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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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761. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Dienstag, 21. Oktober 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

761. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Dienstag, 21. Oktober 2008

Dauer der Sitzung

Dienstag, 21. Oktober 2008: 13.01 – 16.45 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbank­marktes (Interbankmarktstärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maß­nahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsge­setz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzge­setz 2008 geändert werden

2. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2007 der Bundesregierung

*****

Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens des Kärntner Landeshauptman­nes Dr. Jörg Haider    ................................................................................................................................. 4

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Auf­nahme von Verhandlungen anlässlich des Abkommens zur Gründung einer Inter­nationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) durch den Herrn Bundes­präsidenten ....................................................................................................................... 5

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Auf­nahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Volksrepublik China über die Förderung und den Schutz von Inves­titionen durch den Herrn Bundespräsidenten ......................................................................................... 7

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Auf­nahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Republik Kasachstan über die Förderung und den Schutz von In­vestitionen durch den Herrn Bundespräsidenten ......................................................................................... 8


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 2

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte ......................................................................................................................................... 10

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 4

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 4

Nationalrat

Gesetzesbeschluss ....................................................................................................... 10

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 10

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarktstärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnah­men zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsge­setz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundes­finanzgesetz 2008 geändert werden (682 d.B. und 683 d.B. sowie 8030/BR d.B. und 8031/BR d.B.) .......................................................... 10

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 11

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 11

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 14

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 16

Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer ...................................................................... ..... 19

Johann Kraml .......................................................................................................... ..... 23

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 25

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 27

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ...........................................................  28, 51

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 33

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ..... 35

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 38

Dr. Erich Gumplmaier ............................................................................................ ..... 42

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 44

Wolfgang Schimböck, MSc ................................................................................... ..... 46

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 48

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 49

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 52

2. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2007 der Bundesregierung (III-351-BR/2008 d.B. sowie 8032/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 52

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 52


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 3

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 52

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ...................................................................... ..... 54

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 55

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 57

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ........................................................................... ..... 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-351-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................... 63

Eingebracht wurde

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung des Flugverkehrs über Vorarlberg (2441/AB-BR/08 zu 2644/J-BR/08)


13.01.26


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 4

Beginn der Sitzung: 13.01 Uhr

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich eröffne die 761. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 760. Sitzung vom 8. Oktober 2008 ist aufgelegen, unbean­standet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Ing. Hans-Peter Bock, Elisabeth Greiderer, Waltraut Hladny, Günther Kaltenbacher, Ing. Siegfried Kampl, Peter Mitterer, Günther Molzbichler, Werner Stadler und Franz Wolfinger.

13.01.56Trauerkundgebung aus Anlass des Ablebens des
Kärntner Landeshauptmannes Dr. Jörg Haider

 


Präsident Jürgen Weiss: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Land Kärnten hat vergangenen Samstag in eindrucksvoller Weise von seinem auf tragische Weise ums Leben gekommenen Landeshauptmann Abschied genommen.

Dr. Jörg Haider hat dem Nationalrat zwischen 1979 und 1999 mit Unterbrechungen ins­gesamt 14 Jahre lang angehört und ist als Klubobmann auch in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesrat gestanden. Kein anderer Landeshauptmann hat in Sitzungen des Bundesrates häufiger das Wort ergriffen als Dr. Haider, wobei er dieser Form der Län­dervertretung nicht unkritisch gegenüberstand. Das fußte aber – im Gegensatz zu vie­len anderen Wortmeldungen – auf einer sachlichen Analyse und klaren Vorstellungen. Als Landeshauptmann war ihm die eigenständige Gestaltung der Lebensverhältnisse in seinem Land ein großes Anliegen, und daher wusste er auch um die Notwendigkeit, das sowohl in der Bundesgesetzgebung als auch in der Europäischen Union geltend machen zu können.

Unser Mitgefühl gilt seiner schwergeprüften Familie und den Kärntner Bundesräten, die heute wegen einer Trauersitzung des Kärntner Landtages verhindert sind.

Wir hoffen, dass Jörg Haider Frieden gefunden haben möge. Ich bitte Sie, sich zu sei­nem Gedenken kurz von den Sitzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzen und verharren einige Zeit in stummer Trauer.) – Ich danke Ihnen. (Die An­wesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich gebe bekannt, dass Bundeskanzler Dr. Alfred Gusen­bauer die Mitteilung gemacht hat, dass er sich vom 18. bis 25. Oktober 2008 in Indo­nesien und China aufhalten wird und Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer mit seiner Vertretung beauftragt hat.

Weiters gebe ich bekannt, dass der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes die Mitteilung gemacht hat, dass sich Frau Bundesministerin Dr. Claudia Schmied vom 21. bis 25. Oktober 2008 in Los Angeles aufhalten wird und die Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger mit ihrer Vertretung beauftragt hat.

13.03.49Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Jürgen Weiss: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortung 2441/AB-BR/08 und der Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Vollmacht


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 5

zur Aufnahme von Verhandlungen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mit­teilungen gemäß § 41 Abs. 1 GO-BR, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Anfragebeantwortung (siehe S. 3)

*****

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B‑VG:

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrats

Jürgen WEISS

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                       10. Oktober 2008

                                                                                                GZ: BMeiA-AT.8.33.02/0011-1.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 30. September 2008 (Pkt. 13 des Beschl.-Prot. Nr. 65) der Herr Bundespräsident am 6. Oktober 2008 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen anlässlich des Abkommens zur Grün­dung einer Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-DE.3.19.11/0007-III.6/2008

Abkommen zur Gründung einer Internationalen

Agentur für Erneuerbare Energie (IRENA);

Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Die geplante Gründung einer Internationalen Agentur für Erneuerbare Energie (IRENA) beruht auf einer Initiative der Bundesrepublik Deutschland, die seit längerem verfolgt


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 6

wird. In diesem Zusammenhang fanden bereits am 10. und 11. April 2008 und am 30. Juni und 1. Juli 2008, jeweils in Berlin, Expertengespräche statt.

Voraussichtlich am 23. und 24. Oktober 2008 soll in Madrid eine letzte Vorbereitungs­konferenz abgehalten werden, bei der das Abkommen zur Gründung einer Interna­tionalen Agentur für Erneuerbare Energie (IRENA) finalisiert sowie Vorkehrungen für deren Anlaufphase bis zum Inkrafttreten des Abkommens und ein Arbeitsprogramm beschlossen werden sollen. Die Unterzeichnung des Abkommens soll am 26. und 27. Jänner 2009 in Bonn stattfinden.

Ziel von IRENA ist es, ein Technologie-Clearing House und "Center of Excellence" für erneuerbare Energie zu werden. Aufgaben der Agentur sollen u. a. die Beratung und Unterstützung von Mitgliedstaaten, Technologietransfer und Entwicklung lokaler Kapa­zitäten sowie Training und Ausbildung sein. Die Statuten sehen als Organe der Agen­tur eine Vollversammlung, einen Rat und ein Sekretariat mit einem Generaldirektor vor. Die Finanzierung der Agentur soll anfänglich durch freiwillige Beiträge, später in erster Linie durch Pflichtbeiträge erfolgen.

Österreich steht einer verstärkten Behandlung des Themas erneuerbare Energie grundsätzlich positiv gegenüber und unterstützt unter der Voraussetzung, dass durch die Schaffung von IRENA keine Duplizierung von Aktivitäten anderer Organisationen mit einem Mandat im Energiebereich erfolgt, die Gründung der Agentur. Österreich hat auch bereits wiederholt seine Bereitschaft bekundet, die Agentur in Wien anzusiedeln, was die Zusammenarbeit mit dem UN Energy Komitee unter dem Vorsitz von UNIDO-Generaldirektor Kandeh Yumkella begünstigen würde. Hinsichtlich der Entscheidung über den Sitz der Agentur sollen im Rahmen der Vorbereitungskonferenz in Madrid Kri­terien für eine transparente Vorgangsweise festgelegt werden.

Für die Verhandlungen wird folgende österreichische Delegation in Aussicht genom­men:

Botschafterin Mag. Dr. Irene                                      Bundesministerium für europäische und

Freudenschuss-Reichl                                                 internationale Angelegenheiten

Delegationsleiterin

Gesandter Dr. Christian Krepela                              Bundesministerium für europäische und

Stellvertretender Delegationsleiter                          internationale Angelegenheiten

Ministerialrat DI Karl Fiala                                           Bundesministerium für Wirtschaft und

                                                                                               Arbeit

Ministerialrätin Dr. Christa Peutl                               Bundeskanzleramt

Botschaftsrat Dr. Rupert Weinmann                       Österreichische Botschaft Berlin

Beschlüsse mit finanziellen Auswirkungen werden bei der Vorbereitungskonferenz nicht gefasst werden.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Auf­nahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Ver-


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 7

handlungen über ein Abkommen zur Gründung einer Internationalen Agentur für Er­neuerbare Energie (IRENA) zu bevollmächtigen.

Wien, am 22. September 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrats

Jürgen WEISS

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                       10. Oktober 2008

                                                                                                  GZ: BMeiA-CN.8.33.02/0001-I.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 30. September 2008 (Pkt. 22 des Beschl.-Prot. Nr. 65) der Herr Bundespräsident am 6. Oktober 2008 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die Förderung und den Schutz von Investitionen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-CN. 3.19.25/0008-III.3b/2008

Abkommen zwischen der Republik Österreich

und der Volksrepublik China über die Förderung

und den Schutz von Investitionen;

Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Österreich ist bestrebt, Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitio­nen mit anderen Staaten abzuschließen. Ziel dieser Abkommen ist es vor allem, öster­reichische Firmen bei ihren Investitionsbemühungen im Ausland zu unterstützen und günstige Voraussetzungen für die Bewältigung der dabei allenfalls entstehenden Risi-


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 8

ken herzustellen. Bei diesen Verhandlungen ist aber auch auf die Möglichkeit, dass In­vestitionen in umgekehrter Richtung getätigt werden, Bedacht zu nehmen.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind ausländische Direktinvestitionen auch für die Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung, weil sie Entwicklungs- und Schwellen­länder an das Weltwirtschaftssystem heranführen und die Grundlage für eine sinnvolle Einbindung des privaten Sektors schaffen.

Mit der Volksrepublik China besteht seit 11. 10. 1986 ein Investitionsabkommen (BGBl. Nr. 537/1986). Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung Chinas wurde als Ergebnis eines interministeriellen Koordinationsprozesses unter Beiziehung der Interessensver­tretungen die Modernisierung des Abkommens als vorrangig eingestuft.

Der österreichischen Verhandlungsdelegation werden Vertreter/innen des Bundesmi­nisteriums für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministe­riums für Finanzen, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und der Wirt­schaftskammer Österreich angehören.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Rudolf Lennkh und im Falle seiner Verhinderung Gesandten Dr. Marcus Bergmann zur Leitung der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die Förderung und den Schutz von Investitionen zu bevollmächtigen.

Wien, am 22. September 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrats

Jürgen WEISS

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                       10. Oktober 2008

                                                                                                 GZ: BMeiA-KZ.8.33.02/0001-1.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 30. September 2008 (Pkt. 20 des Beschl.-Prot. Nr. 65) der Herr Bundespräsident am 2. Oktober 2008


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 9

die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kasachstan über die Förderung und den Schutz von Investitionen erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-KZ.3.19.25/0007-III.3b/2008

Abkommen zwischen der Republik Österreich

und der Republik Kasachstan über die

Förderung und den Schutz von Investitionen;

Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Österreich ist bestrebt, Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitio­nen mit anderen Staaten abzuschließen. Ziel dieser Abkommen ist es vor allem, öster­reichische Firmen bei ihren Investitionsbemühungen im Ausland zu unterstützen und günstige Voraussetzungen für die Bewältigung der dabei allenfalls entstehenden Risi­ken herzustellen. Bei diesen Verhandlungen ist aber auch auf die Möglichkeit, dass In­vestitionen in umgekehrter Richtung getätigt werden, Bedacht zu nehmen.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind ausländische Direktinvestitionen auch für die Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung, weil sie Entwicklungs- und Schwellen­länder an das Weltwirtschaftssystem heranführen und die Grundlage für eine sinnvolle Einbindung des privaten Sektors schaffen.

Die Republik Kasachstan hat schon vor längerer Zeit den Abschluss eines Investitions­abkommens vorgeschlagen. Eine entsprechende Verhandlungsvollmacht wurde bereits erteilt (vgl. Pkt. 13 des Beschl. Prot. Nr. 3 vom 22. Februar 2000).

Aufgrund personeller Veränderungen ist nun eine neue Verhandlungsdelegation in Aussicht genommen, der Vertreter/innen des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesmi­nisteriums für Wirtschaft und Arbeit und der Wirtschaftskammer Österreich angehören.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit stelle ich den


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 10

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter Dr. Rudolf Lennkh, und im Falle seiner Verhinderung Gesandten Dr. Marcus Berg­mann, zur Leitung der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Ös­terreich und der Republik Kasachstan über die Förderung und den Schutz von Inves­titionen zu bevollmächtigen.

Wien, am 22. September 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

 


Präsident Jürgen Weiss: Eingelangt ist der Beschluss des Nationalrates vom 20. Ok­tober 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Interbankmarktstärkungsgesetz und ein Finanzmarktstabilitätsgesetz erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden, der dem Finanzausschuss zur Vorbe­ratung zugewiesen wurde und bereits einen Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet.

Eingelangt und dem jeweils zuständigen Ausschuss zugewiesen wurde jener Be­schluss des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, der Gegenstand der heuti­gen Tagesordnung ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und Ausschussberichte er­stattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Jürgen Weiss: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündi­gen Auflagefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Vorschlag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

13.05.261. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarkt­stärkungsgesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlas­sen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geän­dert werden (682 d.B. und 683 d.B. sowie 8030/BR d.B. und 8031/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 11

Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sodl. – Bitte.

 


13.05.56

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr ge­schätzten Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung des Interbankmarktes (Interbankmarktstärkungs­gesetz – IBSG) und ein Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) erlassen sowie das ÖIAG-Gesetz 2000, das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz sowie das Bundesfinanzgesetz 2008 geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Oktober 2008 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


13.06.57

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eine Situation auf den europäischen und internationalen Finanzmärkten, die zu Recht Sorgen bei den Menschen ausgelöst hat und die zu Recht eine rasche Reaktion erfordert. Einen Teil einer solchen Reaktion, einen ersten Teil, haben wir heute auf unserer Tagesordnung. Es ist in höchstem Maße zu begrüßen, dass die Bundesregierung in der Lage war, solch ein erstes Paket zu schnüren. Im Anklang an eine Formulierung, die knapp vor den Wahlen verwendet wurde, würde ich sagen: Herr Vizekanzler, es geht doch! – Diese Regierung hat sich als bemerkenswert handlungsfähig erwiesen und hat etwas zuwege gebracht, das zweifellos zur Stabilisierung des Finanzmarktes in Österreich, das zur Beruhigung der Sparer notwendig ist und notwendig sein wird.

Das ist die konkrete Situation, über die wir zu befinden haben, und die Tatsache, dass dieses Paket im Nationalrat eine einstimmige Zustimmung fand, ermutigt mich zu der Erwartung, dass es hier nicht anders sein wird – auch wenn wir sicherlich im Einzelnen die Akzente unterschiedlich setzen werden. Aber das ist die konkrete Maßnahme.

Diese konkrete Maßnahme spielt sich vor einem nicht nur europäischen, sondern welt­weiten Paradigmenwechsel ab, zu dem etwas zu sagen ist, denn es ist keine Frage: Wer vor einem dreiviertel Jahr oder vor einem halben Jahr gesagt hätte, die amerika­nische Regierung werde sich auch nur überlegen, Banken zu verstaatlichen, dem wäre das Hohngelächter des Auditoriums sicher gewesen. Wer vor einem halben Jahr vor­hergesagt hätte, dass Gordon Brown wesentliche Teile der britischen Finanzwirtschaft verstaatlichen wird, dem wäre in gleichen Maßen Hohngelächter entgegengeschlagen. Und wer vor einem halben Jahr gesagt hätte und auch gesagt hat – es hat ja genü­gende gegeben –, „weniger Staat, mehr privat“, dem ist nicht in gleicher Lautstärke aus allen Winkeln der Gesellschaft, aber Applaus sicher gewesen.

Herr Bundesminister, Herr Vizekanzler, es stimmt nach wie vor, haben Sie gemeint – und daher: Warum beschließen wir das dann jetzt? Ich glaube, dass gerade diese welt­weite Finanzkrise drei Dinge mit großer Deutlichkeit unterstrichen hat.

Erstens: Es müssen – das ist keine österreichische, sondern selbstverständlich eine europäische, ja eigentlich eine weltweite Aufgabe – auch die Finanzmärkte reguliert


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 12

werden. Wir haben in unserem Land zwar großartige Gesetze, die es zumindest er­schweren – im günstigsten Fall auch unmöglich machen –, dass Pensionisten an der Haustür von Zeitungsvertretern überrumpelt werden und irgendetwas unterschreiben, das sie eigentlich nicht wollen, Gesetze jedoch, die Sparer davor schützen, nach einer höchst unzulänglichen Beratung etwas zu kaufen, das sich als wenig werthaltig er­weist, haben wir nur in einem geringen Umfang.

Ich habe schon bei der letzten Sitzung gesagt: Wir haben es mit Finanzprodukten zu tun, die, und zwar in einem gigantischen Volumen, weltweit unterwegs waren, die mit Sicherheit ein Großteil derer, die sie erworben haben, nicht verstanden haben. Die Frage, ob jene sie verstanden haben, die solche Produkte vielen Menschen sozusagen angedreht haben, ist unbeantwortbar. Zweifel sind jedoch berechtigt. (Zwischenbemer­kung von Vizekanzler Mag. Molterer.) – Gut, da sind wir einer Meinung.

Es kann einfach nicht so sein, dass wir wichtige Detailbereiche – ich habe soeben von Haustürgeschäften gesprochen – detailliert und penibel regeln, die großen Finanz­ströme hingegen unbeaufsichtigt und unkontrolliert ablaufen lassen: mit gefährlichen Folgen für die Sparer, gefährlichen Folgen vor allem aber auch für die Wirtschaft.

Was wir heute beschließen, ist nicht diese Regelung, das ist klar, aber es ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Ermutigend und vielversprechend ist, dass diese Rege­lung nicht nur in Österreich, sondern – nach einem bemerkenswerten Signal der Euro­päischen Union –, in unterschiedlichen Abstufungen, europaweit beschlossen wird und dass es immerhin auch erfolgversprechende Gespräche mit dem großen amerika­nischen Partner gibt, ob man da zu einer gemeinsamen Vorgangsweise kommen kann.

Klar ist: Wer diesbezüglich Sondermaßnahmen setzt, die völlig abweichen von dem, was alle anderen tun, würde nur bewirken, dass diese Geschäfte – auch, was die eige­nen Staatsbürger betrifft – im Ausland abgewickelt werden, was jedoch die Rechts­sicherheit nicht erhöhen würde. Ganz im Gegenteil! Wir würden jedoch damit Leer­verkäufe zum Beispiel nicht wirklich aus der Welt schaffen können. Dazu ist eine ge­meinsame Anstrengung notwendig – und die Bereitschaft dazu scheint, erstmals seit Jahren, gegeben zu sein.

Es gibt also wirklich einen Paradigmenwechsel, einen Paradigmenwechsel, der uns veranlassen muss, darüber nachzudenken, welche Aufgaben in den Finanzmärkten die Staaten – also nicht der österreichische Staat allein – übernehmen müssen, über die heutige Sofortmaßnahme weit hinausreichend, und wo wir helfen können, die Wirkun­gen der bestehenden Krise auf die Menschen gering zu halten.

Wir können diese Wirkungen dort abfangen – das ist ja Gegenstand unseres heutigen Beschlusses –, wo es um den einzelnen Sparer geht, dessen Geld wir mit einer Garan­tie sichern. Das ist notwendig und richtig, und zwar erstens zugunsten dieser Men­schen, aber natürlich im gleichen Umfang zugunsten der österreichischen Banken, die ansonsten natürlich mit einer Abhebungswelle konfrontiert worden wären. Zu Beginn dieser Krise hat es ja tatsächlich die „originelle“ Entscheidung von Sparern gegeben, zu verkaufen, abzuheben und das Ganze dann in das Fach eines Tresors zu legen – oft auch bei derselben Bank, was besonders „originell“ ist. – Das ist also sicherlich kei­ne begrüßenswerte Variante, weil dann auch dieses Geld dem Geldkreislauf entzogen wird.

Das Zweite, das wir sicherstellen müssen, ist, den Geldkreislauf in Gang zu halten. Wenn es so viel Misstrauen zwischen den „Spielern“ der Finanzmärkte gibt, dann sind Garantien für den zwischenbanklichen Leihverkehr der notwendige Schritt, um dafür zu sorgen, dass das weitergehen kann und dass damit auch der Wirtschaft die dringend erforderlichen Kreditmittel zur Verfügung stehen. Das darf uns nämlich auch nicht


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passieren: dass dort, wo investiert, wo ausgebaut wird, auf einmal die Finanzmittel fehlen, weil es keine Kredite mehr gibt.

Ich sage es noch einmal: Der Paradigmenwechsel geht über diese notwendigen Maß­nahmen hinaus.

Mit einem gewissen Amusement habe ich festgestellt, dass es der Herr Alt-Bundes­kanzler und demnächst auch Alt-Klubobmann Dr. Schüssel geradezu als skandalös empfunden hat, dass der Dietz-Verlag eine wesentliche Umsatzausweitung beim Ver­kauf der dreibändigen Ausgabe von „Das Kapital“ verzeichnen konnte. (Der Redner platziert diese drei Bände auf dem Rednerpult.) Das kann’s nicht sein, hat Schüssel gemeint. – O ja, das kann’s schon sein! Nicht, dass ich mir um den Geschäftserfolg des Dietz-Verlages Sorgen mache, aber ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, das wäre, von mir aus betrachtet, ein bisschen zu anmaßend, aber meine Exemplare sind sichtlich genützt und gelesen und schon länger in meinem Besitz, aber ich würde ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie können gerne ein Foto davon machen. (Unruhe im Saal. – Präsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren, es ist schön, festzustellen, dass sich Leute über Bücher aufregen können, die sie mit Sicherheit nicht gelesen haben. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.) Aber genau das würde ich diesen Men­schen empfehlen, denn es geht darum, klüger zu werden – für ein nächstes Mal. Die heutige Situation zu bewältigen ist eine Aufgabe, aber zu versuchen, jene Prozesse, die die Weltwirtschaft und das Weltfinanzsystem in die Krise gebracht haben, so zu analysieren, dass wir auch vorausschauen können, von welcher Art Geschäften, von welchen Verhaltensweisen zukünftig Gefahr ausgeht, scheint mir in gleichem Maße notwendig zu sein.

Es wird manches neu zu bewerten sein; meine Kollegen werden dazu noch einiges in Detailbereichen sagen. – Wenn aber in der Krise – und das ist eine Krise – der Staat gefragt ist, dann ist der Staat auch anders zu bewerten, als das in vielen, vielen Aussa­gen der vergangenen Jahre getan wurde.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, noch Folgendes hinzufügen: Mit dem heu­tigen Beschluss, von dem ich annehme, dass er einstimmig erfolgen wird, bereinigen wir – oder: hoffen wir, zu bereinigen – eine aktuelle Situation, aber es ist keine Frage: Die Finanzkrise ist in der Realwirtschaft angekommen, und daher gibt es auch dort Handlungsbedarf.

Ich freue mich, wenn auch – so sieht es aus – ein Konjunkturpaket geschnürt werden kann, um der österreichischen Wirtschaft zusätzliche Impulse zu geben, und ich hoffe doch sehr, Herr Finanzminister, dass es auch möglich sein wird, gerade für jene Bevöl­kerungsgruppen, die sehr, sehr haushalten müssen – und jetzt noch mehr! –, im Rah­men eines vorgezogenen Teils der Steuerreform Mittel zur Verfügung zu stellen, was ja auch eine Wirtschaftsankurbelung bedeutet, denn wenn wir bei den kleineren Einkom­men Mittel zur Verfügung stellen beziehungsweise Steuern nicht mehr kassieren, be­deutet das ja, dass diese Mittel in den Konsum fließen; zum Teil über die Mehrwert­steuer zurückkommen, jedenfalls aber Arbeitsplätze, jedenfalls den Handel sichern. Und das ist die wirkliche Aufgabe.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich wird meine Fraktion dieser Vorlage zu­stimmen. Sie ist gut und richtig, und sie ist rechtzeitig zustande gekommen, was mich besonders freut. Wir dürfen mit unserem gesellschaftspolitischen Denken an diesem Punkt aber nicht aufhören. Wir müssen in die Zukunft denken – Konjunkturpaket, Steu­erreform –, aber wir müssen uns auch überlegen, wo die Politik ihre Schwerpunkte in den nächsten Jahren setzen soll, um eine Wiederholung dieser Krise vielleicht nicht zu


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verhindern, aber jedenfalls zu erschweren und möglichst schwierig für die verantwor­tungslosen Akteure zu machen.

Gestatten Sie mir noch einen letzten Satz. Ich bin mit dem, was ich da über die Ent­wicklung der letzten Jahre gesagt habe, erstaunlich wenig isoliert. Wer da aller uns in den letzten Wochen erzählt hat, was da alles schief gelaufen ist, und wie viele der Akteure in diesem Schieflaufen sich jetzt als Mahner vor den Entartungen des Kapita­lismus berufen fühlen, das ist schon erstaunlich, und ich würde ein paar von ihnen – ich nenne hier den Herrn Grasser – doch heftig vorschlagen, dass sie sich zuerst an der Nase nehmen, an ihrer MIP-Nase nehmen (Heiterkeit), bevor sie Ezzes geben, wie man die Auswüchse des Kapitalismus beseitigen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


13.21.29

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass mein Vorredner, Herr Professor Konecny, seine Bücher aus dem 19. Jahrhundert wieder eingepackt hat (Beifall bei der ÖVP – Zwischenruf des Bundesrates Konecny) und sie uns nicht als Rezept präsentiert, als Rezept für die Probleme der Gegenwart und die schwierigen Probleme der Finanzmärkte und der Wirtschaft im 21. Jahrhundert. Ich bin dankbar, dass er das nicht getan hat, denn ich glaube, es gilt jetzt in dieser Phase der Sanierung und der Reparatur dieser Probleme Augenmaß zu bewahren und Maß zu halten und nicht von einem Extrem in das andere zu fallen und alte Ideologien als große Rezepte für die Lösung unserer heutigen Probleme anzugeben.

Wir wissen, wie sich das ereignet hat. Ich stimme mit meinem Vorredner überein, dass es verantwortungslose Akteure waren, die diese Maßnahmen gesetzt haben oder zu­gelassen haben durch ihre Unfähigkeit, die in maßloser Selbstüberschätzung den Überblick über die Märkte verloren haben, den Überblick über ihre Produkte verloren haben, den Überblick über ihre Kunden verloren haben, die vergessen haben, für wen sie da sind und wofür sie eigentlich arbeiten sollten, verantwortungslose Akteure, die vielleicht auch vorsätzlich diese Maßnahmen gesetzt oder zugelassen haben, nämlich faule Kredite weiterverkauft und verpackt haben.

