du bekommst eine Bemessungsgrundlage von nur 10 000 €! – Der BSVG-Versicherte hat jedoch eine Bemessungsgrundlage von 16 000 €.

Die Ausführungen auch in den Ausschüssen haben diese aus unserer Sicht verfas­sungswidrige Ist-Situation nicht erklären und auch nicht aufklären können. Und genau die Argumentation, die der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis im März 2005 als Begründung für die Verfassungswidrigkeit herangezogen hat, nämlich dass da kein sachlicher Zusammenhang besteht, ist wieder ins Treffen geführt worden.

Unseres Erachtens ist es also nicht gelungen, die Verfassungswidrigkeit dieser Neu­regelung oder die Vorbehalte oder unsere Meinung, dass die geplante Neuregelung ebenso verfassungswidrig ist, zu entkräften. Ich persönlich vertrete den Standpunkt, dass man eine verfassungswidrige Regelung, die vom Verfassungsgerichtshof aufge­hoben wurde, nicht sehenden Auges durch eine neuerliche verfassungswidrige Rege­lung ersetzen sollte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Herr Kollege, es ist schwierig, das zu erklären: Beide sind in Pension, und der Punkt ist, dass beide dann im BSVG versichert sind. Der eine bezieht zwar eine ASVG-Pen­sion und der andere eine BSVG-Pension; da sie aber einen Betrieb fortführen, sind beide im BSVG versichert. Und dem ASVG-Pensionisten, ehemaligen ASVG-Versi­cherten, sagt man, er habe eine niedrigere Bemessungsgrundlage als derjenige, der früher im BSVG versichert war und dann BSVG-Pensionist ist.

Es ist ein bisschen schwierig zu erklären, ich habe mich bemüht. Es ist nicht einfach. Mir ist sozusagen die Komplexität der Materie bewusst, liebe Kolleginnen und Kolle­gen. Trotzdem entsteht der Eindruck – erlauben Sie, dass ich das sage –: Man hat sich halt mehr oder weniger dazu durchgerungen, nachdem der Verfassungsgerichtshof ge­sagt hat, dass das verfassungswidrig ist, eine Neuregelung anzustreben, so nach dem Motto: Jetzt müssen wir denen zwar eine Versehrtenrente zahlen, aber dann wenigs­tens von einer niedrigeren Bemessungsgrundlage! – Dieser Eindruck entsteht.

Wie gesagt, auf Grund der angeführten Argumente glauben wir, dass die Neuregelung ebenso wieder verfassungswidrig ist. Persönlich bedauere ich, dass der Einspruch nicht gelungen ist. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, sich sachlich damit aus­einander zu setzen.

Ich möchte daher – es ist zwar nicht ganz das Gleiche – zu einem vielleicht doch ähnlichen Ergebnis kommen und darf folgenden Antrag stellen:


Bundesrat
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Antrag

gemäß § 51 GO-BR

der Bundesräte Mag. Klug, Eva Konrad, Kollegen und Kolleginnen auf Übergang zur Tagesordnung

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, nach Ende der Debatte über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozial­versicherungsgesetz geändert wird (1280 d.B. und 1310 d.B.), zur Tagesordnung über­zugehen.

*****

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Konrad.)

17.46


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend unter­stützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Köberl. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.46.33

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Ich bin dem Kollegen Gerald Klug dankbar dafür, dass er versucht hat, diese komplexe Materie auf ein einfaches Beispiel herunterzubrechen. Wenn man das mit verfolgt hat, weiß man, dass es nicht bei einem einfachen Beispiel bleibt, weil es wirklich in das Versicherungsrecht hinein­geht.

Ich muss nur mit einem nicht ganz einverstanden sein, nämlich wenn es heißt, dass das „gravierende Mittel des Einspruchs“ sehr selten verwendet wird. (Bundesrat Mag. Klug: Vorsichtig!) Wenn man die letzten Bundesratssitzungen verfolgt hat und die Protokolle nachliest, muss man feststellen, dass es doch entsprechend verwendet wird. Mindestens zwei- bis dreimal pro Sitzung wird das von Ihnen so formulierte „Schwert“ in diesem Sinne verwendet. (Bundesrat Gruber: Vom Schwert hat Kollege Bieringer gesprochen!)

Zurück zu den Fakten, meine Kolleginnen und Kollegen! Das Unfallversicherungsrecht der Bauern sieht besondere Ausschlussregelungen beim Zusammentreffen einer Be­triebsrente mit einem Pensionsbezug vor. Hinsichtlich des Anfalls einer Betriebsrente hat der Verfassungsgerichtshof diese Bezugnahme im Hinblick auf eine ASVG-Pension wegen mangelndem sachlichem Zusammenhang mit Ablauf des 31. März 2006 aufge­hoben. Dieser 31. März 2006 ist ja auch der Grund dafür, dass man jetzt darauf reagie­ren muss – ich werde noch später dazu kommen, warum.

Nunmehr soll eine Neuregelung erfolgen, die diesem Erkenntnis Rechnung trägt. Wir haben die Schwierigkeiten schon gehört und auch die unterschiedlichen Sichtweisen der Fachexperten, nur ist es heute leider so, dass man für fast alles in der Politik und in der Wirtschaft ein Gutachten dafür, wohl aber auch ein gleichwertiges dagegen bekom­men wird.

Worum geht es konkret? – Noch einmal zusammengefasst: Der Verfassungsgerichts­hof hält es sachlich für nicht gerechtfertigt, wie wir gehört haben, dass ein BSVG-Versicherter nach einem Arbeitsunfall oder auf Grund einer Berufskrankheit keinen Anspruch auf eine Betriebsrente hat, wenn er bereits eine Pension nach dem ASVG bezieht. Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestimmung des § 149d hinsichtlich der


Bundesrat
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Einschränkung des Rentenanfalls, kein Rentenbezug für bereits in Pension befindliche Unfallopfer, aufgehoben, weil bei kleinen Gruppen – Anlassfall war ein Jagdausüben­der, der eine ASVG-Pension bezieht – die Zielrichtung der bäuerlichen Betriebsrente nicht im Vordergrund steht.

Das grundsätzliche Prinzip der Konzentration der Betriebsrente auf aktiv im Erwerbs­leben stehende Personen soll beibehalten werden, meine Damen und Herren; darüber war man sich aber auch einig. Zweck der bäuerlichen Betriebsrente ist, die Fortführung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zu unterstützen und den Verlust der künf­tigen Erwerbschance auszugleichen. Das Schadenersatzrecht der ASVG-Unfallrenten steht dabei nicht mehr so sehr im Vordergrund.

Der Umstieg auf die bäuerlichen Betriebsrenten im Jahr 1999 – das war die 22. BSVG-Novelle – führte zu einer wesentlichen Leistungsverbesserung für die Betroffenen. Die früheren Bagatellrenten der Bauern konnten für neue Versicherungsfälle ab 1999 um – man höre und staune! – 324 Prozent angehoben werden und liegen heute beim Leis­tungsniveau der anderen Berufsgruppen, was doch auch wichtig erscheint.

Die entsprechende Bestimmung wird nun korrigiert, wobei das Gesetz künftig für ASVG- und GSVG-PensionsbezieherInnen sowie in bestimmten anderen Fällen eine geringere Bemessungsgrundlage für die Betriebsrente vorsieht.

Welche finanziellen Auswirkungen hat nun diese Neuregelung? Es geht letzten Endes auch immer um das liebe Geld. Die vorgesehene Neuregelung der Gewährung einer Betriebsrente ist natürlich mit einem zusätzlichen finanziellen Aufwand verbunden. Laut Aufzeichnungen der Sozialversicherungsanstalt der Bauern werden ausgehend davon, dass es jährlich durchschnittlich 70 bis 80 davon Betroffene gibt, die Ausgaben bis zum Jahre 2010 in Summe zirka 250 000 € betragen, bis zum Jahre 2020 zirka 600 000 €.

Die Novelle gewährleistet gleichzeitig den Erhalt und die Leistungssicherung des bäu­erlichen Rentensystems. Warum? – Ein Verzicht auf Novellierung würde für alle bereits im Pensionsbezug stehenden Unfallopfer zwar zu einem Rentenzugang führen, was mit den der bäuerlichen Unfallversicherung zur Verfügung stehenden Mitteln aber unfi­nanzierbar wäre und auch dem Rentenzweck entgegenstehen würde.

Auf diese Novellierung des § 149d zu verzichten beziehungsweise sie abzulehnen wür­de bedeuten, über die Akquirierung von zusätzlichen finanziellen Mitteln für die bäuer­liche Unfallversicherung Überlegungen anstellen zu müssen beziehungsweise die Ren­tenleistungen wieder zurückzunehmen. Und dies liegt sicherlich nicht im Interesse der versicherten Bäuerinnen und Bauern, meine Damen und Herren.

Ich darf daher seitens der Fraktion der ÖVP folgenden Antrag einbringen:

Antrag

gem. § 43 GO-BR

der Bundesräte Köberl, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des National­rates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversi­cherungsgesetz geändert wird (1280 d.B. und 1310 d.B.), keinen Einspruch zu erheben

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2006 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1280 d.B. und 1310 d.B.), wird kein Einspruch erhoben.

*****


Bundesrat
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733. Sitzung / Seite 144

Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

17.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben eingebrachte Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist ausreichend unterstützt und steht in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Konrad.

 


17.52.33

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner hat gesagt, es gehe auch ums Geld. Es geht aber nicht nur ums Geld, sondern in diesem Fall vor allem auch um Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Der VfGH hat die ja schon lang und breit erklärte und erläuterte Regelung aufgehoben, weil er eben ganz klar keinen Zusammenhang zwischen diesen beiden Pensionen erkennen kann, die ja immerhin auf Grund von verschiedenen jeweils erbrachten Leistungen bezogen werden.

Der vorliegende Reparaturversuch tut diesem Erkenntnis des VfGH nur formal Ge­nüge, denn der grundlegende Widerspruch wird nicht behoben. Es ist zwar dann mög­lich, eine Betriebsrente parallel zu einer ASVG- oder GSVG-Pension zu beziehen, aber bei einer reduzierten Bemessungsgrundlage. Das bedeutet zum Beispiel für Neben­erwerbsbäuerInnen eine Diskriminierung, denn diese haben in jedem Fall auch andere pensionsrechtliche Ansprüche. Es gibt Stellungnahmen der Landwirtschaftskammer und der AK, in denen genau das auch kritisiert wird.

Es handelt sich um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Laut VfGH besteht, wie gesagt, kein Zusammenhang mit anderen Bezügen. Das heißt, diese müssten also in diesem Fall ganz normal berechnet werden.

Dennoch wird aber diese Neuregelung für die betroffenen Personen im Gegensatz zum Jetzt-Zustand eine Verbesserung bedeuten. Und das ist für uns auch die Motivation, die Sache hier nicht länger hinauszuzögern und zur Tagesordnung überzugehen. Wir wahren unser Gewissen und stimmen nicht einer Regelung zu, von der wir ausgehen, dass sie höchstwahrscheinlich verfassungswidrig ist. Diese Regelung wird in Kraft tre­ten, und man wird dann sehen, ob sie in Zukunft halten wird oder nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.54


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Kampl das Wort.

 


17.54.30

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Klug eingehen, der ein Beispiel von zwei gleichwertig Versicherten beziehungsweise unterschiedlich Versicherten gebracht hat, die letzten Endes doch keinen Anspruch haben.

Ich möchte Frau Kollegin Konrad einmal von vornherein für die Möglichkeit der Bun­desregierung danken, dieser Zielgruppe, die wirklich seit Jahrzehnten Beschwerde ge­führt hat, die nichts gefruchtet hat, endlich Hilfe zukommen zu lassen.

Geschätzte Damen und Herren! Zur Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgeset­zes: Seit Bestehen des Bauernversicherungsrechtes hat es eine Ausschlussregelung dann gegeben, wenn eine Betriebsrente und ein Pensionsbezug gegeben waren. Dies hat vielen bäuerlichen Betrieben große Probleme bereitet. Wir wissen genau: Es sind


Bundesrat
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733. Sitzung / Seite 145

etwa 100 000 bäuerliche Betriebe in Österreich im Zu- und Nebenerwerb tätig, und dort beginnen die Probleme.

Der Verfassungsgerichtshof hat diese negative Regelung betreffend ASVG-Pensionen als verfassungswidrig aufgehoben, was meiner Meinung nach sehr richtig ist.

Zum besseren Verständnis möchte ich die Situation der bäuerlichen Betriebe in Öster­reich kurz aufzeigen. 1980 gab es in Österreich noch 318 085 land- und forstwirtschaft­liche Betriebe; 2003 waren es nur mehr 190 382. Das heißt, seit 1980 haben täglich 18 bis 20 Besitzer von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ihrem Hof den Rücken ge­kehrt.

Von den derzeit noch 190 882 Betriebsführern in Österreich sind 102 000 im Zu- und Nebenerwerb. Das heißt aber auch, dass die meisten der 102 000 betroffenen Neben­erwerbslandwirte einer doppelten Versicherungspflicht unterliegen, ohne daraus eine Leistung zu erhalten.

In den Bundesländern Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich beträgt der Anteil der bäuerlichen Vollerwerbsbetriebe über 50 Prozent. In den Bundesländern Burgen­land, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Kärnten ist der Anteil der Nebenerwerbsland­wirte auf bis zu 70 Prozent gestiegen.

Die Aufhebung der bisherigen Praxis bedeutet für sehr viele betroffene Nebenerwerbs­landwirte in Österreich eine rechtliche Klarstellung. Jeder von uns hat wahrscheinlich schon Interventionen für diese Berufsgruppe getätigt. Viele aus dieser Berufsgruppe haben dieses Pensionssystem angefochten und Beschwerde geführt, aber leider ohne Erfolg.

