BundesratStenographisches Protokoll858. Sitzung / Seite 54

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Richterinnen und Richter überhaupt im Amt bleiben sollen. Es gibt international beim EGMR ganz andere Regelungen als bei uns. Da gibt es die Altersgrenze von 70 Jahren nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden aufgrund dieser Causa dem Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofs nicht zustimmen und erhoffen uns, dass dieser traurige Vorfall endlich Konsequenzen zeitigt. (Beifall bei der FPÖ.)

12.14


Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


12.14.38

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute die beiden Tätigkeitsberichte 2015 des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs.

Ich werde dann in der Folge noch zu diesen beiden Berichten kommen, möchte jedoch aus gegebenem Anlass einige einleitende Bemerkungen zum Judikat des VfGH betreffend die Wiederholung der Stichwahl der Bundespräsidentenwahl sowie zu den Vorgängen in der jüngsten Vergangenheit im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit voranstellen.

Das Judikat des VfGH, von Herrn Präsidenten Holzinger am 1. Juli mündlich ver­kündet, ist wohl eines jener Urteile in der Geschichte des VfGH, die am häufigsten thematisiert und zum Gegenstand von wissenschaftlichen, politischen und öffentlichen Debatten wurden.

Der VfGH hat sich dabei auf eine vor rund 90 Jahren begründete Rechtsprechung berufen, obwohl der VfGH selbst festgestellt hat, dass es zu keinen Manipulationen im Ergebnis gekommen ist. Dies hat zu Irritationen in der öffentlichen Diskussion geführt, warum nämlich eine Wahl aufgehoben wird, obwohl keine Manipulationen nachweisbar waren.

Grundlage dafür ist die strenge Rechtsprechung des VfGH im Wahlverfahren, wonach schon Rechtsverletzungen auch ohne Manipulation zu einer Aufhebung führen können, wenn diese Auswirkungen auf das Ergebnis auch nur hätten haben können – ein Vorgang, der Statistiker und Mathematiker auf den Plan rief.

Die meisten kamen zum Ergebnis, dass bei diesem Sachverhalt nach statistischen Methoden keinerlei Beeinflussung auf das Wahlergebnis abgeleitet werden könne. Damit hat das Dilemma begonnen. Obwohl eine heftige Diskussion aufkam, verbunden mit heftiger Kritik am Erkenntnis des VfGH, aber auch an seinem Präsidenten oder anderen Richtern, wurde in der Öffentlichkeit dazu nicht Stellung genommen.

Vorige Woche hat ein Mitglied des VfGH das überraschend in der Öffentlichkeit getan und in diesem Zusammenhang auch ergänzende Bemerkungen fallen gelassen, wohl weniger im Zusammenhang mit der Verteidigung der Judikatur des VfGH durch ein Mitglied des VfGH. Die ergänzenden Bemerkungen waren vielmehr wieder Anlass zu heftiger politischer Diskussion, verbunden mit persönlichen Angriffen gegen dieses Mitglied des VfGH.

Ich möchte nichts herunterspielen oder deeskalieren, aber die Aussage des einen Richters allein zum Anlass für generelle Diskussionen zu nehmen, erscheint mir unernst und oberflächlich. Vielmehr müsste man sich fragen, ob nicht das System verbesserungswürdig ist, insbesondere was die Transparenz des Handelns von Höchstrichtern betrifft.

 


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