Aber damit soll der Rückblick eigentlich schon beendet sein. Ich glaube, dass heute und gestern in diesem Haus Maßnahmen gesetzt werden, die das Vertrauen der Bür­gerinnen und der Bürger in die Finanzwirtschaft, in ihre Einrichtungen und auch in die gesamte Wirtschaft wiederherstellen können.

Wir werden uns auch wieder überlegen, welche Werte es sind, die in Zukunft mehr ge­pflegt werden müssen, nämlich dass Wohlstand und soziale Sicherheit in Wahrheit durch Handarbeit oder Kopfarbeit entstehen und nicht allein durch Handel mit Geld. Das ist, glaube ich, eine Lehre, die wir daraus ziehen müssen, und damit sind wir bei der Realwirtschaft, die es zu schützen gilt: die Konsumentinnen und Konsumenten, die Beschäftigten in den kleinen Betrieben, in den kleinen und mittleren Unternehmungen, die darunter leiden würden. Für die machen wir das, nicht für die Banken. Die Banken sind Mittel zum Zweck, um Wirtschaft zu ermöglichen, um Arbeit zu ermöglichen, um Investitionen zu tätigen und damit Wohlstand und soziale Sicherheit zu gewährleisten.

Es steht tatsächlich die Stabilität unseres Geldsystems auf dem Spiel. Geldfluss, Kre­ditsystem, das Geld ist der Blutkreislauf unserer Wirtschaft, und den gilt es jetzt zu sta­bilisieren. Das Maßnahmenpaket ist, glaube ich, gut ausgewogen, dieses 100‑Milliar­den-Paket wird sicherlich das Vertrauen von Kunden, Banken und Finanzinstitutionen stärken helfen.


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Ich glaube, wir sollten uns auch vor Augen führen: Was würde geschehen, wenn wir das nicht beschließen, wenn das nicht geschehen wäre in den vergangenen Tagen, in den vergangenen zehn Tagen, in denen die Euro-Vertreter zusammengesessen sind und die ersten Maßnahmen und Richtlinien ausgearbeitet haben? – Es wäre unaus­denkbar oder eigentlich unsäglich, was passiert wäre: der Zusammenbruch unserer Wirtschaft, der Zusammenbruch unseres Wohlstandes und der Zusammenbruch unse­rer sozialen Sicherheit. Das kann man nicht zulassen!

Deshalb bin ich allen Akteuren dankbar, insbesondere unserem Finanzminister Willi Molterer, der federführend an diesem Maßnahmenpaket gearbeitet hat und gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union diese Arbeit geleistet hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die letzten Tage zeigen uns, dass unsere so­ziale Marktwirtschaft, unsere Organe, unsere Regierung, unser Parlament, Nationalrat und Bundesrat, handlungsfähig sind. Wir sind handlungsfähig, wenn es darum geht, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu schützen und zu helfen, dass Schaden abgewendet wird. Auf uns kommt es in diesen Tagen sehr an, auf uns Abgeordnete und Mandatare. Man kann sich auch auf die Demokratie verlassen. Das ist auch ein Signal, das hinausgeht von dieser Krise, die wir soeben zu meistern imstande sind.

Ja, es soll auch Konsequenzen geben. Wenn der Staat an die Banken zahlen muss, dann muss es auch Gegenleistungen geben. Da muss es Vorleistungen geben, wo zu­erst die Banken in Vorlage treten und dann erst subsidiär der Staat, wenn es darum geht, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt einige Erkenntnisse aus dieser Krise, und mein Vorredner, Professor Konecny, hat auch schon einige Lehren angezogen und in seiner Rede betont. Keine Leistung ohne Gegenleistung! Ein alter bürgerlicher und vertrauter Grundsatz: Keine Leistung ohne Gegenleistung. Es kann in einem ge­meinsamen Europa auch nicht jeder tun und lassen, was er will. Man muss auch auf Partner Rücksicht nehmen. Im Gegensatz zur Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre, die ja auch manchem jetzt heraufdämmert, der in der Geschichte und in der Zeitgeschichte etwas bewandert ist, muss man schon sagen, wir sind wesentlich besser aufgestellt, um diese Krise zu meistern. Wir sind mit richtigen Instrumenten ausgestattet. Wir ha­ben ein Netzwerk, das imstande ist, verantwortungsbewusst zu handeln. Wir haben europäische Regeln, die freilich noch verfeinert und verbessert werden müssen, etwa die Bankenaufsicht auf europäischer Ebene.

Es werden aber auch globale Regeln notwendig sein in Zukunft. Es werden globale Regeln notwendig sein, so wie es in anderen Bereichen auch globale Regeln gibt; in der Seefahrt zum Beispiel. Seit mehreren hundert Jahren gibt es ganz klare Regeln, wie der Schiffsverkehr auf den Weltmeeren zu erfolgen hat, es gibt ganz klare Regeln, wie die Luftfahrt zu geschehen hat, sonst käme ein Durcheinander heraus. Und das wünsche ich mir auch von den Finanzmärkten: dass es globale Regeln gibt, die ent­sprechend Anleitung geben, Rahmen setzen und Kontrolle gewährleisten. Die Finanz­welt soll nämlich die Wirtschaft unterstützen. Die Finanzwelt ist kein Selbstzweck. Die Finanzwelt hat den Betrieben zu dienen, hat den Menschen zu dienen, hat den Kon­sumenten zu dienen und ist kein Selbstzweck an und für sich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin froh, dass wir in einem gemeinsamen Europa leben. Die Sanierungsaktionen haben erst Tritt gefasst, nachdem die Vertreter der Euro-Zone zusammengesessen sind und gemeinsame Maßnahmen verabschiedet haben. Früher hat jeder irgendwas getan. Die Amerikaner haben etwas getan, die Dänen haben etwas getan, und von den Isländern rede ich gar nicht, da ist völliges


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Drunter und Drüber gewesen. Ordnung hineingekommen ist erst durch die Zusammen­arbeit auf europäischer Ebene.

Das soll uns auch eine Lehre sein in dieser Stunde: dass wir ein Europa haben, auf das wir aufbauen können, das ein gutes Fundament ist, das ein Werkzeug ist, mit dem wir auch schwierige internationale Fragen lösen können. Stellen Sie sich vor, wir hätten noch den Schilling, jeder hat seine eigene Währung. Also die amerikanischen Finanz­manager hätten mit uns, ich weiß nicht, Baseball oder Football gespielt, glaube ich. Wir wären ein Spielball der amerikanischen Finanzwirtschaft und des amerikanischen Fi­nanzmanagements gewesen. So haben wir ein Gewicht auf die Waagschale gebracht und sind wirklich auf gutem Weg, diese Krise zu meistern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass sich wieder einmal eine Regel bewahrheitet hat, der wir ohnedies anhängen und von der wir überzeugt sind, dass sie die richtige ist: Europa soll nützen und schützen. Dieser Nutzen und dieser Schutz werden uns in dieser Stunde auch bewusst und sollten uns eigentlich ermutigen und Hoffnung geben, an diesem Europa weiterzubauen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.31


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.31.52

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren! Für Gottfried Kneifel dürfte mit dem heutigen Beschluss die Krise irgendwie im Griff sein, habe ich ein bisschen das Gefühl gehabt. Ich würde einmal sagen, wir arbeiten am Vertrauen, aber ob diese Krise, deren Ausmaß wir uns alle noch nicht vorstellen kön­nen – denn auf die Finanzkrise folgt die Konjunkturkrise, und auf die Konjunkturkrise folgt die Arbeitsmarktkrise –, damit behoben ist, das werden wir erst noch in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren sehen.

Aus Kneifels Mund hörte ich die Worte des Kanzlers, der meinte, wir schenken den Banken nichts. Ich weiß nicht, ob wir den Banken nichts schenken. Die Frage ist: Wer ist der Autor dessen, was wir heute beschließen? Ich würde sagen, Herr Bundesminis­ter, das ist mitnichten die Bundesregierung, sondern der Autor dieses Pakets sind die österreichischen Banken. Und das ist der Unterschied zu all dem, was derzeit in Euro­pa beschlossen wird. Das ist der Unterschied zu Deutschland, das ist der Unterschied zu Großbritannien, weil diese Pakete, die durch den Deutschen Bundestag und in Großbritannien beschlossen wurden, sehr wohl klare Auflagen in Richtung der Banken, in Richtung der Manager und so weiter vorgesehen haben.

Wir beschließen ein sehr großes Paket, denn verglichen mit Deutschland mit 500 Mil­liarden sind die österreichischen 100 Milliarden sehr hoch, und verglichen mit den 700 Milliarden US-Dollar ist das österreichische Paket sehr, sehr groß. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Ja, ja, lieber Kollege Himmer, man kann auch sei­nen Ärger über etwas, das nicht geleistet wurde, hier kundtun.

Ich sage Ihnen, wir haben da eine verdammt gute Chance vertan, wenn man zum Bei­spiel den deutschen Finanzminister Steinbrück hernimmt, der ganz klar sagt, man wol­le im Bereich der Auflagen hart sein und im Bereich der Ausschüttungen harte Aufla­gen umsetzen. Zum Beispiel kann eine Bank, der geholfen wird, keine Ausschüttungen machen. Die hat gestundetes Geld, und sie kann nun nicht Ausschüttungen an Aktio­näre machen, beziehungsweise hat man mit 500 000 € pro Jahr eine klare Regelung für die Managergehälter eingeführt.

Das hätte man in Österreich auch machen können, und es wäre klar gewesen, was ge­setzlich ist und was sich eine Bank darüber hinaus von sich aus leistet. Wir beschlie-


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ßen heute jedoch, dass die Republik dort, wo sie Anteile erwirbt, eigentlich ein Aktionär wird, aber ohne Stimmrecht. Der Herr Finanzminister wird an Gewinnen partizipieren, aber die Möglichkeit zu gestalten, Herr Finanzminister, haben wir nicht. Wir haben die Benchmark, die uns Europa vorgegeben hat, die uns die Deutschen und die Briten vorgeben, nicht erfüllt.

Aber wissen Sie, was mich in diesem ganzen Zusammenhang – und ich glaube, der Fi­nanzminister wird es aus einer früheren Perspektive verstehen – wirklich erschüttert? – In Europa alleine schaffen wir es, in so kurzer Zeit 2 000 Milliarden € aufzustellen. Wis­sen Sie, dass die gesamte Umstellung Europas auf erneuerbare Energie einen Bedarf von nur 80 Milliarden € hätte – zukunftsorientierte Arbeitsplätze, zukunftsorientiertes Wirtschaften, die tatsächliche Inangriffnahme der Klimakatastrophe? – 2 000 Milliarden für die Reparatur eines Casinospiels, für die Reparatur eines Finanzsystems, das längst alle Schranken verlassen hat!

Oder wissen Sie, dass es nach jüngster Berechnung – das habe ich mir jetzt ange­schaut – 45 Milliarden € kosten würde, den Hunger in der Welt zu beseitigen? Das sagt die UNO.

Dort, wo all die Gewinne und das Zocken privatisiert wurden und wir nun die Kosten sozialisieren – nämlich an die Steuerzahler –, schaffen wir es, in einer gemeinsamen Anstrengung 2 000 Milliarden € in wenigen Wochen zur Verfügung zu stellen, aber beim Klimaschutz, bei der Umstellung auf erneuerbare Energien sind 85 Milliarden nicht möglich, bei der Beseitigung des Hungers in der Welt sind 45 Milliarden nicht möglich. Aber die Pyramidenspiele und ihre Folgen oder, wie mittlerweile immer klarer wird, den Casinokapitalismus und dessen Auswirkungen zu bewältigen, das schaffen wir. – Und das ärgert! (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Dönmez.)

Es ist klar, Kollege Himmer, was wir jetzt brauchen, ist Vertrauen. Offensichtlich sind die Motive stärker, wenn es um das eigene Geld, um den eigenen materiellen Wohl­stand geht, den Herr Kneifel ganz klar hervorgehoben hat. Da werden ungeahnte Kräfte wach. Wenn es aber um eine Generationenverantwortung geht, wenn es darum geht, eine internationale solidarische Verpflichtung einzugehen, da schaffen wir nichts. Auch Österreich – das werden wir heute beim nächsten Tagesordnungspunkt bespre­chen – hat in Fragen seiner Verpflichtung bei der Entwicklungszusammenarbeit einmal mehr noch vor den 0,5 Prozent Stopp gemacht, obwohl Staatssekretär Matznetter für diese Legislaturperiode ein anderes Ziel versprochen hat.

Das Schlimme, Kollege Kneifel – du hast es ja selber schon angesprochen, und die Auswirkungen sehen wir ja heute –, ist, dass das Geld kein Tauschmittel mehr ist, sondern zum Wirtschaftsgut wurde – losgelöst von Produktion, losgelöst von Gütern. Der größte Sündenfall war mit Sicherheit die Aufkündigung des Bretton-Woods-Abkom­mens, wodurch dort, wo noch Stabilität vorhanden war – ich weiß schon, wir können nicht mehr zurück, denn es erfolgt eine Dynamisierung –, dort, wo wir es nicht verstan­den haben, eine Liberalisierung durchzuführen, die falsch verstandene Liberalisierung in eine völlige Deregulierung hineingegangen ist, und wir haben diesen Neoliberalis­mus geradezu angebetet. Das heißt, es hat nichts mehr mit den realen Werten und mit dem realen Schaffen der Menschen zu tun.

Noch schlimmer ist – und das merken wir jetzt –, dass die Menschen dieses Wirt­schaftssystem und dieses Finanzsystem nicht mehr verstehen. Es hat sich völlig ver­selbständigt. Die Kontrolle ist hilflos. Was wir brauchen, Herr Finanzminister – ich glau­be, Sie haben es selber angesprochen, und man kann und soll das ja auch durchaus sagen; ich glaube, Sie waren einer der Ersten, die es gesagt haben –, was wir brau­chen, ist eine europäische Finanzmarktaufsicht. Wir brauchen sie wirklich, und es ist notwendig, dass sie effizient ist.


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Man kann nicht alles liberalisieren und sagen, die Kontrolle können wir dann ein biss­chen auf die Nationalstaaten abladen, so wie jetzt auch die Kosten aus den nationalen Budgets gedeckt werden. 100 Milliarden, liebe Leute, das ist viel Geld, und es ist die Frage: Was davon wird schlagend, und was davon wird gar nicht realisiert werden in diesem Land? Da mache ich mir Sorgen, dass dann wieder genau jene ambitionierten Ziele, die wir zum Beispiel zur Erreichung der Vorgaben des Kyoto-Abkommens haben sollten, unter den Tisch fallen, wenn es heißt, wir müssen die Konjunktur beleben.

Wie schaut denn die banale Konjunkturbelebung an sich in Österreich aus? Straßen bauen, ein bisschen Flughafen ausbauen, asphaltieren und betonieren. (Bundesrat Perhab: Was die Grünen nicht verhindern können!) Das kann es ja bitte nicht sein, dass genau das dann auf der Strecke bleibt. – Nicht jede grüne Krawatte macht ein grünes Herz, Herr Kollege! (Heiterkeit. – Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.) Dazu erwarte ich mir von unserem amtierenden Finanzminister schon eine klare Aussage.

Kollege Kneifel und Frau Präsidentin Zwazl, das, worüber ich mir in den nächsten Wo­chen wirklich große Sorgen mache – und das ist jetzt kein Scherz an euch beide gerichtet –, das ist die entscheidende Frage: Wie geht es den KMUs? Den KMUs, denen derzeit die Trauben höher und höher gehängt werden und die nun wirklich in die Krise kommen – nämlich die, die reale Arbeit geleistet haben und sich nicht an den Pyramidenspielen und am Casino-Kapitalismus beteiligt haben. Was geschieht mit den KMUs? 

Bezüglich der KMUs haben wir – was leider nicht die Mehrheit im Nationalrat gefunden hat – ein dreijähriges Moratorium bei der Aufkündigung von Krediten vorgeschlagen. Dass es den KMUs jetzt nicht gut geht, das ist klar.

Herr Finanzminister, mich hat das Abstimmungsverhalten in den letzten Tagen vor der Wahl gewundert – Sie vielleicht nicht, aber mich hat es gewundert. Und da muss ich jetzt die Kollegen in der linken Reichshälfte anschauen: Euer Abstimmungsverhalten vor der Wahl hat mich wirklich zutiefst verwundert. Da hätte nämlich die Chance be­standen, eine Finanztransaktionssteuer als ein wichtiges Element zu beschließen. Ich meine, eine europäische FMA ist gut, denn die Derivate, die da ununterbrochen er­funden wurden, versteht eigentlich niemand mehr, und die Kontrolle schon überhaupt nicht. So viele Derivate, wie es pro Woche am Finanzmarkt gibt, das kann eigentlich überhaupt niemand mehr verstehen. Ich habe einmal jemanden von einem sehr re­nommierten Institut gefragt: Was sagst du denn dazu? Darauf hat er mir gesagt: Ich verstehe das nicht mehr. Es scheint intelligent zu sein, aber was da rauskommt, nicht; das ist entweder high risk oder enorm profitabel.

Aber was wir gebraucht hätten – und da haben die Abgeordneten der SPÖ nein ge­sagt –, das ist eine Finanztransaktionssteuer. Genau das wäre ein Baustein gewesen, an dem man jetzt weiter arbeiten könnte. Die Börsenumsatzsteuer, Spekulationssteuer, all diese Punkte sind jetzt ein Gebot der Stunde. Und da möchte ich den Chefredakteur der katholischen „Furche“, Claus Reitan, zitieren, der meint, es ist eine verkehrte Welt: Nicht das Wirtschaften dient uns, sondern wir dienen dem Wirtschaften. Eine unver­ständliche Welt.

Wir müssen wieder dorthin zurückkommen – und da nehme ich gerne Anleihe bei den pathetischen Worten vom Kollegen Kneifel –, dass das Wirtschaften oder auch das Finanzsystem uns dient beziehungsweise das Finanzsystem dem Wirtschaften dient und dass das nicht voneinander losgelöst ist.

Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute hier einem Beschluss zustimmen – von Her­zen zustimmen! können, der auch Giftzähne hat, der auch wirklich europäisches Ni-


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veau hat und nicht nur dem Diktat der österreichischen Banken entspringt. – Danke. (Beifall der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum.)

13.44


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Vizekanzler Mag. Molterer das Wort. – Bitte.

 


13.44.25

Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, das ist zweifellos eine schwierige Situation. Dar ist nichts zu beschönigen. Die internationale Finanzmarktkrise hat tiefgehende Auswirkun­gen, nicht allein dort, wo sie ihren Ausgang hatte, nämlich in den Vereinigten Staaten, sondern sie hat in der Zwischenzeit selbstverständlich Europa erfasst. Aber auch weit über Europa hinaus hat sie in Asien, in allen Regionen der Welt zu einer ganz schwie­rigen Situation geführt.

Aus dieser Krise der Finanzmärkte erwächst selbstverständlich auch eine schwierigere Situation, was die konjunkturelle Erwartung und Entwicklung betrifft. Über den Begriff „Realwirtschaft“ kann man trefflich streiten, aber was gemeint ist, ist klar: Die Finanz­krise wird negative Auswirkungen auf die Wachstumsperspektive haben, und damit auch negative Auswirkungen auf die Beschäftigungsperspektive. Das darf man nicht beschönigen.

Daher ist es Aufgabe der Politik, dass wir uns auf der einen Seite über die Finanz­märkte und deren Perspektive im Sinne von Stabilität, Sicherheit, Regulierungen unter­halten und andererseits die Perspektive im Bereich Wachstum und Beschäftigung sehr klar als Zielsetzung haben.

Es gibt daher für mich, und ich denke, das ist Konsens in der österreichischen Politik, vier große Themenbereiche, die ich Ihnen gerne erläutern möchte.

Erstens: Krisenbewältigung und Krisenmanagement. Das ist – zugegeben – in den ersten Tagen in der Europäischen Union nicht ganz optimal gelaufen, aber seit die Europäische Union, seit die Euro-Gruppe diese Handlungsfähigkeit unter Beweis ge­stellt hat, ist Europa auch der Motor der globalen Entwicklung. Und ich möchte Sie bitten, transportieren Sie das auch nach außen!

Man möge sich nur vorstellen, wir hätten in dieser Krise die Euro-Zone nicht, wir hätten nicht die gemeinsame Währung, wir hätten nicht das Instrument der Europäischen Zentralbank – dann wäre für Österreich eine dramatische Situation gegeben, weil wir nicht nur diese Stärke Europas nicht nutzen könnten, sondern weil durchaus auch ge­gen beispielsweise den Schilling Währungsspekulationen gemacht worden wären; sie­he Ungarn.

Europa hat sich bewährt, Europa hat sich in der Krise bewährt, und wir bauen daher auch unser Programm, das Ihnen heute zur Beschlussfassung vorliegt, auf diesem europäischen Grundkonsens auf.

Das bedeutet erstens Einlagensicherung und damit Sicherheit für die Sparer. Ich bin froh, dass wir im Finanzausschuss des Nationalrates und damit auch in der Beschluss­fassung, die Ihnen heute vorliegt, nicht nur die Einlagensicherung für die natürlichen Personen deutlich verbessern konnten, sondern auch für die Klein- und Mittelbetriebe – eine Perspektive, die die KMUs einfach brauchen: Einlagensicherung.

Zweitens: den Banken Liquidität zur Verfügung zu stellen und Liquidität zu sichern. Das ist eine wesentliche Aufgabe. Dafür stehen insgesamt 75 Milliarden € zur Verfügung; das ist viel Geld. – Kurzfristige Liquidität und mittelfristige Liquidität.


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Drittens: den Banken Eigenkapital zur Verfügung zu stellen respektive Kapital und, wenn es notwendig ist, auch Eigentumserwerb an Banken durch die öffentliche Hand. Das ist immerhin ein Volumen von bis zu 15 Milliarden €.

Und viertens schieben wir in diesem Gesetz auch spekulativen Maßnahmen den Rie­gel vor, indem wir die Leerverkäufe zumindest zeitweise verbieten können, weil in die­ser Situation der Sensibilität an den Börsen Leerverkäufe nicht zu untersagen tatsäch­lich verantwortungslos wäre.

Herr Bundesrat Schennach, ich bitte Sie, dass Sie – auch bei der ganzen Problematik, die dahintersteckt, und ich denke, jeder weiß, dass dieses Paket durchaus auch Risken beinhaltet – auch zur Kenntnis nehmen, dass es nicht so ist, dass wir den Banken 100 Milliarden € hinlegen. Ihre Wortwahl, das sage ich Ihnen ganz offen, ist wirklich ein Unterschleif, der nicht in Ordnung ist. Sie erwecken nämlich den Eindruck, wir hätten den Banken jetzt 100 Milliarden cash in die Hand gegeben und gesagt, jetzt macht da­mit, was ihr wollt. Das tun wir nicht, sondern wir machen eine Haftung, und der Un­terschied zwischen Haftung und liquiden Mitteln, nämlich Geldmitteln aus dem Budget, ist hundert und eins.

Sie erwecken den Eindruck, wir würden uns jetzt etwas anderes nicht leisten können, weil wir Haftungen übernehmen. Nein, Haftungen sind etwas, das in dieser Situation notwendig ist. (Bundesrat Schennach: Und wenn sie schlagend werden?) – Wir tun alles, und zwar im gemeinsamen Interesse aller Parteien, dass sie nicht schlagend werden. Dass mit Haftungen immer ein gewisses Risiko verbunden ist, das muss ein­fach auch dazugesagt werden, aber bitte vermitteln Sie nicht den Eindruck, wir legen den Banken jetzt 100 Milliarden hin und sagen, okay, Freunde, jetzt tut damit, was ihr wollt! Außerdem zahlen die Banken dafür; sie zahlen Haftungsentgelt.

Logischerweise ist es dann, wenn der Bund etwa mit Eigentum hineingehen müsste, im Falle von Haftungen so – entgegen Ihren Aussagen –, dass wir selbstverständlich Auf­lagen machen können. Die Liste dieser Auflagen können Sie § 2 Abs. 5 des Gesetzes entnehmen.

Da lautet es zum Beispiel, die geschäftspolitische Ausrichtung ist zu bestimmen. Das heißt, dass beispielsweise sichergestellt wird, dass die Banken KMUs – Klein- und Mit­telbetrieben – in Österreich Kredite zur Verfügung stellen.

Oder es können Auflagen festgelegt werden, die die Verwendung der zugeführten Mit­tel betreffen. – Das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass wir mitreden können, was mit dem Geld geschieht.

Oder es kann Auflagen bezüglich der Vergütung der Organe, Angestellten und wesent­lichen Erfüllungsgehilfen geben. Das heißt, selbstverständlich ist es ein Thema, über die Frage der Managergehälter zu reden.

Oder beispielsweise steht da auch die Eigenmittelausstattung drinnen. – Na selbstver­ständlich können wir darauf Einfluss nehmen.

Oder die Ausschüttung von Dividenden. – Na selbstverständlich können wir darauf Ein­fluss nehmen.

Das ist also erstens nicht cash, das wir hergeben, zweitens bezahlen die Banken dafür, und drittens haben wir natürlich Einflussmöglichkeiten.

Zweiter Punkt neben diesem Krisenmanagement ist die richtige Perspektive der nächsten Schritte. Ich denke, da ist Europa gut aufgestellt. Das wird bedeuten: Richt­linie für die Einlagensicherung, Richtlinie für die Entwicklung der Rating-Agenturen, Richtlinie für Transparenz, Richtlinie für Kooperation der Aufsichten in Europa – mit der Perspektive europäische Finanzmarktaufsicht –, Richtlinie der Europäischen Union


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über Managergehälter und so weiter. Ich könnte Ihnen jetzt eine ganze Liste vorlegen über das, was wir uns im Ecofin vorgenommen haben, nämlich aus der Krise die richti­gen Schlüsse zu ziehen. Das ist ja der entscheidende Punkt.

Dritter Punkt: Ich denke, dass Europa die Neugestaltung der internationalen Finanz­welt und der Finanzarchitektur viel selbstbewusster bestimmen muss, denn Folgen­des wird auf Dauer sicherlich nicht gehen – und das ist durchaus auch eine Forderung an das europäische Selbstbewusstsein –: dass – so wie bei Basel II etwa – die USA die Spielregeln definieren, Europa wendet Basel II an, aber die Amerikaner denken nicht einmal daran. Das kann es nicht mehr geben! Oder beispielsweise, dass wir Rating-Agenturen haben, die ausschließlich US-amerikanischen Standards entspre­chen, es aber keine europäische Rating-Agentur gibt. – Das ist einfach überholt! Euro­pa muss, wird und kann viel selbstbewusster auftreten.

Allein die Tatsache beispielsweise, dass die Vereinigten Staaten jetzt ihr Paket dem europäischen Maßstab anpassen und nachbilden, zeigt doch: Europa ist Trendsetter.

Wir müssen aber auch neue Fragen stellen, Fragen etwa der Finanztransaktions­steuer. Ich persönlich halte eine solche für richtig, weil sie vor allem auch den Märkten klarmacht: Erstens wollen wir wissen, was geschieht – das ist eine Frage der Transpa­renz –, und wir wollen auch ein klares politisches Signal setzen, was von den Märkten erwünscht beziehungsweise nicht erwünscht ist.