Herr Staatssekretär! Ich möchte bei dieser Gelegenheit der derzeitigen Bundesregie­rung im Namen der vielen Betroffenen, die in Österreich auf die Änderung dieser Situa­tion warten, danken.

Ich stimme dieser Gesetzesvorlage gerne zu, und wir sollten keinen Einspruch erhe­ben. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer sowie Beifall bei der ÖVP.)

17.58


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt mir hiezu ein Antrag der Bundesräte Mag. Klug, Konrad, Kolleginnen und Kol­legen vor, hinsichtlich des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates gemäß § 51 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur Tagesordnung überzugehen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Übergang zur Tages­ordnung ist somit angenommen.

Somit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

17.59.2019. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kolle-
gen betreffend „Wählen ab 16“ auf Bundesebene (150/A(E)-BR/2006 sowie 7503/BR d.B.)

 



Bundesrat
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Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner.

 


18.00.00

Berichterstatter Ing. Reinhold Einwallner: Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Entschließungsantrag der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wählen ab 16“ auf Bundesebene.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich somit auf die An­tragstellung. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Hause die Annahme des gegenständlichen Entschließungsantrages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus somit den Antrag, der Bundesrat wolle die dem schriftlichen Ausschussbericht ange­schlossene Entschließung annehmen. – Danke schön.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht. Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer.

 


18.00.42

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass es zu der Materie „Wählen ab 16“, also früher als bisher, natürlich wie bei vielen Materien Für und Wider gibt. Dafür spricht sicher, dass es nie schlecht ist, Staatsbürger in die Verantwortung mit einzubin­den, gar keine Frage.

Es gibt natürlich eine Anzahl von Bedenken, so etwa, dass es eine Reihe von Umfra­gen gibt, die dokumentieren, dass die betroffene Gruppe selbst nicht massiv fordert, dass sie schon ab diesem Alter wahlberechtigt sein soll. Es gibt einige Bedenken um die Thematik herum, welche Vorteile es bringt, den Wahlkampf zusätzlich in die Schu­len hineinzutragen. Es gibt bei uns einige Bedenken, die sich darauf beziehen, dass andere Bereiche des Wahlrechts – ich denke zum Beispiel daran, dass es bis heute nicht gelungen ist, in Wien bei Landtagswahlen das Briefwahlrecht einzuführen – noch nicht bewältigt worden sind, die für uns in der Reihenfolge früher kommen würden. Und nicht zuletzt sähe ich es in der Länderkammer als problematisch an, wenn wir eine sol­che Regelung auf Bundesebene beschließen würden, weil es an sich so ist, dass die einzelnen Landtage keine Regelungen beschließen können, die eine engere Lösung darstellen. Das heißt, zu dem Zeitpunkt, zu dem wir auf Bundesebene ein Wahlalter von 16 Jahren beschließen, ist den Landtagen nicht mehr die Möglichkeit gegeben, das Wahlrecht bei 18 Jahren zu belassen. Das ist auch eine Überlegung, bei der wir uns als Länderkammer schon fragen sollten, ob wir hier besonders proaktiv den Ge­staltungsfreiraum der Länder einschränken wollen. (Bundesrat Schennach: ÖVP Stei­ermark fordert 16!)

Ich bestreite überhaupt nicht und sehe das eigentlich auch sehr unaufgeregt, dass es zu dieser Thematik innerhalb der Volkspartei eine lebendige Diskussion mit unter­schiedlichen Meinungen gibt. Summa summarum überwiegt bei uns die Skepsis, und wir werden diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

18.03


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preiner. – Bitte.

 



Bundesrat
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18.04.03

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wie Sie aus der Vorlage erkennen können, haben wir den vorliegenden Entschließungsantrag deshalb eingebracht, um der vorhin erwähnten Altersgruppe der Jugendlichen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr die Möglichkeit des Wählens auf Bundesebene zu gewähren, bereits ab der Nationalratswahl 2006. Das, wie ich meine, aus guten gesellschaftspolitischen, aber auch aus notwendigen demokratiepolitischen Gründen.

Ich möchte auch erwähnen, dass sehr viele Landtage das Wahlrecht bereits auf das vollendete 16. Lebensjahr bei Landtagswahlen herabgesetzt haben und sich keine poli­tische Gruppe, welche auch immer, davor fürchten muss. Die Herabsetzung des Wahl­rechtes ist in den einzelnen Bundesländern von der Bevölkerung positiv aufgenommen worden. Die Jugendlichen haben sehr wohl überlegt und sehr reif gehandelt. Es hat auch die Statistik gezeigt, dass das Wahlverhalten der Jugendlichen in Summe gese­hen nicht anders gewesen ist als das Wahlverhalten der Erwachsenen.

Jugendliche müssen, denke ich, schon deshalb das Wahlrecht erhalten, weil sie schon bis jetzt in der Gesellschaft, ob in der Schule oder am Arbeitsplatz, genug Rechte und Pflichten haben. Wenn ich das Wort „Schule“ in den Mund nehme, dann hat das nichts damit zu tun, dass ein Wahlkampf in der Schule geführt werden soll, dagegen ver­wahre ich mich entschieden. Die Rechte und Pflichten der Jugendlichen werden von ihnen sehr verantwortungsvoll wahrgenommen. Nur: Vom Wählen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr sind sie bis jetzt bei Bundeswahlen, sprich Nationalrats- und Bundes­präsidentenwahlen, ausgenommen, was meiner Meinung nach nicht in Ordnung ist.

Daher müssen die Jugendlichen in den politischen Entscheidungsprozess in Form der Zuerkennung des Wahlrechtes integriert werden. Dies sehe ich auch als einen wesent­lichen Beitrag dazu, in Zukunft ein spannungsfreies Zusammenleben zwischen den Generationen in unserem Lande zu ermöglichen und die Weiterentwicklung Öster­reichs in Richtung einer toleranten, solidarischen, aber auch offenen Gesellschaft dau­erhaft zu gewährleisten.

Zu den wichtigsten Lebensbereichen eines Jugendlichen gehört neben seiner Familie sein Arbeitsplatz, ob in der Schule oder als Arbeitnehmer in einem Betrieb. Jugendliche treffen bereits vor dem vollendeten 16. Lebensjahr wichtige Entscheidungen, die ihre Zukunft maßgeblich beeinflussen. Zum Beispiel müssen sie sich entscheiden, entwe­der eine weiterführende Schule zu besuchen oder ins Berufsleben einzusteigen. Für den Fall, dass sie ins Berufsleben einsteigen, ist es wichtig, dass sie den richtigen Be­ruf erwischen. In Zeiten wie diesen müssen sie das Glück haben, eine adäquate Lehr­stelle zu bekommen, was, wie wir alle wissen, bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 70 000 nicht so leicht ist. (Zwischenrufe der Bundesrätin Zwazl.)

Die Eigenverantwortung der Jugendlichen für die eigenen Entscheidungen hat in den letzten Jahren unzweifelhaft zugenommen. Dazu einige Beispiele: Das Jugendschutz­gesetz gewährt den Jugendlichen in den einzelnen Bundesländern auch mehr Freihei­ten, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Auch sind Lehrlinge bei Be­triebsratswahlen wahlberechtigt. In den Schulen wählen die Schüler selbstverständlich ihre Klassen- und Schulsprecher, sind im Schulgemeinschaftsausschuss und in der Schulpartnerschaft vertreten. Auch bei Arbeiterkammerwahlen sind, wie wir wissen, Ju­gendliche wahlberechtigt, und das ohne Altersgrenze.

Sehr wesentlich ist auch – das möchte ich betonen –, dass Jugendliche bereits ab dem 14. Lebensjahr strafmündig sind, bis jetzt aber bei Bundeswahlen nicht ab dem vollen­deten 16. Lebensjahr wählen dürfen.


Bundesrat
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Auch möchte ich betonen, dass es laut Gesetz Jugendlichen ab dem 17. Lebensjahr gestattet ist, im Bundesheer Dienst mit der Waffe zu versehen.

Ich möchte noch eine Brücke zum Themenbereich Straßenverkehr schlagen: Jugend­liche als Verkehrsteilnehmer. Den Mopedführerschein gibt es, wie wir wissen, bereits ab dem vollendeten 16. Lebensjahr, natürlich wenn vorher die entsprechende Fahr­schulausbildung gemacht wurde. Auch gibt es ab dem vollendeten 16. Lebensjahr die Möglichkeit, den Traktorführerschein zu machen, natürlich bei einer vorangegangenen entsprechenden Fahrschulausbildung. Der L 17 ist uns ebenfalls kein unbekannter Be­griff. Im Straßenverkehr entscheidet ein Fahrfehler oftmals über Leben und Tod.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch aus den Gründen, die ich soeben aufge­zählt habe, ziehe ich den Schluss, dass es höchst an der Zeit ist, Jugendliche in einen weiteren demokratischen Entscheidungsprozess mit einzubeziehen und ihnen durch die Ausübung des Wahlrechtes auch auf Bundesebene die Möglichkeit der politischen Mitbestimmung schon ab den nächsten Nationalratswahlen zu geben.

Vor einer Wahlaltersenkung auf Bundesebene braucht sich niemand zu fürchten – ich habe das eingangs bereits erwähnt –: Wählen mit 16 gibt es bereits teilweise auf kom­munaler, aber auch auf Landesebene.

Selbst Herr Bundeskanzler Schüssel liebäugelt unter Umständen auch mit diesem Ge­danken, denn vor geraumer Zeit flatterten Werbebotschaften des Kanzlers in Tausende Haushalte. Per Brief lässt Schüssel die jungen Leute wissen, dass sie mitgestalten könnten, grenzenlose Bildungschancen hätten und Österreich Vorbild in Sachen Ar­beitsmarkt sei. – Ich meine: Mit dem Mitgestalten in Österreich kann er doch wohl nur die Senkung des Wahlalters auch auf Bundesebene ab den nächsten Nationalratswah­len gemeint haben, geschätzte Kolleginnen und Kollegen.

Mit dem Mitgestalten der Jugendlichen meine ich es sehr ernst. Wir sollten daher den Entschließungsantrag nicht auf die lange Bank schieben und ablehnen, sondern ihn heute positiv befürworten.

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch bekannt geben, dass es Wählen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr auf kommunaler Ebene bereits in Salzburg, der Steiermark, in Kärnten, im Burgenland und in Graz gibt, auf Landesebene bereits – und es wurden ja vorhin schon die Bundesländer angesprochen – in Salzburg, in Kärnten, in Wien und im Burgenland.

Das Burgenland war es auch, das erfolgreich die Vorreiterrolle für die Aktion „Wählen ab 16“ übernahm. Wir waren das erste Bundesland, das bereits im Jahr 2002 das ge­setzliche Wahlalter auf Gemeindeebene auf das vollendete 16. Lebensjahr senkte. Die Analyse hat gezeigt, dass an diesen Kommunalwahlen rund 85 Prozent der Jugend­lichen teilgenommen haben.

Ich möchte noch weitere positive Erfahrungen erwähnen. Es waren alle – ich betone nochmals: alle! – im Burgenländischen Landtag vertretenen Parteien, die der Senkung des Wahlalters bei den letzten Landtagswahlen im Burgenland im Jahre 2005 zuge­stimmt haben. Da lag die Wahlbeteiligung der Jugendlichen laut Analyse bei rund 75 Prozent.

Auch bei den letzten Gemeinderats- und Landtagswahlen in Wien lag sie, wie wir wis­sen, nach einer Umfrage des SORA-Instituts bei zirka 59 Prozent, ein, wie ich meine, hoher Wert für eine Großstadt, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. Laut SORA wird der Jugend auch sehr große politische Aktivität und entsprechendes Demokratiever­ständnis bescheinigt.


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Dass Jugendliche nur dann als erwachsen gelten, wenn es um ihre Pflicht geht, ihnen aber ein weiteres Grundrecht, nämlich das der aktiven Teilnahme an bundesweiten Wahlen, wie zum Beispiel an der Nationalratswahl 2006, vorenthalten wird, ist, glaube ich, in Zukunft nicht haltbar und sperrt sie von ihrem Selbstbestimmungsrecht aus.

Dass dies so ist, haben im Jahr 2006 auch alle im Burgenländischen Landtag vertrete­nen Parteien erkannt. Vor einigen Wochen, und zwar am 16. März dieses Jahres, wur­de auf Initiative der SPÖ-Burgenland einstimmig ein Entschließungsantrag an die Bun­desregierung und an den Nationalrat verabschiedet, in dem es heißt, dass die Senkung des Wahlalters im Hinblick auf die Nationalratswahl 2006 möglichst rasch umgesetzt werden soll.

Ich persönlich hoffe auch, dass dieser positive Impuls, der von allen – ich wiederhole mich bewusst: von allen! – im Burgenländischen Landtag vertretenen Parteien aus­geht, auch von der Bundesregierung und von Kanzler Schüssel so gesehen und dies­mal nicht schubladisiert wird.

Weiters möchte ich auch der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass dieses Signal auch hier im Bundesrat, in der Länderkammer, positiv aufgenommen wird, vor allem auch von den Regierungsfraktionen. Keine Angst vor „Wählen ab 16“! – Der burgenlän­dische ÖVP-Bundesrat ist heute leider nicht anwesend, er glänzt durch Abwesenheit, aber ich bin davon überzeugt, dass er, wenn er hier wäre, mich sicherlich verstehen würde. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jugendliche dürfen nicht weiter politischen Entscheidungen passiv ausgeliefert sein, Kolleginnen und Kollegen! Die Wahlbeteiligung bei den vergangenen Landtagswahlen zeigt auch, dass die Jugendlichen großes Interesse an politischer Mitbestimmung ha­ben. Ich meinen, ermöglichen wir es ihnen!

