BundesratStenographisches Protokoll855. Sitzung / Seite 126

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Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kern. – Bitte.

 


16.01.52

Bundesrätin Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute über den Jahresbericht 2015 des ORF diskutieren, dann möchte ich nicht nur über die wirtschaftlichen Zahlen sprechen. Auch wenn wir keine Programmgestalter sind, erlauben Sie mir ein paar inhaltliche Worte.

Die wirtschaftlichen Zahlen zeigen ein durchaus gutes Ergebnis. Trotz oder gerade wegen herausfordernder Großereignisse wie dem Eurovision Song Contest hat der ORF ein positives Geschäftsergebnis eingefahren. Die Umsätze sind weiter leicht angestiegen, und die Marktanteile sind stabil. Auch aufseiten der ORF-Radios zeigt sich eine grundsätzlich stabile Entwicklung. Außerdem haben monatlich 879 000 Nut­zer die Angebote der TVthek genutzt, jeden Monat wurden durchschnittlich 20,4 Mil­lionen Videos abgerufen. Auch die Internetseite „ORF.at“ hat im Monat durchschnittlich 66 Millionen Besuche. Da zeigt sich, dass der ORF auch auf die mobile Nutzung seiner Angebote großen Wert legt.

Wir sehen einen durchaus herzeigbaren Jahresbericht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, jedes Jahr diskutieren wir hier im Bundesrat über den ORF. Und jedes Jahr – und da gebe ich dem Kollegen Raml recht – weisen wir darauf hin, dass nur ausgewählte Sitzungen des Bundesrates auf ORF III übertragen werden. Es kann nicht sein, dass ein ORF-Generaldirektor darüber entscheiden darf, welche Sitzungen des Parlaments er übertragen will und welche nicht. (Zwischenrufe der Bundesräte Schennach und Mühlwerth.)

Sehr geehrter Herr Minister! Der Spartensender ORF III wurde als Kultur- und Infor­mationskanal konzipiert. Ich bitte Sie als zuständigen Minister: Setzen Sie sich dafür ein, dass die Sitzungen der Länderkammer mindestens denselben Stellenwert im ORF-Programm bekommen wie die Sitzungen des Nationalrats! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Lassen Sie mich auch noch ein paar Worte zur bevorstehenden Wahl des ORF-Generaldirektors sagen: Mit heutigem Stand gibt es zwei Bewerber für diese Position, das halte ich für gut und wichtig. Es braucht einen Wettbewerb der besten Konzepte. Es braucht Konzepte für die Zukunft. Auch der ORF muss sich mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen. Der ORF muss sich die Frage stellen, wie er – besonders in Zeiten, in denen Facebook, Twitter und Co die wichtigen Informationslieferanten sind – den Platz zurückgewinnt.

Mit der „ZIB100“ wurden erste erfolgreiche Schritte zur Modernisierung der Informa­tionskanäle gesetzt. Aber ich sage ganz klar: Es darf zu keiner Reduzierung von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Themen und Sendungen kom­men. Von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwarte ich mir mehr. Ich erwarte mir mehr politische Diskussionen, auch im Hauptabendprogramm. Ich erwarte mir nicht, dass immer mehr Polit-Entertainment-Formate geschaffen werden. Der politische Diskurs darf nicht zur reinen Show verkommen.

Der neue ORF-Generaldirektor muss klar Position beziehen, wenn es um das Thema Soloauftritt eines Bundeskanzlers in einer Diskussionssendung geht; auch da bin ich durchaus beim Kollegen Raml. Hier hat der ORF – auch für einen Bundeskanzler – andere Formate, wie zum Beispiel die „Pressestunde“. Man hat ja durchaus den Eindruck bekommen, dass der ORF ein Bestellfernsehen geworden ist. Das darf der ORF nicht sein, das soll der ORF nicht sein (Bundesrat Schennach: Das muss man dem Erwin Pröll einmal sagen!), und das hat er auch nicht notwendig. (Heiterkeit. –


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