Daher nur zwei Ergänzungen zu dem, was bisher gesagt wurde. Seien Sie bitte, meine Damen und Herren, etwas vorsichtig in der Frage, dass wir jetzt sofort die Nachfolge­institution von Bretton Woods schaffen müssen. Was war denn Bretton Woods? – In Wirklichkeit ein ausschließlich auf der Welt-Leitwährung Dollar aufgebautes Weltwäh­rungssystem, wenn Sie so wollen, wobei da ausschließlich der Dollar bestimmt hat.

Bretton Woods hat aber deswegen funktioniert, weil der Dollar die einzige Leitwährung der Welt gewesen ist und dahinter die Goldreserven gestanden sind. Diese Zeiten ha­ben wir aber überwunden; sie sind vorbei. Der Euro ist in der Zwischenzeit mindestens so stark wie der Dollar. – Eine Perspektive gemeinsamer Regeln im Weltwährungs­fonds, in der Weltbank unterstreiche ich jedoch hundertprozentig.

Herr Bundesrat Konecny, ich denke übrigens, dass das nicht sehr glücklich war, dass Sie das Buch „Das Kapital“ heute auf das Rednerpult gestellt haben, denn ich nehme nicht an, dass das jetzt Ihre neue Leitlinie ist; zumindest würde ich mir da sehr, sehr große Sorge machen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme gerade aus der ersten Runde der Koalitions-Verhandlungen, wo Ihr Partei­chef Faymann ziemlich genau das Gegenteil gesagt hat, eben dass das nicht das SP-Leitbild ist. Daher, Herr Bundesrat Konecny, räumen Sie das bitte wieder ein, stellen Sie das nicht mehr hierher!

Ganz offen gefragt: Wie ziehen wir die richtigen Schlussfolgerungen aus dieser Situa­tion? Ich bleibe dabei, was ich bereits in einem Zwischenruf gesagt habe: Aus meiner Sicht ist der Staat nicht gefordert, ein Unternehmen oder eine Bank zu führen. Wenn etwa die USA oder die Briten jetzt in das hineingehen, so geschieht das doch aus einer Notsituation heraus; sie werden sich jedoch ganz bestimmt so schnell wie möglich da wieder herausbegeben.

Meine Definition der Aufgabe des Staates gerade in den Finanzmärkten ist: Wir müs­sen klarstellen, dass Märkte Regeln brauchen – die liegen im Aufgabenbereich des Staates –, und diese Regeln müssen transparent sein. Auch das ist eine Aufgabe des Staates, wobei in diesem Fall unter „Staat“ nicht der Nationalstaat gemeint ist, sondern eine Staatengemeinschaft beziehungsweise ein globales System.


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 22

Weiters muss der Staat die Aufsicht und die Sanktionen sicherstellen. So verstehe ich die soziale Marktwirtschaft. Die Konsequenz so mancher Debattenbeiträge der letzten Tage hieße doch, in Zeiten zurückzugehen, die wir Gott sei Dank überwunden ha­ben. – Es ist mir daher ein großes Anliegen, dass wir jetzt die richtigen Schlüsse zie­hen.

Die soziale Marktwirtschaft wird auch in Zukunft das Modell sein, auf dem wir aufbau­en – und nicht die Rückkehr in eine falsche Entwicklung, sondern eben die Richtung, dass der Staat klar sagt, was seine wirkliche Aufgabe ist. – Eine solche Diskussion füh­re ich gerne mit Ihnen: Welche Regeln brauchen die Finanzmärkte, welche Produkte, wie transparent müssen sie sein, wie funktionieren Aufsicht und Kontrolle, beziehungs­weise welche Sanktionen gibt es?

Mir hat jetzt ein Banker gesagt – das können Sie durchaus verwenden, also Copyright eines Generaldirektors einer österreichischen Bank –: Früher hat es Produkte gege­ben, die der Bankbeamte verstanden hat und der Kunde; dann hat es Produkte gege­ben, die der Bankbeamte verstanden hat, der Kunde aber nicht mehr – und jetzt gibt es Produkte, die beide nicht mehr verstehen!

Ich habe schon einmal in einer Diskussion gesagt, dass ich Folgendes überhaupt nicht einsehe: Jedes Produkt, das auf den Markt kommt, muss irgendein Genehmigungsver­fahren durchlaufen: entweder ein Normungsverfahren oder eben ein gesetzliches Ver­fahren. Fragen Sie nur einmal ein Pharmazieunternehmen, wie lange es dauert, bis es ein neues Produkt, ein neues Medikament auf den Markt bringen kann. Das dauert oft Jahre! – Aber bei Finanzprodukten geht das ohne Genehmigung in einer Sekunde, und auf einmal ist dieses Produkt eben da. – Und so, denke ich, funktioniert Markwirt­schaft.

Die letzte Bemerkung, vierter Punkt: Ja, ich gebe allen hier recht, die gesagt haben, nach dieser Finanzgeschichte müssen wir uns der Konjunktur widmen. Ich teile die Einschätzung aller bisherigen Vorredner, die gesagt haben, Schwerpunkt muss es sein, dass wir den KMUs die notwendige Sicherung für Liquidität geben. Es kann doch nicht so sein, dass ein Liquiditätsengpass der Banken dazu führt, dass die KMUs da­von direkt und negativ betroffen sind.

Wir diskutieren daher derzeit in der Bundesregierung etwa die Frage der Haftungsüber­nahmen – Haftungsübernahmen etwa im Rahmen AWS –, damit wir gemeinsam mit den europäischen Programmen, etwa der Europäischen Investitionsbank, richtige Per­spektiven und Signale setzen.

Ich hielte es für verfehlt, würden wir sagen, wir konzentrieren uns jetzt nur auf die Fi­nanzkrise, denn: In Wirklichkeit müssen wir – das verstehe ich unter politischer Ver­antwortung – die Finanzkrise managen, wir müssen die Spielregeln neu definieren, wir müssen für Konjunkturbelebungsmaßnahmen sorgen, müssen die globale Finanz­markt-Architektur bestimmen und dürfen uns dabei selbstverständlich auch nicht der Verpflichtung in der Klimapolitik entziehen.

Politik ist daher etwas anspruchsvoller geworden, das stimmt, aber ich denke, mit die­sem Paket haben wir gezeigt, dass wir auch anspruchsvolle Situationen durchaus meistern können.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen, und ich gehe davon aus, dass es nach dieser Diskussion auch der Bundesrat schaffen wird, mit dem Signal der Einstimmigkeit diesen wichtigen Schritt für die Stabilität des Standortes Österreich zu setzen, wie das auch der Nationalrat gestern getan hat. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.58



BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 23

Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


13.58.17

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundes­minister Molterer, ich habe Ihnen jetzt sehr aufmerksam zugehört und mir gedacht: Diese Krise ist ja gar nicht so schlimm. Offensichtlich gibt es da ja für jedes Mittel ein Gegenmittel, habe ich jetzt gehört – und dennoch frage ich mich, warum es trotzdem so schlimm ausschaut. (Vizekanzler Mag. Molterer: Da haben Sie aber nicht aufge­passt! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich weiß, dass das eine wirklich schwierige Situation ist, und ich denke auch, dass es ab und zu nicht schaden kann, auch einmal andere Bücher zu lesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ereignisse der letzten Wochen haben uns vor Augen geführt, wohin schrankenloses Handeln im Finanzbereich und in der ge­samten Wirtschaft führt, so nach dem Motto: Der Markt ist alles, und der Staat ist nichts! Kollege Kneifel hat ja heute hier bereits die Befürchtungen geäußert, dass der Staat jetzt wieder mehr in den Vordergrund treten könnte. – Ja, meine Damen und Her­ren von der ÖVP, wir brauchen jetzt den Staat; das ist so.

Das vorliegende Interbankmarktstärkungsgesetz ist ein Gesetz, das sich genau damit befasst, dass der Staat in gewisser Weise auch in den Bankensektor eingreifen kann. Dafür stehen 75 Milliarden € zur Verfügung, wobei das nicht gratis für die Banken ist; sie bekommen Unterstützung, müssen dafür aber zahlen.

Der Staat stellt weiters für das Finanzmarktstabilitätsgesetz weitere 15 Milliarden € zur Verfügung, mit denen er eingreifen kann.

Im Bankwesengesetz geht es um die Einlagensicherung bei Privatkonten, das ist etwas sehr, sehr Wichtiges.

Das Börsegesetz erfährt auch dahin gehend eine Änderung, dass Leerverkäufe und Spekulationen auf fallende Kurse in Krisensituationen verboten werden können.

Meine Damen und Herren! Der Europäischen Union ist es in dieser Krise gelungen, zu Entscheidungen zu kommen. – Das ist ganz wichtig, und das soll man auch sagen, weil wir uns andererseits auch sehr oft an der Unfähigkeit der EU delektieren; daher soll man es auch sagen, wenn etwas hervorragend gemeistert wurde.

Die EU hat es zusammengebracht, sich zuerst einmal selbst auf ein gemeinsames Vor­gehen zu einigen, und konnte dann auch noch – und das ist eine noch viel größere Leistung – den amerikanischen Präsidenten davon überzeugen, dass man den Finanz­markt weltweit in Ordnung bringen muss.

Meine Damen und Herren, ich war immer der Meinung, dass der Finanzmarkt Rege­lungen braucht – das habe ich immer vertreten –, und die These, dass sich der Markt selbst regelt, war mir immer suspekt. Diese These ist jetzt auch Schall und Rauch, denn der Markt hat sich selbst ruiniert.

Meine Damen und Herren, es sind da unvorstellbare Summen vernichtet worden. Staa­ten stehen vor dem Bankrott: Island musste bereits gerettet werden, Ungarn und die Ukraine können sich nicht mehr selbst helfen, und auch Russland hat die Krise ganz stark getroffen.

Dieses finanzielle Desaster macht natürlich auch vor der Wirtschaft nicht halt: Es fehlt das Geld für die entsprechenden Finanzierungen; Produktionen müssen zurückgefah­ren werden; in den Ostländern, in denen wir laut Angabe der Banker so viel verdient haben, stehen die Kräne still, die Einkaufzentren werden nicht weitergebaut und so


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weiter – dazu kommt jetzt auch noch die Arbeitsmarktkrise. Investoren ziehen sich zu­rück, und die Wirtschaft steht vor einer Depression.

Was mich dabei besonders stört, ist, dass es in dieser großen Krise immer noch Zo­cker gibt, dass es immer noch Möglichkeiten gibt, an der Börse auf fallende Kurse zu spekulieren, dass man Leerverkäufe machen kann, denn all das hat dazu beigetragen, dass die Kurse auf eine rasante Talfahrt geschickt worden sind.

Wer sich die an der Wiener Börse notierten Unternehmen anschaut, sieht, dass es Kursverluste von 6,25 Prozent bis zu 75,92 Prozent gibt. Es ist praktisch kein einziger Titel des ATX im Positiven. Darüber müsste man, glaube ich, auch einmal nachdenken, denn diese börsenotierten Unternehmen haben ja nicht so schlecht gearbeitet, die haben die Zahlen gebracht, die sie angekündigt haben, und ihre Auftragsbücher sind für die nächste Zeit voll. Aber all das hat nichts geholfen.

Wenn ich dann noch weiß, dass zum Beispiel die Deutsche Bank im Jahr 2006 allein an Bonifikationen für die Finanzhändler 5,6 Milliarden € gezahlt hat, denke ich, dass es bei den österreichischen Banken insgesamt auch nicht weit weniger sein wird. Allein an der Wall Street hat es in diesem Jahr 70 Milliarden US-Dollar an Bonifikationen gege­ben. Und wer gehört hat, dass der Präsident der Deutschen Bank zwar darüber nach­denkt, ob er dieses Jahr auf eine Bonifikation verzichten soll, dem sage ich, dass in dieser Situation allein schon der Gedanke daran eine Frechheit ist.

Mir fehlt in dieser Situation, meine Damen und Herren, auch die Demut der Bankdirek­toren, dieser „tollen“ Manager, die überall auf den Titelblättern der Wirtschaftszeitun­gen waren, die uns immer wieder gesagt haben, wie gut sie unterwegs sind, wie viele Tausend Filialen sie im Osten haben. – Sie haben uns aber nicht gesagt, wie viele Leichen sie im Keller haben, und sie haben uns auch nicht gesagt, dass sie Leichen im Keller haben, bei denen sie gar nicht wissen, was in den Paketen alles drinnen ist. Jetzt, in der Krise, sind sie auf Tauchstation gegangen.

Ich habe gestern im ORF vernommen, dass sich ein Bankmanager davor fürchtet, dass der Staat wieder einen größeren Einfluss auf die Banken bekommt. Er hat gestern be­reits darüber philosophiert, dass sich der Staat, sobald es die wirtschaftliche Situation der Banken erlaubt, wieder zurückziehen soll.

Meine Damen und Herren! Zu Basel II – der Herr Bundesminister hat es angeführt: Ich habe hier auch schon öfters über Basel II gesprochen, weil mich als Kleinunternehmer Basel II auch selbst immer wieder betrifft, nämlich dann, wenn ich zu den jährlichen Verhandlungen für den Kreditrahmen gehen muss. Früher ist man mit ein, zwei Unter­schriften ausgekommen, jetzt braucht man zehn und mehr Unterschriften. Jedes Jahr gibt es neue Besicherungsvorschriften, und letztlich wird es einmal so sein, dass man das Geld nicht bekommt.

Außerdem hat man immer das Problem, dass man nie weiß, wann die Bank sagt: Jetzt drehen wir den Hahn zu! Das betrifft genau die Klein- und Mittelbetriebe, die ein paar Beschäftigte haben, die aber auch das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft dar­stellen.

Meine Damen und Herren, ich meine auch, dass die Finanzmärkte eine weltumspan­nende Kontrolle brauchen und dass die gesamten Transaktionen besteuert gehören, denn woher sonst soll der Staat das notwendige Geld bekommen, damit er seine Auf­gaben erfüllen kann.

Wir müssen aber auch bei der Kontrolle der Finanzmärkte im eigenen Land ein biss­chen aufpassen, denn es hat in der letzten Zeit Situationen gegeben, in denen ein Blin­der sehen konnte, was da bei börsenotierten Unternehmen passiert ist, nur die Aufsicht hat das nicht gesehen, und die Urteile sind dann genauso ausgefallen. Da fragen sich


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die Bürgerin und der Bürger schon, was da noch passieren muss, damit es einmal zu entsprechenden Strafen kommt.

Dass das alles nicht von der Hand zu weisen ist, das sieht man an der heutigen Aus­sendung des EZB-Präsidenten Trichet, der davon spricht, dass eine längst überfällige Marktkorrektur angebracht ist. Er spricht auch davon, dass die Risken jahrelang unter­schätzt worden sind.

Abschließend hoffe ich, dass wir die beschlossenen Milliarden nicht brauchen werden. Ich hoffe noch immer, dass die von mir gescholtenen Bankdirektoren doch ein biss­chen besser gewirtschaftet haben, als dies jetzt allgemein den Anschein hat. Ich hoffe vor allem, dass für die Klein- und Mittelbetriebe schon durch die heutigen Beschlüsse die Situation erleichtert wird und dass das kommende Konjunkturpaket auch für sie entsprechende Schwerpunkte enthält.

Ich verlange noch, dass jene begleitenden Maßnahmen, die jetzt europaweit ange­dacht sind, auch umgesetzt werden. Wenn dies gelingt, waren all unsere Bemühungen nicht umsonst.

Lieber Kollege Kneifel, es gibt neben der Schifffahrt noch etwas, das weltumspannend ist (Bundesrat Kneifel: Luftfahrt!), das sind die Fußballregeln. Sie können in jedem Land der Welt Fußball spielen, und jeder kennt sich aus. Sie können aber nicht in je­dem Land ein Finanzpaket kaufen, denn da kennt sich fast niemand mehr aus! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum.)

14.08


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. (Bundesrat Edgar Mayer bringt eine Zeitungsausgabe mit zum Rednerpult. – Bundesrat Konecny: Ein gutes Blatt! – Bundesrat Edgar Mayer: Ja, manchmal gibt es auch etwas Gutes für euch!)

 


14.08.00

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere nach Auffassung von Herrn Professor Ko­necny aus einem guten Blatt, aus der „Furche“:

„Der Preis des Sündenfalls

Das Finanzdebakel und die Garantien des zurückgekehrten Staates nehmen völlig un­verständliche Größenordnungen an.“

Weiters: „Die Ereignisse dieser Tage kommen in die Geschichtsbücher. Aber wer meint, jetzt schon abschätzen zu können, was drinnen stehen wird, irrt. Und zwar kräftig. Denn die gegenwärtige globale, nur mit knapper Not eingedämmte Krise hat viele, keineswegs einfache Ursachen. Sie hat weitreichende, noch nicht vollständig ab­schätzbare Folgen. Und, drittens, fehlt es für ihre Bewältigung an Rezepten.“ – So weit, so gut, weil das symptomatisch die Situation kennzeichnet.

An fehlenden Rezepten möchte ich das Ganze jetzt nicht aufhängen, denn ich glaube doch, dass wir mit dem vorliegenden Paket einiges dazu beitragen, dass sich die Si­tuation beruhigt und dass sich vor allem unsere Banken wieder gegenseitig vertrauen. Obwohl, das gebe ich schon zu, die aktuelle Situation auch uns eingeholt hat.

Wenn man den Niedergang der Constantia Privatbank, die sozusagen in letzter Sekun­de von fünf österreichischen Banken gerettet wurde, Revue passieren lässt, stellt man fest – man höre und staune ... (Staatssekretär Dr. Matznetter: Na vom Staat!) – Vom Staat und natürlich auch von den fünf Banken, die mit Kapital einbringen. Ich glaube, das kann man ganz klar festhalten.


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 26

Man höre und staune, auch die BAWAG ist mit dabei, weil sie jetzt wieder, wie eine Vorstandsdirektorin in der Sendung „Hohes Haus“ gesagt hat, über Kapitalreserven von 7 Milliarden € verfügt. – Ich erinnere mich daran, dass vor gar nicht langer Zeit hier im Hohen Haus die Staatshaftung beschlossen wurde. (Bundesrat Mag. Klug: Ja, aber wann?! Das ist ein super Beispiel! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie wurde be­schlossen. Die österreichische Bundesregierung hat die BAWAG gerettet, das muss man ganz klar und deutlich hier festhalten. (Bundesrat Mag. Klug: Ich werde das dann ..., wann und wie!)

Herr Kollege Klug, ich komme jetzt darauf zurück, weil das symptomatisch dafür ist, dass eine Bundesregierung rechtzeitig agieren kann und so auch ein Bankinstitut ge­rettet hat. Und das ist, denke ich, Fakt. Das ist Fakt. (Bundesrat Mag. Klug: Ich werde dann sagen, wie! – Zwischenruf des Bundesrates Kraml.) Ja. Ist die BAWAG gerettet oder nicht, Herr Kollege Kraml? Sie ist gerettet vor dem Untergang. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Kraml.) Die BAWAG wurde vor dem Untergang gerettet, in­zwischen verkauft und hat inzwischen Kapitalreserven von 7 Milliarden € bilden kön­nen. Das ist doch erfreulich, oder nicht? (Bundesrat Kraml: Weil sie gut gewirtschaftet hat! – Bundesrat Mag. Klug: Ich werde antworten!)

Ich möchte nun auf das vorliegende Paket zurückkommen. Die amtierende Bundesre­gierung hat über Intention von Vizekanzler Molterer ein Bankenpaket geschnürt, das einerseits unser stabiles, gesundes Bankensystem in Österreich vor den Auswirkungen der internationalen Finanzkrise schützen soll, andererseits aber auch die Arbeitsplätze der Österreicherinnen und Österreicher und den Wohlstand, den wir uns erarbeitet ha­ben, absichert. Aber wir brauchen inzwischen – und das ist die Situation, die es auch zu analysieren gilt – nicht nur ein Bankenpaket, sondern auch ein kräftiges Konjunktur­paket, wie heute bereits angesprochen wurde, weil gerade die kleinen und mittelständi­schen Unternehmen in der Krise stecken. Wir sind hier dem Vernehmen nach auf gutem Wege. Die Bundesregierung hat bereits daran gedacht, auch ein Paket in diese Richtung zu schnüren.

Es ist also wichtig, dass wir die Grundlage im Bankensystem für eine funktionierende Volkswirtschaft schaffen.

Das vorliegende Paket zur Unterstützung der Banken und zum Schutz der Einleger von Sparguthaben hat das wirklich gewaltige Volumen von über 100 Milliarden €. Es soll natürlich auch die Stabilität auf dem Finanzsektor zurückbringen, vor allem die kleinen und mittleren Betriebe, wie bereits erwähnt, in Österreich stärken und ihre Liquidität absichern, sodass sie konkurrenzfähig bleiben.

Die staatlichen Garantien beziehungsweise Haftungen in der Höhe von 85 Millionen € (Bundesrat Mag. Klug: Milliarden!) werden hoffentlich nicht, wie der Herr Vizekanzler bereits erklärt hat, zu Belastungen für den Staatshaushalt werden und kommen gerade rechtzeitig. Ich hoffe, dass sie nicht schlagend werden, denn das wäre, denke ich – bei aller Risikoabschätzung –, in dieser Form nicht zu finanzieren.

Dieses Paket soll das Vertrauen der Banken ineinander wieder sichern, und ich meine, das ist das Wichtigste an dieser Maßnahme.

Der kleine Staat Österreich hat mit diesen mehr als 100 Milliarden € ein wirklich gewal­tiges Paket geschnürt, wie Kollege Schennach bereits gesagt hat. Wenn man bedenkt, dass der große Bruder Deutschland 500 Milliarden € dafür vorgesehen hat und die Amerikaner 750 Milliarden US-Dollar bereitstellen, ist das eine wirklich enorme Sum­me, eine enorme Leistung.

Auf einfachere Dinge zurückkommend, weil ich heute schon gehört habe, auch vom Fi­nanzminister angedeutet, dass es Produkte gibt, die weder der Banker noch derjenige, der anlegt in ein Produkt, definieren kann: Mir ist es auch wichtig, dass wir die Einla-


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gensicherung haben, und zwar zu 100 Prozent. Das ist für die Sparer ein ganz wertvol­ler Impuls und das sichert auch das System insgesamt. Es sichert uns natürlich auch gegenüber Deutschland ab, sodass keine Spareinlagen abfließen werden.

Ein paar Sätze zu Europa, dazu, wie wichtig der gemeinsame Markt und vor allem die Euro-Zone sind. Island wurde schon erwähnt, auch die Ukraine und Ungarn, wo sehr viel österreichisches Geld investiert wurde und somit verloren geht, und diese beiden Staaten konnten vor dem Staatsbankrott bewahrt werden.

Die Finanzmarktkrise zeigt deutlich auf, wie eng vernetzt die Welt inzwischen ist. Die Finanzmarktkrise zeigt aber auch, wie wichtig es für Österreich ist, Teil der Europäi­schen Union zu sein. Europa ist ein Stabilitätsfaktor, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es zeigt sich, wie wichtig eine starke gemeinsame Institution wie die Europäi­sche Zentralbank ist, die sich durch rasches, konsequentes und besonnenes Vorgehen bewährt hat.

Nur gemeinsam in der Europäischen Union kann einer solch großen Herausforderung wie der Finanzmarktkrise begegnet werden. Der auf europäischer Ebene geschlossene Konsens wird nun auf nationalstaatlicher Ebene nach individuellen Bedürfnissen umge­setzt.

Es sei deshalb auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, noch einmal ins Stammbuch geschrieben: Überdenken Sie Ihre derzeitige destruktive Europapolitik, denn gerade bei dieser Krise stehen wir vor einem ersten großen Testfall. (Bundes-
rat Kraml: Keine Scheuklappen!)
Wenn wir nämlich eine gesamteuropäische Finanz­marktaufsicht wollen und an deren Einrichtung denken und die Europäische Zentral­bank bei einer derartigen Aufgabe mit dabei sein soll, dann braucht es eine Änderung des EZB-Statuts und damit auch des EU-Vertrags. Und dann haben wir bereits die von Ihnen herbeigeredete erste Volksabstimmung – und viele werden folgen, bis wir die Bevölkerung endlich mit dieser EU-Malaise so saturiert haben, dass sie sich endgültig davon verabschiedet. Dass das ein politischer Erfolg ist, wage ich zu bezweifeln.

Es ist deshalb für mich auch sehr wichtig, Folgendes anzumerken: Bei den Koalitions­verhandlungen soll das Europa-Kapitel außer Streit stehen. Unsere Ressourcen sollten wir für wichtigere Dinge als einen Streit darüber verwenden. Mir sind die Energie und die Verantwortung für die Konjunktur, für die Unternehmungen und vor allem für die Ar­beitsplätze und die arbeitenden Menschen in Österreich wichtiger als Ihr Verhältnis zum „Kronen Zeitung“-Onkel Hans. Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Schennach.)

14.16


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


14.16.57

Bundesrat Werner Herbert (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe noch die Worte des Gouverneurs der Oesterreichischen Nationalbank Dr. Nowot­ny im Ohr, der vor einigen Tagen gemeint hat: Österreich wird von der Finanzkrise nicht betroffen sein. Gegebenenfalls einige, die vielleicht in Amerika veranlagt haben, aber sonst brauchen wir keine Angst zu haben.

Jetzt, knapp drei Wochen später, wissen wir, dass diese Aussage wohl nicht so zutref­fend war, weil die Finanzlandschaft in Österreich gehörig ins Wanken geraten ist und Österreich neben mehreren anderen europäischen Staaten – Island, Großbritannien und Deutschland – nunmehr auch gezwungen ist, wirksame, aber in erster Linie auch vertrauensbildende Maßnahmen in den Finanzstandort zu setzen. Gerade in Öster-


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reich ist das nicht zuletzt auch deswegen wichtig, weil ja der Wirtschaftsstandort Öster­reich gezwungen ist, im Gleichklang mit Deutschland zu agieren und das abzustim­men.

Ich denke, dass die vorliegende Regierungsvorlage mit ihrem Gesamtvolumen von 100 Milliarden € sicherlich eine gute Grundlage darstellt, das Vertrauen wieder herzu­stellen und zu bewirken, dass sich der Finanzstandort Österreich auch weiterhin gut und vor allem international behaupten kann.

Wie wichtig dieser Schritt war, beweist uns der Fall der Constantia Privatbank, der erst vor wenigen Tagen passiert ist, wenngleich man hier in einigen Medien schon spe­kulativ davon ausgegangen ist, dass da auch ein krimineller Hintergrund gegeben sein soll. Aber wie dem auch sei ... (Bundesrat Schennach: Aber mit der Finanzkrise hat das nichts zu tun, nicht? Das ist nur ein Missmanagement einer Bank, oder?) – Wie dem auch sei. Ich lasse jetzt Ihren Zugang einmal so im Raum stehen. (Bundesrat Mag. Himmer: Berühmte Privatbank ...!) – Berühmte Privatbank.

Nichtsdestotrotz, auch wenn diese Regierungsvorlage wichtig, richtig und wahrschein­lich auch äußerst notwendig ist, beinhaltet sie aus meiner Sicht doch einige Wermuts­tropfen.

Ich denke, dass da die Republik, wenngleich sie mit einem hohen Betrag an Kapital haftet, wohl in der Relation gesehen sehr geringe Einblicks- und auch Einspruchs- oder Eingriffsmöglichkeiten hat.

Auch etwaige Regressmöglichkeiten sind in diesem Gesetz nicht verankert und sollen in einer nachträglichen Verordnung sichergestellt werden.

