BundesratStenographisches Protokoll815. Sitzung / Seite 18

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der Welt. Also diesbezüglich sollte man sich doch überlegen, warum es in Österreich nicht möglich ist, einen gescheiten Forschungsstandort aufzubauen, der auch immer mit dem Wirtschaftsstandort positiv korreliert. Je schlechter die Wirtschaft, desto schlechter die Forschung – das gehört einfach zusammen.

Abschließend: Die Wissenschaft ist frei und muss wieder frei werden, denn diese Wis­senschaft ist leider nicht mehr so autonom, wie sie vor über hundert Jahren war. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Mag. Rausch.)

9.39


Präsident Georg Keuschnigg: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Wissenschaft und Forschung zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


9.39.10

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesen drei Wort­meldungen, die ich jetzt gehört habe, war eine Fülle von Anregungen enthalten, auf die ich gerne einginge. Das würde allerdings den Zeitrahmen sprengen. Erlauben Sie mir daher, dass ich nur auf einige Punkte eingehe, von denen aus ich dann meine Sicht zum Thema zehn Jahre UG expliziere.

Es ist vielfach auf ältere Geschichte Bezug genommen worden, so hat Herr Mag. Pisec zum Beispiel gesagt, dass die Unis früher vor allem aus drei Fakultäten bestanden hät­ten. Es gab aber im 18. Jahrhundert natürlich sehr wohl schon eine ganz bedeutende vierte Fakultät, die man gerade dann, wenn man für die Geisteswissenschaften redet, nicht vergessen dürfte: die Fakultät für Philosophie, die ursprünglich in der Tat eine un­tergeordnete, dienende Rolle hatte als sogenannte Artistenfakultät, die aber dann um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert von der Dienerin zur Königin der Fakultäten wurde und bis heute eigentlich die Königin ist. Allerdings waren in der Philosophie im­mer auch die Naturwissenschaften drinnen, und diese sind heute die Königsdisziplinen; die Geisteswissenschaften waren es im 18. Jahrhundert.

Solche Paradigmenwechsel findet man in der Forschung natürlich ständig. Es gibt da­zu inzwischen auch ein großartiges Buch von Kuhn, das diese Paradigmenwechsel in der Wissenschaft beschreibt, auch ihre Ursachen und Effekte. Natürlich finden ständig Paradigmenwechsel statt. Das gilt für den Inhalt der Wissenschaften, das gilt für die Einzelwissenschaften, das gilt aber auch für die Organisation von Universitäten. Die Universitäten haben eine fast tausendjährige Geschichte, und sie haben in dieser tau­sendjährigen Geschichte immer wieder Wandlungen durchgemacht. Ein Kennzeichen zieht sich jedoch durch – das sieht man, wenn man auf erfolgreiche Universitäten schaut –: das Kennzeichen ihrer Freiheit, das heute auch schon oft betont wurde. Nur dann, wenn Universitäten frei und unabhängig forschen und lehren durften, waren sie wirklich international führend. Sobald sie in den Dienst irgendeiner Ideologie, irgend­eines Interesses genommen wurden, sind sie zurückgefallen.

Das jüngste und das erschreckendste Beispiel, das wir dazu haben, ist ja die Zeit des Nationalsozialismus im 20. Jahrhundert. Vor dieser Zeit war die deutsche Wissenschaft die beste der Welt. Sie war es auch, weil die deutschen und die österreichischen Uni­versitäten durch die Humboldt’schen Reformen – in Deutschland schon 1810, in Öster­reich, auch schon erwähnt, nach 1848 – eine neue Struktur bekommen haben, eine neue Struktur, in der die Freiheit der Wissenschaft noch einmal ganz stark betont und auch organisatorisch fixiert wurde.

Diese Reform und der Geist, der dahinter stand – das war der Geist des deutschen Idealismus und des Neuhumanismus –, haben die deutschsprachige Wissenschaft, um es einfach einmal so zu sagen, an die Weltspitze geführt. Die ganze Welt ist damals schon nach Deutschland und Österreich gepilgert, um zu schauen, wie es die machen,


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