BundesratStenographisches Protokoll850. Sitzung / Seite 158

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18.01.43

Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich richtig, dass es nicht vorkommen sollte, dass ein Antrag acht Jahre lang irgendwo liegt und nicht behandelt wird. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das ist zu lange!) Kollegin Mühlwerth, ich bedaure natürlich, dass du nicht auch ein bisschen mehr auf den Inhalt eingegangen bist. Ich werde das jetzt durchaus machen, da es ja um ein Thema geht – das ist schon richtig –, das uns auch heute noch beschäftigt.

Klar ist, dass Zwangsverheiratung zwar mit kulturellen Traditionen in Zusammenhang steht, dass sie aber in unterschiedlichen religiösen und ethnischen Gruppen vorkommt. Zwangsheirat überschreitet die Grenzen von Schichten und Kasten und betrifft reiche Familien und arme Familien gleichermaßen. Es geht zumeist um kulturelle Wertvorstel­lungen, um patriarchalische Machtverhältnisse, aber auch oft um wirtschaftliche oder ethnische Gründe. Nicht die Religion ist es, darauf lege ich Wert, sondern die Tradition, sie setzt Zwangsverheiratung und arrangierte Ehen als Machtmittel ein und verfestigt sich dadurch.

Zwangsheirat – und darunter verstehen wir die Eheschließung, bei der eine Ehepart­nerin beziehungsweise ein Ehepartner oder beide durch massiven Druck, Androhung oder Anwendung von Gewalt zur Zustimmung bewegt werden – ist eindeutig eine Menschenrechtsverletzung und stellt einen massiven Verstoß gegen Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO dar, der ja festlegt, dass eine Ehe nur aufgrund der freien und uneingeschränkten Willenseinigung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden darf.

Um Bedrohte und Betroffene besser zu schützen, wurden ja in Österreich einige Maß­nahmen, auch rechtliche, ergriffen, auf die letzte ist mein Kollege Mayer schon einge­gan­gen. In der Zwischenzeit, seit diesem Antrag, hat es ja auch die Novelle des Nie­derlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2009 gegeben. Seit dieser Zeit erhalten Opfer von Zwangsehen oder Zwangspartnerschaften ein eigenes, eigenständiges Aufent­halts- und Niederlassungsrecht, und mit der Strafrechtsnovelle 2011 ist die Zwangsehe unabhängig vom Tatort strafbar.

Auf die letzte Novelle 2015 ist mein Kollege auch schon eingegangen. Zwangsheirat ist jetzt ein eigener Tatbestand im Strafgesetzbuch, und ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass dort festgeschrieben wurde, dass auch die Drohung mit dem Abbruch oder Entzug der familiären Kontakte als Nötigung anzusehen ist. Obwohl nun Zwangs­heirat eine Straftat ist, bei der eine Verurteilung zu bis zu fünf Jahren Haft droht, schätzen ExpertInnen und Vereine, dass es in Österreich nicht nur die von der Kollegin Mühlwerth angesprochenen 30 bis 50 Betroffenen gibt, sondern dass es jährlich in etwa 200 Mädchen und junge Frauen in Österreich gibt, die von Zwangsheirat betroffen sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich hab’ das vom Verein …!)

Dabei handelt es sich meistens um Mädchen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die bereits in zweiter oder dritter Generation hier leben. Aber es gibt auch Mädchen, die aus dem Heimatland einem in Österreich lebenden Mann zugesprochen werden. Die sind auch besonders davon betroffen, da sie meist ohne Ausbildung, ohne Deutschkenntnisse in einem fremden Land leben müssen und die Abhängigkeit natürlich dann besonders groß ist. Es geht in den meisten Fällen um Frauen, aber es geht durchaus auch um junge Männer, die von ihren Eltern ungewollt verheiratet werden. Meist ist aber der Spielraum der Männer in diesen Familien doch um einiges größer als der von Mädchen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, im Regierungsprogramm 2008 bis 2013 wurde ja schon festgelegt, dass es Betreuungsmaßnahmen geben soll, insbesondere Notwoh-


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