Besonders bemerkenswert ist doch auch der Umstand, dass gerade die Gebühren- und Abgabenbefreiung zwar für alle Banken und Kreditinstitute gelten soll, nicht aber für etwaige betroffene Privatpersonen, die ebenfalls im Rahmen von Problemen im Zusammenhang mit dem schlagend werdenden Gesetz notwendigerweise etwaigen Geldmanipulationen unterworfen werden könnten, wobei keinerlei Vergünstigungen in diesem Fall möglich sind.

Nicht zuletzt gibt es auch Kritik an dieser Konstruktion zwischen Clearingstelle, Oester­reichischer Kontrollbank und den dadurch entstehenden Vergabemöglichkeiten, wo durchaus auch Kritik laut werden kann, weil es EU-rechtlich wohl einige Bedenken ge­ben könnte.

Trotz allem denke ich, dass dieses Gesetz ein Gebot der Stunde ist, das einfach si­cherstellen muss und auch sicherstellen soll, dass die heimische Kredit- und Banken­wirtschaft wieder gestärkt wird und ihr aus der Finanzkrise nicht weiterer Schaden er­wächst.

Es soll ein klares Zeichen sein, dass die Republik die notwendige Unterstützung bietet, um die Bewältigung der Finanzkrise auch in Österreich zu gewährleisten.

Aus diesem Grund wird meine Fraktion – wenn auch mit einem kleinen Bauchweh auf­grund der angeführten Kritikpunkte (Ruf: Perfekt brauchen wir nicht sein!) – die Zustim­mung zu diesem Gesetz erteilen. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszu­gehörigkeit.)

14.22


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dr. Matznetter das Wort. – Bitte.

 


14.22.45

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Meine Damen und Herren Bundesräte! Der Herr Bundesminister für Finanzen hat be-


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reits in groben Zügen erklärt, welche Stoßrichtung das Gesetz hat. Eines ist klar: Das ist alternativenlos.

Wenn nicht jener Krise, die seit dem Konkurs der Bank Lehman Brothers in vollem Ausmaß quer über den Globus ausgebrochen ist, durch eine konzertierte Aktion der In­dustriestaaten Einhalt geboten würde, wären die Konsequenzen für die Realwirtschaft und in der Folge für die Arbeitsplätze dermaßen katastrophal, dass die Folgeaufräum­kosten deutlich höher wären als die enormen Anstrengungen, die wir jetzt zur Bekämp­fung der Krise setzen müssen.

Was erreichen wir mit dem Paket? – Erstens: Die Spareinlagen der Österreicherinnen und Österreicher brauchen einen sicheren Hafen, und es muss auch psychologisch ge­sehen bei der Bevölkerung die Gewissheit gegeben sein, dass ihre Spareinlagen si­cher sind. Daher wird temporär, nämlich bis zum Inkrafttreten einer europaweiten Re­gelung, eine unbeschränkte Haftung für Spareinlagen natürlicher Personen übernom­men, die dann auf 100 000 absinken wird, was die künftige Obergrenze nach der EU-Richtlinie sein soll.

Zweitens: Es wird für die vielen, vielen kleinen Unternehmen im Lande die Einlagen­sicherung von bisher 20 000 € auf 50 000 € angehoben, und zwar für jene kleinen Unternehmen, die nicht schon als natürliche Person oder Einzelunternehmen in die Re­gelung der unbeschränkten Einlagensicherung fallen.

Drittens: Es wurde eine sehr intensive Diskussion über die Fragen geführt: Welche Rolle hat der Staat und welche Rolle hat der Staat nicht? Es gab gestern im Nationalrat ja auch eine intensive Debatte darüber, ob jetzt sozusagen der Anlass dafür ist, hier­über neu nachzudenken.

Vielleicht könnten wir einen Grundsatz in Österreich außer Streit stellen: Dieses Land hat immer – vielleicht mit Ausnahme der kommunistischen Fraktion, die ganz kurze Zeit hier im Nationalrat war – klar eine Planwirtschaft kommunistischen Zuschnitts ab­gelehnt. Das kann nicht funktionieren! Das entartet zu einem Bürokratenstaat, wo am Ende die Bevölkerung leidet, weil kein Mensch auf die Idee kommen kann, zu glauben, man könnte im Fünfjahresplan heute schon berechnen, wann eine Schraube von A nach B transportiert wird.

Wir haben nur nach dem Zusammenbruch im Jahre 1989/90 – 1989/90 ist noch etwas anderes passiert – den zweiten Grundsatz, den wir eigentlich außer Streit gestellt hatten in diesem Lande, vergessen, nämlich dass wir eine Marktwirtschaft wollen, die im Rahmen klarer Spielregeln dafür sorgt, dass Betriebe, die etwas herstellen, eine gute Dienstleistung erbringen, ein optimales Umfeld finden und nicht von außen be­herrscht sein sollen, weder durch Ratingagenturen noch durch Analysten, noch durch die Bedingung, ob irgendein Kurs irgendwo steigt oder fällt. Und auch bei uns kam man in bestimmten Bereichen auf die Idee – und ich nehme niemanden, auch durchaus nicht die in der Regierung befindliche Sozialdemokratie in den neunziger Jahren, da­von aus –, es ist alles gescheiter, was da über den Atlantik kommt, und am besten ist es, wenn in Wirklichkeit alles an irgendwelchen Börsen abgebildet ist. Wir haben vieles an Grundsätzen vergessen.

Gestern hat Nationalratsabgeordneter Amon Keynes als Konservativen abgestempelt. Das stimmt nicht ganz: Keynes war liberaler Abgeordneter. Aber das, was uns Keynes bereits im Jahre 1936 klargemacht hat, war, warum es nicht funktionieren kann, wenn die Spekulation über die Marktwirtschaft entscheidet: weil das Wesen der Spekulation ein zutiefst marktwirtschaftsfeindliches ist. Die Spekulation geht ja nur von der Erwar­tung aus, wie der Durchschnitt der Meinungen morgen sein wird. Und der Unternehmer geht davon aus, welches Produkt er morgen auf den Markt bringen kann.


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Und genau das ist uns passiert: Durch Spekulation von eigentlich hervorragend funktio­nierenden Banken, die über Jahrzehnte klaglos funktioniert haben, wurden mittlerweile weltweit Unternehmen in eine Situation gebracht, wo sie an die Wand gedrückt sind. Und wir müssen mit diesem Hilfspaket dafür sorgen, dass die Geldwirtschaft bei uns klaglos funktioniert – und das werden wir mit diesem Paket auch tun.

Den zweiten Teil der Aufgabe werden wir auch gelernt haben, nämlich: Wir verstehen unter Marktwirtschaft real produzierende Unternehmen. Oder, um es plakativ zu sagen: Der Börsenkurs einer Fastfoodkette wird uns in Zukunft weniger interessieren als der eines „Wirten“, der als Familienbetrieb heute und morgen tatsächlich für die Dienstleis­tung sorgt. Das Fachgeschäft für Mode muss uns wichtiger sein als die Frage, ob ir­gendeine Marke irgendwo anders bewertet wird. Die Frage, wie die Zukunft unserer Pension ausschaut, darf davon nicht abhängig sein. All das werden wir zu lernen ha­ben.

Da auch das Setzen von Regeln angesprochen wurde: Ich bin dankbar dafür, dass jetzt viele Dinge außer Streit gestellt wurden. Der Herr Vizekanzler hat vorhin klar aus­geführt, es ist eine gemeinsame Anstrengung der Bundesregierung, dass wir die Fi­nanztransaktionssteuer bekommen. Es ist eine gemeinsame Anstrengung, dass wir die notwendigen Regeln für das gesamte Geldwesen auf dem internationalen Spielfeld be­kommen. – Nur: Wo müssen die Spielregeln hingehen?

Erstens: Banken haben eine Kernaufgabe: ein sicherer Hafen für die Spareinleger zu sein.

Zweitens: Sie haben für den Zahlungsverkehr zu sorgen, dafür, dass der Zahlungsver­kehr rund um den Globus und innerhalb des Landes reibungslos stattfindet.

Drittens: Sie haben dafür zu sorgen, dass aus den ausgeborgten Geldern die Kredite sowohl für die Privathaushalte als auch für die kleinen und mittleren Unternehmen zu möglichst günstigen Konditionen zur Verfügung stehen.

Aber was Banken jedenfalls nicht zu tun haben, ist, einen Casino-Betrieb zu führen oder Produkte zu entwickeln, die Wettscheinen gleichkommen, geschweige denn, selbst an diesen teilzunehmen. Es ist doch ein Selbstverständnis, dass angesichts die­ses Resultats klare Regeln aufgestellt werden, die Banken Banken sein lassen und dafür sorgen, dass mit dem Geld der Anleger nicht ein Casino-Betrieb unterhalten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir schützen damit ja jene Wirtschaft, die heute noch nicht auf den Börsenkurs schaut, sondern darauf achtet, wie sie mit ihren hervorragenden Beschäftigten in österreichi­schen Betrieben auf dem Markt bestehen kann. Das ist daher ein weiterer Teil jener Konzeption, die für eine, glaube ich, mehr österreichische Wirtschafts- und Fiskalpolitik sorgt, nämlich die, die nicht mit dem Blick auf die Börsen, sondern mehr mit dem Blick auf unsere Betriebe Wirtschaftspolitik macht.

Ich bin froh darüber, dass es gestern auch gelungen ist, dieses Gesetz gemeinsam und einstimmig in dritter Lesung im Nationalrat zu beschließen, und hoffe auch hier auf eine möglichst einhellige Zustimmung.

Zum Gesetz selbst: Ich habe mir am Freitag sechs Stunden Zeit genommen, um in of­fener Diskussion mit den Finanzsprechern aller Fraktionen sehr offen durchzugehen, welche Lösung gescheit ist und welche nicht. Auch Gouverneur Nowotny hat uns noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass für dieses Auftauen der Interbank-Marktsi­tuation, wo die Banken einander keinen Kredit borgen, ein möglichst unbürokratisches Vehikel notwendig ist. Das ist die Begründung, warum das, wenn man so will, mög­lichst nicht allzu kasuistisch und bürokratisch ablaufen soll und möglichst nahe dem sein soll, wie normalerweise Interbankkredite vergeben werden.


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Ich habe kein Hehl daraus gemacht und selber eher den deutschen Ansatz mit einer staatlichen Gesellschaft bevorzugt. Aber die Argumente, die für die vorliegende Lösung vorgebracht worden sind, sind durchaus verständlich. Jedoch, und darauf haben sich alle Fraktionen verstanden, dort, wo der Staat unmittelbar in die Haftung hineingeht, und das sind nicht nur die 15 Milliarden €, die im Finanzmarktstabilitätsgesetz für die Übernahme von Einzelinstitutshaftungen und für Eigenkapitalübernahmen vorgesehen sind, sondern das ist auch die Behaftung von Wertpapieremissionen im Sinne des § 2 des Interbankmarktstärkungsgesetzes, und das ist immerhin der Löwenanteil von – las­sen Sie mich nachrechnen: 100 Milliarden €, 10 Milliarden € Einlagensicherung, 10 Mil­liarden € Interbank, sind 80 Milliarden €, weniger 15 Milliarden € – 65 Milliarden €, ist eine Verordnung für diesen Haftungsrahmen zu erlassen, die Näheres regelt.

Das, was gestern im Fernsehen gesagt wurde, die Deutschen hätten eine strengere Regelung, wir hätten eine weniger strenge, ist nicht richtig. (Bundesrat Schennach: Oh ja, das ist richtig!) Wir haben den gleichen Wortlaut der Verordnungsermächtigung, wie sie dem deutschen § 10 entspricht, mit „kann“. Auch im deutschen Gesetz steht „kann“, denn es kann eine Verordnungsermächtigung nie eine Anweisung sein. Und wir haben einen weiteren zusätzlichen Punkt zum § 10 dabei, nämlich Punkt 6, dass auf die Ar­beitsplätze in den Instituten entsprechend Rücksicht zu nehmen ist und der Erhalt die­ser Arbeitsplätze von den Instituten im Rahmen der Gesamtpaketmaßnahme ebenfalls zu beachten ist.

Wir haben daher nicht weniger als Deutschland. Wir haben nur einen zeitlichen Nach­teil, weil der Deutsche Bundestag und der Bundesrat es schon beschlossen haben, weshalb die deutsche Regierung schon eine Verordnung beschließen kann. (Bundes­rat Schennach: Die gibt es ja schon!) Derzeit gibt es ja nur einen Entwurf. Wir haben aber noch kein Gesetz. Ich hoffe aber, Herr Bundesrat Schennach, dass wir, wenn jetzt der Bundesrat keinen Einspruch erhebt, morgen eines haben. Dann gibt es eine Ver­ordnungsermächtigung, und dann kann der Bundesminister für Finanzen im Einverneh­men mit dem Bundeskanzler diese Verordnung erlassen.

Natürlich schauen wir uns die deutschen Regelungen an, Herr Bundesrat, und logi­scherweise schauen wir uns auch die anderen an. Aber ein Grundsatz ist klar: Wer Hilfe vom Staat in Anspruch nimmt, muss sich auch an die Regeln halten. Die Regeln heißen unter anderem, dass KMUs Kredite bekommen, sie heißen, dass man bei den Managerbezügen Zurückhaltung üben muss. Die Regeln heißen, dass man bei den Bonusprogrammen Enthaltsamkeit üben muss, sie heißen, dass man bei Dividenden darauf achten muss, dass genügend Eigenkapital da ist, also im Zweifel keine Dividen­den ausgeschüttet werden. Wenn Dividenden ausgeschüttet werden, wird zuerst ein­mal jener bedient, der an den Erträgen nicht teilgenommen hat, nämlich der Steuerzah­ler, so er geholfen hat und am Eigenkapital beteiligt ist. Und dann, wenn verkauft wird, also Normalzeiten eintreten sollen, alles wieder funktioniert und entsprechend rückge­führt wird, und auch der Steuerzahler dafür, dass er eingesprungen ist, entschädigt wurde, wird sich auch ein entsprechender Verkaufsgewinn für die öffentliche Hand er­geben.

Es ist kein Verstaatlichungsgesetz, das eine dauerhafte Verstaatlichung der Banken vorsieht. Das sollte man hier auch offen sagen, da das in der gestrigen Diskussion manchmal sonderbar dagestanden ist.

Dort, wo es notwendig ist, wird die öffentliche Hand ins Eigentum gehen, aber es ist von der Grundintention des Gesetzes vorgesehen, dass, wenn sich die Situation nor­malisiert hat, unter Umständen auch mit Gewinn, wiederum verkauft wird.

Short Selling: Erst als an der Wiener Börse die Leerverkäufe Kurse hinuntergetrieben haben, sind wir draufgekommen, dass der FMA das entsprechende Werkzeug fehlt,


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 32

das wirklich verbieten zu können. Mit diesem Gesetz ist das Werkzeug da. Ich darf an der Stelle gleich sagen, weil nur die 75 000 Höchststrafe dastehen, dass die notwen­dige gesetzliche Grundlage, den Gewinn abzuschöpfen und für verfallen zu erklären, sobald ein solches Geschäft nämlich verboten ist, bereits heute im Rechtsbestand ist und daher, wenn die FMA einen Leerverkauf verbietet, die Strafe ausspricht, auch der Wertverfall für den Gewinn exekutiert werden kann.

Wir hoffen, damit eine Maßnahme zu haben, um das zu verhindern, was wir jetzt leider als besonders unappetitliche Form fast der Plünderei erleben, wo große internationale Fonds und strategische Anleger durch bewusste Leerverkäufe versuchen, sich in „ab­grasender“ Weise an abfallenden Kursen auch noch zu bereichern.

Zum letzten Punkt: Ich möchte auch kein Geheimnis machen, was die Einlagensiche­rung betrifft. Es ist nur jene Einlagensicherung umfasst, die bei den Banken ist. Wir haben im Bereich der Wertpapierdienstleister ein Problem – dieses Problem hat den Bundesrat schon einmal beschäftigt bei einem Gesetz voriges Jahr –, nämlich bei der Anlegerentschädigung für Wertpapiere.

Es gab gestern hier im Hohen Haus einen Entschließungsantrag zur Neuausgestaltung der Anlegerentschädigung, mit dem der Bundesminister für Finanzen gemeinsam mit der Bundesministerin für Justiz aufgefordert wird, möglichst rasch die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, und zwar so rechtzeitig, um ein Insolvenzverfahren abzuwen­den, weil wir Angst befürchten – es ist zwar nichts Aktuelles und hat nichts mit der Finanzkrise zu tun, sondern mit AMIS –, dass die Menschen im Lande nicht zwischen Anlegerentschädigung für Wertpapiere und Einlagensicherung bei Banken unterschei­den können. Hier müssen wir eine Lösung finden, obwohl es rein prozesstaktisch für den Steuerzahler besser gewesen wäre, noch Druck draufzulassen, um das Vermögen aus Luxemburg loszueisen, und dann erst zur Entschädigung aller Anleger zu schrei­ten.

Letzter Punkt, auch als Vorankündigung, weil der Bundesrat auch diesbezüglich be­fasst werden wird: Es gab einen weiteren Entschließungsantrag im Nationalrat, der den Bundesminister für Finanzen auffordert, so rechtzeitig eine Regierungsvorlage ins Par­lament zu bringen, dass sie am 28. Oktober dieses Jahres vom Nationalrat beschlos­sen werden kann, nämlich betreffend Änderungen bei den Bewertungsvorschriften im Bereich von Versicherungsunternehmen. Dieser Teil ist dringlich, konnte aber aufgrund der enormen Herausforderung durch die Schaffung dieses Gesetzestextes noch nicht bis gestern fertig gestellt werden, setzt aber bei den Versicherungen das gleiche Prin­zip, nämlich nicht überall strengstes Niederstwertprinzip bei der Bewertung von Aktiven für die Versicherungen, um. Wir sind zuversichtlich, dass wir das seitens des Bundes­ministeriums für Finanzen – ich schaue, ob alle aus der zuständigen Abteilung auch nicken – über die Bühne bekommen, sodass Sie danach in der nächsten Bundesrats­sitzung mit diesem Gesetz befasst werden. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Abschließend möchte ich an dieser Stelle wirklich einen Dank aussprechen. Man darf nicht vergessen, dass ein solches Gesetz aufgrund seiner Tragweite – man überlege sich, allein Haftungen in einer Höhe von einem Drittel des Bruttoinlandsproduktes! – unter hohem Zeitdruck zum Teil bis in die Nacht verhandelt werden musste. Am Sams­tag vor einer Woche gab es die Einigung der Euro-Länder in Paris. Es musste am dar­auf folgenden Montag um 17 Uhr durch Bundeskanzler und Vizekanzler vorgestellt werden, weil ja ein zeitlich akkordiertes Auftreten aller Regierungsspitzen in Europa vereinbart war, um durch das gleichzeitige Einschreiten in Europa die entsprechende Wirkung zu erzielen.


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 33

Am Mittwoch im Ministerrat – am gestrigen Montag endgültig mit allen Änderungen im Nationalrat! Sie können sich ausmalen, meine Damen und Herren, was das für die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter im Finanzministerium, in der Finanzprokuratur bedeutet hat, auch für alle politisch damit befassten Personen bis zu den Finanzsprechern aller Parteien, die noch am Freitag und am Sonntag Abend damit beschäftigt waren. Ein Dank an alle, die ihre Nächte geopfert und all ihre Arbeitsenergie hineingesteckt ha­ben. Man sieht aber, dass es in diesem Lande, wenn es ernst wird, auch gut funktio­niert. Und in diesem Sinne können wir auch ein bisschen stolz sein. Bei uns werden Lösungen nicht in Streit und Hader gesucht, sondern wenn Not am Mann oder an der Frau ist, dann wird gemeinsam vorgegangen. Das wirft ein gutes Bild auf dieses Land. Wenn wir weiter so gemeinsam vorgehen, dann werden wir aus der Krise stärker als andere hervorgehen. Das können wir uns nur wünschen. – Danke. (Allgemeiner Bei­fall.)

14.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


14.40.34

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Böse Zungen behaup­ten derzeit, dass angeblich nur jene ruhig schlafen, die so genannte Warmduscher sind. „Warmduscher“ in der Sprache der Gordon Geckos oder jener, die sich in der zo­ckenden Hosenträgerabteilung für solche halten, sind jene Personen, die ihre Erspar­nisse bisher in traditioneller und angeblich konservativer Art veranlagt haben, indem sie ihre finanziellen Mittel auf Sparbücher gelegt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Spaß beiseite: Wir alle wissen, es geht heute um Handeln in einer Notsituation, es geht heute um Handeln, weil Feuer am Dach ist, und letztlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es um Schadensbegrenzung.

Es wurde heute schon vom Kollegen Professor Konecny ein Paradigmenwechsel glo­bal mit Amerika angesprochen, aber auch ein europäischer Paradigmenwechsel, mit dem Beispiel Gordon Brown, aber ich glaube, dass man gleichzeitig nicht vergessen sollte, dass es auch einen nationalen Paradigmenwechsel gibt. Es ist die Krise der BAWAG zwar schon angeschnitten worden, aber in einem anderen Zusammenhang.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte eines ganz deutlich sagen: In einer Bun­desregierung, in der die SPÖ Mitverantwortung trägt, schauen wir nicht wochenlang zu, wenn ein Geldinstitut Schwierigkeiten hat! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bun­desrates Mag. Himmer.)

In einer Bundesregierung, in der die SPÖ Mitverantwortung trägt, warten wir nicht Tage und Wochen auf den „Tag der Arbeit“ und laufen dann wie Herr Swarowski bezie­hungsweise Grasser mit einem Sparbuch und eröffnen ein Girokonto oder ein Spar­buch.

Das ist ein Paradigmenwechsel: Dass wir heute gemeinsam handeln – zum Wohl des Landes. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Staatssekretär Dr. Matznetter: ... verlangt, dass die Nationalbankanteile verkauft werden! Ist vorgeschrieben, dass sie verkaufen müs­sen, alle Bankeigentümer, dass sie die Nationalbankanteile alle abtreten müssen? Schauen Sie sich den Vergleich an zum BAWAG-Gesetz! Das ist ein Unterschied!) – So viel zum Thema Paradigmenwechsel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn zum Teil die philosophische Frage auftaucht, besser formuliert: die skurrile Frage, ob die Schwierigkeiten auf dem Finanzmarkt in der Realwirtschaft ankommen werden, dann darf ich Sie alle recht herzlich einladen,


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mit mir gemeinsam in die Steiermark zu fahren, um zu einer Betriebsversammlung bei Magna Steyr zu gehen und im Zuge dieser Betriebsversammlung in die Augen von 2 500 Kolleginnen und Kollegen in Graz zu schauen. Dann erübrigt sich die Frage, ob die Krise der Finanzwirtschaft in der Realwirtschaft jemals ankommen wird! (Bundes­rat Edgar Mayer: Da sind wir uns einig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind da herinnen offensichtlich gut aufgehoben, aber wie wir in Graz erklären, dass wir bis Februar knapp vor einer Kurzarbeitsverein­barung stehen, weil wir gravierende Schwierigkeiten in der Automobilindustrie haben, die natürlich im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise stehen, das, glaube ich, sollte sich jeder in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen. (Bundesrat Schennach: Aber eine Energiekrise gibt es auch noch, ja?!)

Wenn wir im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise jetzt versuchen, aus den Feh­lern der Vergangenheit zu lernen, darf ich alle recht herzlich einladen, in genau jene Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, nämlich unter dem Deckmantel eines Konjunkturpakets oder von Randproblemen ein Abschöpfen der Massenkaufkraft vorzunehmen, nicht mehr zu verfallen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf daher wirklich alle einladen: Sie wissen, es wird im Hintergrund an einem dringend notwendigen Konjunkturpaket gearbeitet, weil ... (Zwischenruf des Bundesrates Edgar Mayer.– Edgar, im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket hebe ich das deshalb bewusst hervor, damit man nicht in die Fehler der Vergangenheit verfällt, sondern im Zuge des Konjunkturpakets den Blick­punkt ausschließlich darauf richtet, Maßnahmen zu setzen, die inlandswirksam sind. Genau diese Instrumente, die inlandswirksam sind, gilt es jetzt besonders hervorzu­heben.

Es wird vielleicht einige nicht überraschen, wenn einem Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang natürlich eine vorgezogene Steuerreform in einzelnen Bereichen ein besonderes Anliegen ist. Es wird wahrscheinlich viele nicht überraschen, wenn ich in diesem Zusammenhang sage, dass jetzt natürlich eine Lohnsteuersenkung vorgezo­gen werden muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlaubt mir in diesem Zusammenhang schon einen Satz. Die entsprechenden Beträge sind heute schon genannt worden. Das Konjunktur­paket wird hoffentlich gemeinsam gelingen und wird hoffentlich noch kommen. Aber wenn wir 74 Milliarden und 15 Milliarden auf die Beine stellen, die heute dringend not­wendig sind (Bundesrat Perhab: Haftung! Haftung!) – Kollege Perhab, ja –, wenn wir 74 Milliarden (anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP) – die Zwischenrufe werden bald vergehen! – Haftungspotential und 15 Milliarden theoretisches Haftungspotential auf die Beine stellen und beim Konjunkturpaket dann einer sagt: Für eine Lohnsteuerre­form im Sinne einer Lohnsteuersenkung ist kein Geld zur Verfügung!, dann verstehen wir die Welt nicht mehr. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben einer zweifelsohne vorzuziehenden Lohnsteu­ersenkung ist es meines Erachtens aber auch wichtig, Kollege Edgar Mayer, dass wir gemeinsam an einem Konjunkturpaket arbeiten. Auch wenn die Kollegin Zwazl jetzt nicht da ist, möchte ich zum Thema wirtschaftliche Aspekte eines Konjunkturpakets auch noch besonders hervorheben, dass die im Programm aus dem Jahr 2006 enthal­tenen öffentlichen Investitionen fortgesetzt werden müssen, insbesondere im gesamten Infrastrukturbereich, aber auch im Bereich der allgemeinen Investitionen. Und da ver­hehle ich nicht, dass mir die Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstituts insbeson­dere in den Bereichen der Ausrüstungsinvestitionen, nämlich für das Jahr 2009 minus 0,5 Prozentpunkte, aber auch der Bauinvestitionen mit nur plus 0,5 Prozentpunkten – das ist de facto null –, besondere Sorge bereiten. Meines Erachtens wäre in diesem


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 35

Zusammenhang auch eine degressive Abschreibung unterstützend insbesondere in diesem Bereich notwendig.

Meine Damen und Herren, ich möchte bei dieser Gelegenheit aber noch auf einen Aspekt aufmerksam machen, der mich als steirischen Bundesrat heute in der Früh be­sonders schockiert hat, und nachdem der Herr Vizekanzler jetzt nicht mehr da ist, aber wir prominent und kompetent durch unseren Staatssekretär vertreten sind, möchte ich an dich, Herr Staatssekretär, eine Bitte richten.

