BundesratStenographisches Protokoll859. Sitzung / Seite 48

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schätzen: Deutschland, Schweiz, Italien, Spanien, Österreich. Und da lernt man dann, dass Föderalismus für andere Staaten ein extrem gefährliches Wort ist, indem man dann ganz schnell auf das Wort Dezentralisierung schwenkt. Und ich glaube, das, was wir hier machen und was alle Zweiten Kammern in Europa vorbildlich machen und nahezu eine neue Qualität ihrer Arbeit ist, ist genau dieser innereuropäische Föde­ralismus, den wir hier durch die Subsidiarität, durch die Verhältnismäßigkeitsprüfungen leben.

Mein Kollege Edgar Mayer hat es schon gesagt: Sie sind hier beim Europameister zu Gast, und ich hoffe, dass auch die Zahlen von 2015 dem EU-Ausschuss des Bundes­rates diese Position wieder einräumen. Das heißt, das ist eine unserer ganz wichtigen Tätigkeiten. Wenn wir schauen, wer in diesem Ranking aller ganz vorne ist – House of Lords, tschechischer Senat, italienischer Senat –, dann zeigt das, dass wir etwas können, nämlich Subsidiarität und Föderalismus zu leben. Und Föderalismus und Subsidiarität sind Dinge, die der Europäischen Union sehr guttun.

Was allerdings dazukommt, ist, dass sich die Europäische Union mehr denn je be­wusst sein muss, dass auch eine große Zukunftsfrage die großen Ballungsräume sind. Erstmals mit der Mobilitätsrichtlinie vor, glaube ich, zwei Jahren hat die Kom­mission diese großen Ballungsräume als Motor der Entwicklung anerkannt. Egal, ob es jetzt um die Ballungsräume um Paris, um Wien oder um Barcelona geht – Barcelona ist übri­gens ein ganz ausgezeichnetes Beispiel dafür –, da passiert mehr als in manchen Nationalstaaten; und deshalb muss – das ist ja wieder ein Thema von Ihnen – genau da auch ein neuer Fokus geschaffen werden. Insgesamt erkenne ich für die Zukunft der Europäischen Union weniger den Rat und weniger die Nationalstaaten, sondern mehr die Regionen als wichtig.

Kommen wir zu dem, was Sie ganz am Beginn angeschnitten haben: Wir haben gestern ein gemischtes Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Irak verabschiedet. Wir haben das sehr gerne gemacht und hören, dass in diesem Programm auch der Ausbau der Demokratie drinnen ist. Ist das eine Schande, wenn nun eine Teilregion Europas Nein zu einem Abkommen sagt? – Nein! Das ist nämlich genau jene gelebte Demokratie, die wir uns eigentlich erwarten. Wenn wir gemischte Abkommen haben, dann sind das ja nicht Durchwinkpositionen durch alle Parlamente.

Auch wenn Kollege Edgar Mayer in diesem Fall, zu CETA, eine andere Meinung vertritt als ich, möchte ich schon darauf hinweisen, dass es der EU-Ausschuss des öster­reichischen Bundesrates war, der vor fünf Jahren die erste kritische Stellungnahme zu diesem sogenannten Wirtschaftsabkommen – es ist ja nur zu 10 Prozent ein Wirt­schaftsabkommen – beschlossen hat. Und die Europäische Union wäre gut beraten, mehr auf die Diskussionen ihrer nationalen Parlamente zu hören – bei CETA war seit fünf Jahren klar, dass das in der Form in Europa gegen eine Mehrheit der Bevölkerung ist, vor allem in der Koppelung mit TTIP – und sich im Klaren darüber zu sein, dass man ein Regionalparlament nicht einem solchen Druck aussetzen kann und es unangebracht ist, dabei von einer Schande zu sprechen. (Bundesrat Mayer: Das habe ich nicht gesagt!) – Nein, nein, ich habe nicht von dir gesprochen.

Das ist Demokratie. Wir werden sehen, wie das weitergeht. Es wird auch Demokratie sein, wie sich nach diesem unglücklichen Brexit-Referendum die Färöer, Schottland oder Nordirland verhalten. Das könnte und wird wahrscheinlich den Zusammenhalt des Vereinigten Königreiches schwer infrage stellen.

Was allerdings nicht unter Föderalismus verstanden werden kann, ist, dass wir sogenannte Steuerparadiese innerhalb Europas aufrechterhalten, Steuerparadiese, in denen legales oder illegales Geld der Besteuerung entzogen wird – das ist nämlich


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