BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 22

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10.11.29

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Brückl, wenn man ein Thema – anscheinend das einzige Thema der FPÖ – auf alle Ebenen herunterbricht, dann hat das nichts mit Föderalis­mus zu tun, sondern lediglich mit Populismus. (Bundesrat Brückl: Welches Thema war das denn jetzt?)

Vergabe von Wohnungen an Nicht-EU-Bürger – dazu gibt es eine EU-Richtlinie, die besagt, dass derjenige, der fünf Jahre lang in diesem Land wohnt und hier ansässig ist, so zu behandeln ist, als würde er hier eingeboren sein. Das heißt, es steht ihm zu. Das braucht man nicht auf Landesebene abzuspielen. Gemeindeebene, Landesebene, Bun­desebene – es gibt einfach Themen, die gehören nicht auf diese Ebenen; Menschen­rechte zum Beispiel gehören zu diesen Themen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Zurück zum Föderalismus! Der Föderalismus ist ein Organisationsprinzip – der Herr Landeshauptmann hat es schon kurz erläutert, ich habe es ein bisschen ausführlicher erläutert gefunden –, „bei dem die einzelnen Glieder über eine gewisse Eigenständig­keit verfügen, aber zu einer übergreifenden Gesamtheit zusammengeschlossen sind“.

Die Definition des Wortes Organisation finde ich in dem Zusammenhang noch interes­santer. „Eine Organisation ist eine soziale Struktur, die aus dem planmäßigen und ziel­orientierten Zusammenwirken von Menschen entsteht und sich zur Umwelt abgrenzt.“

Wenn ich mir jetzt die Organisationsstruktur des österreichischen Föderalismus an­schaue, dann muss ich sagen, es fehlen großteils die Planmäßigkeit und die Zielorien­tiertheit. Sie haben schon erwähnt – ich habe mich auch gefreut, das zu hören –, dass Sie der Meinung sind, dass nicht jedes Thema auch ein Thema des Föderalismus ist und dass man nicht alles auf Landesebene regeln kann, will und soll. Ich habe einfach den Eindruck, dass die Struktur absolut fehlt.

Ein kleines Beispiel dazu etwa aus dem Bereich Umweltschutz: Seit mittlerweile sechs Jahren, wie ich glaube, diskutiert die Landesumweltreferentenkonferenz über ein Kli­maschutzgesetz. An oberster Stelle sitzt der Minister, der zu verantworten hat, dann kom­men andere Minister, die eigentlich auch damit zu tun, aber es nicht zu verantwor­ten haben und sich auch nicht rechtfertigen müssen, und an letzter Stelle sitzen dann noch die Länder, die im Bereich Wohnbau, Verkehr et cetera sehr viel mit dem Klima­schutz zu tun haben und sehr viel einwirken, die aber überhaupt keine Verantwortung übernehmen müssen. Wenn Klimaschutzziele nicht erreicht werden, dann betrifft das in erster Linie den Minister, er muss dafür den Kopf hinhalten.

Dass seit nunmehr sechs Jahren darüber diskutiert wird, wie man das regeln kann, dass diejenigen, die verursachen, und diejenigen, die die Gesetze beschließen, die die Regelungen erfinden, gleichermaßen zur Verantwortung gezogen werden, wenn die Maßnahmen nicht beziehungsweise nicht ausreichend greifen, und man noch immer zu keinem Ende gefunden hat, das, denke ich, ist leider ein Armutszeugnis für die Art und Weise, wie wir unseren Föderalismus leben.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass es oft verwirrende Zuständigkeiten gibt, ist der öffent­liche Verkehr. Die Diskussionen betreffend die Bahn finden hier bei uns, aber natürlich auch sehr viel in der Öffentlichkeit statt. Wenn man sich als Bürgerin/als Bürger dieses Landes mehr öffentlichen Verkehr wünscht, dann kann man sich an die ÖBB wenden. Die ÖBB sagen: Wer zahlt, schafft an; wir bekommen nicht mehr Geld, wir können euch also nicht mehr zur Verfügung stellen! Man kann sich an die Länder wenden, die ja eigentlich für den Regionalverkehr zuständig sind. Die Länder sagen dann: Na ja, wir haben die Zuständigkeit erhalten, aber der Bund gibt uns kein Geld dafür. Man kann sich dann an den Bund wenden, und der sagt: Na ja, gesetzlich sind die Länder zu­ständig.

 


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