Ich ersuche daher alle Fraktionen, im Sinne einer richtungsweisenden, staatspolitisch weitblickenden Entscheidung, unserem vorliegenden Entschließungsantrag in der Ihnen vorliegenden Form die Zustimmung zu erteilen, und danke für Ihre Aufmerksam­keit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.15


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme an, ich habe richtig von die­ser Seite gehört, dass Kollege Jany sich im Spital befindet. – Daher würde ich bitten, dass man mit so flapsigen Aussagen wie „glänzt durch Abwesenheit“ etwas sorgsamer umgeht und sich zuerst einmal erkundigt, warum ein Kollege nicht im Haus ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


18.16.26

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Appell des Vorredners, mehr Demokratie oder noch mehr Demokratie in Österreich einzuführen, verhallt nicht ungehört. Ein Appell in Richtung größere Einbindung der Bürger in die Demokratie ist in Österreich noch nie – bis auf einen Zeitabschnitt – ungehört verhallt.

Österreich hat tiefe demokratische Wurzeln. Seit der Einführung des Frauenwahlrech­tes – das ist ja auch schon einige Jahre her (Rufe: Gott sei Dank!) – hat es mit einer Unterbrechung eine ständige Ausweitung der demokratischen Rechte in Österreich ge­geben.

Man hat es einem Land und einem Landeshauptmann Haider nicht zugetraut, dass er es sein wird, der den ersten Schritt in Richtung direkte Demokratie setzen wird. Es war nämlich das Land Kärnten, das 1991 erstmalig den Weg gegangen ist, neben dem


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Gemeinderat auch den Bürgermeister direkt wählen zu lassen – bei uns erfolgreich! Es sitzen ja Bürgermeister Siegfried Kampl als direkt gewählter Bürgermeister und auch andere Bürgermeister, die direkt gewählt sind, hier herinnen, weil ja andere Bundeslän­der diesem Beispiel gefolgt sind. – Ich halte also jeden Weg, Demokratie auszuweiten, für gut!

Es wurde schon von meinem Vorredner gesagt, dass es bei den Kommunalwahlen be­reits in Kärnten, in der Steiermark, im Burgenland, in Salzburg und Wien die Senkung des Wahlalters auf das 16. Lebensjahr gegeben hat. Nicht ganz stimmt die Aussage, dass dies auf Landesebene vier Bundesländer getan haben, sondern es waren drei Bundesländer, nämlich Salzburg, das Burgenland und Wien.

Kärnten ist in Vorbereitung auf eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre – und es wird auch kommen, so wahr ich hier stehe. Wir haben zugewartet und nun die positi­ven Aspekte in den anderen Bundesländern zur Kenntnis genommen. Wir glauben, dass die Gemeinde und das Bundesland die unmittelbare Heimat und Umgebung der Menschen sind und dass es wichtig ist, bereits dort die Jugendlichen in die Politik mit­einzubinden und mitbestimmen zu lassen. Man möchte die Meinung der Jugendlichen hören und sie zur aktiven Mitgestaltung der Politik einladen.

Politik darf nicht etwas Fremdes und Abgehobenes sein! Gerade in einer Zeit, in der wir in der EU leben und sich Politikfrust breitmacht, ist es notwendig, die Jugendlichen früher in die Mitgestaltung der Politik einzubinden. Es ist aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch immer etwas problematisch, das jetzt auch auf die Bundes­ebene auszuweiten.

Herr Bundesrat Himmer hat einige Beispiele dafür bereits aufgezählt. Es gibt ein Ge­fälle bei der Wahlbeteiligung – in den Bundesländern gibt es schon Erfahrungswerte bei Gemeinderatswahlen und Landtagswahlen –, wo eine starke Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen da ist und eine schwächere bei den Landtagswahlen, und die­ses Gefälle würde sich, glaube ich, zu diesem Zeitpunkt extrem fortsetzen. Das heißt, je weiter weg die Institution ist, die zu wählen ist, umso weniger Interesse wird wahr­scheinlich diese Wahl bei den Jugendlichen erwecken.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass alle neun Bundesländer als ersten Schritt bei den Land­tagswahlen und den Kommunalwahlen das „Wählen ab 16“ einführen müssten, denn das Hin- und Herspringen, nämlich, dass jemand, der bei der Nationalratswahl 2010 wahlberechtigt ist, weil er gerade 16 Jahre alt geworden ist, ein Jahr später bei der Landtagswahl in seinem eigenen Bundesland nicht mehr wahrberechtigt ist, würde zu Verunsicherungen führen. Das heißt, auch da ist dieser Weg einzuhalten.

Alle Bundesländer sollten das tun – dafür haben wir natürlich Überzeugungsbedarf! Ich denke, dass Kärnten das nächste Bundesland sein wird, das im Landtagswahlbereich vorpreschen wird.

Ich ersuche Sie, zu diesem Zeitpunkt diesen Antrag nicht zu unterstützen, darauf zu vertrauen – wenn schon Schüssel zitiert wird –, dass er auch bereit ist, darüber nach­zudenken. Das ist schon ein Signal! Er sagt, nach den nächsten Nationalratswahlen wird das sein.

Auch wenn wir heute im Bundesrat etwas beschließen: Wer glaubt denn, dass das heuer schon bei der Nationalratswahl zum Tragen kommen würde? Das hat einen noch viel weiteren Weg, wenn es über den Bundesrat gestartet wird! (Bundesrat Schennach: Nur nicht fürchten! – Bundesrat Konecny: Das kann aber nicht die Be­gründung sein, dass man jetzt nicht zustimmt! – Bundesrat Gruber: Signal!) Man sollte die Zeit eher dazu nützen, Meinungsbildung bei den einzelnen Ebenen und allen politi­schen Parteien zu betreiben, denke ich, sonst haben wir einen weiteren Weg.


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Wir werden zu diesem Zeitpunkt jedenfalls diesen Antrag nicht unterstützen. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.21


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


18.21.37

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich könnte Ihnen jetzt lang und breit ausführen, was man mit 16 Jahren schon alles darf, dass man aber nicht wählen darf, und ich könnte Ihnen lang und breit Gründe dafür anführen, dass Menschen in diesem Alter gar nicht so unheimlich sind, dass man sich vor diesen nicht fürchten muss (Heiterkeit bei der ÖVP), dass sie durchaus schon in der Lage wären, zu wählen, und dass das alles nicht so schlimm wäre. Ich werde das nicht tun, und zwar aus einem einfachen Grund: Weil dahinter nämlich die Anschauung stünde, dass das Wäh­len ein Privileg sei, das man nur jenen gibt, die sich bewährt haben und die mindestens so gescheit sind wie wir. Und das ist der falsche Ansatz!

Wählen ist ein Recht, Wählen ist auch eine Pflicht! Ich bin nicht dafür, dass man aus strategischen Gründen ein Wahlrecht an Menschen ab dem Alter von 16 Jahren gibt, und auch nicht aus erzieherischen Gründen. Es heißt ja oft: Lassen wir sie wählen, dann haben sie viel mehr Interesse an der Politik! – Ich denke, es ist eher umgekehrt: Das Wichtige wäre, dass die Politik, wenn Menschen ab 16 Jahren wählen dürfen, mehr Interesse an ihnen hat! Das ist für mich eigentlich das Entscheidende! Ich per­sönlich habe mich mit 16 Jahren nicht sehr für Politik interessiert, und zwar aus einem einfachen Grund: Weil ich ihr ausgeliefert war und weil ich persönlich keinen Ansatz­punkt hatte, wo ich mich hätte einbringen können.

Mein Interesse an Politik hat begonnen, als ich zu studieren begonnen habe, und zwar, weil ich dort erfahren habe, was es heißt, wenn ich in der Lage bin, durch persönlichen Einsatz mein direktes Lebensumfeld mitzubestimmen. Das war für mich eine Erfah­rung, die mich bewegt hat, mich für Politik zu interessieren, mich damit auseinander zu setzen. Wenn man Menschen jetzt schon ab dem Alter von 16 Jahren diese Möglich­keit gibt, dann kann das nur für uns alle ein Gewinn sein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Damit meine ich auch, dass man Übungsfelder für Demokratie geben muss. Man kann nicht sagen, man will, dass alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ganz aktiv an der Demokratie teilnehmen, ihnen aber die Möglichkeiten nicht dazu gibt. Zum Beispiel ist Schuldemokratie in Österreich in Ansätzen vorhanden, aber auf jeden Fall ausbaufä­hig.

Wenn man dem Wählen ab 16 zustimmte, so wäre das für mich ein Ansatzpunkt, wo man dann zum Beispiel Schuldemokratie direkt ausbauen müsste, damit Menschen bis zum Alter von 16 Jahren sehen, was es denn heißt, praktische Entscheidungen zu tref­fen, sich einzusetzen, eine Meinung zu formulieren, die dann auch eine Auswirkung hat. Die Schule wäre ein sehr gutes Übungsfeld dafür. Das soll bitte nicht damit ver­wechselt werden, dass sich dann Parteienfraktionen bilden oder Parteien Plakate in den Schulen aufhängen!

Wenn Sie die Studie zum Wahlverhalten der 16- bis 18-Jährigen bei den Wiener Wah­len gelesen haben, dann werden Sie gesehen haben, dass diese Jugendlichen sehr stark zwischen objektiver Information, also sachlicher Information, und reiner Werbung unterschieden haben. Es war da ganz klar erkennbar, dass sie die reine Werbung, die polemischen Werbetexte eigentlich nicht interessieren, sondern dass sie ernst genom-


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men werden wollen, und dass heißt, dass sie wissen wollen, was die Parteien wirklich machen wollen, welche Angebote sie haben.

Ich denke, dass Menschen in diesem Alter ganz besonders dazu in der Lage sind, eine bewusste Entscheidung zu treffen, ob ihnen diese oder jene Weltanschauung und politische Meinung besser gefällt und ihnen eher entspricht.

Wenn sich die Politik stärker für Jugendliche interessiert, dann kann das auf unser ge­samtes demokratisches System eine wahnsinnig belebende Wirkung haben.

Es gibt viele Umfragen, die besagen, dass Jugendliche eigentlich selbst gar nicht wirk­lich wählen wollen. Wenn Sie die Ergebnisse genau lesen, werden Sie merken: Je jün­ger die Befragten sind, umso eher sind sie für eine Wahlaltersenkung. Das ist ein inter­essantes Detail.

Dazu kommt dann auch noch, dass das, wie ich meine, eigentlich von einem ganz gro­ßen Verantwortungsgefühl zeugt, denn diese jungen Leute sagen: Ich habe da noch nicht so viel Information! Wie viele 30-, 40-, 50-Jährige sagen vor der Wahl: Ich habe ganz wenig Information, ich gehe nicht wählen, damit ich nichts Falsches wähle! – Ha­ben Sie das schon einmal von einem 30-, 40- oder 50-Jährigen gehört? – Ich nicht.

Ich denke, dass der Umstand, dass die Jugendlichen mehr Information haben wollen, ein Zeichen dafür ist, dass bei ihnen ein großes Gefühl für Verantwortung da ist, und ich bin sicher, dass sich die Jugendlichen, wenn sie die Möglichkeit zu wählen hätten, diese Information gezielt auch besorgen würden.

Überall dort, wo es schon eine Wahlaltersenkung gegeben hat – das wurde schon er­wähnt –, war die Wahlbeteiligung in etwa entsprechend der Wahlbeteiligung in sons­tigen Altersgruppen. Man kann keinesfalls sagen, dass ein Nichtinteresse von dieser Altersgruppe vorhanden sei und dass das Senken des Wahlalters zu vermehrter Nicht­wahlbeteiligung führe.

Im Jahr 1992 hat die deutsche Shell Jugendstudie etwas gespreizt von der biografi­schen Beschleunigung der politischen Sozialisation junger Menschen gesprochen. Das heißt im Klartext einfach nur, 16-Jährige sind ganz massiv betroffen von dem, was die Politik entscheidet, und sie haben ein ganz großes Verantwortungsgefühl und sind auch schon mit 16 Jahren sehr wohl in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die ge­nauso moralisch gefestigt, genauso logisch begründet sind wie die einer 18-Jährigen, die eines 19-Jährigen.

Es gibt keinen logischen Grund gegen das Wählen ab 16. Das kann ich auch ein biss­chen daraus ableiten, dass, wie ich es bei vielen Diskussionen erlebt habe, Vertreter der ÖVP, die immer wieder dagegen sind, nie so wirklich kraftvoll argumentieren kön­nen, warum sie dagegen sind. (Bundesrat Bieringer: Wir sind dafür, dass wir dagegen sind!) Ich denke, von Seiten der ÖVP wird eine Meinung vertreten, die da lautet: Früher oder später wird diese Wahlaltersenkung ohnehin kommen, wir zögern es jetzt ein bisschen hinaus! Eigentlich können wir so richtig mit Kraft nicht sagen, warum wir dagegen sind!

Übrigens hoffe ich – das ist an die Seite der SPÖ gerichtet –, dass, wenn wir diesem Antrag, den die SPÖ heute einbringt, zustimmen, dann auch die Tiroler SPÖ im Tiroler Landtag den entsprechenden Anträgen der Tiroler Grünen zustimmen wird. Ein kleiner Seitenhieb – aber das würde mich sehr freuen! (Beifall der Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. – Zwischenruf des Bundesrates Wiesenegg.)

Es wird auch immer wieder ein Argument angeführt, das mich ganz besonders stört, nämlich wenn gesagt wird, man soll doch den jungen Menschen ihre Jugend lassen, die sollen sich doch mit diesen Quasi-Niederungen der Politik noch nicht in diesem


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Alter befassen müssen. Da kann ich nur sagen: Das ist exakt dasselbe Argument, das vor 100 Jahren gegen das Wahlrecht für Frauen vorgebracht wurde. Dieses Argument ist unzulässig!

Politik ist nicht etwas, wovor Menschen geschützt werden müssen, sondern Politik ist etwas, wobei Menschen mitmachen sollen – so viel es geht, so viel sie wollen. Es gibt keinen Grund, warum 16-Jährige dieses Recht nicht haben sollten. Ich hoffe, dass wir hier eine Mehrheit bekommen werden. Ich hoffe auch, dass in absehbarer Zeit ein Wahlalter ab 16 auch in Österreich durchgesetzt wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.28


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

 


18.28.59

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich im Namen der Damen und Herren der Fraktion der Österreichischen Volkspartei bei Ihnen, Frau Präsidentin, für die Klarstellung hin­sichtlich der Abwesenheit des Kollegen Jany herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.) Mit dem, was Sie, Herr Kollege Preiner geboten haben, haben Sie – um Ihre Worte aufzugreifen – nicht mit Kollegialität geglänzt. Damit möchte ich es bewenden lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist umso mehr schade, als der sachliche Gehalt Ihrer Rede durchaus zuhörens­wert war. Ich halte es für eine interessante Bereicherung der politischen Diskussion in Österreich, dass wir in den Ländern Vielfalt demonstrieren, dass einzelne Länder beim „Wählen ab 16“ vorangehen. Andere sind es bei der Direktwahl der Bürgermeister, an­dere bei der Abschaffung der Pragmatisierung. Es zeigt sich, dass dort, wo ein Thema sachlich fundiert aufgearbeitet wird, wo es die Menschen bewegt, wo sich die prak­tische Umsetzung bewährt, sich diese Lösung auch in anderen Ländern und möglicher­weise auch darüber hinaus auf Bundesebene Bahn bricht.

Dafür ist aber – auch nach den Erfahrungen in den anderen Bereichen – eine gewisse Geduld durchaus hilfreich, wenngleich ich zugebe, dass es manchen verständlicher­weise zu langsam geht.

Herr Kollege Himmer hat vorhin darauf hingewiesen, dass es auch für mich, der ich der Senkung des Wahlalters gar nicht so ablehnend gegenüberstehe, zwei wesentliche Gründe gibt, diesen Antrag als unausgegoren und inhaltlich sogar als widersprüchlich anzusehen: Zunächst wird die Wahlberechtigung ausgedehnt, aber lediglich altersbe­zogen, nicht situationsbezogen. Was meine ich damit? – Es bleiben nach wie vor jene vom Wahlrecht ausgeschlossen, die am Wahltag außerhalb ihres Landes oder bei einer Gemeindewahl außerhalb des Gemeindegebietes sind beziehungsweise sein müssen, weil sie beispielsweise im Krankenhaus der Bezirksstadt liegen.

Da wäre es durchaus angebracht, möglicherweise unter einem zu sagen: Wir machen demokratiepolitisch einen wesentlichen Schritt nach vorne und sagen: Ja, möglichst viele Leute sollen ihr Wahlrecht ausüben können, insbesondere jene, die es schon ha­ben. Und da wissen wir ja, dass es da ganz gewaltig mangelt und dass bisher alle Be­mühungen, eine Briefwahl oder zumindest eine der Nationalratswahl ähnliche Form für Landtags- und Gemeinderatswahlen möglich zu machen, gescheitert sind (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer) – obwohl gerade Sie von der Arbeiterkam­merwahl, von Betriebsratswahlen, von Personalvertretungswahlen her bestens, ja bes­ser als wir, wissen müssten, dass das funktioniert, dass das ein Service für die Bürge-


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rinnen und Bürger ist und dass es demokratiepolitisch zu keinen Missständen gekom­men ist. Oder haben Sie in Ihrem Bereich diesbezüglich etwas gehört?

Das alles sind Gründe dafür, nicht verstehen zu können, warum man bei der Auswei­tung des Wahlrechtes lediglich altersbezogen und sektoral vorgehen will – ganz abge­sehen davon, dass Österreich einer der wenigen Staaten in Europa ist, die diese Form der Stimmabgabe noch nicht haben.

Der zweite Grund ist folgender: Herr Kollege Preiner hat mehrfach betont – und es steht ja auch so im Antrag –, dass die Senkung des Wahlalters auf Bundesebene wirk­sam werden soll, dass sie bei der Nationalratswahl und bei der Bundespräsidenten­wahl ihre Wirksamkeit entfalten soll.

Da könnte man sagen: Das ist ein legitimes bundespolitisches Anliegen, und es geht die Länder – abgesehen von vielleicht grundsätzlichen demokratiepolitischen Überle­gungen – eigentlich gar nicht so viel an, das ist Zuständigkeit des Bundes, und wenn die Mehrheit im Nationalrat die Auffassung hat – es braucht in diesem Fall natürlich die Zweidrittelmehrheit –, man will das so haben, dann werden das die Länder zur Kennt­nis nehmen.

Was aber nicht dazu gesagt wurde, ist Folgendes – und das ist für unsere Entschei­dung und Meinungsbildung hier relevant; Herr Kollege Himmer hat das schon ange­führt, aber darüber sind Sie von der SPÖ sozusagen elegant hinweggeturnt; ich meine, man kann das nicht genug oft wiederholen, Herr Kollege Preiner –: Wir haben, wie auch Sie ganz genau wissen, im Artikel 95 Absatz 2 der Bundesverfassung eine Ho­mogenitätsbestimmung in Bezug auf das Wahlrecht. Das heißt, die Länder dürfen für ihren Bereich, auch jenen der Gemeinde, die Grenzen des Wahlrechtes nicht enger ziehen, als das der Bund für die Nationalratswahl tut.

Das heißt weiters, dass all das, was der Bund für seinen Bereich in diesem Fall be­schließt, auf die Länder und auf die Gemeinden durchschlägt und ungefragt in die Ge­setzgebungszuständigkeiten der Landtage eingreift. Das heißt, ein Landtag wäre dann nicht mehr frei, zu sagen: Nein, wir warten jetzt einmal ab, welche Erfahrungen die Bur­genländer, die Wiener, die Kärntner mit ihren – möglicherweise etwas unterschied­lichen – Modellen machen!, denn sie hätten diese Möglichkeit dann nicht mehr.

Das hieße auf der anderen Seite auch: Wir greifen mit einem solchen Ansinnen in die Zuständigkeit der Landtage ein; wir nehmen ihnen Zuständigkeit und Gestaltungsfrei­heit weg. – Natürlich kann man auch diesen Standpunkt vertreten. Es ist ja nicht das erste und einzige Mal, dass politische Gruppen auftreten und sagen: Wir wollen ein Durchgriffsrecht des Bundesgesetzgebers auf Sachverhalte, die bisher in Ländern und Gemeinden unterschiedlich geregelt waren! – Das ist ein Standpunkt, den man vertre­ten und der auch mehrheitsfähig sein kann, wie man beispielsweise ja beim Tierschutz gesehen hat, aber dann soll man das deutlich sagen. Und dann soll man sich nicht gleichzeitig, in derselben Wortmeldung, hochstilisieren als Bundesrat, der die Länder­interessen vertritt!

Es gibt ja auch Landtage – abgesehen von solchen, die sich zur Senkung des Wahlal­ters bekannt haben –, die sich bisher abwartend verhalten haben, und solche, in denen entsprechende Anträge abgelehnt wurden. Das heißt, dort war die Mehrheit des Land­tages explizit der Meinung, das jetzt einmal vorderhand nicht haben zu wollen. Und wir als Bundesräte sollen jetzt hergehen und sagen: Da reden wir dem Landtag künftig drein, das nehmen wir dem Landtag weg, denn wir treten für eine Lösung ein, mit wel­cher der Bundesgesetzgeber – ich sage dazu: ein bisschen klammheimlich, weil das ja unter den Tisch gefallen ist – auch auf die Landtage hin durchgreift!?

Mit einer solchen Vorgangsweise ausgerechnet im Bundesrat und mit dem Anspruch, hier die Landtage vertreten zu wollen, kann ich mich wirklich – da bin ich mit dem Kol-


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legen Himmer einer Meinung – nicht anfreunden. Und das führt schon auch wieder zu­rück zu der Überlegung, dass der Bundesrat, wie man öfters hört, jetzt durch die neuen Mehrheitsverhältnisse nicht nur interessanter – das ist der eine Gesichtspunkt –, son­dern auch verstärkt länderfreundlicher geworden sei.

Wenn Sie diesen Antrag so, wie er jetzt hier vorliegt – und nicht nur auf den Bund selbst bezogen wissend – haben wollen, dann müssen wir Ihnen sagen: Dann predigen Sie Wasser und trinken Wein! Und das ist etwas, was wir nicht unterstützen wollen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl.)

18.37


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Kollege Preiner.

 


18.37.41

Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Ich erfuhr erst nach meiner Wortmeldung vorhin, dass Kollege Jany im Krankenhaus weilt – und ziehe natürlich auf Grund dessen meine vorhin getätigte Äußerung zurück. Ich möchte mich bei ihm in seiner Abwesenheit hier entschuldigen, man kann immer und überall krank werden; das ist mir auch schon passiert. – Das mache ich aus freien Stücken, wohlgemerkt! (Allgemeiner Beifall.)

Nach den inhaltlichen Aussagen meines Vorredners möchte ich jedoch schon daran erinnern, dass in den übrigen Bundesländern die Diskussion „Wählen mit 16“ sehr wohl im Gange ist. Es wird wahrscheinlich auch in den übrigen Bundesländern zu „Wählen mit 16“ kommen – nicht in allen Ländern, aber doch bei den meisten.

Ich möchte daher nochmals an alle Fraktionen hier im Hause daran appellieren, unse­rem Entschließungsantrag in der vorhin vorgelegten Form zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.39


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wählen ab 16“ auf Bundesebene ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich darf noch für das Protokoll bekannt geben: Der gegenständliche Entschließungsan­trag der Bundesräte Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen ist somit angenommen. (E 206-BR/06.)

18.40.2020. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wirtschaftsstandort Österreich, Stärkung der Klein- und Mit­telbetriebe (KMU) in den Regionen (152/A(E)-BR/2006 sowie 7511/BR d.B.)

 



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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Wiesenegg übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


18.40.48

Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Entschließungsan­trag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wirt­schaftsstandort Österreich, Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) in den Regio­nen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Holzauge, sei wachsam!

Der Finanzausschuss hat diesen Antrag in seiner Sitzung am 19. April 2006 in Ver­handlung genommen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Bun­desrat wolle die dem schriftlichen Ausschussbericht angeschlossene Entschließung annehmen:

Entschließung

Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, zur Sicherung der Existenz von KMU einen entsprechenden Gesetzesvorschlag auszuarbeiten, der bei der Beschaf­fung für Bundesdienststellen eine klare Priorität für die Vergabe der Aufträge an regio­nale KMU setzt.

*****

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


18.42.07

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Gruber! Ich habe heute in der „Presse“ gelesen: Auftrag Verkauf BAWAG Investmentbank Morgan Stanley. – Machen die das umsonst? – Nein, glaube ich nicht. (Ruf: Vermutlich nicht!) Die werden auch ein Honorar verlangen, und das wird, glaube ich, auch zweistellig sein. Wollen wir nur hof­fen, dass das ordentlich über die Bühne geht, denn es hat niemand von uns, und vor allem niemand aus der Wirtschaft, Interesse daran, dass mit diesem Institut irgendet­was passiert. Das ist an dieser Stelle auch zu sagen.

Trotzdem muss man sagen, dass hier natürlich menschliches Versagen und Fehlleis­tungen dahinter stehen. Das bezieht sich vor allem wieder auf die Wirtschaftskompe­tenz der SPÖ. Ich lese in einem anderen Artikel in der „Presse“, dass dem Kompetenz­team Wirtschaft der SPÖ der zurückgetretene ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch eben­so angehört wie der als Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident unter Beschuss geratene AK-Präsident Herbert Tumpel, und als Teamberater kommt noch Ex-Bankchef Johann Zwettler dazu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man braucht nichts hinzuzufügen, die Wirt­schaftskompetenz der SPÖ ist damit, glaube ich, klargestellt. (Bundesrat Gruber: Herr Kollege!) Ich glaube, wir werden der Republik das ersparen, indem wir im Herbst bei der Nationalratswahl wieder einen klaren Auftrag von der österreichischen Bevölkerung


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bekommen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Ich werde dir das nächste Mal eine Konkursliste von Salzburg vorlesen, wo ...! – Weitere Zwischenrufe.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Jetzt muss ich mich einmischen. Ich bin zwar sehr für eine Lebendigkeit der Debatte, aber wir haben diesen Tagesordnungs­punkt abgeschlossen, und ich würde bitten, dass jetzt zum aktuellen Tagesordnungs­punkt gesprochen wird.

 


Bundesrat Franz Perhab (fortsetzend): Sehr wohl, Frau Vizepräsidentin, ich werde Ihrer Aufforderung gleich nachkommen!

