BundesratStenographisches Protokoll807. Sitzung / Seite 66

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12.46.24

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer schwierig, als letzter Redner noch Neues herauszuholen. Vieles wurde gesagt.

Auf einige Punkte möchte ich ganz kurz eingehen. Nichtsdestotrotz wirft dieser sehr gute Bericht dennoch einige Fragen auf, die ich Ihnen gerne stellen würde, Herr Staatssekretär. Auch den VerfasserInnen dieses Berichtes herzlichen Dank, er ist sehr übersichtlich und gut verfasst.

Was den Punkt „EU-Beitritt der Türkei“ betrifft, kann ich jeden Satz, den Kollege Schennach gesagt hat, unterstreichen.

Kollege Krusche, als ich dir zugehört habe, habe ich mir gedacht: Spricht da jetzt ein österreichischer Politiker oder ein türkischer der MHP?, weil das sind genau die Worte, die ein Politiker der MHP, also der türkischen Rechten, der Ultrarechten, verwendet, wenn sie sozusagen die Türkei in Richtung Turkvolk und so weiter vereinzeln möchten.

Das ist nicht die Türkei, die ich sehen möchte! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Die Türkei ist, wie Kollege Schennach richtig gesagt hat, sowohl ein europäisches als auch ein asiatisches Land. Es ist ein Land, und das möchte ich herausstreichen, in dem sich sehr viel bewegt. Es ist sehr viel im Umbruch. Das, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten passiert ist, ist gerade in Aufarbeitung. Es wäre ein strategisch rie­sengroßer Fehler, wenn wir ihnen die Türe vor der Nase zuknallen, denn all diese zivilen Bewegungen, die jetzt im Entstehen sind, sei es im Energiebereich, sei es im Umweltbereich, sei es im Menschenrechtsbereich, sei es in der Frauenpolitik, würde man im Keim ersticken. Die brauchen unsere Unterstützung und Solidarität – was nicht bedeutet, dass wir ihnen einen Persilschein ausstellen zu einem EU-Beitritt.

Unsere Partei, die Grünen, waren von Anfang an die Einzigen, die sich dezidiert ganz klar für einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen haben. Mittlerweile sind einige Jahre vergangen, und es hat sich einiges verändert, und es bedarf sozusagen auch ei­ner Neubewertung. Ich würde heute keinen Blankoscheck mehr unterschreiben, aber ich bin auch nicht Ihrer Meinung, die sozusagen die Türkei außerhalb der EU haben will. Das würde all diese Reformbewegungen im Keim ersticken. Ich glaube nicht, dass das das Ziel Europas und schon gar nicht der österreichischen Außenpolitik sein kann und sein wird.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte – du hast es auch ganz kurz angespro­chen –, betrifft die Asylpolitik. Hier skizziert sich ein sehr skurriles Bild. Einerseits sind die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten jene, die zu Recht vehement Men­schenrechte einfordern und Menschenrechtsverletzungen thematisieren. Aber wenn wir den Blick an unsere Grenzen richten, wenn wir den Blick in so manche Mitglied­staaten richten, wie sie mit AsylwerberInnen und deren Rechten und deren Schutz um­gehen, dann sollte man nicht mit Steinen um sich werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Wir betreiben eine Abschottungspolitik. Die EU entwickelt sich immer mehr zu einer Festung, wo es ganz schwierig ist, auf legalem Wege in die Europäische Union in Si­cherheit zu gelangen. Diese Menschen sind auf die Schlepper angewiesen, und dass die Schlepper diese Menschen doppelt und dreifach ausnehmen, wissen wir.

Präventiv passiert da viel zu wenig. Das, worauf wir bauen, ist, die Zäune zu erhöhen, FRONTEX mit noch mehr Mitteln auszustatten, sich noch mehr militärisches Überwa­chungsgerät und Abhörgeräte anzueignen und verschiedenste Techniken einzusetzen, wodurch noch mehr Menschen an den EU-Außengrenzen zu Tode kommen. Das ist schon eine Doppelbödigkeit, die ich auch unterstreichen möchte.

Weitsichtiger wäre es, wenn wir das Geld, das wir in die Abwehr investieren, auch in präventive Maßnahmen investieren, in Aufklärungsarbeit, aber auch in eine Politik, die


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