Wir mussten heute bedauerlicherweise in einer steirischen Tageszeitung lesen, dass offensichtlich die sehr ernste Finanzkrise von dem einen und vielleicht auch noch von anderen wild gewordenen Sparkassenleitern dazu benutzt wird, um jene Häuselbauer massiv unter Druck zu setzen, die mit Fremdwährungskrediten ihr Eigenheim bezie­hungsweise ihr Haus finanziert haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich als steirischer Bundesrat musste heute in der Früh in der „Kleinen Zeitung“ – um die Zeitung auch zu benennen; ich habe damit kein Pro­blem – lesen: „Kreditkunden unter Druck der Banken. – Dramatische Entwicklung bei Häuslbauerkrediten in Fremdwährung: Die Banken wollen diese Kredite jetzt rasch los­werden und machen Druck auf die Kunden. Konsumentenschützer schlagen Alarm.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass die Situation sehr ernst ist, denn einzelne Geldinstitute erhöhen – nach Fehlern in anderen Aufgabengebieten – den Druck so, dass es eben jetzt zu dieser Situation gerade in einem Bereich kommt, von dem wir aber aus der Erfahrung wissen, dass es da ohnehin die geringsten Ausfälle gibt. Wir alle wissen doch: Bevor Häuselbauer, bevor Wohnungskäufer ihre Wohnun­gen, ihr Eigenheim verkaufen, wird alles unternommen, um Verbindlichkeiten rechtzei­tig abdecken zu können.

Dagegen, dass jetzt einzelne Geldinstitute – konkret war das die Sparkasse Voitsberg-Köflach – diese Krise wirklich schamlos ausnutzen, gehört etwas getan, dem gehört ein Riegel vorgeschoben! – Da jetzt Herr Vizekanzler und Finanzminister Molterer nicht hier ist, darf ich in aller gebotenen Höflichkeit an Herrn Staatssekretär Matznetter das Ersuchen richten, die Möglichkeiten des Ministeriums so weit zu nutzen, dass derarti­gen Praktiken ein entsprechender Riegel vorgeschoben wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass wir diesen ersten Schritt gemeinsam und rechtzeitig setzen – und natürlich in ausreichendem Maße. Möge das Gute ge­meinsam gelingen! – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Himmer. – Bitte.

 


14.52.00

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte das Positive voranstellen und sagen: Ich halte es für einen Bestandteil guter österreichi­scher Kultur, dass wir hier eine kontroversielle Debatte haben, um hier aber dann doch einen einstimmigen Beschluss auf die Reihe zu bringen. Allerdings ist für so manche Beobachter oft nicht nachvollziehbar, dass, wenn hier die Emotionen hochgehen, am Schluss aber alle Hände gleichzeitig in die Höhe schnellen.

Natürlich ist es so, dass wir uns diesem Thema inhaltlich von unterschiedlichen Blick­punkten her zuwenden. Ich habe heute aus dieser Debatte hier gelernt – ich stelle bei mir immer wieder Lücken im Konsumieren von Medienberichten fest, da ich doch den einen oder anderen Tag nicht im Lande bin –, dass der Gouverneur der OeNB Ewald


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 36

Nowotny gesagt hat, dass wir in Österreich von dieser internationalen Finanzkrise nicht betroffen seien.

Ich muss aber dazu sagen, es gibt ja auch andere Beispiele – immer wenn es um die Zukunft geht, ist eine Prognose sehr schwierig –: So hat es einmal einen IBM-Chef ge­geben, der gesagt hat, er schätze den Weltmarkt für Computer auf ungefähr fünf Stück. (Heiterkeit.)

Weiters hat es einmal einen US-Präsidenten gegeben, der gesagt hat, er halte das Telefon zwar für eine interessante Erfindung, wisse aber nicht, wer das jemals verwen­den sollte. (Neuerliche Heiterkeit.)

Auch unserem Bundeskanzler Raab wird der Ausspruch zugeschrieben, dass sich „die­ses Kastl“ – gemeint war damit ein Fernsehapparat – nicht durchsetzen werde. (Staats­sekretär Dr. Matznetter: Hatte Raab damit nicht recht?) – Raab hat damit recht ge­habt; ja, richtig, danke, Herr Staatssekretär! Wir haben in der Zwischenzeit alle einen Flachbildschirm, und der ist eindeutig kein „Kastl“. (Neuerliche Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, ich halte es aber auch für sehr wesentlich, dass wir in der gegenwärtigen Situation nicht nur in der Argumentations-, sondern auch besonders in der Betrachtungsweise differenziert bleiben. Natürlich ist es eine erstaunliche Entwick­lung, wenn in den Vereinigten Staaten von Amerika Verstaatlichungen durchgeführt werden. Natürlich ist da einiges geplatzt, was vor einigen Monaten nicht einmal vor­stellbar war – beziehungsweise wird man natürlich auch Leute finden, die bereits vor Monaten vor einer solchen Entwicklung gewarnt haben.

Verschiedenste Zitate wird es immer geben, aber man muss offen eingestehen, dass das nicht der Befund einer breiteren Öffentlichkeit war. Ich würde aber trotzdem davor warnen, jetzt das Kind mit dem Bad auszuschütten und zu sagen: „Mehr privat, weni­ger Staat!“, das war sozusagen immer schon der falsche Slogan. (Bundesrat Schenn­ach: Kontrolle!) – Wir wissen genau, wie Planwirtschaften gescheitert sind; wir wissen genau, wie der Sozialismus gescheitert ist. Meiner Auffassung nach wäre es daher schon gescheit, zumindest Zwischenschattierungen anzubringen.

Ich bin seit dem Jahre 1992 in der Telekom-Branche tätig, und ich habe voll diese „Internet-Bubble“ Ende der neunziger Jahre miterlebt. Faszinierend war jedenfalls, wie wir uns da täglich all die Stock Options anschauen konnten – und wir haben das auch jeden Tag getan –, um wie viel wir denn, rein virtuell natürlich, nicht reich, aber wohlha­bender geworden sind. – Es hat sich dann ohnehin alles sozusagen in Luft aufgelöst; es braucht also niemand hier neidisch zu werden. Ich persönlich habe das immer zu spät bekommen; ich hätte meine Stock Options einfach drei Jahre früher bekommen sollen. Ich will Ihnen das jetzt nicht vorrechnen, sondern möchte eben nur sagen, das wäre gut für mich gewesen. (Heiterkeit. – Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Matznetter.) – Für die ist es sich ausgegangen; korrekt. Jetzt sind wir wieder beim Ausgabepreis.

Für mich jedenfalls war damals schon eine interessante Beobachtung, dass an sich für eine konservative Branche wie die Banken – zumindest zum damaligen Zeitpunkt; heu­te muss man das unter einem anderen Gesichtspunkt sehen – bestimmte Kriterien auf einmal überhaupt nicht mehr gegolten haben, nämlich für die so genannte New Eco­nomy. Es hat kein Umsatz und Gewinn mehr gegeben, der Break-Even ist eigentlich als Kriterium verschwunden – und sobald irgendein Projekt den Namen „new economy“ erhalten hat, war es geradezu sensationell, was man dafür an Kapital bekommen hat.

Jeder IPO ist damals geradezu in die Luft geschossen, und damals haben wir in die­sem Internetbereich erlebt, dass uns dann irgendwann wieder die Realität eingeholt hat – und es doch bestimmte Grundregeln gibt, etwa: Man muss immer ein bisschen


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 37

mehr einnehmen als ausgeben, damit etwas überbleibt. Solche Basics haben sich dann doch „on the long run“ durchgesetzt.

In den letzten Jahren habe ich mir oft die Frage gestellt – da ich immer wieder damit konfrontiert wurde –: Was wäre nicht möglich, wenn in der Politik nach wirtschaftlichen Kriterien gedacht würde? Was könnten wir zum Beispiel nicht an Ministern und an Staatssekretären haben? Was alles wäre dann sonst nicht? – Diese Überlegungen stimmen natürlich ebenso nicht, weil es sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik das volle Spektrum an Intelligenz, das volle Spektrum an Irrtümern, an Fähigkeiten und Unfähigkeiten gibt.

Einen Vergleich möchte ich jetzt aber hier schon bringen – gerade auch, wenn heute gefragt wird, was da in New York, was da jetzt rund um den Globus passiert ist –: Man hat den Menschen Sand in die Augen gestreut, denn all diese unterschiedlichen Fi­nanzprodukte hatten ja sozusagen auch eine Story, wobei da oft irgendwelche Kenn­zahlen ins Spiel gebracht wurden, die überhaupt nicht nachvollziehbar waren. Wie es ja bereits heute gesagt wurde: wenn nicht einmal der Bankangestellte in der Lage ist, über ein Produkt wirklich substantiell zu referieren und zu beraten!

Warnen möchte ich schon auch davor, dass man in der Wirtschaftspolitik, auch in der Budgetpolitik eines Landes so eine „Bubble“ aufblasen kann.

Ich möchte jetzt nicht in Wahlkampftöne zurückfallen, Ihnen aber zum Nachdenken trotzdem Folgendes mitgeben: In solchen Sitzungen wie der Nationalratssitzung und in weiterer Folge auch der Bundesratssitzung in der ausgehenden Gesetzgebungsperi­ode – die ja, was Beschlussfassungen betrifft, jetzt noch zu zusätzlichen „Ehren“ ge­kommen ist – werden und wurden Pakete beschlossen, die nicht wenig Geld kosten. Schaut man sich in der Politik zum Beispiel die Generationenverantwortung an, dann wird da auch immer wieder das Thema auftauchen, dass es, wenn vor den Wahlen Se­niorenvertreter sagen, es wäre ein guter Zeitpunkt, da noch einmal ein bisschen etwas herauszuverhandeln, aus der Sicht von Herrn Blecha und Herrn Khol, was die politi­sche Intelligenz betrifft, natürlich eine kluge Vorgangsweise ist.

Ob uns das allerdings langfristig Verantwortung wahrnehmen lässt und uns nicht auch in eine Situation bringt, uns wechselseitig mit Wahlkampfversprechungen hochzulizitie­ren – ich möchte davon niemanden ausnehmen! –, wage ich zu bezweifeln. Da kom­men wir auch in der Politik in einen Bereich, wo wir dann zumindest nicht überrascht schauen sollten, wenn irgendwann einmal in ein paar Jahren auch diese Bubble platzt. Wir sollten also den Blick auch ein bisschen auf uns selbst richten und uns fragen, ob nicht auch wir solche Fehlentwicklungen manchmal mit Beschlüssen – gerade aus der jüngsten Zeit – mitzuverantworten haben.

Es ist schon von vielen angesprochen worden, dass die internationale Finanzkrise selbstverständlich Auswirkungen auf die Wirtschaft hat, auf das Wachstum und damit auch auf die Beschäftigung hat.

Ich möchte ausdrücklich betonen – weil ja hier auch immer wieder releviert worden ist, dass wir jetzt etwas für die Pyramidenspieler tun –: Natürlich helfen wir am Ende des Tages mit dem Maßnahmenpaket zum Teil auch Personen aus der Patsche, denen zu helfen nicht unser vordringlichstes und unmittelbares Anliegen ist. Ich denke aber, wir sind uns einig darin, dass wir den Menschen Sicherheit geben wollen und dass wir, um den Wirtschaftskreislauf in Gang zu halten, Liquidität für die Banken schaffen wollen. Deswegen sind wir uns ja, wie ich meine, am Ende des Tages wieder darin einig, dass wir das auf die Reihe bekommen möchten. Deswegen möchte ich auch nochmals klar­stellen, dass der Grund für diese Maßnahmen selbstverständlich nicht der ist, irgend­welchen Abenteurern aus der Patsche helfen zu wollen.


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Mir persönlich ist es auch ganz wichtig, das Stichwort Europa an dieser Stelle noch einmal vorzubringen. Es wäre das, was Gordon Brown, Molterer, Matznetter und deren Kollegen zusammengebracht haben, nicht möglich gewesen, wenn wir nicht Mitglied der Europäischen Union gewesen wären.

Wenn dann solche Themen diskutiert werden – und die werden uns ja in die Koalitions­verhandlungen begleiten –, dass wir dringend Volksabstimmungen brauchen, dann ist das etwas, was wir auch hinsichtlich unserer Verantwortung zu überlegen haben – nicht, weil die Demokratie nicht immer eine saubere Antwort ist, aber denken Sie an all die Länder, die diesen Prozess jetzt schon zweimal durchgemacht haben. Wenn auch wir uns zu denen hinbegeben, die aus kurzfristigen populistischen Überlegungen die Europalinie verlassen, dann überlegen Sie, was wir der Bevölkerung antun, die schon über zwei Verträge hintereinander abgestimmt hat.

Da ich sehe, dass diese rote Lampe hier leuchtet, möchte ich das Finale beschleuni­gen und nur noch zwei Punkte erwähnen: Ja, wir brauchen ein Konjunkturpaket! Ich möchte dabei nur Folgendes loswerden – Kollege Schennach hat es bereits gesagt, und es ist auch meine Wahrnehmung, seit ich politisch denken kann –: Wann immer die Konjunktur eine Delle hat, bauen wir. Ich finde das eh super, nur glaube ich auch, dass (Bundesrat Schennach: Es etwas Gescheiteres gibt!) wir umfassendere Ideen haben könnten als nur Bauvorhaben. (Beifall der Bundesräte Schennach, Dönmez und Kerschbaum.)

Ohne da jetzt in die Rolle eines Lobbyisten zu verfallen, möchte ich zart erwähnen (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Matznetter– jawohl –, dass auch intelli­gente Infrastruktur da hineinfällt, die insgesamt ein Rückgrat der Wirtschaft ist. – Wenn mich der Herr Staatssekretär so gut versteht, ist das ein Grund mehr, mich kurz zu fas­sen.

Natürlich bekenne ich mich aus ganzem Herzen zur sozialen Marktwirtschaft. Wir sind keine Neoliberalisten, wir sind keine Kommunisten (Heiterkeit bei der SPÖ), wir werden gemeinsam die soziale Marktwirtschaft weiterentwickeln (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ), auch der Kollege Grasser bekennt sich klar zur sozialen Markt­wirtschaft, und wir bekennen uns zu dieser Gesetzesvorlage. (Beifall bei der ÖVP. Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. Staatssekretär Dr. Matznetter: Da lacht sogar die eigene Partei! Ruf bei der SPÖ: Das kommt davon, wenn man zu früh klatscht!)

15.05


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Kersch­baum zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.05.42

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Fürs Protokoll: Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz so launisch wie der Kollege Himmer werde ich es nicht rüberbringen.

Es ist mir bewusst, dass diese Finanzmarktkrise ein möglichst breites Übereinkommen aller Parteien braucht, einen nationalen Schulterschluss, wie auch immer man es be­nennen soll. Das wäre natürlich wünschenswert. Für mich wäre aber eine Vorausset­zung für einen solchen nationalen Schulterschluss auch, dass alle politischen Kräfte des Landes wirklich miteingebunden werden. Diese Einbindung ist meiner Meinung nach nicht erfolgt, weder bei der Erstellung der Regierungsvorlage, noch während der Nationalratssitzung.

Ich kann Ihnen vorlesen, wie viele Entschließungsanträge der Opposition in dieser Nationalratssitzung mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP abgelehnt worden sind – Ent-


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 39

schließungsanträge, die genau die Dinge betreffen, von denen ich jetzt höre, sie kämen dann ohnehin in die Verordnung, da werde ohnehin alles geregelt. Das waren Anträge zu den Themen Moratorium für Kredite – also nicht frühzeitiges Fälligstellen –, Cross-Border-Leasing – Aufzeichnung, okay –, Managergehälter und Haftungen, eine Börsenumsatzsteuer, eine Änderung des Pensionskassengesetzes. – All das ist mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP abgelehnt worden. Und jetzt höre ich, das werde ja ohnehin großteils in der Verordnung stehen. – Da frage ich mich, warum ihr ablehnt! (Staatssekretär Dr. Matznetter: Das ist ganz einfach!)

Ich habe also weiterhin den Eindruck, dass der Herr Finanzminister auch in Zukunft nicht daran denkt, die anderen politischen Kräfte dieses Landes miteinzubinden. Der Finanzminister wird in vielen Bereichen ganz alleine entscheiden. In manchen Berei­chen muss er auch den Herrn Bundeskanzler in die Entscheidungen einbinden, aber in wichtigen Bereichen wird der Finanzminister ganz alleine darüber entscheiden, in wel­cher Form ein Finanzinstitut unterstützt wird und zu welchen Bedingungen das gesche­hen wird. In anderen Ländern wird das anders gehandhabt. (Staatssekretär Dr. Matz­netter: Nein, die Bedingungen werden in der Verordnung festgelegt!) – Ja, aber ob es dann genau so in der Verordnung steht oder ob die Verordnung genauso „butterweich“ und „dehnbar“ ist wie das Gesetz, das weiß ich nicht.

Ich habe die Verordnung noch nicht gesehen. Wir reden jetzt über das Gesetz, und die Verordnung dazu gibt es noch nicht. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Aber das Gesetz schreibt vor, was drinnen stehen muss!) Wo steht das? (Staatssekretär Dr. Matznet­ter: § 2 Abs. 5!) Es steht drinnen, dass es zu berücksichtigen ist, aber es steht nichts Genaueres drinnen. Es steht genau ein Absatz über die Managergehälter drinnen, die irgendwie mitbedacht werden sollen. – Okay, aber das ist nichts Dezidiertes. (Staatsse­kretär Dr. Matznetter: Wortgleich aus dem deutschen Gesetz!) Die Verordnung gibt es trotzdem nicht. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Wortgleich deutsches Gesetz! Ich wollte nur informieren!)

Es ist mir bewusst, dass hier im Bundesrat sehr viele Personen sitzen, die diesem Ge­setz jetzt mit Bauchweh zustimmen. Es ist mir bewusst, dass auch im Nationalrat sehr viele Abgeordnete diesem Gesetz nur mit Bauchweh zugestimmt haben. Es haben auch sehr viele den Saal verlassen, um nicht zustimmen zu müssen.

Ich habe mir sehr ausgiebig überlegt, was ich heute mache. Ich werde den Saal nicht verlassen, werde aber auch nicht zustimmen. Ich will damit auch den Herrn Kollegen Himmer beruhigen, der meint, es sei ja auch kein Zustand, dass alle nur kritisieren und dann am Ende doch die Hand heben. – Also in diesem Fall wird es nicht ganz einstim­mig sein.

Die wichtigsten Gründe, warum ich diesen Gesetzen und Gesetzesänderungen nicht zustimmen möchte, sind drei Prinzipien, die ich in diesem Gesetz durchgängig finde und die meine Zustimmung verhindern.

Das eine ist das Prinzip der Machtkonzentration. Ich habe es schon angesprochen: Es ist einfach der Herr Finanzminister – wir haben es heute im Ausschuss auch wieder gehört –, der entscheidet, welche Maßnahmen gesetzt werden. Es ist kein Gremium, es ist nur der Finanzminister alleine.

Es ist heute schon ein paar Mal angesprochen worden: Wenn die BAWAG vielleicht drei Jahre später krachen gegangen wäre und es hätte einen roten Finanzminister ge­geben, weiß ich nicht, ob dann ein Skandal daraus entstanden wäre, ob es dann Unter­suchungsausschüsse et cetera gegeben hätte, ob es Konsequenzen für das Manage­ment gegeben hätte oder ob das dann einfach alles schön repariert worden wäre und nicht sehr viel nach draußen gedrungen wäre. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Beim Untersuchungsausschuss haben wir gemeinsam gegen die ÖVP gestimmt!) – Ich sage


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ja: Würde es die BAWAG erst jetzt, drei Jahre später, betreffen und es einen roten Fi­nanzminister gäbe, dann wäre es wahrscheinlich anders. Wäre vielleicht eine der ÖVP nahestehende Bank betroffen und es gäbe einen schwarzen Finanzminister, dann würden, nehme ich einmal an, Skandale auch nicht in dieser Größenordnung durch­brechen, auch wenn es vielleicht genau solche Hintergründe gäbe. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Aha, jetzt verstehe ich es! – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Him­mer.Ich werde das jetzt nicht so dezidiert sagen, sonst sagst du wieder, ich lüge.

Wir haben auch im Ausschuss sehr intensiv über die Constantia gesprochen und über diverse Vermutungen, dass es da nicht nur um die Finanzmarktkrise geht, sondern dass es vielleicht auch andere Ursachen dafür gibt, dass die Constantia in eine Krise geschlittert ist. Es wurde uns dann mitgeteilt, das wisse alles die Finanzmarktaufsicht, im Ministerium wisse man das noch nicht so genau, man könne das erst dann sagen, wenn im Ministerium der Antrag vorliegt, dass die Constantia eine Unterstützung braucht.

Jetzt ist die Constantia von fünf anderen Banken aufgefangen worden. Vielleicht brau­chen dann die fünf anderen Banken eine Unterstützung. – Wer dann wo noch etwas klarstellt und darlegt, sei dahingestellt. Mein Vertrauen, dass das dann noch großartig aufgeklärt wird, ist begrenzt – so wie mein Vertrauen in die Kontrolle allgemein. Ich habe in der „Presse“ gelesen, dass die Finanzmarktaufsicht auch darüber überrascht war, dass insgesamt 2,6 Milliarden € in Island veranlagt waren. Ist es nicht auch die Aufgabe der Finanzmarktaufsicht, gewisse Risken, die die Banken im Land betreffen, zumindest zu kennen?

Über die Managementhaftungen – darüber, dass Management und Shareholder einen Beitrag leisten sollten – ist schon einiges gesagt worden. Ich kann mir vorstellen, dass das möglich ist, wenn es um den Einstieg ins Eigentum geht, sprich: dass der Staat Geld hergibt und dafür Eigentum erwirbt. Nach dem, was man so in den Zeitungen liest, wird das jetzt eher so gehandhabt werden, dass der Staat dafür kein Stimmrecht in Anspruch nimmt, sondern versucht, es auf eine andere Art und Weise zu lösen.

Dann ist aber auch zu bezweifeln, inwieweit der Staat oder der Herr Finanzminister – oder wer auch immer – dann auch Vorschriften machen kann und wird, was Manage­ment- und Shareholder-Beteiligung betrifft.

Ein weiteres Prinzip, das mich davon abhält, zuzustimmen, ist – ich nenne es einmal so eine Art Gießkannenprinzip. Es ist natürlich schwierig und fast unmöglich, dass man sagt, man schützt nur die braven Sparer, die sich ihr Geld hart erarbeitet haben, es auf das Sparbuch gelegt haben und jetzt davor bewahrt werden sollen, dass ihnen die Sparbuchguthaben dahinschmelzen. Es ist aber nicht einmal ansatzweise eine Vorkehrung dafür getroffen, dass man nicht genau die Menschen unterstützt, die vor­her spekuliert haben, viel Geld damit gemacht haben und dieses Geld jetzt aufs Spar­buch legen. – Ich habe auch keine Lösung anzubieten, wie man es machen könnte. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Das ist sowieso zu spät!) – Na ja, ich habe gesehen, bei der P.S.K. bekommt man jetzt schon 5 Prozent Fixzinsen. Da würde ich alle meine Stock Options auf das Sparbuch legen. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Schon wieder BAWAG! – Bundesrat Gruber: außer unter den Kopfpolster!)

Es ist mir bewusst und klar, dass diese unbegrenzte Haftung jetzt „passiert ist“ bezie­hungsweise im Zuge eines gewissen Gleichschrittes in der EU beschlossen wurde. – Richtig finde ich es trotzdem nicht. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Befristet!) – Ja, be­fristet.

Es ging auch um die Sicherstellung vorzeitiger Fälligkeit von Privatkrediten. – Der dies­bezügliche Antrag wurde, wie gesagt, abgelehnt. Inwieweit das dann noch irgendwo


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berücksichtigt werden kann, können Sie uns vielleicht noch erklären. Im Gesetz und auch in einer Verordnung sehe ich da keine Möglichkeit.

Ein weiteres Prinzip, das meiner Meinung nach mit diesem Gesetz leider unterstützt wird, ist das Trägheitsprinzip. Dass das Finanzmarktssystem in der derzeitigen Form fehlerhaft ist, wird inzwischen, denke ich, schon vielen oder fast allen eingeleuchtet sein. – Manche sehen es vielleicht noch nicht so. Prinzipiell ist das, was wir hier jetzt beschließen, aber nur eine Rettungsaktion für genau dieses System. Konkrete An­sätze zur Veränderung dieses Systems sehe ich in dieser Gesetzesvorlage jedoch nicht.

Im Gegensatz zum Kollegen Himmer bin ich davon überzeugt, dass diese Krise schon absehbar war. Ich denke, es waren nicht nur ein paar „kleine Maxln“, die gesagt haben: Es wird so auf Dauer nicht weitergehen, irgendwann einmal wird das platzen! (Bundes­rat Mag. Himmer: Ich habe nicht gesagt „kleine Maxln“, ich habe gesagt „vereinzel­te“!) Vereinzelte! Entschuldigung, ich habe dich jetzt falsch zitiert. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Mehrere Nobelpreisträger!) – Ich bin überzeugt davon, dass es nicht nur vereinzelte Meinungen oder vereinzelte Stimmen waren, die gesagt haben, auf diese Art und Weise wird es nicht weitergehen. (Bundesrat Mag. Himmer: Wenn du es gewusst hast, wieso hast du es uns nicht gesagt?) Ich denke, wir haben es ohnehin gesagt, zumindest hin und wieder. Vielleicht solltest du ab und zu zuhören.

Dass diese Entkoppelung von Finanzmarkt und Wirtschaft sichtbar war, ist meiner Mei­nung nach hinlänglich bekannt. Dass man nur mehr mit Kapital reich wird und nicht mehr mit Arbeit, ist inzwischen an und für sich schon eine alte Weisheit. Das ist nichts Neues. Dass die nächsten Krisen im Anmarsch sind, dass sich diese Krise jetzt wahr­scheinlich auch auf den Arbeitsmarkt auswirken wird, ist ebenfalls bekannt. Und die nächste Krise, die wir alle seit Jahren auf uns zukommen sehen sollten, ist der Klima­wandel.

Ich denke aber, wir sollten nicht immer nur im Krisenfall reparieren, sondern wirklich vorher etwas unternehmen. Kollege Schennach hat vorhin schon die Zahlen gegen­übergestellt: was auf der einen Seite notwendig wäre, um zum Beispiel auf erneuer­bare Energie umzustellen, und was auf der anderen Seite notwendig ist, um jetzt nur Löcher zu stopfen und Feuerwehr zu spielen. Bei den erneuerbaren Energien habe ich in den letzten Jahren – eigentlich seit ich hier im Bundesrat bin – nur mitbekommen, dass Sparprogramm angesagt ist. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Stimmt nicht!) Ja, Klimaschutz. 150 Millionen. In Relation ist das aber doch ein bisschen wenig, würde ich meinen.

Es ist auch ein Sparprogramm angesagt, was zum Beispiel die Effizienz im Wohnbau betrifft. Das wäre auch ein Konjunkturpaket. Da ist eigentlich gerade bei den Renovie­rungen zwar immer viel geredet worden, passiert ist in Wirklichkeit aber nichts. (Staats­sekretär Dr. Matznetter: 15a-Vereinbarung!) – Ja, da gibt es eine Artikel-15a-Verein­barung, ohne Vorgaben. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Es geht nur so, aufgrund des Föderalismus!)

Beim Verkehr gibt es den öffentlichen Personennahverkehr in erster Linie als Schlag­wort. Es ist bekannt, dass trotz alledem immer wieder Bahnlinien eingestellt werden. Die ÖBB-Spekulationen – ich hoffe, das darf man so sagen, ohne dass man eine Ver­warnung bekommt – gehen aller Voraussicht nach auf Kosten der Pendlerinnen und Pendler, denn die werden das mehr oder weniger irgendwann einmal ausgleichen müssen.

