BundesratStenographisches Protokoll798. Sitzung / Seite 39

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11.02.34

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Familienbericht ist sehr – wie soll man sagen? – schwerwiegend. (Heiterkeit.) Der Umfang des Familienberichtes ist leider so groß, dass es wirklich schade ist, dass wir ihn nicht so ausführlich diskutieren können, wie er es wert wäre.

Was mir sehr gut daran gefällt, ist, dass er eine Fülle von Inhalten, eine Fülle von Sichtweisen bringt. Was mir weiters sehr gut daran gefällt, ist, dass der Bericht mehr oder weniger nicht nur nach einem Muster gestrickt ist, sondern dass verschiedene Institute verschiedene Wichtigkeiten hervorheben. Das finde ich toll, das finde ich super, aber es ist eben schade, dass man dieses Paket im Rahmen einer Diskussion nicht wirklich gut abhandeln kann.

Ich möchte trotzdem drei Bereiche kurz anschneiden. Das eine ist der Bereich Gewalt in der Familie. Es sind eigentlich zwei Kapitel, die sich ein bisschen näher damit beschäftigen. Ich habe da sehr interessante Beiträge gefunden. Aus den Tabellen, die wir heute zum Teil auch noch im Sicherheitsbericht sehen werden, ist auch ersichtlich, dass ein Großteil der Gewaltdelikte, wie etwa schwere Körperverletzung, vor allem im Bereich der Familie und im Bekanntenkreis passieren. Das ist an und für sich ja nichts Neues. Es ist bekannt, dass es Gewalt in Familien gibt. Es hat irgendjemand einmal die These aufgestellt, es ist eigentlich weniger gefährlich, im Central Park spazieren zu gehen als zur Familie heimzugehen. Das ist vielleicht übertrieben, aber es wird trotzdem immer wieder unterschätzt, wie viel Gewalt im Bereich der Familie passiert im Vergleich zu dem, was man immer in der Zeitung liest vom bösen, fremden Unbe­kannten, der einem etwas zuleide tut.

Mein Wunsch wäre, dass wir daraus auch Schlüsse ziehen, auch hinsichtlich dessen, was man den Kindern beibringt. Meine Kinder haben in der Schule noch immer gelernt: Nimm keine Zuckerl von dem bösen fremden Mann!, und: Bloß nicht ins Auto steigen! Das sind wichtige Hinweise, aber ich glaube, es wäre ganz, ganz wichtig, dass Kinder auch in der Schule, vor allem in der Schule, lernen, wie man mit Übergriffen in der Familie umgeht. Wie kann ich mich wehren, wie kann ich Nein sagen? Das sind Dinge, die wir als Eltern nicht so gerne haben, etwa dass Kinder Nein sagen, aber im Prinzip ist es ganz, ganz wichtig, damit sie lernen, sich gegen Dinge zu wehren, die sie nicht wollen.

Im Prinzip sind diese Dinge, die ich jetzt sage, nicht neu. Dass es sehr viel Gewalt in der Familie gibt, das ist nicht neu, auch nicht, dass es eigentlich das Richtige wäre, dass Kinder lernen, Nein zu sagen. Ich habe den Eindruck, dass es sich leider in der Pädagogik noch nicht so wirklich herumgesprochen hat und dass da viel zu wenig geschieht, um Kinder auch in diesem Fall zu schützen.

Es ist auch interessant, dass in den Unterlagen die tollen Auswirkungen des Gewalt­schutzgesetzes durch die Anzahl der Wegweisungen belegt werden. Ich würde mich freuen, wenn das durch einen Rückgang bei der Anzahl der Übergriffe belegt würde. Aber ein großes Problem in diesem Zusammenhang ist sicherlich, dass sehr viel Gewalt in der Familie und – ich will das erweitern – auch im Bekanntenkreis nicht ange­zeigt wird, weil man eben die Täter kennt, weil man oftmals von ihnen abhängig ist und dann nicht weiß, was es für Auswirkungen hat, wenn man die Betreffenden anzeigt.

Ich glaube, dass es in Österreich auch da einen ganz großen Nachholbedarf gäbe. Man müsste versuchen, diese Schranke zu überwinden, indem man Möglichkeiten bietet, über Gewalt in Familie und Bekanntenkreis zu sprechen, ohne gleich anzeigen zu müssen, und indem es da auch Anlaufstellen gibt.

 


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