BundesratStenographisches Protokoll785. Sitzung / Seite 85

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13.41.18

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Vielen herzlichen Dank für den Bericht, der ja wirklich auch sehr kompakt und informativ ist und sehr gut veran­schaulicht, was die Ziele und Vorgaben der Kommission und des Rates in den nächs­ten Jahren sind und auch die Ansicht Österreichs zu den verschiedenen geplanten Maßnahmen festhält.

Ich möchte diesen Bericht dazu nutzen, ein paar Worte über das angeführte Arbeits­programm der Kommission 2010 zu sagen, das als eine Art Leitlinie für die Zukunft gilt. Ich habe mich sehr über dieses Arbeitsprogramm gefreut, das sich in seinen Zielen der Bekämpfung der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa verschrie­ben hat. Positiv in diesem Zusammenhang ist die Bekämpfung der Armut, die Bewah­rung der sozialen Marktwirtschaft und die Überarbeitung der derzeitigen Arbeitszeit­richtlinie. Man könnte sogar annehmen, dass es zurzeit eine politische Trendumkehr der Europäischen Kommission gäbe und dass die Kommission aufgrund der Wirt­schaftskrise aus ihren politischen Fehlern in der Vergangenheit gelernt hätte. Bei genauerer Betrachtung des Arbeitsprogrammes ist die Hoffnung jedoch wieder dahin. Gerade dieses Arbeitsprogramm zeigt, dass man sehr wachsam sein muss und wir sehr darauf werden achten müssen, dass nicht auf europäischer Ebene unter dem Vorwand der Budgetkonsolidierung sozialer Kahlschlag betrieben wird und die euro­päischen Sozialsysteme unter die Räder kommen.

Ich möchte das anhand konkreter Beispiele verdeutlichen: Das erwähnte Grünbuch der Kommission zu den Pensionen sieht nicht einmal mit einem einzigen Wort das öffentliche Pensionssystem vor, was sehr bedenklich ist. Es geht ausschließlich um die kapitalgedeckten Pensionen – und das, obwohl wir noch immer alle Hände voll zu tun haben mit den Auswirkungen der Finanzkrise. Anstatt immer nur zu überlegen, wie man Einsparungen im Pensionssystem vornehmen und das Pensionsantrittsalter hinauf­setzen könnte, wäre es einmal an der Zeit, sich grundsätzlich zu überlegen, welche Form des Pensionssystems wir überhaupt anstreben. Und da hat sich gerade in Zeiten der Finanzkrise die Überlegenheit des umlagefinanzierten Pensionssystems und die Problematik des kapitalgedeckten Pensionssystems gezeigt, bei dem Gelder von Arbeitnehmern in Fonds gebündelt und auf Finanzmärkten verspekuliert werden. Wer heute die Spekulation bekämpfen möchte, muss das öffentliche System stärken und muss das natürlich auch auf europäischer Ebene diskutieren.

Auch beim Verbraucherschutz besteht die Gefahr, dass durch die Vollharmonisierung Anpassungen an ein niedrigeres Verbraucherschutzniveau stattfinden und es dadurch in Österreich zu einem Rückschritt im Verbraucherschutz kommt.

Weiters ist auch der Vorschlag der Kommission zur Arbeitszeit im Straßenverkehr, nämlich selbständige Lkw- und BusfahrerInnen von der Richtlinie auszunehmen, arbeitsrechtlich sehr bedenklich und für mich auch ein politischer Fehlschlag. Dies hätte nämlich zur Folge, dass in Umgehung dieser Richtlinie die Zahl der Schein­selbständigen zunehmen würde, die eben nicht vom Schutz dieser Arbeitszeitrichtlinie umfasst sind. Aufgrund der dadurch verschlechterten Arbeitsbedingungen steht auch die Verkehrssicherheit auf dem Spiel.

Zur Arbeitszeitrichtlinie möchte ich auch noch ein paar Worte verlieren. Wir haben ja gestern im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz von den Beamten des Ministeriums bereits gehört, dass die Kommission nach Scheitern der Ver­handlungen zu dieser Arbeitszeitrichtlinie nun eine Umfrage bei den europäischen Sozialpartnern gestartet hat, wie denn eine Revision der Arbeitszeitrichtlinie aus­schauen könnte. Die Kommission wird im Sommer höchstwahrscheinlich einen neuen Entwurf vorlegen, und man kann nur hoffen, dass diese Opt-Out-Regelung, deret-


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