Bezüglich Straßenbau freut es mich natürlich, dass der Herr Kollege Himmer da auch nicht unbedingt das große Konjunkturpaket sieht, aber in Wirklichkeit ist es so, dass in


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den Straßenbau immer sehr viel Geld hineingepfeffert wurde und dass Kosten-Nutzen-Aspekte in diesem Fall immer eher egal waren.

Herr Kollege Klug hat vorhin von der Krise in der Automobilindustrie gesprochen. Ich denke, diese Krise hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Energie nicht billiger geworden ist und dass die Automobilindustrie in weiten Bereichen einfach am Konsu­menten vorbeiproduziert. Möglicherweise wäre da auch ein Umdenken der betroffenen Firmen angebracht.

Wie gesagt, die Begründung für meine Ablehnung heute ist, dass Systemänderungen nicht vorgesehen sind – zumindest für mich nicht sichtbar vorgesehen sind, weder in der aktuellen Finanzmarktkrise noch in den bevorstehenden Krisen, die wir schon an­gesprochen haben.

Kollege Kneifel hat am Anfang gesagt: Das ist eine Sanierung und eine Reparatur des Problems. – Das ist genau das Problem, das ich sehe, nämlich dass wir ein kaputtes Sparschwein nicht flicken, bevor wir wieder Geld hineinwerfen. Auch die moralischen Vorträge über die bösen Spekulanten werden uns nicht weiterhelfen, wenn nicht end­lich einmal auch Gesetze geschaffen werden, die diese Spekulationen verhindern.

Ich glaube, ehrlich gestanden, nicht daran, dass die ÖVP oder der Herr Finanzminis­ter – oder wer auch immer dann den Finanzminister stellen wird, das wissen wir noch nicht – insofern geläutert ist, dass da ein großes Umdenken stattfindet und dass man vielleicht plötzlich Vermögen besteuert, das Bankgeheimnis dem EU-Recht anpasst oder vielleicht auch bei Bankkonten in Liechtenstein ein bisschen vorsichtiger ist. Also die große Läuterung ist für mich nicht so wirklich mitgeschwungen.

Wenn ich da zustimmen sollte, dann wäre das ein riesiger Vertrauensvorschuss, insbe­sondere an den Finanzminister. – Ich muss gestehen, dieses Vertrauen habe ich nicht. (Beifall der Bundesräte Dönmez und Schennach.)

15.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. – Bitte.

 


15.20.01

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal trägt einem der Zufall – aber vielleicht gibt es den berühmten Zufall gar nicht – Aktivitäten zu, die gegensätzlicher nicht sein könnten: So habe ich morgen ein Statement abzuge­ben beim Armutsnetzwerk im Rahmen einer Armutsenquete in Linz, und heute stehe ich hier und behandle ein 100-Milliarden-Paket.

So geht es bei mir diese Woche: Morgen werde ich ein Statement vor einer Gruppe von Menschen abgeben, die sich den Kopf darüber zerbrechen, wie man aus der Ar­mutsfalle herauskommt, und die vermutlich nicht mit dem heutigen Tage endend immer zur Antwort bekommen: Dafür haben wir kein Geld!, und jetzt kann ich mit ansehen – eigentlich begrüßenswert auf der anderen Seite –, wie schnell dieses Hilfspaket für die Banken, eine Art Regenschirm, geschnürt wurde, und zwar im Ausmaß von 100 Milliar­den €; europaweit sind es 2 000 Milliarden €.

Mit nur einem Bruchteil dieser Summe wäre die Armut für immer aus Österreich zu ver­bannen. Ich fragte mich letzte Woche öfter: Wie kann es den von der Armut Betroffe­nen morgen sagen, was kann ich ihnen zur Lösung anbieten? Die Menschen fragen sich: Woher kommt plötzlich dieses viele Geld?, und zwar auch jene, die genug haben, um sich ein Sparbuch anlegen zu können, denn das sind noch keine Reichen. Aber bei der Armutskonferenz geht es um jene, die so wenig haben, dass sie gar nicht darüber nachdenken, ob sie sich ein Sparbuch anlegen oder Aktien kaufen oder Geld in Wert-


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papiere investieren. Doch wir beschließen nahezu bedingungslos ein 100-Milliarden €-Paket. Das ist nahezu eine Perversion: Heute da – morgen dort!

Armut ist ein Leben, um das wahrscheinlich niemand von uns tauschen möchte. Arme haben die schlechtesten Jobs, die niedrigsten Einkommen, die kleinsten und feuchtes­ten Wohnungen, die krank machendsten, belastendsten, verschleißendsten Tätigkeiten im Beruf, wohnen in den schlechtesten Vierteln und gehen in die geringst ausgestatte­ten Schulen und haben auch den schlechtesten Gesundheitszustand. Ich führe das be­wusst aus, denn es ist Achtsamkeit gefragt bei dem, was wir hier beschließen und was es noch alles zu tun gäbe.

Die von der Statistik erfassten von Armut Bedrohten können sich nicht Kleidung er­setzen, wenn sie abgetragen ist, können im Winter nicht die Wohnung angemessen warm halten, sie können nicht unerwartete Ausgaben tätigen. 460 000 davon – das sind 5,6 Prozent der Wohnbevölkerung – sind davon betroffen, dass sie in feuchten, schimmligen Wohnungen hausen müssen. Ein Viertel der Armutsbevölkerung sind Kin­der.

Im Jahre 2006 mussten in Österreich 131 000 Menschen von der Sozialhilfe leben. Ma­nifeste Armut bedeutet Mangel an Möglichkeiten, Mangel an Verwirklichungschancen, bedeutet täglich einen Drahtseilakt, es gerade noch zu schaffen.

Während die ärmsten 800 000 Österreicher fast jeden fünften Euro – das sind 20 Pro­zent des Einkommens – für Nahrungsmittel ausgeben, sind es für die 800 000 reichs­ten Österreicher 8 Prozent ihres Einkommens, die sie für Nahrungsmittel ausgeben. Erstere waren von der jüngsten Teuerungswelle am stärksten betroffen.

Das Arbeitslosensgeld ist seit dem Jahr 2000 real – das heißt: inflationsbereinigt – um 4 Prozent gesunken. Die Notstandshilfe – obwohl es sich um eine Versicherungsleis­tung handelt, insofern ist der Begriff „Notstandshilfe“ eine Irreleitung – ist um 7,6 Pro­zent gesunken.

Laut EU-SILC-Studie gibt es in Österreich 84 000 Vollzeitbeschäftigte, die weniger als 1 000 € brutto im Monat verdienen. Und wenn man mit 1 000 € im Monat auskommen muss, dann kann man nichts aufs Sparbuch legen.

Eine weitere Gruppe, die von Armut tief betroffen ist und denen unser „Regenschirm“ nicht hilft, weil sie bereits im Regen stehen, sind jene Menschen, die sich auf die kapi­talgedeckte Altersversorgung in Form von Pensionskassen verlassen haben. Und es gibt Prophezeiungen, zum Beispiel von der Arbeiterkammer, dass das Jahr 2008 zum „Waterloo“ der Pensionskassen zu werden droht. Pensionisten und Arbeitnehmer müs­sen für die Verluste büßen. Es zeigen sich jetzt die Tücken der kapitalgedeckten Al­tersversorgung.

Insgesamt gibt es 550 000 Pensionskassenberechtigte, 50 000 davon sind bereits Pen­sionisten. Auch die Jungen sind betroffen. Aktuelle Prognosen zeigen, dass Arbeitneh­merInnen, die im Jahr 2025 in Pension gehen, nur mehr 40 Prozent der ursprünglich in Aussicht gestellten Pension herausbekommen werden.

Es wurde das „Bild des Regenschirms“ verwendet, um das zu symbolisieren als Syno­nym für das, was wir heute als Paket beschließen. Wir sollen uns dessen bewusst sein, was wir beschließen und was wir stabilisieren. Wir stabilisieren mit unserem Beschluss heute genau jenes System, das derartige Verteilungsschieflagen erst schuf. Wir sta­bilisieren damit nicht nur den Bankensektor, sondern wir stabilisieren damit auch die Armut. Und wir haben dennoch keine andere Wahl, denn die Schwächsten sind am stärksten betroffen.


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Wir sollen uns nur dessen bewusst sein, in welchem Dilemma wir sind. Für jene, die gerne mit der Geschichte operieren, sei gesagt: In den dreißiger Jahren hat man die­ses Instrumentarium nicht zur Verfügung gehabt. Und das ist auch einer der Gründe für die damalige Entwicklung. Bertolt Brecht hat es in dichterischen Worten gebracht: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“

Davor habe ich am meisten Angst. Es gibt schon genügend, die wieder auf den Plan treten und vom „Judentum an der Ostküste, das an allem schuld sein soll“ sprechen und so mit raschen Erklärungen diese Menschen zu Sündenböcken abstempeln.

Machen wir ernst mit der Bändigung der entfesselten Finanzmärkte! Geben wir uns nicht zufrieden, wenn jetzt verkündet wird, der amerikanische Casino-Kapitalismus sei pleite und desavouiert, die marktradikalen Ideologien abgewirtschaftet! Geben wir uns damit nicht zufrieden, sondern nützen wir den Ruf nach dem Staat, um auch wieder die demokratisch legitimierte Politik über die Ökonomie herrschen zu lassen und Regeln zu verordnen!

Märkte brauchen Regeln: Das war unter meiner Federführung vor fünf Jahren das Jah­resmotto des ÖGB Oberösterreich. Es gibt auch ein Buch dazu. Schon damals forder­ten wir eine Spekulationssteuer und eine europäische Aufsicht; ich möchte das nur in Erinnerung rufen. Die Schar jener, die es immer schon wussten, wird jetzt sehr, sehr groß.

Wir, die wir es eigentlich immer schon wussten, dürfen uns nicht dem Irrglauben hin­geben, dass mit der Kernschmelze beziehungsweise mit dem Super-GAU an der Wall Street der amerikanische Casino-Kapitalismus untergeht und sich der Markt wieder von selbst ins Lot bringt.

„Mehr privat, weniger Staat!“ war die Leitideologie der Politik der letzten Jahre, aber jetzt wird dieser verachtete Staat mit Steuergeldern die „Schrottpapiere“ aufkaufen. Machen wir dies nicht ohne Bedingungen!

Das heute ist der erste Schritt, und, lieber Herr Staatssekretär, die nächsten werden folgen. (Bundesrat Schennach: Folgen müssen!)

Wir stimmen heute zu im guten Glauben, dass die nächsten Schritte auch wirklich ge­setzt werden. Sie wurden bereits erwähnt: ein Konjunkturpaket und das Bemühen um die Erlassung entsprechender Regeln für die entfesselten Märkte auf europäischer und auf Weltebene. Es ist Aufgabe des Staates, der Politik, diese Regeln zu verfassen!

Beschließen wir dieses heutige Paket mit Bedacht und im Bewusstsein dessen, was es noch zu tun gibt! Machen wir uns stark in unseren Parteien, machen wir uns stark in Europa! Machen wir uns stark für die Vision, für die Utopie, die da immer noch lautet: Eine gerechtere Welt ist möglich, wenn wir nur wollen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Schennach, Kerschbaum, Dönmez und Bieringer.)

15.32


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster ist Herr Bundesrat Dönmez zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.32.32

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kol­legen! Dort, wo Kapital angehäuft wird, wo man sich darüber Gedanken machen muss, wie man dieses absichert, gibt es auch die Kehrseite der Medaille – Kollege Gumpl­maier hat diese angesprochen, und dafür danke ich dir recht herzlich –: Es gibt jene, die nicht einmal die Möglichkeit haben, an etwas Derartiges zu denken. Ich danke dir,


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dass zumindest du diesen Themenbereich aufgegriffen hast. Meine Hochachtung, dan­ke! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

Wenn Amerika hustet, dann bebt Europa. An den engen Verflechtungen der wirtschaft­lichen Beziehungen sieht man, wie abhängig wir voneinander sind. Wir debattieren heute in einer eilig einberufenen Bundesratssitzung über die Absicherung der Bankein­lagen und die Stützung des bisherigen Systems.

Innerhalb kürzester Zeit wurden zig Millionen bereitgestellt, damit die Anleger nicht ver­unsichert werden und die Liquidität der Banken nicht ins Stocken gerät. Das ist eine wichtige und auch richtige Maßnahme, daran ist überhaupt nicht zu zweifeln, aber ich habe dennoch Bauchweh. – Um die Spannung herauszunehmen: Ich werde zustim­men, wenn auch mit Bauchweh.

Ich würde mir diese zügige Vorgehensweise dieses Hauses auch in anderen Bereichen wünschen, zum Beispiel wenn es um Klimapolitik oder Entwicklungshilfe beziehungs­weise Entwicklungszusammenarbeit geht – aber diese Punkte haben meine Vorredner, meine KollegInnen schon erwähnt, darum möchte ich sie nicht näher ausführen.

Das, was mich, was uns Grüne wirklich nachdenklich stimmt, ist der Umstand, dass es bis jetzt noch keinen vollständigen Bericht des Finanzministeriums, der Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht über den Zustand und die Lage des österreichischen Bankwesens beziehungsweise des Bankensystems gibt, denn damit hätten wir eine fundierte Grundlage, hätten einen Einblick und auch Durchblick, worüber wir eigentlich sprechen und worüber wir abstimmen. Das geht mir ab, und ich hoffe, dass wir das demnächst nachgeliefert bekommen.

Ein weiteres großes Entwicklungspotential beinhaltet die Bezügeregelung von Manage­rInnen. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum ManagerInnen, die durch ihre Misswirtschaft große Verluste einfahren, Supergagen bekommen und dann auch noch Mega-Abfertigungen erhalten! Das ist nicht nachvollziehbar. In einem E-Mail, wel­ches ich vorige Woche erhalten habe, hat das ein besorgter Bürger mit folgendem Satz auf den Punkt gebracht: Die Gewinne werden privatisiert und die Risiken dem Steuer­zahler aufgebürdet. Unter diesen Voraussetzungen kann jeder Vollidiot ein Unterneh­men führen. – Zitatende.

Ich bin ihm bis heute noch eine Antwort schuldig, weil ich, ehrlich gesagt, nicht gewusst habe, was ich darauf antworten soll. Ich habe mir gedacht, ich antworte ihm nach die­ser Bundesratssitzung, vielleicht fällt es mir dann leichter. (Bundesrat Herbert: Er soll Unternehmer werden, statt E-Mails zu schreiben!) – Ja, das werde ich weiterleiten.

Was aber mich und meine grünen KollegInnen, aber auch jene Menschen in diesem Land, die den Blick über den eigenen Gartenzaun richten, traurig bis wütend stimmt, ist der Umstand, dass Rufe lauter werden, die hart erarbeiteten und durch jahrzehntelan­ge Anstrengungen errungenen Umweltauflagen aufzuweichen, damit die Wirtschaft an­gekurbelt wird. Auch Institutionen und NGOs, die im Entwicklungshilfebereich tätig sind, fürchten, dass sie aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage noch weniger Unterstützung erhalten beziehungsweise ihnen noch weniger finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Ich hoffe, dass die Ärmsten der Armen und die Zukunft unserer Kinder unter derartigen Entwicklungen nicht zu leiden haben!

Die klimapolitischen Ziele wie etwa die des Kyoto-Protokolls dürfen nicht aufgeweicht werden. Die Zunahme der Anzahl von Umweltkatastrophen sollte nicht einmal einen Funken, einen Anflug der Idee aufkommen lassen, Änderungen in Richtung einer Auf­weichung anzudenken!

Der Oberösterreichische Landtag hat sich in seiner letzten Sitzung dafür eingesetzt, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, sich für die Einführung einer Finanztrans-


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aktionssteuer einzusetzen, und es freut mich sehr, dass es diesbezüglich heute ein klares Bekenntnis des Finanzministers gegeben hat.

Das ganze Finanzsystem in seiner neoliberalen Form hat sich als ökonomisch instabil und ineffizient sowie schädlich für die Gleichheit, die allgemeine Wohlfahrt und die Demokratie erwiesen. Deshalb sind systemische Veränderungen notwendig. Für eine echte Umkehr muss die grundsätzliche Orientierung darauf gerichtet sein, die Domi­nanz der Finanzmärkte über die Realökonomie zu brechen. Einige für diesen Zweck geeignete Instrumente wurden in diesem Haus schon in den Debatten genannt, aber ich möchte sie noch einmal festhalten: Oberstes Anliegen sollte uns die Besteuerung aller Arten von Finanztransaktionen sein, daneben aber auch die progressive Besteue­rung von Kapitaleinkommen, die Managerhaftung und die Kontrolle durch den Rech­nungshof.

Die Instabilität von Finanzmärkten ist ein inhärentes Merkmal des Kapitalismus im All­gemeinen und des neoliberalen Kapitalismus im Besonderen. Eingriffe des Staates in Zeiten der Krise sind ohne Zweifel notwendig, doch die Kosten der Eingriffe sollten nach dem Verursacherprinzip nicht von den SteuerzahlerInnen getragen werden, son­dern von jenen, die dafür verantwortlich sind.

Ich ersuche, in zukünftigen Debatten diese von meinen VorrednerInnen und auch von mir konstruktiv andiskutierten Beiträge zu berücksichtigen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesräte Schennach und Kerschbaum.)

15.38


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.38.48

Bundesrat Wolfgang Schimböck, MSc (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Kol­lege Himmer hat heute einen guten Vergleich gebracht bezüglich dessen, wie man sich irren kann, und hat dafür das Telefon herangezogen. – Er kommt ja aus der Telekom­munikationsbranche.

Die Entwicklung des Telefons liegt ungefähr 175 Jahre zurück. Es gibt allerdings auch einen anderen Vergleich: Vor einem Vierteljahrhundert hat ein Kollege von Bundesrat Kneifel – der Wolfgang Schüssel heißt und so wie du Sekretär im Wirtschaftsbund war – dieses ganz schmale Heftchen, dieses Büchlein herausgebracht: Mehr privat, weniger Staat. (Der Redner hält ein Exemplar des erwähnten Buches in die Höhe. Bundesrat Kneifel: Das ist sehr gut! – Bundesrat Reisenberger: Schlecht genug!)

Ich habe es mir wirklich sehr genau angesehen. Wenn du, Kollege Mayer, dir das an­schaust – du kannst dir das, so wie ich, in der Parlamentsbibliothek holen –, dann wird dir als Landesvorsitzendem der Gemeindebedienstetengewerkschaft, glaube ich, das Lachen vergehen, denn wenn du die Seite 22 aufschlägst, dann wirst du erkennen, dass viele deiner Kolleginnen und Kollegen und Mitglieder der Gemeindegewerkschaft brotlos wären, denn dann wäre das alles privatisiert, dann wären die Menschen dort nicht sehr gut bezahlt, und die Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land würden dann nicht mehr sehr gut aussehen.

Aber jetzt komme ich zurück zu diesem Brachial-Privatisierungsversuch von Herrn Dr. Schüssel, der ja jetzt gewichen ist. Gott sei Dank stehen jetzt in der Österreichi­schen Volkspartei Ökonomen aus der Landwirtschaft an der Spitze, und dort werden die Hektar in Quadratmeter – Gottfried (in Richtung des Bundesrates Kneifel), du kommst ja aus dem ländlichen Bereich –, dort wird der Weizen in Tonnen gerechnet, dort weiß man, was man in der Hand hat, dort spricht man von der Realwirtschaft.


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Jetzt komme ich auf das zurück, was heute vielfach angeklungen ist: Es wurden Ver­gleiche gebracht, die BAWAG wurde wieder herangezogen. – Ich glaube, da sollten wir schon die Kirche wieder ins Dorf holen, denn dort war die Rede von einer Haftung von 900 Millionen €, dort war es so, dass man eine ganze Liste von Dingen erstellt hat, die zu tun sind. Es hat geheißen, der Eigentümer hat zu verkaufen und die Anteile an der Nationalbank sind abzugeben.

Dann hat man noch gemeint – ich glaube, das kam auch von ÖVP-Seite –, na ja, ihr seid ja großzügig mit dem Verteilen von Wahlzuckerln, und hat die Pensionisten als Beispiel herangezogen. – Bitte, holen wir auch da die Realwirtschaft – wir brauchen nämlich Kaufkraft! – wieder ins Dorf zurück. Da ging es nämlich darum, eine Erhöhung um 3,4 Prozent durchzusetzen, und das hat gerade mit Ach und Krach den sogenann­ten Pensionistenindex abgedeckt. Wären wir nämlich dort gewesen, wo sich das ande­re gewünscht hätten, bei 3,2 Prozent, dann wären die Pensionisten im Minus gewesen.

Und damit kehre ich wieder zum Thema zurück: Wir brauchen Kaufkraft, wir brauchen auch ein Konjunkturpaket – denn die Geldwirtschaft, wie das heute Staatssekretär Matznetter ausgedrückt hat, soll sich wieder einmal auf ihre Kernaufgaben besinnen. Die soll nämlich Kapital für die Unternehmungen bereitstellen, soll sich darum küm­mern, dass jene kleinen und kleinsten Betriebe – und das sind 80 Prozent der Betriebe in Österreich, bitte! – Arbeitsplätze sichern können.

Ein Unternehmen ist ja jetzt etwas in Schieflage geraten, und vier österreichische Ban­ken mussten einspringen. Wenn man bei diesem Fall – und ich sage das deshalb, weil vorher auch von diesen 900 Millionen € Haftung bei der BAWAG gesprochen wurde – einmal hineinschaut und sich fragt, worum es denn dort geht, dann sieht man: Dieses Unternehmen hat 1,2 Milliarden € an Bilanzsumme, und etwa das Vierfache davon ist allein Fondsvermögen, das dort im Umlauf ist, also nicht in der Bilanz enthalten ist. Und ihr wisst, das Wifo hat jetzt einmal klar auf den Tisch gelegt: Was wir künftig eben­falls brauchen, sind andere Bilanzierungsregeln! Denn: Vieles wird ja außerhalb der Bilanz dargestellt und greift eigentlich nicht, und wir haben da keine Kontrolle. Daher bin ich genau der Meinung von Finanzstaatssekretär Matznetter, der erklärt hat, dass da künftig andere Regeln geschaffen werden müssen.

Ich komme damit wieder auf dieses kleine Büchlein zurück. (Der Redner hält neuerlich die Publikation „Mehr privat, weniger Staat“ in die Höhe.) Wenn gefordert wird, der Staat solle sich zurückziehen, dann weise ich darauf hin: Meine Damen und Herren, wir müssen jene Bürgerinnen und Bürger schützen, die in diesen Bankinstituten ihre Gelder haben, und dazu brauchen wir klare Regeln. Es wird nicht reichen, wenn wir diese Regeln nur in Österreich haben. Die Sozialdemokratie bekennt sich zu einem Europa, aber zu einem Europa mit klaren Regeln, und da müssen wir schließlich die Dinge beim Namen nennen.

Ich bin dir, Gottfried Kneifel, sehr dankbar dafür, dass heute von dir so klare Worte gekommen sind. Du hast heute davon gesprochen, dass gewisse Manager sich selbst völlig überschätzt haben, du hast von Maßlosigkeit gesprochen (Bundesrat Kneifel: In Amerika, ja! – Lebhafte ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny), und die „Ober­österreichischen Nachrichten“ haben ganz richtigerweise einmal von der „Gier“ gespro­chen. Die Gier ist da grassiert, und dieser ist, wie ich meine, wirklich Einhalt zu gebie­ten. Dazu brauchen wir Transparenz und vor allen Dingen eben klare Regeln.

Die Sozialdemokratie wird sich zum vorliegenden Paket bekennen. Und ich glaube, dieses Büchlein – es gibt davon in der Parlamentsbibliothek leider nur ein Exemplar – ist wirklich lesenswert. (Der Redner hält die Publikation neuerlich in die Höhe.) – Dr. Schüssel soll sich ein Beispiel an einem ganz großen Staatsmann aus der konser­vativen Ecke, nämlich an Konrad Adenauer, nehmen, der einmal gesagt hat, es hindert


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ihn nichts daran, jeden Tag gescheiter zu werden. (Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) In diesem Sinne bitte ich Sie, dieses Paket zu beschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.44


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Perhab.

 


15.44.38

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist so gekommen, wie es kommen musste – ich habe das vor Beginn der Sitzung schon bei uns im Klub so vorausgesagt –: Es wird heute eine vereinigte Armada der Besserwisser und der Es-immer-schon-gewusst-Habenden, vor allem von der linken Reichshälfte, ans Redner­pult treten (Bundesrat Reisenberger: Und jetzt spricht der Chef davon! – Bundesrat Stadler: Und jetzt fasst du zusammen, oder?), uns die Leviten lesen und davon reden, was wir von der rechten Reichshälfte für Kapitalisten sind und dass wir die Auslöser und das größte Übel dieser Finanzkrise sind, die ja, wenn es nach Ihren Reden geht, fast in Österreich erfunden wurde.

Ich möchte dem nur hinzufügen: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht unbedingt mit Stei­nen werfen! (Bundesrat Gruber: Geh, erspar dir das!) Meines Wissens ist nämlich der Herr Flöttl ein Investmentbanker gewesen, der nicht ganz weit weg von der SPÖ war. – Und der hat tatsächlich die viertgrößte Bank Österreichs verzockt! (Staatssekretär Dr. Matznetter: Ich glaub, das war auf der Yacht vom Grasser?) Das ist einmal Fak­tum, darüber kann man überhaupt nicht hinwegtäuschen! (Staatssekretär Dr. Matznet­ter: Der Meinl war ... auf der Yacht!)

Und da Sie ja heute hier eine Literaturvorführung dazu gemacht haben, was die Parla­mentsbibliothek alles im Bestand hat: Herr Professor Konecny, von Ihnen hätte ich mir schon erwartet, dass Sie nicht nur den Karl Marx herbringen, sondern vielleicht den John Maynard Keynes. (Bundesrat Konecny: Auch gerne!) Sie sind ja jahrzehntelang seinen Theorien gefolgt. (Bundesrat Konecny: Da hat er verdammt recht! Wir werden Deficit Spending machen!) Sie haben Österreich mit dieser Methode ja so verschuldet (Bundesrat Gruber: Ihr wart nicht dabei?), dass wir heute bis 1970 ... (Bundesrat Gruber: Ihr wart nicht dabei, gell?) – Herr Kollege Gruber, wissen Sie, wie viel an Schulden der österreichische Staat 1970 bei der Übernahme durch Bruno Kreisky ge­habt hat? Wissen Sie das noch? (Bundesrat Gruber: ... Das ist ja ein Wahnsinn!) – Sie haben in der Beziehung überhaupt keine Berechtigung (Bundesrat Stadler: Du bist wirklich der Ärgste!), über Finanzen und Schulden zu sprechen. (Bundesrat Gruber: Du stiehlst uns die Zeit, Mann! – Zwischenruf des Bundesrates Kraml.)

Ich weiß nicht, Herr Kollege Kraml, um wie viel Sie älter sind als ich, ich habe Ihre Bio­graphie nicht gelesen. (Bundesrat Gruber: Schade um die Zeit, die du da herumplau­derst!) Ich weiß nur, dass ich in meinem Betrieb auf Dauer tagtäglich nur so viel aus­geben und investieren kann, wie ich in einer regulären zehnjährigen Periode hoffentlich wieder zurückzahlen kann, nämlich an Banken – und gerecht zurückzahlen, mit den nötigen fairen Zinsen.

