BundesratStenographisches Protokoll812. Sitzung / Seite 182

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wenn Sie mir zuhören, dann werden wir schon dorthin kommen. Dann werden Sie auch erfahren, Herr Kollege, warum ich von einer Glaubenseinrichtung spreche. Das sind wir gleich mitten im Thema. Es gibt nämlich in Saudi-Arabien keine Trennung zwischen Staat und Kirche. Und selbstverständlich ist jede offizielle Einrichtung auch eine Glau­benseinrichtung. Es ist so. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Hören Sie mir kurz zu! Wir können dann gerne noch interagieren. Das ist ja kein Problem. Ich möchte es auch relativ nüchtern machen und nicht emotional. Ich denke, das Thema  (Bundesrätin Mühlwerth: Der Kollege Schennach möchte es aber gerade emotional hochheben!) – Ja, das wäre „super“. Ich denke aber, dass dieses Thema weniger Emotion, sondern mehr Verstand braucht.

Im Jahre 2006 wurde eine junge Frau in Saudi-Arabien zu fünf Jahren Gefängnis und 90 Peitschenhieben verurteilt. Sie hat gegen dieses Urteil berufen – und die Strafe wurde verdoppelt. Das heißt, sie hat statt der 90 Peitschenhiebe 200 Peitschenhiebe und zehn Jahre Gefängnis bekommen. Das „Vergehen“, dessentwegen sie verurteilt wurde, war jenes, dass sie mit einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet war, in einem Auto gefahren ist. Und beide, sowohl die Frau als auch der Mann, wurden von sechs Männern aus dem Auto gezerrt und vergewaltigt. – Und die Frau wurde verurteilt.

Das ist nur ein Beispiel von vielen Beispielen, die an den Motiven, die hier genannt werden, warum dieses Wahhabiten-Zentrum in Wien errichtet werden soll, Zweifel aufkommen lassen, und zwar ganz massive Zweifel. Wenn man sich nämlich – und da bin ich wieder beim Thema, Herr Kollege – die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien ansieht, stellt sie sich so dar: keine Trennung von Staat und Kirche. Die Kirche ist der Staat. Es ist dort ganz klar, dass die Repräsentanten der Kirchen, die Glaubensrepräsentanten selbstverständlich die Staatspolitik vorgeben. Das manifes­tiert sich ja auch in vielen Aussagen des Königs, der natürlich ein absolutis­tischer König ist.

Wie wird denn in Saudi-Arabien mit anderen Glaubensrichtungen umgegangen? – Da rede ich noch gar nicht von der jüdischen Glaubensrichtung. Wenn Sie einen israelischen Stempel im Reisepass haben, dürfen Sie in das Land gar nicht einreisen, wobei man dazusagen muss, dass Touristenvisa ohnehin nicht vergeben werden, denn es werden nur Visa für jene Menschen ausgestellt, die in diesem Land beruflich zu tun haben, oder wenn sie mit einer geführten Reisegruppe einreisen. Als Individualtourist haben Sie ohnehin keine Chance, nach Saudi-Arabien einzureisen.

Aber: Wie geht man dort mit anderen Religionen, mit anderen Glaubensrichtungen um? Wie geht man mit anderen muslimischen Glaubensrichtungen um? Wie geht man mit den Aleviten um? Wie geht man mit den Drusen, mit den Bahai um? – Diese Leute werden verfolgt, werden teilweise ohne Prozess ins Gefängnis gesteckt. Diese Leute haben keine Chance, dass sie ihren Glauben auf ihre Art und Weise ausüben können. Das geht sogar so weit, dass auch schiitische Vertreter dort ohne Prozess eingesperrt werden, weil sie ihre schiitische Glaubensrichtung vielleicht zu offensiv betrieben haben.

Und da rede ich noch gar nicht davon, dass jemand missionarisch tätig wird, das ist gar nicht notwendig. Eine Abkehr vom Islam kann für Männer die Todesstrafe bedeuten. Das ist ein fundamentales System, das hier errichtet wurde. Man stellt sich vor, dass so etwas vielleicht im Mittelalter noch irgendwo Platz gehabt haben könnte, aber das hat heute, in einer aufgeklärten Zeit, in der sich ja auch viele Staaten in der muslimischen Welt durchaus einem offenen Dialog stellen, in keiner Weise irgendeinen Platz mehr.

Diese Doppelmoral, die dann teilweise auch vorgelebt wird – und da gibt es genug Bei­spiele –, lässt auch massive Zweifel daran aufkommen, dass es hier von saudi-


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