Es geht in diesem Entschließungsantrag um die Stärkung der KMUs in den ländlichen Regionen. Ich habe mir das Wirtschaftsprogramm der SPÖ zu Gemüte geführt – die 21 Seiten waren schnell gelesen, es sind großteils Überschriften von Herrn Matznet­ter – und muss sagen, zum Thema „Kapitalmarkt“ wird ausgeführt, eine österreichische Kernaktionärsstruktur sei zu forcieren. Beim Tagesordnungspunkt betreffend Übernah­merechts-Änderungsgesetz haben Sie dagegen gestimmt. Was stimmt jetzt? Was Sie in Ihrem Wirtschaftsprogramm schreiben oder was Sie hier im Bundesrat diskutieren? (Bundesrat Konecny: Kommen Sie zum Tagesordnungspunkt!)

Dasselbe gilt für die Maßnahmen zur Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen im ländlichen Raum. Sie haben hier einige Punkte angeführt, um zu unterstreichen, wie wichtig Ihnen diese Klein- und Mittelbetriebe im ländlichen Raum sind. – Ich habe in meiner 20-jährigen Unternehmertätigkeit unter einer SPÖ-Regierung keine einzige Maßnahme gespürt oder erfahren, die mir bei meiner Unternehmensführung geholfen hätte. Daher ist auch diese Forderung von Ihnen eine Schaumschlägerei und, wie ich glaube, nicht wert, uns weiter damit zu beschäftigen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Dann bleib in deinem Betrieb und gib Ruh’!)

18.45


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


18.45.39

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon interessant, dass hier auch ein zweiter Antrag vorliegt, und aus zeitökonomischen Gründen möchte ich gleich ein biss­chen darauf eingehen.

Warum haben wir diesen Entschließungsantrag in seiner sehr schlichten Form, dass das Ressort in entsprechender Form dafür sorgen soll, dass man die regionalen, loka­len Betriebe entsprechend forciert und sie Priorität bei der Auftragsvergabe haben, vor­gelegt? – Wir sind im Ausschuss von einer Kollegin ausreichend informiert worden, dass die Wirtschaftskammer – Kollege Perhab ist, glaube ich, Wirtschaftskammer-Be­zirksstellenobmann, also auch involviert – sich schon seit langer Zeit Gedanken macht, ein wirklich umfassendes Konzept erstellt hat, im Gespräch ist mit dem Ressortchef – ich glaube, ich zitiere da richtig –, mit dem Ministerium, was da alles passieren soll. Es sollen Produktgruppen heraus-, hineingenommen werden und so weiter. Aber schauen wir uns jetzt die Zeitungen von heute an, wie ernst offensichtlich die Sozialpartner, in dem Fall geht es um die Wirtschaftskammer, von dieser Bundesregierung genommen werden! Ob sich Kollege Perhab von dieser ÖVP dann auch distanzieren wird?

Im heutigen „WirtschaftsBlatt“ heißt es: „Eine geplante Änderung des Gesetzes über die Bundesbeschaffungsgesellschaft (BB GmbH), die gestern im Ministerrat beschlos­sen wurde, sorgt in der Wirtschaft derzeit für Aufruhr. Konkret geht es darum, dass die Firma, in der die Bundesverwaltung ihren Einkauf bündelt, ihre Tätigkeit auch auf aus-


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gegliederte Einrichtungen von Ländern und Gemeinden ausweiten kann, um für diese kostengünstiger einzukaufen.

Die BB GmbH kann somit also auch für Krankenhäuser, Schulen, Gas-, Strom- und Wärmeunternehmen, Wasserversorger, Verkehrsleistungen, Postdienste sowie Häfen und Flughäfen einkaufen und ...“

Das ist der Punkt – Kollege Perhab ist ja auch im Beherbergungsbetrieb tätig: Wenn da für Seminare et cetera geordert wird, dann wird es dort, glaube ich, auch schlimm aus­schauen.

Dazu ein Zitat: „An eine Ausweitung der ... BBG zum jetzigen Zeitpunkt ist absolut nicht zu denken. Die Klein- und Mittelbetriebe erwarten sich, gerade in dieser Konjunktursitu­ation,“ – da muss ich jetzt wirklich einen Einwurf machen: für diese Konjunktursituation muss irgendjemand aktuell verantwortlich zeichnen – „stimulierende Rahmenbedingun­gen und nicht weitere Einschränkungen.“ – Wer hat das gesagt? – Der Generalsekre­tär-Stellvertreter der Bundeswirtschaftskammer am 4. Februar.

Man sieht, wie ernst man offensichtlich von dieser Bundesregierung genommen wird. Irgendwie zuständig, glaube ich, ist auch Herr Bundesminister Bartenstein, der, so wird immer wieder erklärt, eigentlich nicht unbedingt die ÖVP repräsentiert, sondern die Partei Bartenstein.

Aber das Thema ist viel zu ernst. Ich würde gerne Herrn Kollegen Perhab darauf hin­weisen, wie das eigentlich ausschaut in dieser Republik, um welche Betriebe es da geht, die lokal auf diese Aufträge angewiesen sind. Das sind ungefähr 98 Prozent. Auch Kollege Baier könnte sich einmal wie Oberösterreichs Landeshauptmann-Stell­vertreter Erich Haider von der Landesverwaltung trennen und so einen Betrieb aufsu­chen, einen Tag lang dort mitarbeiten, um zu sehen, wie sich ein Betriebsinhaber mit drei Mitarbeitern, der Aufträge braucht, herumschlägt. Diese Betriebe, 98 Prozent die­ser Unternehmen in Österreich haben weniger als 50 Mitarbeiter.

Und wie schauen wir denn real aus? Was haben wir denn im abgelaufenen Jahr – das ist nämlich dieser Bundesregierung vorbehalten geblieben – für eine Erfolgsbilanz ge­habt? – Wir haben einen Rekord in Europa gebrochen, und zwar bei den Insolvenzen. Mit 7 136 Insolvenzen sind wir europaweit Spitzenreiter. Um das einmal zu verglei­chen: Von 10 000 Betrieben in Österreich schlittern 288 in eine Insolvenz – 77 ist der Europaschnitt, in Deutschland sind es 130. So schauen wir aus! (Zwischenruf des Bun­desrates Kneifel.)

Wenn die Forschung Austria, lieber Gottfried Kneifel, feststellt, dass von den 70 000 Gewerbebetrieben in Österreich bereits 48 Prozent rote Zahlen schreiben, dann – da wird mir jeder hier herinnen Recht geben – muss wirklich jede Maßnahme ergriffen werden, um diese Bundesbeschaffungsgesellschaft zu stoppen.

Ich habe mir eine Anfrage angesehen und kann sagen: Das Einzige, was da evident ist und wodurch diese Bundesbeschaffungsagentur bisher bekannt wurde, war durch deren Geschäftsführer Michael Ramprecht, gegen den ein Verfahren eingeleitet wurde, weil dieser als Immobilienhändler – und das ohne Gewerbeschein – aufgetreten ist. In der Hietzinger Hauptstraße 113 wurde damals vergeblich eine Firma Ram­precht & Partner, Immobilienmakler, gesucht. Und Sie wissen, das gehört zu den reg­lementierten Gewerben. Da gibt es eine Fachprüfung, da muss man entsprechende Erfahrungen nachweisen können und so weiter. Diese hatte Ramprecht vielleicht als Mitarbeiter im Büro Grasser beziehungsweise vorher bei seinem Engagement bei der FPÖ-Kärnten, aber sonst? – Also so schaut es da aus.

Noch eines, und zwar, wie da mit den Geldern der Bürgerinnen und Bürger umgegan­gen wird: Allein für die Implementierung dieser Bundesbeschaffungs-Gesellschaft hat


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man 2,6 Millionen € an ein Beratungsunternehmen überwiesen! Das würde mich schon interessieren, wo das ausgeschrieben wurde, wer da zum Einsatz gekommen ist – und was da geboten wurde. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meiner Überzeugung nach ist es daher dringend notwendig, sich das einmal anzu­schauen und das zu hinterfragen. Daher der dringende Auftrag an die Bundesregie­rung, darüber in eine Nachdenkphase einzutreten. – Ich wäre eigentlich auch dabei ge­wesen, den durchaus sehr sachlichen Vorschlag von Kollegin Zwazl aufzugreifen, aber wenn ich in heutigen Zeitungen lese, dass gestern im Ministerrat ein Papier auf den Tisch gelegt wurde, womit das Tor in diese Richtung noch weiter aufgemacht werden soll, muss ich mir das schon sehr überlegen.

Ein Wirtschaftstreibender hat ja dazu erklärt, dass es im Gesundheitsbereich schon jetzt eine starke Nachfragemacht gibt, die oft auch über die Grenzen hinausgeht, und wenn der Druck noch weiter wächst, so dieser Wirtschaftstreibende, dann geht’s ganz einfach um den Standort, um die Existenz von Betrieben in unserem Lande. – Ich meine, da sollten wir uns nicht auf irgendetwas einlassen, denn zu der in diesem Zu­satzantrag erwähnten Studie der KMU-Forschung muss ich schon sagen – ich habe mir diese genau angesehen –: Diese basiert auf Tiefeninterviews. 20 oder 30 Tiefenin­terviews wurden da durchgeführt, und da muss man sich schon vor Augen halten – da es um rund 70 000 Gewerbebetriebe geht –, welche empirische „Relevanz“ solche Um­fragen haben, wenn man in 20 Betrieben Tiefeninterviews macht und sich dann irgend­welche Produktgruppen herauspickt. (Bundesrätin Zwazl: Aber, Herr Kollege Schim­böck, wir haben etwas gemacht!)

In diesem Zusammenhang denke ich etwa an den Kraftfahrzeugbereich, an all die Ser­viceleistungen. Das ist natürlich toll, wenn 11 000 oder 12 000 PKW eingekauft wer­den, nur: Wer macht das Service vor Ort? Was ist mit den Betrieben, die Instand­setzungen machen?! Da geht es eben um die kleinen Betriebe mit drei, vier oder fünf Mitarbeitern! Um diese Betriebe geht es uns von der SPÖ!

Da hier heute versucht wurde, eine Auf- oder Abrechnung von irgendwelchen Wirt­schaftsleuten zu machen: In diesem Falle geht es um kleine Betriebe! Und daher die klare Ansage: Für diese Betriebe muss gesorgt werden; diese brauchen einen Schutz­mechanismus, diese brauchen faire Regeln!

Ich bitte Sie, sich diesen fairen Regeln hier anzuschließen und damit unserem Vor­schlag zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

18.53


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


18.53.21

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich glaube, unbestritten hier im Hause ist, dass alle Fraktionen für eine Stärkung kleiner und mittelständischer Betriebe eintreten. Das zeigen alle in Aussendungen, auch in ihren Reden, denn jeder weiß, dass diese Betriebe die Säule der österreichischen Wirtschaft darstellen, dass es dort die meisten Beschäftigten gibt; immerhin arbeiten 65 Prozent der Beschäftigten in solchen Betrieben.

Diese Betriebe kann man auf verschiedene Art und Weise stärken: so etwa über das Beschaffungswesen und über die Vergaberichtlinien. Da sind uns beziehungsweise der Bundesregierung allerdings Fesseln angelegt, nämlich insofern, als selbstverständlich auch diesbezüglich die EU-Richtlinien einzuhalten sind, wo uns eben die EU genau


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vorschreibt, ab welcher Summe und in welcher Größenordnung ausgeschrieben wer­den kann.

Deshalb hat sich diese Bundesregierung gerade auch des Themas Beschaffungswe­sen angenommen; in der gestrigen Ministerratssitzung war das ja auch ein Thema; darüber wurde ja bereits von meinem Vorredner gesprochen.

Wichtig ist – da gehe ich mit Herrn Kollegem Schimböck konform – die Unterstützung und Förderung der KMUs auf anderen Ebenen: im Steuerbereich etwa, mit Program­men, et cetera. Und dazu hat es ja in den letzten Jahren, nämlich in der Zeit dieser Bundesregierung, einige Initiativen gegeben, eben zur Stärkung des Wirtschaftsstand­ortes Österreich. In diesem Zusammenhang darf ich nur auf die Konjunkturbelebungs­pakete I und II vom Frühjahr beziehungsweise Herbst 2002 hinweisen.

Ebenso hinweisen darf ich auf das Wachstums- und Standortpaket im Herbst 2003, auf das Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005, auf die regionale Wachstums- und Beschäftigungsoffensive 2005 und 2006; weiters auf die größte Steuerreform der Zweiten Republik, die der Wirtschaft eine Entlastung in Höhe von 3 Milliarden € be­schert. – All das sind Maßnahmen, die der klein- und mittelständischen Wirtschaft sehr wohl helfen.

Allein im Tourismusbereich wurden im Jahre 2005 Investitionen von 800 Millionen € gefördert. Und was den Technologiestandort Österreich anlangt: Immer mehr for­schungsintensive Unternehmen siedeln sich in Österreich an. Als Kärntner kann ich das bestätigen und verweise etwa nur auf den Lakeside Science & Technology Park Klagenfurt mit bereits einigen hundert Arbeitsplätzen, die neu dorthin gekommen sind.

Weiters: 5,3 Milliarden € für Forschung und Entwicklung; auch etwas in die Zukunft, auch für die klein- und mittelständische Wirtschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind Investitionen für die Zukunft, die vor allem KMUs und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugute kommen. – Dem ge­genüber stehen SPÖ-Vorschläge im Wirtschaftsbereich, wobei sogar Ihr eigener Wirt­schaftsfachmann – ja, er ist ein Wirtschaftsfachmann, er ist auch ein Funktionär der Bundeswirtschaftskammer, nämlich deren Vizepräsident – Bedenken hat, was da pas­sieren könnte. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Da ich, Frau Kollegin Zwazl, auch im Wirtschaftsparlament als Delegierter tätig bin, war ich vorgestern dort.

