BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 95

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Präsidentin Sonja Zwazl: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, man kann „ich“ auch im Plural verwenden.

Herr Minister Kurz hat sich noch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.33.48

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrter Herr Gerald Zelina, vielen Dank für den positiven Abschluss (allgemeine Heiterkeit) und vie­len Dank für die Zustimmung.

Zu dem vorher Gesagten muss ich doch das eine oder andere sagen, ich darf nur viel­leicht der Reihe nach vorgehen und zunächst mit Efgani Dönmez beginnen. Du hast die Frage aufgeworfen: Wie ehrlich kann man Außenpolitik betreiben aufgrund der zahl­reichen wirtschaftlichen Interessen?

Ich sehe da keinen Widerspruch, sondern ganz im Gegenteil: Unsere Aufgabe ist es, un­sere Werthaltungen und unsere Interessen im Ausland zu vertreten. Wenn ich mir insbesondere die Grundhaltung unserer Wirtschaft anschaue, dann ist sie oftmals nicht im Widerspruch zu unseren Werten, sondern ganz im Gegenteil. Unsere Wirtschaft, und ich merke das bei all meinen Kontakten im Ausland, hat ein Interesse an Stabilität, hat ein Interesse an einem ordentlichen Rechtssystem, das Menschenrechte achtet, hat ein Interesse an einer stabilen Verwaltung, an einem Kampf gegen Korruption und an Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen. Insofern sind unsere Werte und unsere Interes­sen meistens miteinander einhergehend. Insofern, glaube ich, sollte man diesen ver­suchten Widerspruch auch gar nicht unbedingt künstlich kreieren.

Du hast des Weiteren die Situation in der Türkei angesprochen. Ich teile da in vielen Bereichen deine Einschätzung. Wir haben nach Jahren der positiven Entwicklung, auch eines massiven Wirtschaftswachstums in der Türkei, zugegebenermaßen natür­lich unter Erdoğan, mittlerweile in den letzten Jahren eine Negativentwicklung; insbe­sondere im Bereich der Menschenrechte, insbesondere im Bereich der Medienfreiheit, aber auch weit darüber hinaus. Wir spüren auch eine zunehmend ablehnende Haltung gegenüber Europa.

Insofern ist meiner Meinung nach das Regierungsprogramm, das wir uns in Österreich selbst als Regierung gegeben haben, nach wie vor genau der richtige Weg, nämlich zu sagen, ein Beitritt kann niemals ein selbstverständliches Ergebnis von Verhandlungen sein, sondern es bräuchte zumindest zuvor eine Volksabstimmung darüber in Öster­reich. Und dass wir mittlerweile von dieser Perspektive weiter entfernt sind, als wir schon einmal waren, das teile ich auf jeden Fall.

Die Einschätzung zu der Meinung in den Bevölkerungen, glaube ich, ist auch eine rich­tige. Dass es trotzdem einen Kontakt zur Türkei braucht, dass wir uns trotzdem mit den Themen Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und vieles mehr in der Türkei auseinan­dersetzen sollten, das glaube ich auch. Und dass grüne Kollegen von dir sagen, genau deshalb sollten wir die Beitrittsverhandlungen weiterführen, das mag ein legitimes Ar­gument sein. Es gibt auch die gegenteilige Ansicht, nämlich dass es nicht unbedingt sinnvoll sein kann, wenn Erdoğan ständig ein Schäuflein nachlegt, trotzdem immer weiter Kapitel zu eröffnen. Ich glaube aber, beides ist argumentierbar, die eine Linie wird vor allem von deinen grünen Kollegen im Parlament argumentiert.

Susanne Kurz, aber auch Gerald Zelina haben die Situation in Russland angespro­chen. Ich darf vielleicht, bevor ich einen Bericht über meine Erfahrungen aus den letz­ten Tagen gebe, noch ganz kurz auf das von Gerald Zelina Angesprochene eingehen. Dass Grenzverschiebungen etwas ganz Normales sind – also das kommt ein bisschen auf das Jahrhundert an, über das wir sprechen. Insbesondere wenn dann Beispiele angeführt werden wie Hitlers Angriffe oder Überfälle auf andere Staaten, dann, glaube


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