BundesratStenographisches Protokoll805. Sitzung / Seite 49

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11.16.40

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich finde es ungeheuer spannend, dass wir uns in fast jeder Sitzung mit dem Thema Europa zu beschäftigen haben und dass uns das immer in Atem hält. Europa ist eine ständige, eine permanente Baustelle!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer hätte denn vor 25 Jahren darauf gewettet, dass der Eiserne Vorhang fällt? Wer hätte darauf gewettet, dass die Grenz­kontrollen in Europa fallen? Wer hätte darauf gewettet, dass es eine gesamt­euro­päische Währung, den Euro, gibt? – Wir wären nicht glaubwürdig gewesen, und kaum jemand hätte uns etwas dafür gegeben, wenn wir diese Wetten abgeschlossen hätten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mich noch daran erinnern, wie ich als Student über die Grenze gefahren bin – Oberösterreich/Tschechien in Wullowitz – und in unserem Auto, dem Auto meines Vaters, mit langen Nadeln die Sitze durch­stochen wurden, um zu schauen und zu kontrollieren, ob keine Menschen von einer Seite der Grenze auf die andere geschmuggelt werden. Die Autositze sind durch­stochen worden, Kollege Kraml wird das bestätigen können.

Wir haben in Europa in den letzten Jahren gemeinsam mit der Europäischen Union so vieles erreicht! Ein weiterer persönlicher Eindruck noch, den ich habe: Ich bin als Zwanzigjähriger einberufen worden, als gerade die Tschechen-Krise im Gang war. Ich bin damals mit österreichischen Panzern an die Nordgrenze beordert worden, mit meiner Kompanie. Wir haben Gott sei Dank keine Schüsse gehört, aber die War­schauer-Pakt-Panzerketten haben wir durch den Wald gehört!

Ich muss daher sagen: Wenn heute Leute aufstehen und raunzen und jammern und dieses Europa in ein schiefes Eck stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann verstehe ich das nicht, dann verstehe ich das einfach nicht (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez), dann geht das nicht in meinen Kopf hinein!

Freilich ist Europa ein ständiger Verbesserungsprozess. Wir bauen am gemeinsamen Haus Europa! Derzeit hat es 27 Zimmer, die 27 Mitgliedstaaten, und in wenigen Monaten werden es zusammen mit Kroatien 28 sein. Wir sind gefordert, immer wieder Hand anzulegen, es zu verbessern, vom Keller über das Stiegenhaus bis in die Wohnungen, bis in den Dachboden hinauf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Europa blüht und gedeiht! Manche sagen, sie haben Angst vor der Euro-Entwicklung. Wissen Sie, wovor ich Angst habe? – Wenn wir jetzt noch den Schilling hätten, da hätte ich Angst. Wenn wir eine Währung für 8,5 Millionen Menschen hätten, da hätte ich Angst. Wir haben eine Währung für 330 Mil­lionen Menschen, und dem zollen auch die anderen Kontinente und die anderen Länder Respekt! Da können wir ganz anders auftreten. Was wären wir mit dem Schilling in einer weltweiten Spekulationskrise und in Spekulations­machi­na­tionen? – Da wären wir auf verlorenem Posten. Gott sei Dank haben wir den Euro!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss sagen, Europa kostet natürlich Geld. Auch diese Europäische Bürgerinitiative kostet Geld, selbstverständlich. Demo­kratie kostet Geld, das ist doch selbstverständlich! Wenn immer gesagt wird, das alles kostet so viel Geld: Wir leben seit 67 Jahren in einer friedvollen Gemeinschaft in Europa – seit 67 Jahren, das hat es in der ganzen Geschichte dieses Kontinents noch nicht gegeben!

Mich hat jemand in einer Versammlung gefragt: Was reden Sie da dauernd von Europa und von den Kosten der Europäischen Union? – Dem habe ich dann gesagt: Haben


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