BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 69

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

diesem unserem Heimatland. – Auch das sollte man nicht vergessen, daran sollte man erinnern.

Frau Präsidentin Haselbach hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass in der Zeit zwischen 1938 und 1945 die Shoah stattgefunden hat. – Das ist die industrielle Vernichtung von Menschen in einem ungeheuren Ausmaß, das ist ein einzigartiges Menschheitsverbrechen, meine Damen und Herren, und kann mit nichts abgewogen werden!

Das bedeutet nicht, dass es nicht auch andere Verbrechen gibt, mit denen man sich auseinandersetzen müsste, aber allein der Versuch einer Gleichsetzung führt mich zu einem Buch, das ich gelesen habe: „Die Unfähigkeit zu trauern“ vom Ehepaar Mitscherlich. – Das ist eben die Unfähigkeit zu trauern: indem man gewaltsam versucht, Verbindungen zu schaffen, um damit – und das unterstelle ich jetzt einfach – Entlastungen von eigener Schuld zu konstruieren, indem man hergeht und in etwa Dresden mit Auschwitz gleichsetzt, was in Wirklichkeit ungeheuerlich ist. Darauf muss man hinweisen und das muss man zurückweisen, weil sonst die Unfähigkeit zu trauern wie eine bleierne Belastung über diesem unserem Land liegt. Das tut sie ja offensichtlich immer noch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Novelle ist klein, aber wichtig, aber – da gebe ich Kollegem Schennach recht – doch kein Grund zum Jubel, denn es ist keine außergewöhnliche Leistung, dass die Republik Österreich – sehr spät, aber doch – das tut, was sie tut: Es ist wichtig, die Fristverlängerung auf ein Jahr vorzunehmen, weil ja Schiedsinstanzen erst Mitte 2006 gegründet worden sind. Die Möglichkeit der Naturalrestitution ist wichtig, keine Frage. Wichtig ist insbesondere auch – und das sollte man nicht unterschätzen – die Frage der Datenweitergabe, weil daran ja die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Weiteraufarbeitung des Verbrechens und des Schicksals der Opfer gebunden ist und der Nationalfonds und der Ent­schädigungsfonds eng zusammenhängen.

Im Nationalrat ist diese Gesetzesnovelle von fünf Parteien beschlossen worden. Obwohl ich bei zweien einen gewissen Zweifel an der Ehrlichkeit habe, ist es trotzdem erfreulich, dass sich alle fünf Parteien dazu durchringen konnten; ich glaube allerdings nicht, dass es bei diesen zweien, die ich meine – aber das muss ich hier nicht betonen –, zu einer Bewusstseinsänderung gekommen ist, insbesondere nicht nach den Plakaten des letzten Wahlkampfes.

Ich gebe all jenen recht, die sagen, dass 1995, als wir das Bekenntnis zur Mitschuld abgelegt haben, ein später Zeitpunkt war, dass Mai 2001, als wir das Entschädigungs­fondsgesetz beschlossen haben, ein später Zeitpunkt war, aber: Spät ist besser als nie! Ich gebe insbesondere all jenen recht, die meinen, dass 210 Millionen Dollar sehr symbolisch sind; insbesondere deshalb, weil diese Summe auf ganz viele Leute – es gibt 200 000 Einzelanträge – aufgeteilt werden muss.

Ich verweise an dieser Stelle auf die merkwürdigen Erlebnisse, die ich gehabt habe, als plötzlich ein paar Klimt-Bilder zurückgegeben werden mussten. Das wurde in diesem Land als Staatskatastrophe begriffen. – Meine Damen und Herren, es handelt sich bei diesen Entschädigungen um Rechtsansprüche, um ganz kleine Wiedergutmachungen und Rechtsansprüche. Das sind keine Geschenke, und diejenigen, die diese Anträge stellen, sind keine Bösen, sondern das sind geduldige und bescheidene Menschen, die in Wirklichkeit sehr ruhig sind, denn ob der Verluste, die nicht entschädigt und restituiert werden, könnte man in Zorn verfallen und die Ungerechtigkeit beklagen. So gesehen muss man sich tatsächlich bei der Kultusgemeinde für ihren Langmut bedanken, man hätte das auch viel härter und strenger sehen können.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite