BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 141

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Daher hat man auch nicht alle Bezirksstandorte, alle Standorte geschlossen, sondern man hat sich sehr wohl ausgewogen dort hinbewegt, wo es notwendig ist, vor allem unter dem Stichwort der Spezialisierung.

Sicherlich hat auch der Spargedanke eine Rolle gespielt, aber man muss ganz klar sagen: Der Spargedanke allein kann nicht im Vordergrund gestanden sein. Man erspart sich bei der Hardware sicher einiges, aber das ist nicht so viel, dass das der Grund ist, die ganze Software zu verlegen. Im Vordergrund steht eine Qualitätsdebatte, eine Qualitätsdebatte für die Justiz.

Aus diesem Haus kommen im Jahr mehrere tausend Seiten Gesetze. Rechtsanwälte, Richter, Notare: Alle sind sie aufgerufen, diese Gesetze anzuwenden! Ich glaube, es leuchtet jedem ein, dass es niemanden gibt, der in der Lage ist, all diese Gesetze zu kennen, sie zu zitieren und ordnungsgemäß zu beraten, also all jene Aufgaben zu erledigen, die die klassischen juristischen Berufe – Notare, Anwälte, Richter – eben umfassen.

Die Zeiten des juristischen Gemischtwarenhandels sind vorüber. Wir haben die Aufgabe, juristische Supermärkte mit guten Abteilungen zu bauen. Daher ist es richtig gewesen, festzuhalten, dass Gerichte mit ein oder zwei Richtern, die es gibt – da ist natürlich auch ein bisschen Romantik dabei, wenn es das an dem einen oder anderen Ort noch gibt –, nicht mehr der Zeit entsprechen. Das ist eine Anforderung an Richter, die nicht mehr möglich ist, die nicht mehr darstellbar ist, und das ist auch kein Angebot der Qualität für den rechtshilfesuchenden Bürger/für die rechtshilfesuchende Bürgerin, der/die ja auch gut beraten und gut beurteilt werden will, wenn er/sie in ein Gericht kommt. Die Gerichte leisten diesbezüglich gute Arbeit. Sie beraten die Bürgerinnen und Bürger heute schon im Vorhinein an den Amtstagen, es wird auch einiges zur Prozessvermeidung getan. Allerdings ist so eine Beratung schon eine, die richtig sein muss, damit einer/eine zu seinem/ihrem Recht kommt.

Diese Spezialisierung, die in den letzten Jahren vorangeschritten ist, die nirgendwo haltgemacht hat, ganz egal, ob bei Anwaltskanzleien, Steuerberatungskanzleien oder eben jedenfalls bei den Gerichten, hat dazu geführt, dass man gesagt hat: Ein Gericht mit weniger als vier Richtern sollte es nicht geben. Die zahlreichen Rechtsbereiche – das fängt bei Insolvenz- und Strafrecht an, geht über Zivilrecht, das Familienrecht, das ein ganz, ganz großer Komplex geworden ist, wo die Gerichte und die Richter auf vielerlei Ebene, von psychologischer bis hin zur juristischen, gefordert sind – sind nicht mehr bewältigbar, wenn sich ein Richter nicht auf eine Aufgabe spezialisieren und konzentrieren kann.

Ein besonderer Punkt, der bei der Reform auch noch mitgespielt hat, ist natürlich die Sicherheit der Gerichte. Meine Damen und Herren, Sie werden sich mit Sicherheit zurückerinnern an das furchtbare Ereignis im Jahr 1995 im Bezirksgericht Urfahr-Umgebung, wo mehrere Richter und ein Anwaltskollege erschossen worden sind! Erinnern wir uns an Hollabrunn vor gar nicht allzu langer Zeit, wo es einem Verbrecher möglich war, unkontrolliert reinzugehen und sich mit einer Waffe zu seinem „Recht“ – unter Anführungszeichen – zu verhelfen, so wie er es gesehen hat, wie es aber nicht war! Es ist nicht möglich, die Kleinstgerichte ordentlich zu sichern. Die Richterinnen und Richter, die Angestellten der Gerichte, aber auch die rechtshilfesuchenden Bür­gerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, im Gericht sicher zu sein und Rechts­prechung sicher zu erleben. (Bundesrat Ertl: Das hört sich so an, als wären sie im Bezirksgericht nicht sicher!)

Es gibt Gerichte, die nicht ordnungsgemäß gesichert werden konnten. Das ist so. Ich darf Ihnen sagen, dass ich im Zivilberuf Rechtsanwalt bin, und ich habe das selbst erlebt. Es ist ein Unterschied, ob Sie von einem Wachebeamten gemustert werden,


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite