BundesratStenographisches Protokoll847. Sitzung / Seite 9

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lungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein/e Redner/in der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zu­letzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfol­gen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schödinger. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


9.09.32

Bundesrat Gerhard Schödinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Liebe Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Europa, eine Wertegemein­schaft, die EU die praktisch Umsetzung – oder doch nicht?

Wir stehen in der EU und damit auch in Europa vor einer humanitären Herausforde­rung, die es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gab. Der Gründungsgedanke liegt in der menschenverachtenden Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, und die Veran­twortung dafür ist auch heute unvergessen. Wir als Republik Österreich haben schon viele Krisen in unseren Nachbarländern miterlebt, wobei alle diese Ereignisse Flücht­lingsströme in unser Land ausgelöst haben: Ungarn, Tschechoslowakei, Polen, Jugo­slawien, Tschetschenien und nicht zu vergessen die Vertreibungen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.

Wir haben diese humanitären Prüfungen alle gemeistert. Viele Flüchtlinge sind bei uns geblieben und sind heute fleißige Mitbürger, anständige Staatsbürger, liebe Nachbarn, die mithalfen und mithelfen, unseren Wohlstand zu erhalten und gemeinsam unsere Werte hochzuhalten.

Ich will das auch mit Zahlen untermauern: Es befanden sich kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1,4 Millionen Vertriebene in Österreich. Im Jahre 1956 kamen 180 000 Un­garn. Zum Beispiel kamen am 4. November 1956 am Bahnhof in Eisenstadt 5 000 Flücht­linge an einem Tag an. 1968 waren es 162 000 Flüchtlinge, 1991/1992 90 000 Flücht­linge. Zusammengefasst waren es zirka 2 Millionen Menschen, die nach 1945 nach Ös­terreich kamen, und zirka ein Drittel blieb in unserem Land.

Die derzeitige Flüchtlingswelle stellt aber alles bisher Dagewesene in den Schatten und unser Land vor eine humanitäre Herausforderung, die die menschliche Leistungsfähig­keit eines jeden einzelnen Staatsbürgers aufs Äußerste fordert. – So weit, so klar.

Aber wir haben auch in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung in Europa erlebt, die gezeigt hat, dass wir fähig sind, aus unserer Geschichte zu lernen, und die einzelnen Nationalstaaten haben begonnen, zusammenzurücken und staatsegoistische Strate­gien zugunsten eines großen Gemeinsamen zurückzustellen. Die heutige EU und ihre Vorläufer haben uns zu einem nie dagewesenen materiellen Wohlstand verholfen, des­sen Grundlage der Friede in Europa ist.

Wir waren auch immer der Meinung, dass wir gemeinsam mit diesem wirtschaftlichen Erfolg auch unsere Werte in der nun 28 Staaten umfassenden EU tief verankert hätten. Die Flüchtlingsströme im Jahr 2015 verbliesen diese scheinbar heile humanitäre Welt wie der Wind den Nebel, und die vermeintlich besiegten nationalen Staatsegoismen feierten in vielen Staaten Europas die politische Wiederbelebung.

Über 500 000 Flüchtlinge haben in diesem Jahr bereits Österreich durchquert. Darüber hinaus erwarten wir für 2015 90 000 bis 95 000 Asylanträge. Wir haben mit Stand 4. No­vember 63 000 Asylwerber in der Grundversorgung, und täglich werden mehr Asyl­anträge gestellt, als neue Plätze geschaffen werden. Täglich kommen zirka 500 bis 610 Asylwerber hinzu. Für das Jahr 2016 gehen wir nach heutiger Schätzung von mehr


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