BundesratStenographisches Protokoll853. Sitzung / Seite 28

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führung von Mag. Bernhard Rinner gerade Gedanken über die Frage: Wie geht man damit um, dass sich auch das Publikum an sich sehr stark verändert? Es ist nämlich irgendwie zu bemerken, und das sagt auch eine Studie aus, dass das klassische Bildungsbürgertum – das aufgebaut ist auf einem humanistisch geprägten Bildungs­ideal mit einem klar abgegrenzten Kanon aus klassischen Formaten der Hochkultur im Bereich Literatur, Musik, bildender Kunst et cetera – in Summe gesehen auf dem Rückzug ist und das Bildungsbürgertum heute nicht mehr so eindeutig definiert werden kann, wie es einst war.

Was meine ich damit? – Das Bildungsbürgertum zerfranst quasi, und der Journalist Ulf Poschardt, ehemaliger Chefredakteur von „Vanity Fair“, hat vor einigen Jahren quasi als Gegenpol zum Begriff des Bildungsbürgers, oder als Weiterentwicklung von die­sem, den Begriff des Geschmacksbürgers geprägt. Er hat das recht anschaulich gegenübergestellt, deswegen möchte ich hier die Gelegenheit nutzen – auch wenn das Licht auf dem Rednerpult schon leuchtet –, diese neue Stilrichtung des Bürgers auch ein bisschen zu beschreiben.

Die Bildungsbürger hat er so beschrieben: Sie konsumieren Kunst, weil es von ihrer Identität und dem dazugehörigen Bildungskanon vorgegeben ist. Übertrieben kultur­interes­siert, bauen sie Sprach- und Bildungsbarrieren auf, um ihren Status zu sichern. Motto: Lernen aus der Vergangenheit. – Die Geschmacksbürger konsumieren Kunst, wenn es ihr individuelles Identitätsprojekt unterstützt. Sie kaufen nicht ein, sie wählen vielmehr aus; auf diese Art und Weise kuratieren sie ihren Lebensstil. Motto: Man gönnt sich ja sonst auch alles.

Die folgenden sichtbaren Merkmale unterscheiden Bildungsbürger und Geschmacks­bürger. Bildungsbürger: die Bibliothek zu Hause, gefühlte intellektuelle Überlegenheit, das Oper- und Theaterabonnement und ein hohes Standesbewusstsein. Die sichtbaren Merkmale des Geschmackbürgers: die Designerküche, hoher ästhetischer Anspruch, der persönlich bekannte Starwinzer, Stararchitekt, Starkoch. (Bundesrat Mayer: Und voller Kühlschrank!) – Voller Kühlschrank vielleicht auch, ja.

Also diese Neudefinition ist ganz interessant, und einhergehend damit auch die Frage: Wie wird in Zukunft Kunst vermittelt? – Der Opernchef von Lyon Serge Dorny hat, als positives Beispiel, bei der Oper in Lyon – ich komme schon zum Schluss – im Rahmen seines Ensembles vier Pädagogen angestellt, um etwa Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen aktiv bei der Kulturvermittlung zu unterstützen, weil einfach sichtbar wird, dass in dieser neuen Zeit der Digitalisierung, in dieser Multioptionsgesellschaft, gerade auch der Kulturvermittlung für den Kulturerfolg eine besondere Bedeutung zukommt.

Daher möchte ich Sie fragen, Herr Minister, im Lichte dessen, was ich jetzt ausgeführt habe: Welche Strategien der Kunst- und Kulturvermittlung verfolgen Sie gerade, ange­sichts dessen, dass die Zugänge und die Ansprüche des Publikums heute durchaus sehr stark in Veränderung begriffen sind? Ob Bildungsbürger oder Geschmacksbürger, das Publikum und der Konsument sind wählerischer denn je.

In diesem Sinne danke auch für Ihre Arbeit, aber vielleicht können Sie noch eine kurze Replik auf die Frage, wie Kulturvermittlung in Ihrem Sinne auch in Zukunft betrieben werden soll, geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

10.03


Präsident Josef Saller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


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