Da ich versucht habe, auch hier darzulegen, was der Wirtschaft gut tut, möchte ich über die Wirtschaftskompetenz der SPÖ wirklich nicht sprechen, denn das wäre doch ein Blick in die Vergangenheit – und das war wahrlich keine gute wirtschaftliche Ver­gangenheit. Schauen wir also lieber in die Zukunft!

Mich stört auch immer wieder, dass hier versucht wird, Firmen, die durch ein Fehlver­halten – egal, von welcher Seite; auch in Kärnten hat es Probleme gegeben mit der Hypo – in die Schlagzeilen geraten sind, schlecht zu machen. Ja, die BAWAG ist ins­gesamt eine erfolgreich Bank, aber auch dort hat es Probleme gegeben; überall gibt es Probleme.

Nochmals: Mich stört, dass hier herinnen versucht wird, unsere eigenen, meist erfolg­reichen Firmen schlecht zu machen, anstatt als österreichischer Abgeordneter oder Bundesrat hinter diesen Firmen zu stehen und sie zu unterstützen, wo immer es geht. Wenn wir hier herinnen schimpfen und uns gegenseitig etwas vorwerfen, dann findet das natürlich auch seinen Niederschlag in den Medien.

Diese Bundesregierung ist im Bereich der Förderung für die klein- und mittelständi­schen Unternehmungen auf dem besten Wege, für die Unternehmen selbst und deren Mitarbeiter etwas zu tun. Deshalb ist dieser Antrag der Opposition aus meiner Sicht


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obsolet und abzulehnen. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl und Beifall bei Bundes­räten der ÖVP.)

18.58


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


18.58.08

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar für die Diskussion hier in die­sem Rahmen, und ich bin dankbar für die Diskussion im Ausschuss, wo es eine Initial­zündung hiefür gegeben hat, denn es ist wichtig – wie ja auch Kollege Mitterer hier betont hat –, genau diesen Bereich der klein- und mittelständischen Unternehmungen zu stärken: als Rückgrat der gesamten österreichischen Wirtschaft.

Die Bedeutung von Wirtschaft, Arbeitsplätzen und damit auch von sozialer Sicherheit für die Menschen in Österreich geht ja aus allen Umfragen hervor. Insofern ist es voll­kommen klar, dass das eine gewichtige Rolle einzunehmen hat.

Ich betrachte es als lebendigen Parlamentarismus, wenn es verschiedene Vorschläge gibt, die man sich anschauen und sagen kann: Okay, wo geht da etwas weiter? Wir sind in der glücklichen Situation, dass verschiedene Menschen in unseren Reihen, ver­schiedene Fraktionen in der Bundeswirtschaftskammer vertreten sind, dort ihre unter­schiedlichen Ideen einbringen und diese dort vorantreiben können.

In diesem Sinne sollten wir diese Anträge, die Vorschläge, die in dieser Form kommen, als Ergänzung und nicht als Gegensätze sehen und gemeinsam hier im Bundesrat, und zwar fraktionsübergreifend, für die österreichische Wirtschaft, für die klein- und mittelständischen Unternehmungen und Arbeitsplätze in unserem Lande kämpfen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.59


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desrätin Zwazl. – Bitte.

 


19.00.01

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Geschätzte Kol­legen! Ich freue mich sehr, dass wir alle unser Herz für Klein- und Mittelbetriebe ent­deckt haben, denn 83 Prozent unserer Betriebe sind solche, die nur bis zu 9 Mit­arbeitern haben. Als Vertreterin eines solchen kleinen Betriebes ist es mir sehr wohl ein Anliegen, mich hier dafür einzusetzen, und das ist auch der Grund dafür, dass ich Funktionen in unserer Wirtschaftskammerorganisation übernommen habe.

Mir ist es aber auch wichtig, zu sagen, dass es in der Wirtschaft nur ein Miteinander gibt. Wir brauchen natürlich auch große Leitbetriebe. Wir sind wie kommunizierende Gefäße. Mir geht es auch da so, sodass ich meine: Wir können doch wirklich gemein­sam etwas machen! Doch was mir immer so sehr wehtut, ist, dass wir uns dort, wo wir wirklich gut sind, krampfhaft bemühen, es schlecht zu machen. Ich gehe jetzt ganz kurz darauf ein.

Ich bedanke mich wirklich bei unserer Wirtschaft, bei den Unternehmerinnen und bei den Unternehmern, aber natürlich auch bei den Arbeitnehmern, denn die Ausbildung der Lehrlinge wird nicht nur von den Unternehmerinnen beziehungsweise Unterneh­mern durchgeführt, sondern auch von den Arbeitnehmern. Ich muss sagen: Ich freue mich wirklich, dass wir heuer auf dem Lehrlingssektor sehr erfolgreich sind. Wir haben Ende März dieses Jahres um 11 Prozent mehr Lehrlinge als im Vorjahr. Das ist doch etwas, was uns allen gehört und wo wir uns wirklich gegenseitig auf die Schulter klop-


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fen können und wo wir sagen sollten: Gott sei Dank haben wir in Österreich die Situa­tion der Jugendausbildung, der Lehrlingsausbildung im Griff!, anstatt zu sagen, dass alles schlecht ist, denn das stimmt nicht.

Ich kann nur, was Niederösterreich betrifft – denn da kenne ich mich am besten aus –, sagen, dass wir derzeit in verschiedenen Bezirken mehr offene Lehrstellen haben als Lehrlinge. Berufsausbildung ist mir ein besonderes Anliegen, wie ich schon mehrmals hier sagte. Es ist wichtig, dass die jungen Leute den Beruf ergreifen, für den sie Ta­lente und Fähigkeiten haben. Wir haben Berufsinformationszentren, die sehr gut sind. Da wurde evaluiert, und wir wissen, dass 88 Prozent der jungen Leute, die diese Tests gemacht haben, auch in diesen Berufen tätig und zufrieden sind.

Wir werden in St. Pölten heuer unser Berufsinformationszentrum groß ausbauen, und ich werde Sie zur Eröffnung einladen, damit Sie einmal sehen, welche Anstrengungen da unternommen werden. Ich glaube, dass wir damit sehr zufrieden sein können.

Es wurde heute auch der nicht gute Umgang mit den Mitgliedern meiner Wirtschafts­kammer betreffend Postpartner und Postservicestellen angesprochen. (Bundesrat Ko­necny: Das hat doch mit dieser Vorlage überhaupt nichts zu tun!) Doch, das gehört dazu! Es geht um die Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe, und da gehört das ganz einfach dazu. (Bundesrat Konecny: Nein! Es geht um etwas ganz Bestimmtes!)  

Heute wurde gesagt, dass wir die hineingehetzt hätten, eine Postpartnerschaft zu über­nehmen. (Bundesrat Konecny: Sie haben sie hineingehetzt!) Das stimmt nicht! Ich ha­be überall kontrolliert und geschaut, ob es überhaupt einen Sinn hat für ein Unterneh­men, die Postpartnerschaft zu übernehmen.

Wir haben in Niederösterreich 50 Postpartnerschaften, und davon haben in der Zeit, seit es sie gibt, nur vier zugesperrt, darunter war ein Gemeindeamt, weil es ganz ein­fach zu wenig Frequenz gab und weil es nicht zumutbar war. Das heißt aber, bitte, auf der anderen Seite, dass da kein Bedarf besteht. Doch wir haben derzeit 111 Postser­vicestellen, die funktionieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle erwarten mit Recht, dass man mit unserem Geld in unserem Haushalt – ich meine den Staatshaushalt – sorgsam um­geht, dass man, so wie wir es auch in unserer Organisation machen, die Wirtschaftlich­keit, die Zweckmäßigkeit und die Sorgfalt beim Umgang mit dem Geld nicht vermissen lässt. Und damit unsere Verwaltung günstiger einkauft, wurde die Bundesbeschaf­fungsagentur eingerichtet. Sie ist eingerichtet worden mit dem Auftrag, dass der Bun­desminister für Finanzen jene Güter und Dienstleistungen bestimmen soll, die nach dem Bundesgesetz zu beschaffen sind, und dabei – und das steht drinnen, und da muss man aufpassen – hat der Finanzminister beziehungsweise das Finanzministe­rium „auf die regionale Versorgungsstruktur durch Klein- und Mittelbetriebe, Arbeits­plätze und Wertschöpfung Bedacht zu nehmen“. Und wir haben die Pflicht und die Schuldigkeit, darauf zu schauen, dass nach diesen Richtlinien vorgegangen wird.

Der Nationalrat hat in seiner 93. Sitzung am 26. Jänner 2005 einstimmig beschlossen, dass das Finanzministerium die auszuschreibenden Leistungen so auszuschreiben hat, dass sich Klein- und Mittelbetriebe auch daran beteiligen können.

Wie schaut es jetzt aus? – Ich sage es offen und ehrlich – und es tut mir Leid, dass der Herr Staatssekretär nicht da ist, weil ich mit ihm darüber schon sehr oft diskutiert habe –: Es ist in der Vergangenheit vorgekommen, dass die Ausschreibungen nicht in der Art und Weise durchgeführt wurden, dass sich unsere Klein- und Mittelbetriebe dar­an beteiligen können (Bundesrat Konecny: Ja! Deswegen regen wir uns auch auf!), und zwar ganz einfach deshalb, weil es zu große Lose gegeben hat. (Bundesrat Ko­necny: Ja, völlig richtig!)


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Wir von der Wirtschaftskammer haben, als wir das gesehen haben, sofort eingegriffen. Es ist jetzt so, dass die Lebensmittel nicht mehr über die Bundesbeschaffungsagentur in so großen Losen ausgeschrieben werden, sondern man hat kleinere Regionen ge­schaffen, die so genannten NUTS-Größen. „NUTS 3“ heißt das.

Niederösterreich zum Beispiel ist jetzt in sieben NUTS 3-Regionen unterteilt. Das heißt, dass nicht mehr in so großem Volumen ausgeschrieben wird und dass es deshalb möglich ist, dass sich unsere Klein- und Mittelbetriebe an diesen Ausschreibungen be­teiligen.

Ich habe deshalb die Studie in Auftrag gegeben, um etwas zu verlangen, um aufzeigen beziehungsweise sagen zu können: Das steht in der Richtlinie drinnen, und da ist ganz einfach auf die regionale Wertschöpfung Rücksicht zu nehmen! Und dann habe ich aufgezeigt, um welche Produkte es geht.

Wir alle wissen, dass Energie und Großrechner oder die technischen Geräte in den Krankenhäusern kein Thema für unsere Klein- und Mittelbetriebe sind. Wir haben jetzt den gesamten Warenkorb, den es in der Bundesbeschaffungsagentur gibt, durchforstet und geschaut: Welche Auswirkungen hat das totale Beschaffungswesen auf die öster­reichischen KMUs?

Da ich eine Vertreterin eines Kleinstunternehmens bin, ist für mich der Ausdruck „KMU“ nicht ein für die österreichische Wirtschaftslandschaft richtiger, denn „KMU“ heißt, dass es sich um ein Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern handelt. Wir wissen aber ganz genau, dass nur 0,8 Prozent unserer Betriebe über 250 Mitarbeiter haben. Des­halb ist es mir ein Anliegen, dass gerade Kleinstunternehmen mit bis zu 9 Mitarbeitern, die eben 83 Prozent unserer Betriebe ausmachen, auch daran teilnehmen können.

Aus diesem Grund haben wir diese Studie in Auftrag gegeben und haben geschaut, welche Warengruppen für unsere Betriebe relevant sind und welche Warengruppen man so ausschreiben muss, dass die Kriterien, dass man überhaupt zugelassen wird, den Größen der Betriebe entsprechen. – Die NUTS 3-Regionen haben wir ja schon.

Da hat sich herausgestellt, dass das acht Gruppen sind: Reinigungs


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dienstleistungen für Gebäude; Güter und Dienstleistungen der Informationstechnologie; Büro- und EDV-Verbrauchsmaterial; Lebensmittel für Großabnehmer; Betriebsverpflegung, Essens­bons; Wäscherei, Miettextilien; Metallprodukte, Maschinen, Werkzeug, Werkstattaus­rüstung; Elektrogeräte und -komponenten, Elektronikgeräte und -komponenten sowie deren Instandhaltung.

Das sind die acht Warengruppen, die für unsere Klein- und Mittelbetriebe relevant sind. Und wir fordern jetzt vom Finanzministerium, dass das bei der Bundesbeschaffungs­agentur wieder herausgenommen wird. Wir haben es geschafft, vier dieser Warengrup­pen herauszubekommen. Und dieser heutige Entschließungsantrag dient dazu – und deshalb bitte ich Sie, ihn zu unterstützen –, auch noch die restlichen vier Warengrup­pen herauszubekommen, und wir fordern, dass auf die Eignungskriterien der Klein- und Mittelbetriebe Rücksicht genommen wird.

