Bundesrat Stenographisches Protokoll 734. Sitzung / Seite 134

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dabei noch einmal in den Spiegel und schauen Sie sich an, was in den letzten zwei Wochen passiert ist. Der ÖGB wird sich in den Spiegel schauen müssen! (Bundesrat Mag. Himmer: Wir können uns in den Spiegel schauen!) Sie müssen das auch. (Bun­desrat Mag. Himmer: Wir haben gehandelt!) Die Krisenverursacher müssen genauso in den Spiegel schauen wie die Krisengewinnler. Und da gehören Sie dazu, Kollege Himmer; nicht namentlich und nicht persönlich, sondern im Sinne einer Gemeinschaft, der Sie angehören, oder einer Regierung, die Sie vertreten.

Der ÖGB wird eine Reihe von Reformen brauchen: von der Spitze bis tief hinunter, und es wird nicht nur darum gehen, Sektionen aufzulösen. Das wissen wir. Das wird der ÖGB machen. Da werden Christdemokraten, Grüne, Alternative und sozialdemokrati­sche Gewerkschafter sich noch oft die Köpfe einschlagen müssen, aber dass der ÖGB eine Reform braucht, ist klar.

Was ich nie verstanden habe – da bin ich zum Beispiel beim Kollegen Mayer –, ist, dass die Mehrheit, nämlich eine Mehrheit, die so stark ist, sich auch noch selber kon­trolliert. Hier wird es radikale Reformen innerhalb des ÖGB geben müssen, damit auch die Akzeptanz gegeben ist. Denn bitte: Dieses Land braucht – der Kollege Kneifel wird bitten und betteln, der Herr Leitl wird bitten und betteln, ebenso die Industriellenvereini­gung –, dieses Land braucht eine Balance, eine Balance von Arbeitgebern und Arbeit­nehmern, aber es braucht keine Balance von Krisenverursachern und Krisengewinn­lern. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Vilimsky. (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von SPÖ und ÖVP. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Am Wort ist Herr Kollege Vilimsky!

 


17.52.21

Bundesrat Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere meine sehr ge­ehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich möchte Ihnen ein paar Zeilen zum Vortrag bringen, von denen Sie sich nicht persönlich angesprochen fühlen sollen, aber die Geisteshaltung, die einige in Ihren Reihen zutage gefördert haben, soll doch sehr wohl auch Thema sein. Ich zitiere Kurt Tucholsky:

„An einen Bonzen

Einmal waren wir beide gleich, beide Proleten, im deutschen Kaiserreich“ – ich extem­poriere: beide Proleten in unserem Österreich –, „beide in derselben Luft, beide in glei­cher verschwitzter Kluft. Dieselbe Werkstatt, derselbe Lohn, derselbe Meister, dieselbe Fron, beide dasselbe elende Küchenloch. Genosse, erinnerst du dich noch?

Aber du, Genosse, warst flinker als ich, dich drehen, das konntest du meisterlich. Wir mussten leiden, ohne zu klagen, aber du, du konntest es sagen, kanntest die Bücher und die Broschüren, wusstest besser die Feder zu führen. Treue um Treue, wir glaub­ten dir doch. Genosse, erinnerst du dich noch?

Heute ist das alles vergangen. Man kann nur durchs Vorzimmer zu dir gelangen. Du rauchst nach Tisch die dicken Zigarren, du lachst über Straßenhetzer und Narren, weißt nichts mehr von alten Kameraden, wirst aber überall eingeladen. Du zuckst die Achseln beim Hennessy und vertrittst die deutsche“ – extemporiert: die österreichi­sche – „Sozialdemokratie.

 


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