BundesratStenographisches Protokoll849. Sitzung / Seite 135

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dieses Fehlers auch beurteilt, verurteilt, abgeurteilt wird, aber wenn jemand das zum ersten Mal macht, hat es wenig Sinn, wenn man ihm dann sofort mit der Härte des Gesetzes erklärt: Jetzt verstecken wir dich die nächsten fünf Jahre in einer Haftanstalt, weil du einmal gefehlt hast. Das ist das, was nicht Sinn und Zweck der Übung ist.

Wir müssen auch dahin kommen, dass wir den Jugendlichen, aber auch den erwach­senen Straftätern klarmachen: Das Primäre ist die Schadensgutmachung. Das kann man halt meistens nur dann in voller Breite machen, wenn man nicht in einem Gefängnis sitzt, sondern – möglicherweise auch begleitet – draußen bei einer ent­sprechen­den Betreuung, sei es betreutes Wohnen oder eben eine Sozialkonferenz, wo man erfährt, dass es unrecht war, was man getan hat, und die Möglichkeit erhält, es wiedergutzumachen.

Daher, glaube ich, ist eines unstrittig – und da brauche ich nicht allzu viel empirische Untersuchungen –: Die U-Haft für einen Jugendlichen muss wirklich das alleräußerste und allerletzte Mittel sein, das ohnehin nicht verhängt werden soll, wenn jemand das erste Mal straffällig geworden ist.

Klar ist auch: Mit dieser Novelle beschließen wir nicht, Michael Raml, dass ein jugendlicher Straftäter nicht mehr verurteilt wird, sondern es wird in der Anbahnung des Verfahrens versucht, ihm zu erklären, dass er Unrecht getan hat. Das, zusammen mit einer ordentlich geführten Hauptverhandlung, kann schon dazu führen, dass wir ein Ziel erreichen, das wir durch U-Haft oder Haft mit Sicherheit nicht erreichen. Daher werden wir dem Antrag zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

16.48


Vizepräsident Mag. Ernst Gödl: Bevor ich den nächsten Redner zum Rednerpult bitte, darf ich unter uns den Herrn Präsidenten des Bundesrates außer Dienst Profes­sor Dr. Herbert Schambeck begrüßen. – Herzlich willkommen im Plenum! (Allgemeiner Beifall.)

Für alle, die es nicht wissen sollten: Professor Schambeck war 22 Jahre lang Präsident und Vizepräsident dieser Kammer.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


16.49.12

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister Brandstetter, ich nehme an, Sie freuen sich, auch heute wieder hier bei uns zu sein. Sie sind zumindest der Minister, der das am deutlichsten zum Ausdruck bringt.

Genau vor 96 Jahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat die Provisorische National­ver­sammlung bei der Schaffung der Republik den Beschluss gefasst, dass wir ein Jugendstrafgesetz brauchen, denn junge Menschen sind keine erwachsenen Men­schen. Wenn heute der junge Erstredner hier Ideen von sich gibt, dann muss ich sagen: Die Provisorische Nationalversammlung von 1919 war im Geiste viel jünger und viel moderner als heute ein Redner im Jahr 2015. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

1919 wurde etwas in der österreichischen Provisorischen Nationalversammlung be­schlossen, was weltweit einmalig war: die Schaffung eines eigenen Jugendgerichts­hofs, der am 1. Jänner 1929 im 3. Bezirk verwirklicht wurde.

Europäische Städte und Staaten haben es nachgemacht, selbst Tokio, genau nach dem Wiener Modell. Dieser Jugendgerichtshof hat bis zum 1. Jänner 2003 existiert, und dann hatte er Pech, da kam nämlich ein freiheitlicher Justizminister, und der hat


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