BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 72

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reich sind die, die in erster Linie kommunale Nachfrage für die Klein- und Mittelbetrie­be, dadurch zweitens Arbeitsplätze und drittens effiziente Maßnahmen gegen konjunk­turelle Einbrüche schaffen. Diese Möglichkeiten will man den Gemeinden jetzt nehmen.

Kommissar Barnier sagt selbst, er muss mittlerweile zugeben, dass das Expertenteam, das ihn berät, aus Konzernetagen großer Konzerne stammt. Er selbst sagt wörtlich: Wenn Sie es so wollen, gebe ich Ihnen recht, unsere Expertengruppe könnte ausgegli­chener besetzt sein. Das sagt der Kommissar selbst! Wer sitzt denn da drin? – Thames Water, Veolia, RWE und Gelsenwasser. Das sind Großkonzerne!

Wenn Sie sich das heute in Frankreich anschauen, wo ein Medienkonzern die Abwas­sersysteme aufkauft – aber nicht, um das Abwasser ordentlich für die Kommunen zu entsorgen, sondern um einen Abschreibungsposten zu haben, um andere Gewinne des Unternehmens gegenzurechnen! –, dann ist das etwas, was zeigt: Das kann ein­fach nicht gutgehen. Hier geht es um andere Interessen.

In diesem Geist – dieser Geist ist ja nicht neu, liebe Kollegen und Kolleginnen – wur­den in den neunziger Jahren Trinkwassersysteme privatisiert. Grenoble – Barnier sollte es wissen, er kommt aus dieser Stadt – hat sein Trinkwassersystem verkauft. Es funk­tioniert nicht. Jetzt kauft die Stadt Grenoble es zurück und hat 170 Millionen € an De­fizit durch den Rückkauf zu erleiden.

Die Stadt Berlin hat unter einer anderen Regierung als der derzeitigen ihr Trinkwasser verkauft und kauft derzeit mit enormen Verlusten zurück. 40 Kommunen, große Städte in Europa, kaufen derzeit ihr Wasser zurück. Genau in dem Moment kommt die Kom­mission und unterläuft das! Sie würde jetzt genau die Situation in Berlin unterlaufen.

Nehmen wir noch zwei andere Städte: London und Bordeaux. Verkauftes Trinkwasser! Die Trinkwasserqualität in London und in Bordeaux ist mittlerweile auf den Hund ge­kommen: verschmutzt, bakteriell verseucht, und die Hygiene nicht eingehalten.

Was bringt uns das? – Es gibt Studien, die sagen ... (Ruf: Gewinn!) Gewinn, genau: Es geht um die Gewinnmarge. Wenn Sie für 20 Jahre das Trinkwassersystem bekommen: Werden Sie in Leitungen investieren? Werden Sie in Netze investieren? – Sie werden schauen, dass Sie in den 20 Jahren den maximalen Preis herausholen. Aber Trinkwas­sersysteme oder Abwassersysteme sind langfristige Investitionen, langfristige Investi­tionen, die nur Kommunen in der entsprechenden Sorgfältigkeit machen können! (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP sowie demonstrativer Beifall des Bundesrates Dönmez.)

Deshalb gibt es ein paar Bereiche – und deshalb bin ich auch froh, dass Edgar Mayer hier nicht nur das Wasser angesprochen hat –, nämlich den kommunalen Wassersek­tor, den Abwassersektor, die Abfallbeseitigung, die Energie, die Rettungsdienste, die sozialen Dienstleistungen und das kommunale Verkehrswesen, wo sich der Spaß auf­hört, dass man mit Freihandelsabkommen, mit Wettbewerbsrichtlinien, mit Konzes­sionsrichtlinien ständig versucht, die kommunale Selbstversorgung zu unterlaufen und einem Privatisierungsdruck zu unterwerfen, der der Bevölkerung nichts bringt. Ein paar werden verdienen, und das gesamte System leidet.

Hier sagen wir in aller Freundschaft und als Europäer: Das ist der falsche Weg. Dieser neoliberale Weg hat Europa schon in manche Krisen geführt, jetzt heißt es, eine Um­kehr zu machen. Deshalb gehen wir auch in diese Auseinandersetzung. Da ist der Bundesrat Partner der Städte, der Gemeinden und der Bundesländer. Wir sind froh darüber, dass auch im internationalen Konzert – egal, ob es Abgeordnete von CSU, FDP, SPD oder Grünen sind – an einem Strang gezogen wird, zum Wohle unserer Bürger und Bürgerinnen und zur Garantie der sozialen Versorgung und der Daseins­vorsorge.

Deshalb danke ich dafür, dass wir auch heute, glaube ich, zu einer einstimmigen Be­schlussfassung dieser Entschließung kommen, die unser Regierungsmitglied im Jän-


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