BundesratStenographisches Protokoll824. Sitzung / Seite 89

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12.30.11

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (STRONACH, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kollegen! Wenn wir uns die Situation an­schauen, wie wir das auch von den Vorrednern gehört haben, im bäuerlichen Bereich, bei den bäuerlichen Familien, bei den Bergbauern, bei den Biobauern, dann haben wir Handlungsbedarf. Eine der wesentlichen Steuerungsmöglichkeiten läuft über die Agrar­fördergelder. Wir brauchen eine fairere und effizientere Verteilung der Agrarfördergel­der.

Wir sollten vermehrt österreichische Bauern und Familienbetriebe fördern und weniger internationale Agrarkonzerne und Großbetriebe der EU-Agrarlobby. Die derzeitige Flä­chenförderung bevorzugt Agrargroßkonzerne. Wer mehr Fläche hat, bekommt mehr Agrarförderung. Großbetriebe haben Economies of Scale, Größenvorteile, das heißt, sie können günstiger produzieren – sie haben günstigere Produktionskosten und Ver­waltungskosten, auf Stück gerechnet, gegenüber Kleinbauern.

Viele Kleinbauern werden Jahr für Jahr aus dem Markt gedrängt – wir können das alles im Bericht nachlesen – und müssen ihre Betriebe wegen Unwirtschaftlichkeit schlie­ßen. Die Folge ist der Ausverkauf österreichischer Ackerflächen an Großbetriebe, die dann als Pächter alles bewirtschaften und sämtliche Agrarförderungen einstreifen, obwohl die tatsächliche Arbeit eigentlich von den kleinbäuerlichen Pächtern verrichtet wird.

Überspitzt formuliert führt das System eigentlich zurück zum ehemaligen Feudalsystem des Mittelalters, wenn es wieder Richtung Großgrundbesitzer und pachtabhängiger Bauern geht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Überspitzt formuliert! Überspitzt formuliert!

Die industrielle Agrarmassenproduktion führt zu problematischen Nebeneffekten wie chemischer Überdüngung und Monokulturen. Die Produktion minderwertiger Billigle­bensmittel anstatt gesunder, hoch qualitativer Lebensmittel dominiert. Die Konzentra­tionsprozesse bei Fläche und Tierhaltung sowie die Zukäufe der Agrarindustriekonzer­ne führen zu monopolistischem Preisverhalten, zu Kartellen und Abschöpfung von Mo­nopolgewinnen zu Lasten der Bauern und der Konsumenten.

Hedgefonds an den internationalen Kapitalmärkten, die Agrarrohstoffe handeln, tun ihr Übriges zur Preismanipulation. Wenn man noch berücksichtigt, dass beim ganzen Soft Commodities-Markt auf den Finanzmärkten nur 10 Prozent dafür verwendet wer­den, um tatsächlich Produktion abzusichern, und der Rest reine Finanzspekulation ist, kann man sich vorstellen, was hier preismanipulativ möglich ist.

Auch die den Bauern vor- und nachgelagerten Industrien zeigen starke monopolisti­sche Züge und Versuche der Wettbewerbsausschaltung. Ich spreche jetzt zum Beispiel den ganzen Saatgutbereich, die Saatgutindustrie an, wo die Bauern gezwungen wer­den, nicht mehr vermehrbares Hybridsaatgut aufzukaufen. Jahrhundertelang hat der Bauer geerntet, hat 10 Prozent seiner Ernte eingelagert und damit wieder im nächsten Jahr angebaut. Hier entsteht eine Abhängigkeit von der Saatgutindustrie. Da wäre et­was zu tun, da müssen wir nachdenken.

Auch die chemische Industrie koppelt ihre chemischen Pflanzenschutzspritzmittel an die Hybridsorten. Das heißt, diese Biozide, diese Pestizide müssen die Bauern auch abnehmen.

Und auch der Lebensmittelhandel versucht immer wieder, mit Preisabsprachen Mono­polgewinne abzuschöpfen. Da entsteht eine Einkaufsmonopolmacht. Überall, wo Mo­nopole sind, wo sich Kartelle bilden, dort haben wir Marktversagen und müsste der Staat, sprich auch wir Politiker, regulativ eingreifen.

Wir haben die Verfügungsgewalt über die Gestaltung des Landwirtschaftssektors weit­gehend der EU übertragen. Dort haben sich Lobbys der Agrar- und Lebensmittelindus-


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