Aus diesem Grund erlaube ich mir, Ihnen jetzt diesen Entschließungsantrag vorzule­sen, und ich bitte Sie, sich zu überlegen, ob Sie da nicht doch mitstimmen können.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Sonja Zwazl, Peter Mitterer, Kolleginnen und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht dafür Sorge zu tragen, dass in den KMU-relevanten Beschaffungsgruppen der Bundesbeschaffung GmbH (Reinigungs­dienstleistungen für Gebäude; Güter und Dienstleistungen der Informationstechnologie; Büro- und EDV-Verbrauchsmaterial; Lebensmittel für Großabnehmer; Betriebsverpfle­gung, Essensbons; Wäscherei, Miettextilien; Metallprodukte, Maschinen, Werkzeug, Werkstattausrüstung; Elektrogeräte und -komponenten, Elektronikgeräte und -kompo­nenten sowie deren Instandhaltung) folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

Zur Berücksichtigung der besonderen Rolle der klein- und mittelbetrieblichen Anbieter­struktur hat die Gesellschaft Leistungen in jenen Fällen, in denen dies in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht oder nach Menge und Art der Leistung zweckmäßig ist, so – auf NUTS 3 Region-Ebene –“, das sind eben die kleineren Ebenen, „auszuschreiben, dass sich nach Möglichkeit auch Kleinstbetriebe“ – und es geht mir jetzt nicht nur um die KMUs, sondern ich sage ganz bewusst: die Kleinstbetriebe – „an den Ausschreibungen beteiligen können (Eignungskriterien), wobei insbesondere auf die örtliche Nahversor­gungsstruktur Bedacht zu nehmen ist.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Grund, warum ich schon das letzte Mal dem Kollegen Schimböck gesagt habe, dass die Formulierung – und mein Herz schlägt dafür, und ich kämpfe die ganze Zeit dafür, dass die Bundesbeschaf­fungsagentur sich eben nicht ausweitet, ich bin da eine vehemente Kämpferin dafür – leider vergaberechtlich nicht in Ordnung ist.

Weil Herr Kollege Schimböck gesagt hat: klare Ansage!, muss ich sagen: Ich glaube doch, dass das hier (die Rednerin hält den von ihr verlesenen Entschließungsantrag in die Höhe) eine klare Ansage beziehungsweise eine klare Vorgabe an das Finanzminis­terium ist, die Bundesbeschaffungsagentur in der Art und Weise zu beauftragen, dass Angebote auch für unsere mittelständischen Betriebe ausgeschrieben werden.

Das liegt uns am Herzen, denn davon hängt unsere Lebensqualität, hängen unsere Arbeitsplätze ab. Ich bitte Sie wirklich, hier diesem Entschließungsantrag Ihre Zustim­mung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl.)

19.11


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Zwazl, Mitte­rer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag ist genügend unter­stützt.

Ich werde Ihnen aber den Betreff noch in Erinnerung rufen:

Entschließungsantrag betreffend die Berücksichtigung von Klein- und Mittelbetrieben, insbesondere von Kleinstbetrieben (bis 9 Beschäftigte) bei Auftragsvergaben durch die Bundesbeschaffung GmbH, sowie die Klarstellung des Begriffes „Zweckmäßigkeit“ in den Erläuterungen zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesbeschaffung GmbH geändert wird.

Dieser Antrag ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Es liegt mir keine weitere Wortmeldung vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Diese Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.


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Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag 152/A(E)-BR/2006 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Wirtschaftsstandort Österreich, Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) in den Regionen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Entschließungsantrag 152/A(E)-BR/2006 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen ist somit an­genommen. (E 207-BR/06.)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Zwazl, Mitterer, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung vor.

Diese Entschließung betrifft die Berücksichtigung von Klein- und Mittelbetrieben, insbe­sondere von Kleinstbetrieben (bis 9 Beschäftigte) bei Auftragsvergaben durch die Bun­desbeschaffung GmbH, sowie die Klarstellung des Begriffes „Zweckmäßigkeit“ in den Erläuterungen zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesbeschaffung GmbH geändert wird.

Ich lasse jetzt über diesen Antrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­räte Mitterer und Ing. Kampl.) Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Ent­schließung ist daher angenommen. (E 210-BR/06.)

19.15.3321. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Karl Boden, Elisabeth Kerschbaum, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend rechtliche Sicherstellung der Gentechnikfreiheit österreichischer Nationalparks (151/A(E)-BR/2006 sowie 7512/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Frau Bundesrätin Mosbacher übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


19.15.59

Berichterstatterin Maria Mosbacher: Frau Präsident! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Der Bericht über den Entschließungsantrag der Bundesräte Karl Boden, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche Sicherstellung der Gen­technikfreiheit österreichischer Nationalparks liegt Ihnen allen schriftlich vor.

Der Entschließungsantrag wurde mit Stimmenmehrheit im Ausschuss beschlossen.

Ich komme nun zur Antragstellung.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirt­schaft somit den Antrag, der Bundesrat wolle die angeschlossene Entschließung an­nehmen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Höfinger. – Bitte.

 


19.16.57

Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es um das Thema „Gentechnik und die


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Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen“ geht, dann merken wir, dass die­se Diskussionen meist von großen Emotionen begleitet sind, dass es da noch große Unsicherheiten gibt, weil man eben nicht alle Risken ausschließen kann und sich dem­entsprechend die Verunsicherung breitmacht.

Lediglich in der Medizin ist die Gentechnik anerkannt und wird auch angewendet. Aus diesem Gesichtspunkt heraus und genau aus diesen Gründen muss bei dieser The­matik mit größter Sensibilität vorgegangen werden, weil es eben vor allem darum geht, jenen, die gentechnikfrei wirtschaften wollen, die Gentechnikfreiheit wollen, diese auch garantieren zu können.

Österreich hat diese Frage, wie ich meine, bisher sehr gut gelöst – allen voran unser Bundesminister Pröll, der ja gerade in der Frage der Koexistenz bisher erfolgreich un­terwegs war und diese Koexistenz auch erfolgreich verteidigt hat.

Nun liegt uns heute ein Entschließungsantrag vor, der die rechtliche Sicherstellung der Gentechnikfreiheit österreichischer Nationalparks als Kernpunkt in sich trägt. Und ge­nau zu dieser Frage sind uns in jüngster Vergangenheit zwei Antworten begegnet: zum einen heute in der Fragestunde, wo Bundesminister Pröll dezidiert darauf angespro­chen wurde und er erklärt hat, dass es eben nicht nur um eine Frage der Gentechnik­freiheit österreichischer Nationalparks geht, sondern auch um eine ganzheitliche Fra­ge, wo unsere Anstrengung und unser Bemühen in Richtung einer Gesamtlösung ge­hen müssen, und zum anderen in der Debatte im Ausschuss, wo wir nach eingehender Diskussion erfahren haben, dass es Ländersache ist, was die Hoheit dieser National­parks betrifft, und dass daher die Kompetenz und die Verwaltung in dieser Frage bei den Ländern liegen.

Es sind natürlich auch noch weitere Fragen in diesem Entschließungsantrag enthalten, und auch diesbezüglich konnten wir in der Debatte feststellen, dass diese Fragen zwi­schen Bund und Land sehr gut gelöst sind, dass es da ständig gemeinsame Vorge­hensweisen gibt, die abgesprochen sind, um da eine optimale Lösung für Österreich zu finden.

Das heißt für uns erstens, dass dieser Entschließungsantrag, wenn er an die Kompe­tenzstelle des Bundes gerichtet ist, hier fehl am Platz ist, und zweitens, dass wir von der Österreichischen Volkspartei bemüht sind, eine ganzheitliche, nicht nur auf die Na­turparks ausgerichtete Lösung zu finden.

Ich denke, dass wir diese Aufgabe bisher sehr gut bewältigt haben und dass, wie ge­sagt, auch die formale Zusammenarbeit und weit darüber hinaus auch die gemeinsame Stoßrichtung von Ländern und Bund in dieser Frage ebenfalls stimmt und dass die Aufgaben laufend bewältigt werden. Daher sehen wir von Seiten der Österreichischen Volkspartei keinen Grund, diesem Antrag zuzustimmen.

Es kann nicht so sein, dass das, was ohnehin ständig bearbeitet wird und im Laufen ist, wieder und wieder bestätigt wird. Ich meine, wir sind auf dem richtigen Weg, eine ganzheitliche Frage im Gesamten gesehen zu lösen. Da sind wir uns alle einig, und da­her können wir diesem dezidierten Entschließungsantrag nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

19.21


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


19.21.09

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Höfinger! Genau das ist der Punkt, warum wir diesen Entschließungsantrag eingebracht haben. Es ist uns wohl allen be-


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kannt – und ich hoffe auf eure Zustimmung –, dass unsere Nationalparks Vorzeigemo­delle und Impulsgeber sind. Sie sind wichtig für den Tourismus und das Reiseziel vieler Erholungssuchender. Einige von ihnen enthalten eine wunderbare Flora und Fauna, und sie sind auf jeden Fall schützenswert.

Lieber Kollege Höfinger! Genau das ist unser Problem: Wir wissen, dass die National­parks Länderangelegenheit sind, aber genau mit diesem Entschließungsantrag wollen wir erreichen, dass nicht jedes Land extra nach Brüssel fahren muss, um zu verhan­deln, sondern dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, in die die Länder natür­lich miteinbezogen werden und bei denen sie die Möglichkeit haben, ihre Gedanken einzubringen, um eine Gesamtlösung zu finden.

Du hast es angesprochen: Die Koexistenz gentechnikfreier und gentechnikmanipulier­ter landwirtschaftlicher Produkte wird natürlich intensiv diskutiert, aber leider gibt es bis heute keine praktikable Regelung. Auch wurde die letzte Koexistenzkonferenz von Bundesminister Pröll nicht dafür genützt, mit den Mitgliedstaaten einen Rechtsab­schluss herbeizuführen. Ich denke, diese Konferenz wäre für die Herbeiführung eines Rechtsabschlusses sehr wichtig gewesen, aber leider wurde sie nicht genützt.

Österreich soll Vorreiter für die Ablehnung genmanipulierter Organismen sein. Wir wol­len der EU beweisen beziehungsweise die EU darauf aufmerksam machen, dass noch sehr viele Menschen in Bezug auf GVOs verunsichert sind. Es mag schon sein, dass einige wichtige Erkenntnisse in der Medizin greifend sind, aber in der Landwirtschaft sollten wir, glaube ich, sehr vorsichtig sein – speziell bei unseren Naturparks.

Es geht nicht allein um die Naturparks. Wir müssen auch die Flächen, die an die Natur­parks angrenzen, schützen. – Auch darum geht es uns. Dabei können wir die Länder aber nur dann unterstützen, wenn wir Rahmenbedingungen im Bund schaffen. Ich glaube, dass es sehr gut gewesen wäre und dass es auch noch sehr gut wäre, wenn wir die österreichische Präsidentschaft dahin gehend nützen, uns als Vorreiter für gen­technikfreie Zonen einzubringen.

Gerade diese Woche fand in St. Pölten die Subsidiaritätskonferenz statt, und auch da hat man bei vielen Referenten herausgehört, Brüssel schaffe Gesetze, die wir in den Regionen manchmal nicht mittragen können. Daher bringen wir diesen Entschlie­ßungsantrag ein, um die Möglichkeit zu schaffen, unsere Nationalparks gentechnikfrei zu halten. Ich ersuche Sie, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.25


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


19.25.51

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Die Gen­technikproblematik in Zusammenhang mit Nationalparks ist sicher ein sehr interessan­tes Thema, und ich glaube, es muss für uns selbstverständlich sein, dass die National­parks – wie alles Übrige in Österreich – gentechnikfrei bleiben sollten. Ziel ist ja die Erhaltung eines gentechnikfreien Österreich, und Ziel ist auch die Kennzeichnung aller gentechnisch veränderten Bestandteile.

Österreich hat es bisher immer als selbstverständlich angesehen, sich bezüglich Saat­gutvermehrung herauszuhalten. Es ist aber in dieser Frage noch sehr vieles bezüglich Haftung, ungeklärte Risiken und so weiter offen. Ziel muss aber, geschätzter Kollege Boden, eine Vier-Parteien-Einigung sein. (Bundesrat Konecny: Das geht ganz ein-


Bundesrat
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fach! Bundesrat Boden: Gerne! Bundesrat Konecny: Das tut gar nicht weh! Wir haben es gerade demonstriert, wie das gehen kann!)

Ich danke dem Herrn Bundesminister Pröll für seine Nein-Haltung zum Thema Import von gentechnisch veränderten Organismen nach Österreich und auch für seine Hal­tung gegenüber den großen Lobbys, denn hinter der gesamten Gentechnikproblematik stehen Lobbys, die in der ganzen Welt verteilt sind – in erster Linie in Amerika –, und das ist sehr bedenklich.

Das Bekenntnis zu einem gentechnikfreien Österreich hat auch für die Nationalparks besondere Priorität. Es ist ja bekannt, dass sich in Kärnten alle Parteien einig waren, dass wir in Kärnten in Zukunft unter keinen Umständen etwas mit Gentechnik zu tun haben wollen – in keinem Bereich. Wir sind sehr froh, dass es diesen Beschluss in Kärnten gibt. Wir wissen ja alle, dass sich der größte Nationalpark mit dem Großglock­ner in Kärnten und Tirol befindet, und es ist sicher eine ganz besondere Aufgabe, die­sen Nationalpark zu schützen. Daher ist Ihre Forderung sicher nicht abwegig, und wir sollten darüber reden.

Es muss unsere gemeinsame Sorge sein, die biologische Vielfalt in Österreich – in der Natur und im Nationalpark – unverändert zu erhalten. Die großen unterschiedlichen Le­bensräume für Tier- und Pflanzenwelt, die es in der Form an keinem anderen Ort der Welt mehr gibt – höchstens in weit abgelegenen Regionen, aber nicht in einem so zivi­lisierten Land wie Österreich – zu erhalten, das war sicher auch bisher eine große Ver­antwortung.

Von den alpinen Regionen bis zur Pannonischen Tiefebene haben wir wirklich alles zu behüten. Österreich zählt zu den artenreichsten Ländern Europas. In der österreichi­schen Natur zählt man ungefähr 45 000 Tierarten, 3 000 Arten von Farn- und Blüten­pflanzen, 1 000 Moosarten, 10 000 Pilzarten, 800 verschiedene Pflanzengesellschaften und zirka 3 000 verschiedene Obstarten. Dazu kommen die gigantischen Wasserreser­ven in diesen Schutzgebieten – weltweit die größten Wasserreserven –, die wir zu be­schützen haben.

