BundesratStenographisches Protokoll772. Sitzung / Seite 23

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1686/M-BR/2009

„Wie bewerten Sie die jüngsten Entwicklungen im Iran, insbesondere im Zusam­men­hang mit dem Vorwurf des systematischen Wahlbetruges?“

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, das, was ich vielleicht ein bisschen näher ausführen kann, ist, was wir wirklich an Fakten vorliegen haben. Es gab bei diesen Wahlen keine internationalen Beobachter, sodass wir sind auf das angewiesen, was wir über Quellen im Iran direkt erfahren.

Was können wir sagen? – Es gab eine vom Wächterrat in Auftrag gegebene stich­probenartige Nachzählung, und wir haben aus unseren Quellen gehört und erfahren – nicht offiziell vom Wächterrat; offiziell hieß es nur, es gab einige Irritationen und Irre­gularitäten, die aber auf das Wahlergebnis keinen Einfluss hatten –, dass es wesentlich mehr Stimmen gab, die ausgezählt wurden, als die Zahl der Stimmen, die abgegeben wurden, was den Verdacht nahelegt, dass es offensichtlich vielleicht in den Wahlurnen schon vorher Stimmzettel gegeben hat, die nicht abgegeben wurden, sondern sich vorweg dort befunden haben. Aber das sind Verdachtsmomente, die wir in dem Sinn nicht belegen können, weil uns die Zugänge dazu fehlen.

Es gab trotz der Forderungen an den Iran und das iranische Regime keine Möglichkeit für internationale Beobachter, solche Nachzählungen durchzuführen und die Resultate zu vergleichen. Daher müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass jetzt der Wächterrat erklärt hat, dass es keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gibt und der Kandidat Ahmadinejad mit, wie ich glaube, 64 Prozent gewählt ist.

 


Präsident Erwin Preiner: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Es sind heute auch schon die Konsequenzen angesprochen worden. Meine konkrete Frage: Gibt es Überlegungen, aufgrund dieser Entwicklung diplomatisches Personal abzuziehen?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger: Sehr geehrter Herr Bundesrat, diese Überlegungen gibt es in der Euro­päischen Union insgesamt, aber das ist ein Instrument der Außenpolitik, das man dann einsetzen muss, wenn es im Lichte von Ereignissen gerade als besonders wichtig erscheint.

Ich halte daher nichts davon, das vorweg anzukündigen, denn wir dürfen eines nicht vergessen: Wir wollen dort eine Betreuung für unsere österreichischen Staatsbürger haben – es gibt etwa 280 Österreicher im Iran, die in Teheran leben, denen wir auch gewährleisten müssen, dass wir sie notfalls schützen –, und auf der anderen Seite wollen wir durch unsere Maßnahmen nicht, dass das iranische Regime seiner Bevöl­kerung gegenüber sagen kann: Das alles ist eine böse Einmischung von außen, die nur dazu dient, unser Regime und unsere Art von Politik in Frage zu stellen! – Damit würden wir auch den Kräften im Iran, die auf eine Veränderung drängen, eigentlich nichts Gutes tun.

Diese Gratwanderung müssen wir machen, daher werden wir jetzt keine Ankündigun­gen machen, sondern für den Fall, dass sich die Lage in eine besondere, „scharfe“ Richtung entwickelt, auch eine solche Maßnahme überlegen, aber wir werden dies­bezüglich vorweg keine Festlegungen treffen. – So haben wir das auch innerhalb der Europäischen Union am Sonntagabend in Korfu miteinander beschlossen.

 


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