BundesratStenographisches Protokoll845. Sitzung / Seite 49

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gerade mit zwei anderen Mädchen auf einem Teppich. Ich habe die Pädagogin gefragt, wie sich denn auch die Beziehung zur Familie von der kleinen Aylin gestaltet, und sie hat mir erzählt, dass es abseits von sprachlichen Schwierigkeiten gelungen ist, bei einem Elternabend, der in der vergangenen Woche stattgefunden hat, die Eltern von Aylin und die Eltern der anderen Kinder zusammenzubringen. Sie hat von einer über­wäl­tigenden Bereitschaft aller Familien erzählt, diese neue Familie zu begleiten und in diese Gemeinschaft aufzunehmen.

Ich denke mir, das, was hier in einem Kindergarten passiert, ist beispielhaft. Einige von uns hier im Raum könnten sich eine Scheibe davon abschneiden, weil hier nämlich Herausforderungen einfach gelöst werden, anstatt sie ständig zu problematisieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mayer.)

Das, was ich hier im Kleinen in einem Kindergarten erleben durfte, bestätigt sich bereits den ganzen Sommer durch meine Erfahrung. Bei allen Aktivitäten, an denen ich diesen Sommer teilnehmen durfte, ob das in Traiskirchen war, ob das in Erdberg war, ob das am Westbahnhof war, überall dort, wo ÖsterreicherInnen und Flüchtlinge direkt in Kontakt miteinander kommen – Marco Schreuder hat das ganz richtig vorhin schon gesagt –, entsteht Begegnung, entsteht Kontakt und entstehen Beziehungen. Dann geht es plötzlich um eine Mensch-zu-Mensch-Situation, und dann sind plötzlich nebulose Vorurteile, Ängste und Barrieren weg, weil sie plötzlich keinen Sinn mehr ergeben.

Das, was bei den Kindern innerhalb von Sekunden gelingt, gelingt dann bei uns Erwachsenen mit etwas Verzögerung, aber es gelingt, es entsteht ein Kontakt und es wird ein Mensch gesehen. Wir wissen das wirklich schon sehr lange; dort, wo sich die Bevölkerung durchmischt, und dort, wo diese Begegnung stattfindet, sind die Beden­ken um einiges weniger als dort, wo man nie in einen Kontakt mit anderen gekommen ist.

Warum erzähle ich das? – Weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Aufnahme der Flüchtlinge, die derzeit nach Österreich kommen, nur dann gelingen kann, und zwar nachhaltig gelingen kann, wenn es die Möglichkeit gibt, dass sich diese Men­schen persönlich begegnen. Überall, in ganz Österreich, gibt es Vereine, NGOs, soziale Netzwerke, die das Potenzial haben, diesen neuen Familien, unseren neuen MitbewohnerInnen, in den Gemeinden bei diesem Zurechtfinden – im Kindergarten würde man sagen: bei der Eingewöhnung – zur Seite zu stehen und sie dabei zu begleiten.

Der Staat und die Regierung sind gefordert, diese Menschen, die neu zu uns kommen, gerecht zu verteilen und gemeinsam zu schauen, dass es menschenwürdige Unter­künfte gibt. Dafür beschließen wir heute hoffentlich dieses Gesetz.

Alles andere wird sich – davon bin ich überzeugt – vor Ort ergeben, und die Menschen werden vor Ort zusammenhalten und das alles bewältigen können. Natürlich sind alle Ebenen unseres Staates aufgefordert, dann bei den zusätzlichen Themen – wie Schul­plätze finden et cetera – zusammenzuhelfen. In dieser überschaubaren Größenord­nung, wie es in diesem Gesetz vorgeschlagen wird, wird es den Gemeinden aber gelingen.

Dass dieses Gesetz heute hoffentlich kommen wird, ist höchst an der Zeit. Wir warten schon viel zu lange, und viel zu viele Nächte haben Flüchtlinge – es waren Hunderte Kinder und Familien, derzeit sind es 1 700 – in Zelten übernachten müssen. Wir alle merken, dass es draußen kalt wird. Es wird verdammt kalt; und wen das kalt lässt, dass Menschen jetzt in Zelten schlafen müssen, dem möchte ich keine politische Verantwortung zutrauen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

 


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