Wir alle – davon bin ich überzeugt – haben sehr viel zur Erhaltung dieser wunderschö­nen Natur beigetragen. – Es geht ja um die Natur, nicht nur um die Nationalparks.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren – gerade von den Fraktionen, die die­sen Antrag eingebracht haben –, ist eine Vier-Parteien-Einigung zielführend, wie im Nationalrat diskutiert. Ich appelliere an Sie, dieses Kernstück unserer Heimat einstim­mig zu schützen. – Diese Verantwortung sind wir schuldig.

Wir haben vorher auch einen Beschluss zuwege gebracht, der einstimmig war. Warum sollten wir es nicht auch diesmal zuwege bringen? – Es werden uns viele – vor allem unsere Kinder – sehr dankbar dafür sein. – Danke. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ.)

19.31


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


19.31.28

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Keine Angst, ich werde keine 22 Minu­ten sprechen.

Herr Kollege Höfinger! – Ist er schon weg? Herr Kollege Höfinger hat gesagt, im Aus­schuss wäre nach eingehender Diskussion festgestellt worden, dass es Ländersache sei, umzusetzen, was wir mit unserem Entschließungsantrag bezwecken wollen. Dazu


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733. Sitzung / Seite 169

möchte ich klarstellen: Soweit ich den Ausschuss in Erinnerung habe – und in Wirklich­keit vielleicht auch die anderen –, war es doch so, dass Herr Höfinger die allererste Frage gestellt hat, nämlich ob denn dieser Antrag überhaupt Bundessache sei. Darauf­hin haben die Herren Beamten festgestellt, es sei keine Bundessache, sondern Län­dersache.

Dann gab es eine eingehende Diskussion, und wir haben festgestellt, dass es ja – wenn man sich den Entschließungsantrag ganz genau durchliest – darum geht, dass der Bund und die Länder gemeinsam etwas in den Nationalparks tun sollen.

Es gibt derzeit neun verschiedene Ländergesetze; in manchen kommen die National­parks vor, in manchen nicht, in manchen kommt vor, dass es Pufferzonen geben soll, in manchen kommt das nicht vor. Unserer Meinung nach sollten diese Ländergesetze koordiniert und von überall das Beste herausgesucht werden.

Ich denke, es ist doch selbst in diesem Raum – und erst recht in der Bevölkerung im Allgemeinen – so, dass Gentechnikfreiheit von einer großen Mehrheit gewünscht wird.

Dass dieser Entschließungsantrag in unsere Kompetenz fällt, das wurde dann selbst im Ausschuss mehr oder weniger klargestellt, denn die Herren Beamten haben gesagt, es gebe ja bereits Gespräche. Zuerst hat es geheißen, es geht uns eigentlich gar nichts an, und dann, dass wir es ohnehin schon machen.

Es ist derzeit so, dass die EU in Zusammenhang mit Gesetzen, die die Mitgliedstaaten zum Schutz vor gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Saatgut beschließen, im­mer mehr Druck macht, diese Gesetze wieder aufzuheben.

Das heißt auf der einen Seite, dass eine Minderheit sich mehr oder weniger durchset­zen möchte. Das heißt aber auf der anderen Seite auch, dass eine Minderheit einer Mehrheit etwas wegnehmen möchte, nämlich die Wahlfreiheit.

Es geht ja nicht nur darum, dass wir kein einziges gentechnisch manipuliertes Saatgut­korn in Österreich sehen möchten, sondern es ist ja so: Wenn diese gentechnisch ma­nipulierten Saatgutkörner einmal da sind und angebaut werden, sind sie möglicher­weise nicht mehr unter Kontrolle zu bringen, und es könnte sein, dass wir in Österreich dann über kurz oder lang nur mehr gentechnisch veränderte Saatgutkörner haben. – Das ist das, was die Mehrheit in Österreich nicht will, und das ist das, was eine Minder­heit der Mehrheit wegnehmen würde.

Wir müssen daher dafür kämpfen, dass diese Wahlfreiheit nicht gefährdet wird. Koexis­tenz ist derzeit nicht EU-weit geregelt, und in Wirklichkeit gibt es sie einfach nicht. Des­halb brauchen wir auch nicht über Koexistenz zu reden, sondern darüber, wie wir es schaffen, dass man sich in Österreich dazu bekennen kann, gentechnikfreie Lebens­mittel zu erhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es hat auch der Herr Bundesminister heute schon erwähnt: Es ist wichtig, dass wir nicht nur in Nationalparks und in Biolandwirtschaften die Gentechnikfreiheit erhalten, sondern allgemein in ganz Österreich. Aus diesem Grund will er das einfach nur allge­mein halten, und er will sich jetzt auch gar nicht unbedingt um das ÖPUL kümmern und auch nicht extra um die Nationalparks.

Wie wir aber leider in letzter Zeit feststellen mussten, werden allgemein gehaltene Ge­setze am leichtesten aufgehoben, wohingegen detailliertere Gesetze, die genau be­gründet sind – nämlich zum Beispiel mit der Biodiversität in den Nationalparks –, sicher leichter aufrechtzuerhalten sind. Wir müssen deshalb wirklich möglichst viele Barrieren aufbauen, um unsere Gentechnikfreiheit erhalten zu können.

Aus diesem Grund möchte ich jetzt einen weiteren Entschließungsantrag einbringen.


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Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Kerschbaum, Boden, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Verzicht auf Gentechnik-Saatgut beim österreichischen Agrar-Umweltpro­gramm (ÖPUL) und Unterstützung des Selbstbestimmungsrechts der gentechnikfreien Regionen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Entschließungsantrag der Bundesräte Bo­den, Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche Sicherstellung der Gentechnikfreiheit österreichischer Nationalparks

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht (Unruhe bei der ÖVP) – ich glaube, ihr solltet dann auch darüber abstimmen; ich lese jetzt einen Ent­schließungsantrag vor und bitte daher um Ruhe –,

erstens auf EU-Ebene Initiativen für die Schaffung der rechtlichen Voraussetzung zu setzen, um das Selbstbestimmungsrecht der gentechnikfreien Regionen zu sichern so­wie

zweitens bei der Konzeption des neuen österreichischen Programms für umweltge­rechte Landwirtschaft (ÖPUL) 2007 bis 2013 den Verzicht auf gentechnisch veränder­tes Saatgut zum Schutz der Biodiversität festzuschreiben.

*****

Ich möchte noch kurz etwas dazu erläutern, weil wir heute ja auch in der Fragestunde schon über ÖPUL und Gentechnikfreiheit in den Vorschriften gesprochen haben. Der Herr Minister hat uns erzählt, dass es eine Anfrage von einer NGO an die Kommission gegeben hätte und dann mehr oder weniger die Absage gekommen wäre, dass Bio­landbau und Gentechnikfreiheit eigentlich nichts miteinander zu tun haben.

Es gab aber eine weitere Anfrage, und zwar eine offizielle, von einem Europaparla­mentarier – nämlich von Johannes Voggenhuber –, der ebenfalls gefragt hat, ob durch Gentechnik die Biodiversität gefährdet sei beziehungsweise ob der Schutz der Bio­diversität auch Gentechnikfreiheit rechtfertigen würde. Er hat darauf eine positive Ant­wort von der Kommission bekommen.

Deshalb sehe ich das eben genau so: Es ist wichtig, dass man möglichst an allen Ecken und Enden darum kämpft, und ich hätte gerne, dass wir das gemeinsam ma­chen – Bund, Länder und Gemeinden, und alle vier Parteien, die wir hier vertreten sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.37


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Kerschbaum, Boden, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Ver­zicht auf Gentechnik-Saatgut beim österreichischen Agrar-Umweltprogramm und Un­terstützung des Selbstbestimmungsrechts der gentechnikfreien Regionen ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

 


Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Höfinger. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)


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733. Sitzung / Seite 171

19.38.30

Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Herr Professor! Wir können nachher gerne noch wohin gehen, da kann ich dann mitgehen. Jetzt muss ich leider zu diesem Thema einiges klarstellen, was aber heute schon beantwortet wurde. – Es ist ja nichts Neues. Wir haben heute schon über ÖPUL gesprochen, und auch der Herr Minister wurde in der Fragestunde damit konfrontiert.

Zum einen generell: Es gibt keine bundeseinheitliche Lösung, und es darf auch keine geben. Das wissen wir; das ist nicht erlaubt. Die wurde in allen Ländern bisher abge­lehnt und zurückgenommen. Auch dieses Argument wurde schon gebracht: Es soll eine bundeseinheitliche Lösung geben, generelles Gentechnikverbot und Aussaatver­bot. Das können wir aber nicht umsetzen. Das ist bestehendes Gesetz, das wissen wir.

Daher haben die Regionen und die Länder Möglichkeiten, gentechnikfreie Zonen zu schaffen. Das können sie, und das sollen sie auch aus meiner Sicht tun. Das ist eine wichtige Aufgabe, um die Koexistenz zu sichern.

Zum Zweiten gibt es den dezidierten Antrag, ÖPUL soll mit Gentechnikfreiheit veran­kert werden, die Aussaat von gentechnisch verändertem Saatgut soll darin verboten sein.

Das würde aber bedeuten, dass ÖPUL, das eine freiwillige Umweltleistung darstellt, nicht das gesamte Bundesgebiet und nicht alle Landwirte und Bewirtschafter abdeckt. Das heißt, jene, die sowieso schon umweltgerecht in besonderer Art und Weise produ­zieren, werden und können auf diese Gentechnik verzichten. Aber vielleicht 10 Prozent all jener, die nicht im ÖPUL-Programm mitmachen – weil es ja freiwillig ist –, haben dann – unter Anführungszeichen – einen „Freibrief“. Das kann doch nicht die Lösung sein, und daher können wir auch diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen! (Bei­fall bei der ÖVP. Bundesrat Konecny: Schade!)

19.40


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegen keine weiteren Wortmeldun­gen mehr ...

Bitte, Frau Kollegin Kerschbaum.

 


19.40.27

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Lieber Herr Kollege Höfinger! Ich glaube, Sie waren vorhin nicht im Saal. Ich habe erläutert, dass es eine Anfrage des Herrn Voggenhuber gibt, der von der Kommission eine andere Auskunft erhalten hat, und zwar danach. Es wäre also sicherlich interessant, das zu berücksich­tigen.

Und, was das ÖPUL betrifft, zu sagen: Ich mache das nicht, denn es sind nur 80 Pro­zent der Betriebe betroffen, finde ich schon ein bisschen komisch. Das bedeutet ja nicht, dass deshalb die anderen 20 Prozent gentechnisch verändertes Saatgut an­bauen müssen. Das heißt ja nur: 80 Prozent dürfen das auf gar keinen Fall. Und es ist besser, es bei 80 Prozent als bei null Prozent wirklich auf null zu beschränken. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir haben heute bereits einmal über halb volle und halb leere Gläser geredet, und ich denke, dass ein zu 80 Prozent volles Glas – das ist zu mehr als drei viertel – schon fast voll ist. Und für die restlichen 20 Prozent muss man sich auch noch möglichst viel ein­fallen lassen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort?

Ich sehe und höre gerade, es ist jeder am Wort. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich würde aber trotzdem sagen, dass die Debatte geschlossen ist.


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733. Sitzung / Seite 172

Ich frage die Berichterstattung, ob sie ein Schlusswort w


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733. Sitzung / Seite 173

ünscht. – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag mit der Zahl 151/A(E) des Bundesrates aus 2006 der Bundesräte Karl Boden, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend rechtliche Si­cherstellung der Gentechnikfreiheit österreichischer Nationalparks ihre Zustimmung ge­ben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen, da auch ein ÖVP-Bundesrat seine Zustimmung erteilt hat.) Der gegenständliche Entschließungsantrag mit der Zahl 151/A(E) des Bun­desrates aus 2006 der Bundesräte Karl Boden, Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen ist somit angenommen. (E 208-BR/06.)

Es ist nicht festgehalten, mit welchen Stimmen er angenommen wurde.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Kerschbaum, Boden, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung vor betreffend Verzicht auf Gentechnik-Saatgut beim österreichischen Agrar-Umweltprogramm und Unterstützung des Selbstbestimmungs­rechts der gentechnikfreien Regionen.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrä­tinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 211-BR/06.)

Die Tagesordnung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsanträge

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zur Abstimmung über die eingebrachten Fristsetzungsanträge.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend ein Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria (798/A und 1358/BR d.B.) ein Frist bis 10. Mai 2006 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 45 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2006 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Nie­derösterreich über die Errichtung und den Betrieb des Institute of Science and Tech­nology – Austria samt Anhang (1344 d.B. und 1359 d.B.) eine Frist bis 10. Mai 2006 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Einlauf

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt eine Anfrage – 2399/J-BR/2006 – eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 11. Mai, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 9. Mai, ab 13 Uhr vorgesehen.

Ich möchte aber noch hinzufügen: Wir haben ja am 10. Mai unsere Veranstaltung zum Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus, und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie alle daran teilnehmen würden.

Also Dienstag, 9. Mai, 13 Uhr die Ausschüsse, 10. Mai Veranstaltung zum Gedenktag und am 11. Mai die Plenarsitzung. – Ich ersuche alle, die das betrifft, sich den Termin für die Sitzung des Landesverteidigungsausschusses gut zu merken.

Ich wünsche Ihnen allen eine gute Heimreise. Kommen Sie gesund wieder!

Die Sitzung ist geschlossen.

19.47.45Schluss der Sitzung: 19.47 Uhr

 

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