Und da sind wir wieder beim Thema – Herr Kollege Klug ist nicht mehr da –: Die Gier hat schon auch woanders angefangen. Wenn ich heute höre, dass Sparkassen natür­lich die Fremdwährungskredite fällig stellen wollen oder sie in Bauspardarlehen um­schulden wollen, wenn das überhaupt möglich ist, dann muss man natürlich schon sa­gen: Diese Produkte haben ja großteils auch sogenannte Finanzdienstleister an den


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Mann gebracht, die eben die Vorteile dieses Produktes den Kunden wahrscheinlich plausibel erklärt haben. – Sonst hätten sie sich ja nicht dafür entschieden. Und ich weiß aus meiner Branche, der Tourismusbranche, dass sehr viele Betriebe ebenfalls mit Fremdwährungskrediten operieren, weil damit natürlich oft ein klarer Zinsvorteil beziehungsweise auch ein Wechselkursvorteil erzielt wurde und dadurch die Liquidität des Unternehmens früher wiederhergestellt wurde.

Aber wenn man nach der Devise „high risk, high fun“ vorgeht, dann ist das nun einmal so, und ich glaube, man kann nicht nur immer die Allgemeinheit dafür verantwortlich machen, wenn dann einmal etwas schiefgeht.

Selbstverständlich ist auch diesen Menschen zu helfen. Das ist, denke ich, auch der Grund, warum das heute zu beschließende Paket – obwohl es auch einige Gegenstim­men geben wird – hier unbestritten ist: weil wir in dieser Phase, dieser Krise einfach nicht anders handeln können. Und ich bin – auch parteienübergreifend – dankbar da­für, dass es den beiden Regierungsparteien gelungen ist, in so kurzer Zeit dieses Pa­ket zu schnüren. Wir sind in Europa nicht isoliert, wir müssen diese Maßnahmen set­zen.

Da muss ich meinem Vorredner Edgar Mayer natürlich recht geben, was die Frage, was wäre, wenn, betrifft. – Wir können natürlich Vergleiche anstellen, was die Armut betrifft, was die Umwelt betrifft, aber ich frage Sie, Herr Kollege Schennach: Was pas­siert, wenn wir dieses Paket nicht machen? Werden dann die Armen reicher? Wird die Umwelt besser? – Ich glaube nicht. Ich denke, dass das ein notwendiger Schritt ist, der uns natürlich mit hohen Risken belastet. Und dessen bin ich mir schon auch bewusst, wenn ich auch weiß, dass es sich bei diesen Milliardensummen um Haftungen han­delt: Sollte nur ein Bruchteil davon schlagend werden, dann wissen wir auch, dass wir kurz vor der Staatspleite stehen. Das ist keine Frage.

Aber wir wollen diese Botschaften nicht in unsere Bevölkerung hinaustragen. Das ist, denke ich, nicht unsere Absicht. Aber diese Haftung macht, wenn man alles zusam­menrechnet, das Zehnfache des Bruttonationalprodukts aus! (Staatssekretär Dr. Matz­netter: Ein Drittel!) – Ein Drittel. In Österreich vielleicht ein Drittel. Aber woanders?

Ich denke, wir sollten der Bevölkerung schon auch sagen, dass das nicht eine leichtfer­tige Goodwill-Aktion ist, sondern ein Zusammenspiel aller Kräfte in einem Grundkon­sens des Staates, der für die Existenz und für die Zukunft unseres Landes wichtig ist.

In diesem Sinne sind wir selbstverständlich dafür. – Und der geistige Vater der sozialen Marktwirtschaft ist meines Wissens noch immer Ludwig Erhard gewesen, und niemand anderer. (Beifall bei der ÖVP. – Staatssekretär Dr. Matznetter: Wieso der Erhard? – Bundesrat Reisenberger: Nur nach seinem Wissen! Das ist nur seines!)

15.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mühl­werth zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.50.28

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich glaube, wir sind uns alle dar­über einig: Ja, wir werden alle zustimmen – das hat jeder von Ihnen heute schon ge­sagt –, der eine mit mehr und der andere vielleicht mit weniger Bauchweh. Wir werden zustimmen, weil wir uns darüber im Klaren sind, dass dieses Paket ohne Alternative ist – und nicht, weil es so gut ist.

Das Dramatische daran ist aber, dass, wenn alle von Kontrolle sprechen, diese Kon­trolle immer erst in einer Krise zu greifen beginnt und auch der Ruf danach immer erst in einer Krise laut wird.


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 50

Der Nobelpreisträger Stiglitz, hat – wie auch andere Finanzexperten – schon vor Jah­ren darüber gesprochen, dass diese Finanzblase, die immer größer geworden ist, ir­gendwann platzen wird müssen. Nur hat keiner darauf gehört, denn solange der Dollar oder der Euro gerollt ist und sich jeder Geld einstecken konnte, waren alle zufrieden, und Kontrolle war keine so wichtige Sache. Es ist aber auch bei diesem Paket, sehr geehrter Herr Staatssekretär, einer unserer Kritikpunkte, dass da zu wenig Kontrolle ausgeübt wird.

Die Kontrollbank entscheidet, wer die Haftungen bekommt. Das kann sie so quasi in freier Vergabe machen, obwohl das normalerweise gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstößt. Wir beschließen hier ein 100-Milliarden-€-Paket. – Das ist ein Drittel unseres Bruttoinlandsprodukts, wesentlich mehr, als in anderen europäischen Ländern im Ver­gleich zum Bruttoinlandsprodukt für diesen Zweck ausgegeben werden soll. Schaut man sich im Vergleich dazu etwa das zehnmal größere Deutschland oder das größere Spanien an, dann ist das wirklich viel Geld, und man muss sich schon fragen: Ist da nicht noch etwas im Hintergrund, worüber vielleicht einige Leute mehr wissen als wir, die wir hier als Parlamentarier sitzen und dieses Paket beschließen? Kommt noch et­was auf uns zu, das wir im Moment noch gar nicht ahnen? – Und: Das Parlament hat da überhaupt keine Kontrolle!

Es ist schön, wenn ich höre, was in die Verordnungen dann alles hineinkommt, nur kennen wir, wie Kollegin Kerschbaum schon völlig richtig gesagt hat, diese Verordnung nicht. Dabei wäre es wirklich angeraten gewesen, dass der Rechnungshof seiner Kon­trolltätigkeit sehr wohl nachkommen kann, denn wir reden da nämlich nicht von ein paar Euro, die man notfalls verschmerzen kann. Wir wissen nicht, sondern wir hoffen, dass nicht einmal ein Teil dieser Summe – geschweige denn, die ganze Summe –schlagend wird. Wir gehen davon aus, dass das eine theoretische Sicherheit ist, einer­seits für die Banken untereinander, aber andererseits auch für die Sparer, damit sie nicht zu Tausenden in die Banken laufen und ihre Sparguthaben abheben, was uns finanziell ebenfalls in eine äußerst starke Schieflage drängen würde. Aber trotzdem meinen wir, dass da Kontrolle auch seitens des Rechnungshofes nötig wäre.

Was noch fehlt, ist eine klare Definition, dass die Manager für den von ihnen verur­sachten Schaden haften und dazu auch ihre Gehälter herangezogen werden müssen. Es kann nicht sein, dass diese Leute Mist gebaut haben, aber weitermachen können wie bisher, und wir schauen zu und hoffen, dass die Verordnung in dieser Richtung irgendetwas bringen wird.

Es geht nicht nur um die großen Banken. Dazu möchte ich der SPÖ Folgendes sagen: Obwohl die Haftung für die BAWAG – wie der Herr Staatssekretär ausgeführt hat – ge­wissen Bedingungen unterworfen war, dürfen wir nicht vergessen, dass auch dort Geld verzockt wurde. (Ruf bei der SPÖ: Das ist aber auch bestraft worden!) Und als die ers­ten Verluste gemacht wurden, ist nochmals Geld verzockt worden, um diese Verluste auszugleichen – also das klassische Spekulationsgeschäft, über das wir uns heute schon seit 13.00 Uhr eingehend unterhalten. (Ruf bei der SPÖ: Ich freue mich auf die Gerichtsverhandlungen bei den anderen Banken!)

Zweiter Punkt: Nähe zur Sozialdemokratie, ÖBB. Die sind ja auch um nichts besser. (Bundesrat Gruber: Aber bitte! Der Herr Huber ist wirklich nicht in der Nähe der SPÖ! – Bundesrat Konecny: Der falsche Witz!) – Nein, der völlig richtige Witz! (Weite­re Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die „Kleine Zeitung“ schreibt:

„Dass nun auch die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers Probleme bei den ÖBB-Postbussen bereitet (), sorgt neuerlich für Unruhe. Im schlimmsten Fall drohe ein Verlust“ – immerhin schreiben sie „Verlust“! – von umgerechnet 6,3 Millionen Euro


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 51

aus so genannten Cross-Border-Leasing-Geschäften. (...) Die Geschäfte waren seiner­zeit unter Postbus-Chefin Wilhelmine Goldmann“ – SPÖ-nahe – „und ÖIAG-Vorstands­direktor Peter Michaelis abgeschlossenen worden (Bundesrat Gruber: Michaelis war immer ein „guter Sozialdemokrat“!)

Man kann euch demnach nicht ganz aus der Haftung nehmen. Man kann nicht immer sagen, dass die anderen die Bösen sind, und bei sich selbst sagen, weg mit dem Gan­zen! Da muss sich jeder bei der eigenen Nase nehmen, inklusive der SPÖ.

Ja, wir sind uns einig – auch wenn es jetzt in einer Krise passiert –, dass wir bessere Kontrollen brauchen. Es wäre wirklich angeraten, dort, wo Kontrollen eigentlich schon bestanden haben, diese auch tatsächlich einzusetzen, und nicht so zu tun, als ob Kon­trollen etwas wären, das man auf Papier druckt, das geduldig ist, und nicht anwendet. Die Kontrollen, die wir haben, gehören angewandt beziehungsweise – wenn es nötig ist, und das ist hier nötig – auch ausgeweitet. (Beifall des Bundesrates Herbert.)

15.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster ist Herr Staatssekretär Dr. Matznetter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.56.12

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesrätin Mühlwerth, ich wollte nur etwas klar­stellen, damit Sie nicht so viel Bauchweh haben müssen. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie müssen sich um mein Bauchweh wirklich keine Sorgen machen!) Punkt eins: Alle Haf­tungen der Republik Österreich erfolgen selbstverständlich nur unter der Bedingung, dass es nachvollziehbare Verwaltungsakte sind, die selbstverständlich auch im Ein­zelfall der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. Das ist eine gesetzliche Voraus­setzung.

Wenn Sie sich die Regelung, die es dazu gibt, anschauen, so werden Sie sehen, dass darin in Abweichung zu § 66 Bundeshaushaltsgesetz eine gewisse Flexibilität einge­räumt wird. Das betrifft den Umstand, dass wir für die Haftungen, die übernommen werden, ein höheres Haftungsentgelt wollen, aber – und das steht auch im Gesetz – die Prüfungsrechte und die Berichtsrechte – nämlich in Bezug auf den, für den gehaftet wird – ausdrücklich voll aufrecht bleiben.

Zweiter Punkt: Gemäß § 7 Interbankmarktstärkungsgesetz sowie § 6 Finanzmarktsta­bilitätsgesetz ist eine Berichtspflicht des Bundesministers für Finanzen gegeben, der diesem Haus quartalsweise einzeln über jede Haftung zu berichten hat. Das wird also nicht freihändig vergeben. Haben Sie daher auch keine Angst, dem Legalitätsprinzip droht keine Gefahr!

Drittens: Natürlich steht bei der Verordnungsermächtigung: „kann“ – es heißt ja Verord­nungsermächtigung. Daraus folgt nicht, dass diese Verordnung nicht erlassen wird. Die Verordnung muss erlassen werden, weil sie die näheren Bedingungen regelt, un­ter denen die Haftung nachher ausgesprochen werden kann. Das wollte ich erläutern. Das heißt: Das Bauchweh diesbezüglich ist unbegründet. Der Rechnungshof kann selbstverständlich – und wird auch, davon bin ich überzeugt –, wenn nach dem Gesetz Akte notwendig sind, jeden dieser Akte einzeln prüfen.

Was die Dimension bei den Österreichischen Bundesbahnen betrifft: Ich wäre froh, wenn es hier nur um 6 Millionen ginge, Frau Kollegin! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Wir ringen derzeit darum, dass nicht die ganzen 613 Millionen entfallen, und im Ausmaß von 300 Millionen € – das lese auch ich selber in der Zeitung – müss­ten jetzt schon Abschreibungen gemacht werden. Dort liegt unser Problem begründet,


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 52

und nicht bei der Frau Goldmann. Das wollte ich an dieser Stelle nur klarstellen. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.59.192. Punkt

Außenpolitischer Bericht 2007 der Bundesregierung (III-351-BR/2008 d.B. sowie 8032/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Ich bitte um den Bericht. – Ich begrüße nun Herrn Staatssekretär Dr. Winkler hier und verabschiede gleichzeitig Herrn Staatssekre­tär Dr. Matznetter.

 


15.59.30

Berichterstatter Franz Perhab: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Außenpolitischen Be­richt 2007 der Bundesregierung liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich stelle daher den Antrag, den Außenpolitischen Bericht 2007 der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


16.00.02

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ein bisschen muss sich dieses Haus ja entschuldigen, dass der Außenpolitische Be­richt heute sozusagen als Annex-Materie behandelt wird und sich die Debatte vielleicht nicht in gleicher Intensität und Dauer wie beim ersten Tagesordnungspunkt entwickeln wird.

Ich glaube, man sollte mit einem Ausdruck unserer Freude und einer Gratulation an alle, die daran mitgewirkt haben, beginnen. Es ist für ein kleines Land wie Österreich mit sehr begrenzten Möglichkeiten, auf das internationale Geschehen Einfluss zu neh­men, eine ganz besondere Anerkennung, wenn es erneut – zum dritten Mal, wenn ich das richtig im Kopf habe – in den Sicherheitsrat gewählt wird. Allen, die daran mitge­wirkt haben – nehmen Sie das stellvertretend für alle entgegen, Herr Staatssekretär –, sei für diesen Erfolg der österreichischen Diplomatie, aber auch für diese Anerkennung einer über Jahrzehnte konsistenten österreichischen Außenpolitik gedankt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 53

Ich glaube, das ist überhaupt ein wesentliches Element unserer Außenpolitik, und ich sage jetzt sehr bewusst: unserer – auch im parteipolitischen Sinn –, weil wir hier im Wesentlichen übereinstimmen, weil es hier ein hohes Maß an Konsistenz, auch über Regierungswechsel hinweg, gegeben hat.

Einmal unser nicht nur auf einem Türschild oder einem Anstecker stehendes Bekennt­nis zur Neutralität, die uns dort, wo ehrliche Makler gefragt sind, das Operieren zwei­felsfrei erleichtert – auch wenn sich die weltpolitischen Rahmenbedingungen seit der Erklärung der Neutralität natürlich grundlegend verändert haben. Aber ein wesentliches Element davon hat weiter Bestand und kann von uns genutzt werden.

Zweitens: Die Bereitschaft, nicht nur Rat zu geben, sondern sich auch selbst und mit Menschen aus unserem Land bei internationalen Einsätzen einzubringen, auch dort, wo diese Einsätze riskant und gefährlich sind und wo sie letztlich auch das Leben von Landsleuten gefordert haben. Wir sind nicht gerade die Einzigen, aber wir sind für die Größe unseres Landes ein sehr solidarischer Beitragsleister bei Einsätzen der UNO und anderen Einsätzen, wo es darum geht, Konfliktregionen bei der Bewältigung von Krisen zu helfen.

Das alles ist sicherlich in diese Entscheidung der UNO-Generalversammlung einge­gangen, und ich glaube, wir sollten es nicht nur als Auftrag betrachten, diesem Stan­dard während der österreichischen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat weiterhin gerecht zu werden, sondern auch als Auftrag, dieses intensive internationale Engagement fort­zusetzen. Das ist nichts, was unmittelbar einen Return of Investment – um noch einmal zum ersten Tagesordnungspunkt zurückzukehren – bringt, aber es findet Anerken­nung. Und das Richtige getan zu haben – auch, wenn man es nur selber weiß – ist auch eine Form der Befriedigung und Anerkennung, die man sich durchaus gefallen lassen kann.

Wir haben – und der Bericht ist wie jedes Jahr ein nützliches, wertvolles Kompendium der österreichischen Außenpolitik, und es gehört natürlich zu den Standardfloskeln die­ser Debatte, aber ich greife es gerne auf – jenen zu danken, die an der Erstellung die­ses Berichtes mitgewirkt haben, weil man sich immer wieder orientieren kann, weil man die notwendigen Daten findet und weil hier – nicht gerade in a nutshell, also er ist ja doch ganz umfangreich  (Staatssekretär Dr. Winkler: Er ist dünner geworden!) – Er ist dünner geworden, auch das ist anzuerkennen. Viele entbehrliche Floskeln sind im Laufe der letzten Jahre weggefallen: Die Versicherung bei allen Staaten der Welt, dass wir mit ihnen hervorragende Verhältnisse und Beziehungen haben, ist sinnvollerweise ein bisschen gekürzt worden.

Wir haben auch und gerade in unserem europäischen Kontext – und der bezieht sich jetzt nicht nur auf die EU, sondern darüber hinaus auf Staaten, die Kandidatenstatus haben, die ihn vielleicht bald bekommen werden; ich rede jetzt nicht von Island, son­dern von Ost- und Südosteuropa – über zwei Jahrzehnte hinweg beispielhaft mitge­wirkt. Ich glaube, auch das gehört – und das ist auch in diesem Bericht zum Ausdruck gekommen – zu den durchaus anerkennenswerten Schwerpunkten der österreichi­schen Außenpolitik, dass wir nach 1989 zunächst unseren unmittelbaren Nachbarstaa­ten und dann fortschreitend bei ihrer Umorientierung mit Rat, aber durchaus auch mit Unterstützung, zur Seite gestanden sind, dabei mitgewirkt haben, dass diese Länder zu einem guten Teil in die Europäische Union gefunden haben und weiterhin – Balkan, Kosovo, Serbien, Montenegro – hier unsere Hilfestellung geben und uns damit auch in einem Raum bewegen, in dem wir glauben, dass wir uns auskennen, aber wo uns auch andere europäische Staaten durchaus zubilligen, dass wir hier ein höheres Maß an Verständnis aufbringen als andere westeuropäische Staaten.


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 54

Es gibt viele Fragen, die die Parteien dieses Hauses trennen. Ich glaube, dass wir in der Außenpolitik im Wesentlichen und erfreulicherweise eine gemeinsame Stimme ge­funden haben, bei aller Detailkritik, die man äußern mag, und ich würde mir wünschen, dass wir das auch in Zukunft aufrechterhalten können, weil es sich gerade ein so klei­nes Land nicht leisten kann, in den fundamentalen außenpolitischen Fragen gespalten zu sein.

Herr Staatssekretär, ich darf am Schluss Ihnen ganz persönlich für Ihre Mitwirkung an der Formulierung der Außenpolitik in den letzten Jahren danken. Wir haben uns immer sehr gut verstanden, und ich stehe nicht an, das hier noch einmal zu unterstreichen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

16.07


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Spiegelfeld-Schneeburg. – Bitte.

 


16.07.23

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich glaube, es ist wohl vielleicht jetzt der zweite Punkt der heutigen Tagesordnung ein etwas kürzerer und auch einer mit etwas wenigeren und vielleicht weniger emotionalen Beiträgen, aber ich glaube, er ist ebenso wichtig, weil ich glaube, dass diese beiden Tagesordnungspunkte sogar in gewisser Weise sehr eng zusammenhängen.

Auch ich möchte genauso wie mein Kollege und Vorredner namens meiner Fraktion den Dank für diesen Außenpolitischen Bericht, verbunden mit dem Dank an den Herrn Staatssekretär und an Ihr ganzes Team, das nicht nur für den Bericht, sondern auch für diese berechenbare und klare und gute Außenpolitik verantwortlich ist, ausspre­chen.

Ich glaube, das ist – das hat auch Professor Konecny schon gesagt – hier wirklich im Großen und Ganzen und weitgehend eine Konsensmaterie. Ich glaube auch, dass ein kleines Land wie wir gerade in der Außenpolitik einen gemeinsamen, verlässlichen und berechenbaren Weg verfolgen muss. Dieser Sitz im Weltsicherheitsrat ist sicher ein Ausdruck dieser Verlässlichkeit und Professionalität.

Ein ebenso wichtiger Punkt war der erste Punkt, bei dem es ja auch letzten Endes wie­der um Vertrauen, Verlässlichkeit und Professionalität geht – auch der Finanzminister hat das heute hier sehr klar gesagt. Deshalb wäre ich sehr froh, wenn wir auch in der Debatte zum ersten Punkt einen ähnlichen Ton gefunden hätten, vielleicht etwas we­niger emotional und etwas professioneller in manchen Bereichen. Ich glaube, es wird überhaupt in den vielleicht schwierigeren Zeiten, auf die wir zugehen, notwendig sein, hier klare und verlässliche Politik zu machen und diese auch unserer Bevölkerung zu vermitteln. Gerade die Außenpolitik ist eine solche Materie, und dafür kann nicht genug gedankt werden. Ich glaube, es muss auch diesem Haus und allen Kollegen, die in der Politik tätig sind und die hier diesen Grundkonsens verfolgen, gedankt werden.

Es tut mir leid, dass dieses EU-Thema und wie man mit der EU und mit der Mitglied­schaft in der EU umgeht, immer noch manchmal Differenzen und auch verschiedene Betrachtungsweisen erzeugt.

Ich persönlich war gestern dem ehemaligen Bundeskanzler und SPÖ-Obmann sehr dankbar dafür, in der „ZIB 2“ ganz klare Worte zum Thema Volksabstimmungen gefun­den zu haben. Ich glaube, das war eine gute und wichtige Richtigstellung, gerade jetzt, am Beginn der Koalitionsverhandlungen. Ich glaube, es täte uns allen gut, hier viele Dinge etwas professioneller und mit etwas weniger Populismus behaftet zu verfolgen.


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 55

Ich glaube auch, dass es eigentlich gerade jetzt auch jedem Österreicher auffallen muss, wie gut wir in der großen EU aufgehoben sind, wenn eben Schwierigkeiten und dunkle Wolken am Horizont aufziehen. Das verbindet Wirtschaftspolitik sehr eng mit Außenpolitik. Hätten wir keine gute und ordentliche Außenpolitik, wären wir sicher auch wirtschaftspolitisch und mit der Wirtschaft, bei allem Fleiß und bei aller Tüchtigkeit un­serer Unternehmen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nicht dort, wo wir heute ste­hen.

Ich glaube, genau diesen großen Konnex sollten wir schließen. Wenn uns hier ein Schritt des Zusammenwachsens gelingt, dann sehe ich auch für die kommenden Koali­tionsverhandlungen eine gute Basis und einen guten Beitrag. Wenn das anhand des Außenpolitischen Berichts abhandelbar ist, sind wir, glaube ich, auf einem richtigen, guten Weg.

Deshalb vielen Dank für diese gute und professionelle Politik. Wir werden diesen Außenpolitischen Bericht 2007 natürlich mit Freude zur Kenntnis nehmen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

16.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


16.12.11

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Es wird Sie nicht wundern, wenn ich in dasselbe Horn blase wie Kollege Konecny oder mein Kollege Spiegelfeld-Schneeburg, weil der Außenpolitische Bericht – und es ist eine gute Tradition des Bun­desrates – auch in dem Sinn gewürdigt wird, was er uns bietet. Er ist tatsächlich ein ganz wichtiges Instrument für alle diejenigen, die wir in der Außenpolitik doch relativ aktiv sind. Das muss man auch sagen, denn auch der Bundesrat betreibt ja eine relativ intensive Außenpolitik, und es ist eigentlich unvorstellbar, dass diese Aktivitäten hier nicht erwähnt werden, da es sie doch, wie bereits erwähnt, durchaus gibt.

Es ist ein solider Bericht, Herr Staatssekretär. In manchen Punkten würde ich mir aller­dings eine Pointierung wünschen. Manches könnte deutlicher ausgedrückt werden, als es vielleicht zwischen den Zeilen zu lesen ist: Auf Seite 79 lese ich zur US-Raketenab­wehr, dass Österreich für einen sachlichen und offenen Meinungs- und Informations­austausch unter allen Beteiligten, auch auf EU-Ebene, eintrat und das Thema sowohl bei den Außen- als auch bei den Verteidigungsministern einbrachte. – Na ja, da meinte man wahrscheinlich, dass man dann doch nicht so ganz erfolgreich darin war, es von der bilateralen und von der NATO-Ebene tatsächlich auf die EU-Ebene zu hieven. Das kann auch einmal ein Rückschlag sein. Mann muss sich nach solchen Rückschlägen natürlich überlegen, was sie für künftige sicherheitspolitische Initiativen bedeuten.

Aber der Außenpolitische Bericht zeigt, wie wichtig eine aktive Außenpolitik innerhalb der Europäischen Union – da ist das Wort „Außen“ schon ein bisschen schwierig zu verwenden – und außerhalb der Europäischen Union ist, und stellt Österreich ein gutes Zeugnis aus.

2007 ist ja auch das Jahr, in dem wir den Namen des Ministeriums geändert haben, worauf hier auch extra hingewiesen wird. Ein bisschen selbstkritisch muss man jetzt natürlich auch sagen – und ich weiß, Herr Staatssekretär, Sie haben eine andere Sicht­weise als ich –, dass das Jahr 2007 natürlich eine Niederlage für all jene von uns war, die davon überzeugt waren – ich gehöre dazu und Sie gehören dazu –, dass der Ver­trag von Lissabon ein gutes und ein sinnvolles Werk ist. Unsere Niederlage war eine Niederlage gegenüber der öffentlichen Meinung.


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 56

Ich glaube – und wir haben doch über 76 Seiten zum Thema Österreich, und die Euro­päische Union und auch der Vertrag von Lissabon nehmen eine zentrale Bedeutung ein –, es sollte uns nachdenklich machen, warum man in Österreich die öffentliche Mei­nung verloren hat, warum es möglich war, dass – und die Herrschaften, die dahinter stehen, ähneln sich zumindest – in Irland die öffentliche Meinung verloren wurde, war­um es einmal möglich war, in den Niederlanden und in Frankreich die öffentliche Mei­nung zur EU-Verfassung zu verlieren. Das sollte uns nachdenklich machen. Aber es sollte uns zeigen, dass wir die Informationspolitik – ich weiß, sie kann vielleicht gegen die größte Tageszeitung der Welt, von ihrem Marktanteil her, nicht mit denselben Waf­fen kämpfen –, diesen Kampf um die öffentliche Meinung, nicht aufgeben sollten. Aber man sollte es vielleicht auch kritisch vermerken.

