BundesratStenographisches Protokoll803. Sitzung / Seite 141

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Ich glaube, was viel wichtiger ist in diesem Zusammenhang, ist – und Sie haben es gesagt – Folgendes: Es passiert halt jetzt, dass erst nach vielen Jahrzehnten darüber gesprochen wird. Da muss man ansetzen. Wir müssen alles tun, dass die Opfer die Möglichkeit bekommen, früher darüber zu sprechen, um diese Taten auch früher aufar­beiten zu können. Dann tut man sich auch leichter, eine gerichtliche Aufklärung vor­nehmen zu können.

Wir sollten aus diesen Vorfällen lernen, dass wir wirklich auch die entsprechenden Ein­richtungen zur Verfügung stellen müssen, dass die Opfer rasch gute Möglichkeiten ha­ben, früher über die Taten zu sprechen. Das hilft den Opfern, und es ist aus rechtlicher Sicht auch leichter möglich, die Taten aufzuklären, wenn sie noch nicht so lange zu­rückliegen.

Wir sind da auf einem guten Wege. Es besteht heute eine ganz andere Sensibilität ge­genüber solchen Taten, als es früher der Fall war. Es war hoch an der Zeit, dass diese Sensibilität entwickelt wird. Wir sollten weiter darauf achten, dass diese Sensibilität weiterentwickelt wird, wir müssen die notwendigen Maßnahmen setzen, um wirklich si­cherzustellen, dass solche Taten möglichst zeitnah aufgeklärt und aufgearbeitet wer­den können. Das ist vor allem auch im Sinne des Opfers. – Ich danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Allgemeiner Beifall.)

17.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


17.14.37

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Ich habe mich aufgrund der Debatte spontan zu Wort gemeldet, weil ich aus verschiedenen Gründen mit diesem Thema näher vertraut bin. Ich habe ein bisschen in der Diskussion herausgehört, dass der Missbrauchende ein Anonymus ist. Der ist nicht anonym, und das ist das Problem, Frau Kollegin Mühlwerth, auch in der Bewertung der Strafe.

In vier von fünf Fällen von missbrauchten Kindern kommt der Täter aus der Familie, aus der unmittelbaren Nachbarschaft, oder – und das ist die besondere Herausforde­rung – aus dem Kreis jener, die mit der Erziehung beauftragt sind, aus einem institutio­nellen Rahmen.

Das sind nicht irgendwelche finsteren Männer, die hinter Bäumen oder Büschen lauern und die wir dann möglichst ihr ganzes Leben lang wegsperren, sondern das ist auch eine familiäre Tragödie. Und es ist auch die Qualität – ich schaue jetzt gerade einen Di­rektor einer Schule an (Bundesrat Köberl: Kein Direktor!) – kein Direktor, aber für mich bist du so etwas wie ein Direktor, also lassen wir es dabei –, dass wir gerade in der Schule, in den Familien diese Gesprächsfähigkeit haben müssen, denn das ist ein un­glaubliches Trauma, das hier passiert.

Natürlich: Alle Verschärfungen, die die Frau Ministerin angesprochen hat, sind richtig und wichtig. Aber im Endeffekt – und das ist das Prinzip von Strafvollzug – muss immer noch der Grundsatz gelten: Jeder Mensch, was immer er getan hat im Leben, muss die Chance auf Therapie haben. Ein Sexualstraftäter muss bei allen Blockaden und Ver­längerungen die Chance haben, irgendwann in dieser Gesellschaft wieder resozialisiert zu werden. Das ist der Grundgedanke des Strafvollzugs. (Bundesrätin Mühlwerth: Über 90 Prozent !)

Über 90 Prozent. Ich komme noch einmal darauf zurück, Frau Mühlwerth. Vier von fünf Tätern kommen aus der unmittelbaren Nähe. Das ist der Onkel, das ist der Opa, das sind andere – das können sogar Geschwister sein. Und das ist etwas, was wir uns ein­fach vor Augen führen müssen. Aber wir müssen auch das Umfeld betrachten.

 


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