BundesratStenographisches Protokoll788. Sitzung / Seite 54

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Ich möchte aber zur eigentlichen Geschichte zurückkommen: Was Bürgermeister Häupl gemacht hat, ist meiner Meinung nach eine Chance, eine Endlosdiskussion endlich zu einem gescheiten Ende zu bringen, indem man nämlich das Volk darüber befragt, was es will. Man muss sich schon damit beschäftigen, was die Wehrexperten sagen, und das sind alles keine Sozialdemokraten.

Der ehemalige Sektionschef im Verteidigungsministerium Reiter – falls Sie ihn gestern im Radio gehört haben – ist bei Weitem kein Sozialdemokrat. Herr Karner, der Chefstratege des Bundesheers, über den man heute im „Kurier“ lesen kann, ist auch kein Sozialdemokrat. Wissen Sie, der Punkt ist, wie diese Herren sagen, dass man auch mit dem Zivildienst nicht rechtfertigen kann, dass man jedes Jahr rund 26 000 junge Männer verpflichtet, einen Dienst zu leisten, die man dann, wie das Militär selbst sagt, überhaupt nicht braucht.

Selbst die Militärs sagen das. Ich durfte gestern selbst am Abend im Fernsehen mit dem Chef der Offiziersgesellschaft diskutieren. Er hat auch gesagt, wir brauchen 5 000 bis 6 000, maximal 10 000 im Jahr. Es ist in Wirklichkeit ein Wahnsinn, dass wir 26 000 Menschen einberufen, die Wehrdienst leisten müssen. Wir stehlen ihnen ein Jahr ihrer Zeit, und dann braucht man den offiziellen Angaben nach nur 5 000 bis 10 000 – das ist doch einfach nicht auszuhalten! Darüber, dass die Leute, die aus dem Bundesheer rauskommen, der Meinung sind, dass das ein Unsinn ist, dass sie ihre Zeit verplempert haben, braucht man sich ja auch nicht zu wundern. Mit all diesen Argumenten kann man die Wehrpflicht beileibe nicht mehr verteidigen, da müsste einem etwas Besseres einfallen.

Zur Geschichte mit der Größe des Landes: Ich möchte das nicht überstrapazieren, aber alle unsere Nachbarländer, ob groß oder klein – mit Ausnahme Deutschlands, wo jetzt aber auch diskutiert wird –, haben längst ein Berufsheer und finden auch Leute für ihr Heer. Das Argument, es würden nur mehr die Dummen zum Heer gehen, wenn wir die Wehrpflicht abschafften – ich habe das gestern wirklich gehört, daher kann ich es sagen –, ist eine Eigeneinschätzung des Heeres, die mir schleierhaft ist. Wie kann man so etwas überhaupt sagen? Ich denke, das alles sind nur vorgeschobene Gründe, und habe auch eine Vermutung, woher das kommt.

Damit möchte ich schließen: Das Heer schleppt seit Jahrzehnten einen aufgeblähten Apparat mit. Die Mannstärke wird reduziert, aber nicht die Beamtenschaft. Wir haben mit Abstand den größten Ministerialapparat und den größten Generalstab aller Länder, Sie können sich das anschauen. Wenn ich höre, wie Herr Reiter, der übrigens, glaube ich, der FPÖ nahestand, sagt, wir brauchen 20 000 bezahlte Leute, die 26 000 Leute ausbilden, von denen wir 5 000 militärisch verwenden – davon 450 im Auslands­einsatz –, dann, so meine ich, hauen wir – mit Verlaub – Geld beim Fenster hinaus, das ist unvorstellbar.

Deswegen finde ich, dass der Herr Bürgermeister vollkommen recht hat. Vor einer Wahl ist der richtige Zeitpunkt, so ein großes Thema aufzumachen, die Aufmerk­samkeit dafür ist da. Ich denke, der Zivildienst darf auf keinen Fall als Begründung dafür verwendet werden, diesen extrem aufgeblähten Apparat weiterhin zu erhalten. Wir müssen uns für die Zivildiener und für die Leistung, die sie erbringen, etwas überlegen – gerade wir als Sozialdemokraten, die immer zum Zivildienst gestanden sind, die ihn damals in den siebziger Jahren maßgeblich eingeführt haben. Wir müssen uns überlegen, wie man die Dienstleistung, die diese jungen Menschen erbringen, attraktiv machen kann, um junge Frauen und Männer dazu zu bringen. Ich denke, Caritas-Präsident Küberl hat mit einem freiwilligen Sozialjahr einen tollen Vorschlag gemacht. Man muss das als Staat natürlich unterstützen, damit die Leute auch Vorteile haben, wenn sie dem Staat und der Gesellschaft Zeit opfern.

 


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