Zum Westbalkan, wie immer ein sehr wichtiges Thema, ein Herzstück österreichischer Außenpolitik, ein Herzstück auch aus meiner Sicht: Ich hoffe sehr, dass nun die Asso­ziierungsabkommen und Stabilisierungsprozesse mit den Staaten weitergetrieben wer­den, dass wir jetzt, nach der Verhaftung von Karadžić, vielleicht zur Ratifizierung mit Serbien kommen, auch wenn Ratko Mladić noch nicht nach Den Haag überstellt wur­de; man hat auch bei Kroatien einiges nachgesehen. Aber Karadžić ist dort, und ich würde mir dringend wünschen, dass das für Serbien eine Perspektive ist und dass Ös­terreich sagt, das Glas ist in diesem Fall halbvoll und nicht halbleer, damit wir hier wei­terkommen. Diese Perspektive ist meiner Meinung nach notwendig.

Im Außenpolitischen Ausschuss habe ich nachgefragt, Herr Staatssekretär, und Herr Generalsekretär Kyrle hat mir hier einige Antworten gegeben, aber ich halte zu dem Punkt, den Kollege Konecny angesprochen hat, fest: Ja, wir bekennen uns alle zu un­seren Friedensmissionen, zu unseren Einsätzen vor Ort, und ich glaube, dass das et­was ganz Wichtiges ist, wo auch immer man in der Welt außenpolitisch zu tun hat. Das wird ja auch Österreich gegenüber hoch anerkannt. Ich glaube, dass es mit ein Punkt für unsere erfolgreiche Kandidatur für den Sicherheitsrat war, dass Österreich hier seit Jahrzehnten, was die Friedensmissionen betrifft, ein stabiler Partner war, ein bere­chenbarer und engagierter Partner, der seine Missionen, egal ob jetzt am Westbalkan, am Golan, in Zypern oder derzeit im Tschad, sehr erfolgreich geführt hat und auch ein entsprechendes Maß an Verständnis für die Region hatte und vor allem nie – wie wir es von anderen Ländern kennen – in Skandale verwickelt war; zumindest nicht so wie andere Staaten, die in eher handfeste Skandale verwickelt waren, zum Beispiel am Balkan.

Ich glaube aber, wir sollten das andere Element darin noch verstärken. Der künftige Außenpolitische Bericht sollte auch über die zivilen Einsätze, speziell die des Innen­ministeriums oder des Justizministeriums, mehr Informationen geben. Ich glaube, hier sind wir etwas zu zaghaft, was die Gesamtzahl an Personen betrifft, aber auch was unser Engagement betrifft. Wir sollten, wie es ja auch in Deutschland gemacht wurde, auch die Möglichkeit des zivilen Friedensdienstes einrichten. Das sollte man jetzt nicht mit dem Zivildienst im Ausland verwechseln, sondern es sollte hier tatsächlich zivile Möglichkeiten des Friedensdienstes geben. Ich glaube, das ist künftig auch für das Human Security Management etwas sehr Wichtiges.

Nun, mir tut es auch leid – weil Kollege Konecny gesagt hat, es tut ihm irgendwie leid, das betonen zu müssen –: Bei dem, was ich jetzt sage, tut es mir wirklich leid, es beto­nen zu müssen, und das hängt auch mit meiner Geschichte, mit meiner politischen Ar­beit zusammen. Es tut mir leid, dass wir bei der EZA wiederum nicht einmal den Fünfer nach der Null haben, sondern bei 0,49 gelandet sind. Da steht nicht einmal ein Fünfer, und noch dazu – wie auch heute bestätigt wurde – entfallen über 50 Prozent davon auf Entschuldungen Kameruns und des Irak. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 57

Die bilateralen Mittel entsprechend unserer Solidaritätsverpflichtung aus der Entwick­lungszusammenarbeit hinken noch immer jenen Zielen nach, die sogar Herr Staatsse­kretär Matznetter vor zwei Jahren versprochen hat, wonach diese Regierung die For­derung von 0,7 Prozent erfüllen wird. Wir sind davon noch weit weg! Ich weiß natürlich, dass die Entschuldungszahlungen abnehmen werden, speziell was den Irak und Ka­merun betrifft, sodass zumindest jener Anteil etwas stärker wird, der die unmittelbare bilaterale Zusammenarbeit betrifft.

Herr Staatssekretär, dieser Bericht zeigt noch ein Manko, und dieses Manko hängt mit der Bewältigung der Folgen der Tsunami-Katastrophen zusammen. Sie wissen, damals hat man den so genannten Auslandskatastrophenfonds geschaffen, der irgendwie an Ihrem Ministerium und an der ADA vorbei funktioniert. Man hat gesagt, Österreich wird – das hat die Bundesregierung gesagt – 34 Millionen zur Verfügung stellen. Und was hat Ihr Ministerium getan? – Es gab in diesen drei Jahren zusammen nicht einmal 4 Millionen, und wenn man alles andere über den Fonds dazurechnet, sind es 9 Millio­nen! Wir sind also unheimlich weit von diesen 34 Millionen entfernt, weil die Struktur nicht stimmt.

Deshalb ersuche ich Sie dringend, dahin gehend einzuwirken, dass dieser Auslands­katastrophenfonds in Ihr Ministerium kommt, zur ADA kommt, und dass diese Projekte wirklich gesucht und gemacht werden. Man sollte nicht übersehen, dass in den 3,9 Mil­lionen, die tatsächlich über die ADA gelaufen sind, natürlich auch ein nicht unwesentli­cher Beitrag für die Hilfsmaßnahmen der ÖsterreicherInnen im Kriegsgebiet enthalten ist.

Herr Staatssekretär, meine Hochachtung gilt auch immer wieder dem, was unter Bot­schafter Brix im Bereich der Auslandskultur geleistet wird. Ich glaube, wir würden bei einer Budgetumschichtung sogar sagen, dort könnten noch mehr Mittel sein, weil es für das Bild Österreichs besonders wichtig ist, wie es sich mit seinen Instituten und mit all den Initiativen präsentiert. Ich glaube, was die Auslandskulturabteilung macht, das kann man nicht hoch genug schätzen. Ein großes Kompliment!

Herr Staatssekretär, abschließend möchte auch ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen ein Vergnügen war. Sie war von einer großen Fairness geprägt, und Ihr Wis­sen war in all den Diskussionen immer wieder bereichernd. Ich möchte mich dafür sehr herzlich bedanken. Auch so können Opposition und Regierung zusammenarbeiten, wenn man die gegenseitige Wertschätzung nie aus den Augen verliert. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

Da ich Herrn Botschafter Lennkh hier unter uns sehe, möchte ich mich auch persönlich beim Haus bedanken. Seit ich hier den internationalen Vorsitz Mittelmeer übernommen habe, merke ich, wie das Haus mich unterstützt, nicht nur im Haus, sondern auch bei den Botschaften vor Ort. Dafür sei auch einmal ein herzliches Dankeschön gesagt. Ich weiß, da wird noch viel Arbeit auf uns zukommen. Aber so fühlt man sich, wenn man in der Außenpolitik tätig ist, durch das eigene Ministerium und von den Menschen, die darin handeln, unterstützt. Danke schön! (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszuge­hörigkeit sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

16.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Küh­nel. – Bitte.

 


16.24.17

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist jetzt hier so ruhig. Aufgrund dieser


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Ruhe müsste man fast glauben, man befände sich in einer bestimmten Waggontype der Österreichischen Bundesbahnen.

Aber ich möchte jetzt nicht auf die ÖBB eingehen, sondern doch auch das an die Spit­ze stellen, was meine Vorredner schon getan haben: dass wir im Parlament es ganz besonders würdigen müssen, dass es Österreich gelungen ist, im Sicherheitsrat diese Position nun zum dritten Mal zu erreichen. Hier gibt es nur eines: Gratulieren!

Ich glaube, dass diese Gratulation ganz besonders auf dich, Herr Staatssekretär, fo­kussiert werden muss. Denn ich darf kurz an ein Gespräch erinnern, das wir im Juli dort hinten geführt haben und in dem ich dich gefragt habe, wie du die österreichischen Chancen beurteilst, in den Sicherheitsrat zu kommen. Damals warst du äußerst opti­mistisch. Diesem Optimismus wurde – das muss man in Österreich ganz besonders betonen – auch tatsächlich entsprochen, denn wir waren im ersten Wahlgang erfolg­reich und sind hineingekommen.

Wenn ich ein anderes österreichisches Gebiet anspreche, auf dem wir auch häufig vom Optimismus fast zerfressen sind und dann eigentlich immer wieder feststellen müssen, wie traurig die Realität ist, wird der eine oder andere an den österreichischen Fußball denken. Vor den Spielen sind wir auch immer vom Optimismus getragen, dass wir wirklich gewinnen werden. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny.) Aber in der Rea­lität, letztens gegen Serbien, ist es eben leider wieder nur ein 1 : 3 geworden (Bun­desrat Konecny: Das war nicht schön von den Serben, nach allem, was wir für sie gemacht haben!), und wir haben selbstverständlich unglücklich verloren. (Bundesrat Mag. Klug: Im Sport gibt es keine Gerechtigkeit!)

Aus dem heraus – ich möchte dir (in Richtung Vizepräsident Mag. Himmer) als Präsi­dent nicht näher treten, weil ich weiß, dass du eine Funktion im Fußball hast – sollte man vielleicht einmal überlegen, ob man nicht das Management des Bundesministe­riums für internationale und europäische Angelegenheiten in seiner Professionalität, Ausdauer und Personalentwicklung (Bundesrat Stadler: Den Teamchef auch noch!) zum Fußballbund überträgt, damit wir auch im Fußball endlich nicht nur die Hoffnung haben, sondern auch tatsächlich Siege feiern können. – Das zum Sicherheitsrat.

Das Zweite, das ich in diesem Zusammenhang erwähnen möchte, ist, dass meiner An­sicht nach Österreich auch deswegen den Sitz im Sicherheitsrat zum dritten Mal be­kommen hat, weil wir uns im Rahmen des Peacekeepings wirklich stark engagieren, aber auch – jetzt im Zusammenhang mit der Europäischen Union –, obwohl es mit ganz besonders großem Risiko verbunden war, in den Tschad gegangen sind, in ein für das österreichische Bundesheer gänzlich neues Terrain, und uns bisher, was man so hört, hervorragend geschlagen haben. Das heißt, wir haben den Fuß auch nach Afrika ausgestreckt.

Das Dritte, das ich in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt lassen möchte, ist, dass wir auch bei Katastrophen immer wieder mit Trinkwasseraufbereitungsanlagen ra­schest zur Verfügung stehen.

Nun zum eigentlichen Außenpolitischen Bericht: Hier darf ich mich dem Lob meiner Vorredner voll und ganz anschließen – an die hohe Beamtenschaft des Bundesminis­teriums für auswärtige Angelegenheiten und selbstverständlich auch an den Herrn Staatssekretär, der sicher auch seinen Beitrag dazu geleistet hat.

Ein ganz kleiner Wermutstropfen ist leider auch enthalten, aber vielleicht war ja die Zeit zu kurz. Denn als wir letztes Mal den Außenpolitischen Bericht behandelt haben, habe ich darum gebeten, die Grundsatzreden unserer Außenpolitiker – Bundespräsident, Bundeskanzler, Außenminister und so weiter –, wenn sie von ganz besonderer Bedeu­tung sind, auch in den Außenpolitischen Bericht als hervorragendes Nachschlagewerk


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einzufügen. Das hat nicht stattgefunden. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt; ich hoffe, im Bericht 2008 wird dann Derartiges enthalten sein.

Herr Professor Konecny, Sie haben in Ihrer Rede zu dem Bericht sehr weise Worte gesprochen, indem Sie gesagt haben, dass in der Außenpolitik trotz aller Spannungen auf verschiedensten Gebieten in der Regel doch mit einer gemeinsamen Stimme ge­sprochen wird. In diesem Zusammenhang darf ich an Sie appellieren – weil ich Sie als renommierten Außenpolitiker schätze –, dass Sie in Ihrer Partei alles versuchen, dass wir in der Frage der Europäischen Union wieder auf einen gemeinsamen Nenner kom­men. Denn so, wie es jetzt ausschaut, haben Sie sich leider den europakritischen Tö­nen der FPÖ und des BZÖ zu stark angenähert.

Ich darf auch eine andere nicht unbedeutende Stimme in der SPÖ erwähnen, nämlich den Bürgermeister von Wien. Er war es immerhin, der in der Landtagssitzung am 10. Juli 2008 gesagt hat, dass er das mit dem Brief nicht gemacht hätte. Aber, wie ge­sagt, es war zu spät.

Nun zu einem weiteren Thema, das mir in hohem Maße am Herzen liegt: Es ist ein Er­eignis, das im August dieses Jahres stattgefunden hat, nämlich dass zwei Europarats­mitglieder, Georgien und Russland, in den Krieg gezogen sind. Das ist für den Europa­rat etwas gänzlich, aber wirklich nur negativ Neues. (Bundesrat Schennach: Also eines hat angegriffen!) Nein, bitte, jetzt warten wir ... (Bundesrat Schennach: Beide sind nicht in den Krieg gezogen!) Ich sage ausdrücklich: in den Krieg gezogen; das müssen wir noch abwarten. (Bundesrat Schennach: Nicht die Geschichte verfäl­schen!) Das müssen wir abwarten. Ich komme dann gleich dazu, warum ich das so formuliere und nicht anders. (Bundesrat Schennach: Normalerweise greift einer an!)

Dieser Krieg, der stattgefunden hat, hat Europa – meiner Ansicht nach zu Recht – er­schüttert, und so kann es in Europa nicht weitergehen, vor allem, wenn man Mitglied des Europarates ist. In der Europäischen Versammlung ist die Diskussion darüber sehr heiß gewesen, ob man den Russen das Stimmrecht weiterhin lassen soll, ob man sie eine gewisse Zeit suspendieren soll. (Bundesrat Schennach: Den Georgiern schon! Dem Aggressor ...!)

Es hat dann eine Resolution gegeben, wobei man gesagt hat: Nein, es soll einstweilen so bleiben, wie es ist, aber es wird ein Bericht verlangt, aus dem hoffentlich eindeutig hervorgeht, wann was wie und wo stattgefunden hat. Was das Militär betrifft, würde ich sagen, dass man versucht, die beiden Kriegstagebücher Russlands und Georgiens zu­sammenzuführen und herauszufinden, was tatsächlich wann stattgefunden hat. Dieser Bericht soll relativ bald vorliegen, in der Jänner-Session wird er dann einer Beratung zugeführt werden. Welche Konsequenzen gezogen werden, wird man sehen. Wichtig für den Europarat, aber auch für Österreich ist jedoch, dass man herausfindet, was wirklich die Wahrheit ist. (Bundesrat Schennach: Aber Sie wollen doch nicht behaup­ten, dass die Russen angegriffen haben?)

Bitte, ich äußere mich dazu nicht! Schauen Sie, jetzt warten wir einmal ab, was in dem Bericht genau stehen wird. Denn eines kann ich Ihnen im Zusammenhang mit dem Europarat sagen, Herr Kollege Schennach: Die Propagandaabteilungen der Russi­schen Föderation und der Georgier waren sehr gut aufmunitioniert, emotional in jeder Richtung. Da kann man nur sagen: Ob man diese Nebel, die von allen Seiten gestreut oder geschossen worden sind, jetzt wirklich schon durchdringt oder ein bisschen war­tet, bis sie sich gehoben haben, das ist so ähnlich wie für Napoleon die Sonne von Austerlitz.

Nun einige Anmerkungen zu Georgien: Ich bin der Meinung – das ist aber auch bestä­tigt –, dass die Präsidentenwahl in Georgien im Jänner 2008 sicher nicht so wie in Ös­terreich war, sondern dass es dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Wahlfälschungen


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gekommen ist, auch wenn die Vereinigten Staaten bestätigt haben, dass die Wahl in Ordnung gewesen sein soll. Die OSZE hat sich aber äußerst kritisch dazu geäußert.

Zweite Bemerkung dazu: Wenn jemand in den USA studiert hat, gearbeitet hat und Englisch spricht, heißt das noch lange nicht, dass es sich um einen Demokraten han­delt.

Dritte Bemerkung dazu: In allen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion ist es natürlich die Frage, wie es mit der Demokratie steht. Da muss man jetzt sagen, sie ha­ben dort keine persönliche Erfahrung, und aufgrund dieser nicht vorhandenen persön­lichen Erfahrung befinden sie sich in einem Lernprozess, der unterschiedliche Fort­schritte zeitigt. Wenn man diese Staaten auf einer Linie aufträgt, stellt man eben fest, dass die einen ein bisschen mehr demokratisch sind, die anderen weniger. Selbst die EU-Mitglieder haben hier gewisse Abstufungen aufzuweisen.

Dass ich all das sage, hat einen Grund: Am 22. Oktober 2008 findet eine Geberkonfe­renz statt, da geht es natürlich um Europageld, EU-Geld in hohem Maße. Ich würde sa­gen, dass diese Geberkonferenz zu früh angesetzt ist, denn hier sollte man doch ein­mal den Europaratsbericht abwarten. Die Genfer Gespräche, die am 15. Oktober 2008 gescheitert sind – angeblich hätte auch Südossetien noch dazukommen sollen, auch Abchasien –, werden erst am 18. November 2008 fortgesetzt, also relativ spät. Und nur dann, wenn diese Gespräche zu einem positiven Ergebnis kommen, sollte meiner An­sicht nach die EU darüber entscheiden, ob man hier irgendwelche Gelder flüssig macht oder nicht.

Ferner ist aus meiner Sicht auch die wichtige Frage zu klären, wie das in Hinkunft mit Pässen für russische Abkömmlinge in diesen Gebieten ist. Daher richte ich die Bitte auch an die österreichische Außenpolitik, in dieser Frage eher zu bremsen und vor allem sicherzustellen, dass, sollten irgendwelche Gelder flüssig gemacht werden, auch die Möglichkeit besteht, dass die EU parallel und nicht erst im Nachhinein kontrollieren kann.

Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen, zuletzt möchte auch ich meinen Dank an Herrn Staatssekretär Dr. Winkler ganz besonders aussprechen, nicht nur da­für, dass es ihm gelungen ist, dass wir Sicherheitsratsmitglied werden, sondern auch für die hervorragende Zusammenarbeit, für die Freude an seiner Tätigkeit, die immer festzustellen ist an seiner Mimik, an seiner Gestik, weiters für die Kompetenz, die er bei allen Gesprächen ausgestrahlt hat, die wir mit ihm geführt haben, und dafür, dass er menschlich auch so wirklich menschlich ist. In diesem Sinne: herzlichen Dank! (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

16.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staats­sekretär Dr. Winkler. – Bitte.

 


16.35.50

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Hans Winkler: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In meiner relativ kurzen bisherigen politischen Akti­vität ist dies wahrscheinlich auf der einen Seite die angenehmste Rede, die ich halten darf. Denn so viel Lob für das Haus, das ich hier vertrete, ist natürlich besonders ange­nehm. Auf der anderen Seite – ich weiß nicht, ob Sie es sehen – bin ich jetzt schon sehr rot geworden, und ein bisschen habe ich auch das Gefühl, dass hier Nachrufe ge­halten worden sind. Die Nachrichten über meinen Tod sind noch etwas verfrüht. (Hei­terkeit. – Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Ich darf mich wirklich bei Ihnen allen sehr herzlich bedanken, nicht nur für die heutigen anerkennenden Worte an die Adresse der Ministerin sowie aller Beamtinnen und Be­amten des Außenministeriums, sondern auch an meine Adresse. Ich habe – und viele von Ihnen, vor allem jene, die beim Europarat tätig waren, wissen das – immer mit be­sonderer Freude mit den Parlamentariern dieses Hauses, dieser Kammer und der an­deren Kammer, zusammengearbeitet, und ich kann wirklich nur bestätigen, dass auch die Bundesräte, dass der Bundesrat eine ganz wichtige Funktion in der österreichi­schen Außenpolitik hat.

Ich danke auch für die anerkennenden Worte für unsere erfolgreiche Sicherheitsrats­kandidatur. Ganz ausdrücklich möchte ich betonen, dass wir, glaube ich, deswegen er­folgreich waren, weil das gesamte offizielle Österreich hinter dieser Kandidatur gestan­den ist. Der Herr Bundespräsident hat sich dafür eingesetzt, der Bundeskanzler hat sich dafür eingesetzt, alle Minister haben sich dafür eingesetzt, auch die Abgeordneten haben sich bei ihren Kontakten mit ausländischen Gesprächspartnern dafür eingesetzt. Daher ist, glaube ich, auch vermittelt worden, dass Österreich insgesamt dahinter steht.

Ich möchte da etwas aufgreifen, was Herr Professor Konecny gesagt hat und was mir auch ganz besonders am Herzen liegt, das ist die Frage der Nachhaltigkeit. Wir haben natürlich schon im Vorfeld gesagt, wir hoffen, dass wir gewählt werden, und wir waren auch optimistisch – aber wir haben auch immer gesagt: Unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht, haben wir bereits gewonnen, weil die Tätigkeit in den letzten rund vier Jahren dazu geführt hat, dass wir unser internationales Netzwerk ganz erheblich ver­bessert haben, in allen Kontinenten, in allen Regionen, insbesondere aber in Afrika.

Dass wir heute eine gute, anerkannte Afrikapolitik haben, hängt natürlich auch mit der Kandidatur für den Sicherheitsrat zusammen. Wir haben auch etwas erreicht, was un­serem Haus schon lange, seit vielen Jahren ein Anliegen war: Wir haben – wenn auch nicht so viel, wie wir es uns gewünscht hätten, aber doch – unsere Mittel für die frei­willigen Beiträge zu den internationalen Organisationen um immerhin 5 Millionen 2007 und 5 Millionen 2008 erhöhen können. Damit stehen wir schon ein bisschen besser da als in der Zeit davor.

Da kann ich das gerne aufgreifen, was Herr Bundesrat Schennach gesagt hat. Ich teile Ihre Enttäuschung, ich hätte mir auch gewünscht, dass es Kollegen Matznetter und mir gelungen wäre, hier etwas vorzulegen. Wir sind ja beauftragt worden, einen Pfad zu entwickeln, der zumindest in die richtige Richtung gewiesen hätte. Ich hoffe daher und spreche das hier auch ganz deutlich an und aus, dass die nächste Bundesregierung und das nächste Parlament für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen werden.

In der Tat ist der Anteil unserer Entschuldung mit etwa 50 Prozent viel zu hoch. Er soll nicht in Zweifel gestellt werden, dies ist rechtens, aber wenn wir davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren die Entschuldung stark zurückgehen wird, dann frage ich mich schon, woher wir die Mittel nehmen werden, die dazu führen, dass wir unseren Ver­pflichtungen, die wir übernommen haben, nämlich 0,51 Prozent des BNE bis 2010 als Entwicklungshilfe zu leisten, nachkommen wollen. Ich glaube, da ist die nächste Bun­desregierung gefordert, und ich glaube und hoffe, dass dies auch tatsächlich gesche­hen wird.

Herr Bundesrat, wir sind in vielen Dingen einer Meinung, darunter auch darüber, dass wir es selbstverständlich bedauern, dass der Vertrag von Lissabon nicht wie vorgese­hen am 1. Jänner in Kraft treten kann. Das ist äußerst problematisch, auch problema­tisch im Hinblick auf die nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament. Es ist noch äußerst unklar, was die Rechtsgrundlage dafür sein wird. Man stellt hiezu verschie-


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dene Überlegungen an. Auch die Zusammensetzung der nächsten Europäischen Kom­mission ist eine Frage, die geklärt werden muss, und ich hoffe, dass die irische Regie­rung, die irischen Vertreter wie versprochen beim Europäischen Rat im Dezember mit Vorschlägen kommen werden, zumindest mit einem Zeitplan, wie man dieses Problem allenfalls lösen könnte. (Bundesrat Schennach: Es schaut aber schlecht aus!)

Ich gebe Ihnen auch darin Recht, dass die Aussichten, dass man in absehbarer Zeit etwas vorlegt, nämlich rechtzeitig, um dann im Juni die Wahlen schon nach dem neuen Vertrag durchführen zu können, relativ gering sind.

Was Serbien betrifft, Herr Bundesrat, bin ich auch Ihrer Meinung, und Sie wissen, dass Österreich zu jenen Ländern gehört, die sich konsistent dafür einsetzen, dass das Ab­kommen von der Kommission sofort angewendet wird, wie das üblich ist, und zweitens, dass der Ratifikationsprozess eingeleitet wird. In der Tat war es so, dass man auch die Auslieferung General Gotovinas nach Den Haag erst zu einem Zeitpunkt verlangt hat, als die Verhandlungen über den Beitritt zur Debatte standen. (Bundesrat Schennach: Genau!) Daher denke ich, dass man Serbien nicht schlechter behandeln sollte. Es wäre auch wichtig, gerade diese doch noch etwas fragile Regierung, die sich jetzt ge­bildet hat, die eine pro-europäische Regierung ist, zu stärken.

Was die zivilen Missionen betrifft, kann ich Ihnen auch nur beipflichten. Wir haben im­merhin ein gewisses Reservoir an Personen – wir haben gerade jetzt bei der Georgien-Mission auch wieder einen Menschenrechtsexperten, eine Menschenrechtsexpertin im Team. In der Tat wäre es durchaus angemessen, wenn man mehr für die zivilen Mis­sionen täte.

Was den Auslandskatastrophenfonds betrifft – nach dem Bundesministeriengesetz ist er schon im Außenministerium, aber er ist nackt im Außenministerium. (Bundesrat Schennach: Eben!) Das heißt, er ist mit – so glaube ich – 1 000 € dotiert (Bundesrat Konecny: No!), was angesichts der Katastrophen nicht genug ist. Wir müssen jedes Mal per Ministerratsbeschluss an das Finanzministerium herantreten, um die nötigen Mittel zu bekommen, und die sind äußerst schwierig zu bekommen.

Daher ist es unser Anliegen, das kann ich auch nur für jetzt sagen, denn vielleicht hat der nächste Außenminister/die nächste Außenministerin – wir wissen ja nicht, wer es werden wird – andere Ideen, aber aus heutiger Sicht würden wir uns wünschen, dass wir ins Außenministerium einen Auslandskatastrophenfonds bekommen, der auch do­tiert ist, und zwar so dotiert ist, dass man damit auch in der Tat etwas anfangen kann.

Bei Georgien, Herr Bundesrat Kühnel, handelt es sich in der Tat um eine etwas kom­plexe Situation. Ich wage hier nicht den genauen Hergang zu beurteilen. Nicht nur der Europarat, auch die Europäische Union und in der Zwischenzeit auch die Vereinten Nationen haben eine internationale Kommission eingerichtet, die klären soll, wie der genaue Ablauf der einzelnen Schritte war, darunter nicht nur, aber das dürfte ziemlich unbestritten sein, dass die ersten Kampfhandlungen in der Tat von Georgien ausge­gangen sind, sondern auch, ob die Antwort Russlands auch proportional war und wie die Frage des Status der beiden Provinzen zu beurteilen ist. (Bundesrat Schennach: Das ist ja etwas anderes, als Kühnel gemeint hat!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen herzlichen Dank für die vielen Freundlichkeiten und für die gute Zusammenarbeit. Auch ich habe sie immer sehr genossen. Vielen herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

16.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke, Herr Staatssekretär.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 63

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Berichte und Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise.

Die Sitzung ist geschlossen.

16.45.17Schluss der Sitzung: 16.45 Uhr

 

 

 

 

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